Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 16, 1894, Page 6, Image 6

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    6 Oa» Alot im Volksglauben.
I. »»>»»-!?.
Als das deutsche Volk zu Anfang
des Jahrhunderts sich wieder aus sich
selbst und sein« eigenartigen Schätze
in Sage, Lied und Sitte besann, da
spürte man auch dem sogenannten
Aberglauben wieder nach und längst
hat man ihn jetzt als ein Produkt des
selben Volksgeistes würdigen lernen,
aus dem Volkspoesie ent
strömte. Awhl haben die Jahrhun
derte auch hier viel Schutt abgesetzt
und manche Formen, Vorstellungen
und Gebräuche dieses Aberglaubens
sind uns theils unverständlich gewor
den, theils erscheinen sie uns kindisch
und thöricht. Man denke aber darum
doch nicht allzu gering von dem Volks
glaube«. Er gleicht einem Gewebe, in
welchem die Reste heidnischer Natur
religion in Zusammenhang mit Stof
fen deL christlichen Glaubens sich wie
Aufzug, Einschlag und Beigang ver
halten. Dein, Boden altgermanischen
VolisthumS entsprossen war er unter
dem reinigenden, belebenden, vertiefen
den Einflüsse des Christenthums fröh
lich gediehe». Dieser Vermählung des
ZLollsthums mit dem Christenthum
entsvrang der in niedersächsisches Blut
und Lebe» getauchte Heliand, der
treucste Spv.gel deutscher Volksart,
und ebenso das Redentiner Spiel, die
vollkommenste und schönst« Blüthe aller
deutschen Osterdramen im Mittelalter.
Auch der Volksglaube wurzelt in den
tiefen Gründen des Volkslhums, nur
dadurch vermochte er allen Stürmen zu
widersteh?». Volksglaube und Volks
sitte sind Mächte, die durch keine Kul
tur überwunden werden können, wäh
rend ihre Geschichte oft genug bezeugt,
daß sich Alles vor ihnen beugen mußte.
Sie halten die Seele der Jugend in
steter Verbindung mit der Volksseele.
Aus den Schätzen dieser eigenartigen,
in sich abgeschlossenen und in ihrer Art
unersetzbaren Kultur greisen wir ein
sein nennt, und wie er seine Schätze
seit Jahrhunderten sich treu bewahrt
hat: das tägliche Brot.
Die Arbeit am Korn und um's
Brot bildet den Hauptinhalt des dörf
lichen Lekns. So schließen denn auch
die einzelnenZüg« des Lebens iy, Glau
dem Abendläuten alle aufhören. Jede
Gemeinde hatte vor dem Anmähen drei
Aehren auf das Amt zu bringen. Bei
dem ersten Hieb mit der Sense aber
pflegte sagen: "So, nu Help
Gott!" Während der Ernte wurde
einKranzbier, nach derselben ein Ernte
bier gelben. Dabei brachten die
Schnitter und Schnitterinnen ihrer
Herrschaft einen Kranz aus den ver
schiedenen Getreidearten, mit Laub,
Blumen und bunten Bändern verziert.
Eine der Trägerinnen sprach dabei ih
ren Spruch. Solcher Erntesprüchi
sind uns viele erhalten. In einem
heißt es :
„Dieser Kranz ist von Blumen und
Blätter,
der liebe Gott hat uns gegeben gut
Wetter,
wieder was.
Der liebe Gott gibt seinen Segen,
daß Sie mit uns in Frieden leben."
chender Brauch. Am Rand,? des Fcl
für die Armen, wie es jetzt heißt, ur
sprünglich aber sür Wodans Roß. In
stellten sie sich mit entblößten Häuptern
in einen Kreis, richteten ihn Sense»
aufwärts und sangen :
hal dinem Rosse un Disteln un Durn
„Wode, Wode,
hal diltem Rosse un Boder,
un achter Jahr beter Kurn."
Dieser Auffassung gemäß wurde
das Erntebier auch wohl das Wodel
bier genannt und „de Wille Wode"
Wölk das „liebe" Brot. Beim Backen
War d-e Ofenthür geschlossen, so nahm
der Bauer seine Mütze vom Kops, fal--
tete die Hände und sprach ein Gebet.
(Kunst) des Brotes werden im Bolks
remoni« vorgenommen und ihr ein,?
symbolische Bedeutung beigemessen.
Vor dem Anschneiden zeichnete man
das Brot mit dem es
durfte weder auf dem Rücken liegen,
noch die Schnittfläche der Thür zuge
kehrt sein, weil sonst der Segen aus
dem .Haus.? weiche. In England aber
fragt man sich, ob Verräther mit zu
Brotes nach oben liegt, und im Kanton
Wallis sagt man den Kindern, dann
müsse die Mutter Gottes weinen. Den
Anschnitt oder Knuch hält das 801 l in
Ehren, er gilt als Unterpfand des Se
gens im Hause. Er darf darum nicht
verschenkt od«r weggeworfen werden.
Kommen Hausfrauen doch in die Lage,
ihn an Bettler weggeben zu müssen, so
schneiden sie zuvor ein kleines Stück
so noch der Mahnung zu entsprechen :
„Vergif nich den Knust, süß gisst du
den Segen ut din Hus."
im Hause. Wer Abends beim Zubett
gehen Brot ißt, findet nach dem Volks
glauben keine Ruhe im Grabe, und wer
Tode wieder aufsammeln. In der
Schlveiz herrscht der Glaube, daß
hausbacken Brot die Seele in unlös
barer Verbindung der irdischen
Heimstätte erhalte, und in Mecklenburg
glaubt man, durch Brot als Symbol
des Haushalts Diebe zwingen zu kön
nen, das Gestohlene wieder an seinen
Ort zu bringen. Die Wunderkuren,
welche das schlichte Brot an Kranken
verrichten muß, beruhen auf dem Gla
uben, daß das Heilsame auch das Heil
kräftige sei. Wer über Land geschickt
werden soll, schneidet sich vom Haus
laib in der Tischladt erst ein Stück ab,
damit er guter Dinge wieder zurück
kehre. Dem Soldaten in der Fremde
begegnet das Graumännchen und
schenkt ihm eine trockene Brotkruste mit
den Worten : „Hier riechst Du'd'ran.
dann hast Du keinen Hunger, und
denkst Du d'ran, dann hast Du keinen
Durst." So gehen überall noch ein
zelne Züge deutscher Gesinnung. In
Mecklenburg gab noch vor wenigen
Jahren die Mutter ihrem in dicFremde
ziehenden Sohne drei Brotkrumen mit
auf den Weg: davon sollte er essen,
damit er feiner Heimath nicht vergäße,
oder der Sohn steckte, bevor er auszog,
drei Brotkrumen in das Ränzel, um
davon zu essen, wenn das Heimweh
über ihn käme. Wie mußte ein derar
tiger Brauch den Sohn an die Heimath
binden, welch' tiefes Heimathsgesühl,
welche lebendige Macht war ein solcher
Sittenzug zu seiner Zeit! Aus diesen
Gebräuchen spricht eine Werthschätzung
des groben täglichen Brotes, wie sie
uns fremd geworden ist.
Zahllose Sag,?» gehen iitter das
Brot um. Fast alle verfolgen die
selbe Tendenz, indem sie zeigen, wie
die Mißachtung des Brotes die Strafe
des Himmels auf die Verächter herab
zieht. Auf dem Spornitzer Felde lie
gen nahe der Parchim'fchen Stadtfeld
große Steine, von denen die Sage er
zählt, daß sie einmal sieben Knaben ge
wesen seien, die beim Biehhüten, um
sich die Zeit zu vertreiben, aus ihrem
Brot Kugeln gemacht und damit ge
worfen hätten. Sie wurden zur
Strafe in Steine verwandelt und so
zäh hängt das Volk an seinem Glau
ben, daß der Besitzer nicht wagt, die
Steine zu entfernen, obgleich sie der
Abbestellung hinderlich sind. In ei
ner Entfernung von dreißig Schritten
führen Fahrstraße und Bahn an der
Stelle vorüber, aber das Volk hat sei
nen Glauben ihrem Bau nicht geopfert.
Eine seltsame Anwendung des Be
griffes Brot ist durch Notker auf uns
gekommen. Als die oberitalienischen
ben ihre Predigt begannen, schien ihnen
die Deutung des griechischen Wortes
Evangelium durch „gute Botschaft"
nicht konkret genug. Sie forschten
unter dem Volk nach und erfuhren, daß
für eine gut.? Botschaft stets ein Boten
lohn verabreicht wurde. Dieser Bo
tenlohn hieß in Allemannien Boten
brot, und flugs übersetzte Notker das
rum konnten allemannische Lexikogra
phen das Wort Botenbrot auch wieder
um durch die Wendung deuten: „so
chen : guöte mär, Evangelia." "
Diese Hochhaltung des Brotes im
Volksglauben macht es auch erklärlich,
wenn" sprichwörtliche Redensarten,
volksthümliche Reime, Deut»NK?n der
Thierstimmeii sich gern mit dem Brote
beschäftigen. „Erst kneten, dann bak
ken," heißt so viel als „erst wägen,
dann wagen." Bei schwerer Arbeit
tröstet sich der Niederdeutsche mit dem
Wort: „Ja, dat leiw Brot smeckt to
söt." Warnend ruft man dem, der
Brotstücke wegwirft, zu: „Nimm
Dein Brot in acht, sonst mußt Du die
Krumen auch noch einmal nachsuchen."
„In des Vaters Brot sein" heißt, im
väterlichen Haushalt lebin. Wer noch
in Familiennamen heute noch fortlebt.
Salz und Brot macht Wangen roth.
Das angeschnittene Brot und die bei
stücke wurden in einem Korbe über dem
Tische aufgehängt, daher stammt die
allgemein übliche, jetzt meist unver
standene Wendung: Einem den
Brotkorb höher hängen.
Die doppelte Aehre ist glückbedeu
tend, sie soll noch zuverlässiger sein als
der vierblättrige Klee. Wer sie in der
Ernte findet, steckt sie an den Hut oder
hängt sie in der Stube unter dem
Spiegel auf. Der geneigte Leser mag
versuchen, ob es Hilst.
Auszeichnung. Moritzchen:
„Mntterliben, der Herr Lehrer hat ge
redet französisch mit mir!" —Mutter:
„Und was «hat er denn ».'sagt?"—Mo
ritzchen: „Ich sei heut' e' Muster von
Malpropretät',,—Mutter (zum Va
ter): „Hast De gehört, Aaron, der Leh
rer hat hingestellt unser'n Moritz als
e' Muster von e'm französisch' Fremd
wort !"
Tr o st. Studiosus (zu seinem
Gläubiger, der über die steile Trepvc
hinunterpurzelt): „Machen Sie sich
nichts d'raus nächsten Monat zieh'
ich Parterre."
Zur FaNuaivtSzei«.
Fasching! Welch,?in tolles, über
müthiges, sinnverwirrendes Treiben!
Das wogt und wirbelt und rauscht
durcheinander, einem buntschillernden,
brandenden Meere vergleichbar. Wie
die Blicke bald hierhin, bald dorthin
zieht! Wie das'schwatzt und kichert
Es klingen die Schellen und Glöckchen
an den Mützen und Jacken der bunt
scheckigen Harlekine und läuten den
nüchternen Alltagsverstand zu Grabe.
Wozu wär' er auch nütze der trok
kene Geselle hier, wo wir uns rück
haltlos amiisir.'n wollen? Da gilt
es, weithin alles über Bord zu schleu
dern, was irgendwie von des Gedan
kens Blässe angekränkelt ist. Die ge
sunde Farbe der frischen Entschlie
ßung, hier tritt sie in ihre vollen, un
verkiimmerten Rechte. Was der Au
genblick eingibt, und wär' es nach dem
philisterhaften Maßstab unseres in
spanischen Stiefeln eingeschnürten All
tagszeremoniells noch so absurd, hi-r
wird es flugs zur Richtschnur unseres
Thuns. Keine schwerfällige Bedenk
lichleit drängt sich hemmend dazwi
schen. Keck schlägt der Geist seine
Purzelbäume gleich dem behenden
Bajazzo. Elastisch, wie er über die
zufälligen Hindernisse hinüberfpringt,
instinktiv wirkendes Gesetz, dessen Fes
sel wir nicht empfinden. Wir sind
ganz wir selbst so voll und unver
blümt, wie wir es sonst nie vermögen
Mittelst der köstlichen Maskenfreiheit
baben wir uns auf etliche Stunden von
ihm losgekauft. Und welch ein gün
stiges Feld der Beobachtung bietet sich
ches thun! Nie ist der Geist so de-
Larve vorgenommen tsat. Je weniger
wir von den Zügen sehen lönnen, di
sich hinter dem schwarzen Sammet oder
Atlas neidisch verberzen, um so tiefer
und sicherer dringen unsere Blicke durch
die Pforte der allein sichtbar gebliebe
nen, mit verdoppeltem Glanz aus dem
Dunkel hervorleuchtenden Augen in die
!m?r"° brausende Gewoge rund
Und nun zucken uns die prickelnden
Tanzrhythmen, die sich vom Orchester
her in frohlockenden Flöten- und Gei-
Ohr bis in die Füße hinab; um zarte
und schlanke Taillen schlingt sich der
kräftige Mannesarm, und flüchtig
Aeügeln und Spähen unter die geheim
nißvoll dicht übereinandergelegten Fal
ten des Maskenschleiers, ein Rathen
auf. Champagnerpfropfen knallen.
Mit ihnen rerpufft der letzte Nest zag
hafter Blödigkeit, der etwa noch da
perlenden Schaume, der neu belebend
die lechzenden Lippen netzt, nippt die
gesprächige Schöne abgewandten Ge
sichts. damit nicht der zu diesem Zweck
entschleierte Mund mit seinen zierli
chen Formen rerrallie, was seine sein
pointirten Reden mit sorglich verstell
ter Stimme so schlau in vieldeutige
Oralelsprüche gehüllt,
l Schon naht sich jetzt die Mitternacht,
besonders lebhaftes Verlangen tragen.
Aber ach! Ehe wir uns dessen ver
sehen, sind sie uns trotz aller Wachsam
keit nur allzu leicht im Gewühle ent
schwunden, und wie wir dann anch
rig wir nach der entscheidenden Mit
ternacktsstunde die Reihen der Demas
kirten durchspähen nach der Er
scheinung, die unS die süß verhei
ßungsvollen Räthsel der eben durch
lebten und durchschwärmten Stund?»
licher Schleier liegt ausgebreitet über
einem flüchtigen Glück, das wir so
gerne noch länger festgehalten hätten.
Wie ein,? entzückende Fata Morgana
ist es in Luft in nichts zerflossen.
Dämmernde Morgennebel ringen
sich aus der Nacht empor. Der auf
steigende Tag scheucht uns zurück in
die alten, ausgetretenen Geleise, denen
rönnen waren, und alles, was uns von
einem berauschenden Schwelgen in
ausgelassenem Humor, geistfprühen
dem Liebesgetändel, erregendem Mär-
Ohne Lieb«.
Es gibt eine Stadt auf unserer alten
Erde, in welcher die Herzen nicht für
Liebe und Leidenschaft entbrennen.
Diese Stadt obne Blut und ohne
Sonne heißt Bolskaia-Maika und liegt
in Sibirien, im Bezirke Jakutsk. Die
durch den Glauben, den sie sich selbst
liebe für die hellen Farben, besonders
für die weiße. Die Möbel in den
Häusern sind weiß oder sehr hell, auch
Frauen tragen dieselben Gewänder
sind weiß, und weiß ist auch die Fahne,
die stets auf dem Rathhausdache flat
tert. Was aber auf den Besucher den
tiefsten Eindruck macht, ist die Grabes
stille, die in der Stadt herrscht. Kin
der gibt es natürlich nicht, die Erwach
senen sprechen sast gar nicht mit einam
der, und was sie sprechen, wird im
Flüstertone gesagt. Sehr gastlich und
zuvorlommend, bieten sie Alles auf,
um dem Fremden den Aufenthalt an
genehm zu machen, man wird höflichst
ersucht, nicht zu rauchen und nicht
alkoholische Getränke zu verlangen.
Der Besucher findet aber gewöhnlich an
einem längeren Aufenthalte in der
merkwürdigen Stadt kein Vergnügen.
Wie geht aber die Wiederbevölkerung
von Bolskaia-Maika vor sich? Jedes
Jahr schwärmen die Vornehmen der
Stadt in Rußland herum und werben
neue Anhänger, die bald nach ihrer
Ankunft als Kinder adopirt werden
und später das ganze Vermögen dieser
niemals Väter gewesenen „Väter" er
ben. Die Bewohner von Balskaia sind
sehr arbeitsam, ehrlich und so sanst
inüthig, daß sie von den Bewohnern
umliegender Ortschaften nur „Galuby"
(Tauben) genannt werden. Niemals
kommt ein Streit vor, niemals eine
Blutthat. Es gibt keine Gerichte, leine
Polizei, keine Gefängnisse und..... keine
Zeitungen; und Alle bezahlen pünkt.
lich ihre Steuern. Und das Alles,
weil es keine Liebe in Bolskaia-Maüa
gibt.
!i!« Melanit.
„Mein erstes Bildchen/lieber Mann"—
Spricht Melanie zum Gatten mild,
„Sieh' Dir's als Maler prüfend an,
Dann sag', was hältst Du von dem
Bild ?!"
Als alter Maler halte, wie?
Berechtigt. Du, der Mül
tiichtigen Rausch. So, davon ha de
ich nichts bemerkt. Woraus bast Du
das geschlossen? Nun, er redete
meine Schwiegermutter in einem weg
mit gnädiges Fräulein an!
I m C oupee. Herr: „Mein
vertragen?" Fräulein: „Nein."
Herr (sich eine Cigarre anzündend):
„Jetzt will i' doch seh'n, ob's mi' nicht
ang'logen haben!"
Zur Arier des Srftgevorenen l
Er blickte auf die Uhr; eS fehlten
noch zehn Minuten auf Sechs.
„Herr Poet Friedrich Gottwald,"
redete er sich feierlich an. „Sie sind
also wirtlich Vater eines fünfzig Mi
nuten alten Sohnes."
„Sohnes," wiederholte er staunend,
jede Silbe nachdrücklich betonend, als
hörte er dieses Wort zum erstenmale
in seinem Leben. Es klang aber auch
so eigen, so süß, so wunderlich, daß er
auflachen mußte. Er lachte leise, mit
geschlossenen Lippen, um nicht die
Wöchnerin zu stören, die im Gemach
nebenan ruhte. Dann cr vor dcn
Spiegel und betrachtete sein Ebenbild.
Wie bleich er war! Wie abgemagert!
Und diese blauen Ringe um die Augen!
Und dieser schwarze Schnurrbart, dcs
sen Spitzen sonst so kühn aufgewirbelt
waren, wie verwühlt! Was Wunder,
wenn man seit 2 Tagen nicht aus den
Kleidern kommt, bald dumpf vor sich
hinbriitet, bald erschreckt zusammen
sätirt, keinen Moment ruhig die Augcn
schließen kann, und wenn inan dabei
stets, so oft man sich nützlich erweisen
will, die eindringliche Mahnung der
Schwiegermutter vernehmen muß:
„Aber, lieber Friedrich, Sie stehen
nur im Wege und machen uns Allen
durch Ihre Jammermicne daZ Her/,
schwer!" Und dieser Blick, mit dem
sie ihn dabei musterte! Und dieser
Ton, in dem sie sprach. So gebietend,
jeden Widerspruch erstickend! Diese
sonst so leisetreterische Frau war aus
nun ist Alles glücklich vorüber. Ach,
wenn die Frauen wüßten, was die ar
men Männer bei solchen Zeiten Alles
leiden, sie würden Mitleid mit ihnen
Er seufzte auf, wendete sich um
und öffnete die Thür zum Gemach
nebenan. Es war still und dunkel
drin. Es drängte ihn, seinem Weibe
einen Kuß auf die bleichen Lippen zu
drücken, sich wieder eine Weile, wie frü
her, in den Anblick seines Sohnes zu
versenken. Aber der Arm der Schwie
germutter machte eine hastige abweh
rende Bewegung. Er verstand und
zog sich sachte zurück.
„Ich gehe aus," murmelte er, „aber
wohin?" Er sann. Freunde aussu
chen? Ihnen das fröhliche Ereigniß
verkünden? Das waren aber zumeist
Junggesellen! Was wußten die, wie
es dem Vater eines fünfzig Minuten
alten Sohnes zu Muthe ist! Sie
würden lachen, ihn in banaler Weise
beglückwünschen, am Ende gar aus
ner Rührung, aus seinen thränenfeuch
ten Augen eine geheime Komik heraus
wittern. O ja! Und er würde all
das wie «ine Entweihung seines jun
gen Vaterglückes bitterlich empfinden!
Nein! Heute wollte er dieses Glück
vor allen Menschen verbergen und es
wie ein keusches Geheimniß still mit
sich herumtragen! Heute wollte er zur
Feier des Erstgeborenen einxn einsamen
Trunk thun. Wo? In der italieni
schen Weinstube bei einer Flasche per
lendem Asti. Und selbst wenn
er ein Gläschen über den Durst trinken
sollte, was ist denn da weiter dabei?
„Es gilt ja meinem Sohne," sagte er
laut, „meinem Sohne."
Und er horchte wieder befremdet,
staunend auf den Klang dieses zweisil
bigen Wortes, das sich so eigen, so süß,
so wunderlich anhörte
Eine halbe Stunde später saß er in
der italienischen Weinstube. Es fügte
sich glücklich, daß außer ihm kein ande
rer Gast darin war. So konnte cr
denn ungestört seine träumerische
Stimmung in allerhand Gedanken
austönen lassen, die alle aus dem Ge
fühle seines jungen Vaterglückes ein
portauchten. Er war blond, sein Erst
geborener. Und die Augen? Die hat
ten als er ihn flüchtig betrachtete, in
einer schwer bestimmbaren Farbe ge
schillert waren aber höchst wahr
scheinlich blau wie die der Mutter.
Also ein blondes BübÄen mit blauen
Augen, so wie er es sich immer ge>
wünscht! Er mußte hierfür feiner gu
ten, lieben Frau in ganz besonderer
Weise seinen Dank bekunden. Vielleicht
durch irgend einen Schmuckgegenstand,
rem Gemüthe spräche, etwas Inniges,
Rührendes und Billiges. Wenn er
ihr zum Beispiel seinen nächsten Ro
druckt l „Meinen, theuren Weibe"
das wäre eine Huldigung, die sie sicher
lich tief ergreifen würde. Und sie ver
diente ja thatsächlich diese gemüthvolle
Huldigung. Wie hatte sie es verstan
den, ihn, der vor Kurzem noch als
Junggeselle toll in den Tag hinein
lebte, gründlich umzuwandeln! Nun
hal er es a:> sich selbst erfahren, daß die
Ehe eine segensreich- Institution sei,
besonders sür einen fchaffendenSchrift
steller, der für feine Arbeiten ernste
Sammlung binLthi.it. Sie verleiht
einen gewissen moralischen Halt! Sie
erhebt, sie erläutert, sie adelt! Und
eines zweistündigen, blonden Bübchens
mit blaue,: Augen wird! Er lachte
und leerte den Klech auf einen Zug.
Ein wunderbare Wein, dieser
Asti! Nicht so vornehm, nicht so prik
kelnd, wie der perlend? französische
Schaumwein. Nein, im Gegentheile,
ein wenig philiströs, etwas schwer, et
was derb in s'.wcr aber dabei
doch so glutvoll, s: xMegen, so recht
mann, in dessen Herzen die erste Va
terfreude glüht! Freilich, als er hier
in dieser Stube zum letztemal« diesen
Wein schlürfte, da war er in einer
ganz anderen Stimmung als heute.
Wie lange war es nur her? Kaum
anderthalb Jahre. Es war an einem
herrlichen Frühlingsabend. Er saß
an derselben Stelle wie jetzt und ihm
gegenüber ein junges Mäochen, eine
kleine Schauspielerin, ein zierliche-
Figürchen mit einem Stumpfnäschen,
mit zwei kecken, blitzenden Augen, mit
einem etwas breiten Munde, der, wenn
sie lachte, zwei Rethen gesunder, weißer
Zähne sehen ließ, sein „Tschaperl",
wie er sie nannte. Sie war aber auch
ein gutes Kind, dankbar für jedes
zärtliche Wort, für jede Liebkosung.
Das zeigte sich so recht an jenem
Abend, als er ihr verkündete, daß er
sich demnächst verloben, in wenigen
Wochen schon Heirathen werde. Sic
machte ihm keine Scene. Behüte! Sie
schrie nicht wild auf, sondern lächelte
blos wehmüthig und weinte dann ein
wenig. Das war Alles. Im Uebri
gen entwickelte sie wie sonst einen ge
segneten Appetit und trank mit Beha
gen ein Gläschen Asti nach dem ande
ren. Aus purer Verzweiflung, wie sie
sagte. Und es mußte etwas Wahres
daran gewesen sein. Denn Tags dar
aus erhielt er von ibr einen langmäch
tigen Brief, darin sie in ihrer eigenen
kühnen Orthographie von ihrem Kum
mer erzählte, von ihren Schmerzen,
von ihrem gebrochenen Herzen und von
manchen anderen Dingen, die ihm un
klar blieben, da ganze Zeilen, vielleicht
von Thränen, verwischt waren. Das
Eine aber wußte er noch: zum Schluß
hatte sie ihm prophezeit, daß er in sei
ner Ehe nicht glücklich sein werde. Er
lächelte. Armes Tschaperl! Wenn sie
wüßte, was sie für eine falsche Prophe
tin war! Wenn sie wüßte, wie trau
lich es in seinem Heim, wie still, wie
friedlich! Wenn sie ahnte, daß er
heute, die Seele von einem wonnigen
Hochgefühl geschwellt, hier sitzt und zur
Feier seines Erstgeborenen denselben
Wein trinkt, der ihr damals so vor
trefflich gemundet! Ja, das sanfte,
milde Glück der Ehe, das ist denn doch
ganz Anderes als der Sturm und
nem beschieden war, diesen Rausch,
diesen Zauber, diese Poesie bei einem
so herzigen, gutmüthigen, prächtigen
„Tschaperl", wollte er laut hinzu
fügen. Aber es gelang ihm nicht. Er
betroffen zu sein. Er wunderte sich.
War ihm der Wein so rasch in den
Kopf gestiegen und in die Zunge ge
fahren? Er faßte dcn Kelch. „Sollst
sam, aber deutlich. Und dann schlürfte
er den Kelch leer. „Jetzt gehe ich
heim," murmelte er, „und der Schwi«-
Flasche Astt."°"'
Der Wein und sein junges Viter
glück hatten ihn sehr weich gestimmt.
Und so kam es, daß, während er sin
an das Tschaperl, die ihn nicht mehr
losließ, in eine milde Rührung getaucht
war.
Sie starrte ihn an. Er stand eine
Weile schweigend da. Alles muthete
ihn hier so fremd und doch so vertraut
Freundschaft! Aus Mitgefühl! Denn
ich." Wie sie dieses Wort hörte.
tischen Halt verliehen! Sie hat mich
erhoben, geläutert, geadelt. Glaubst es
am Ende nicht, Tschaperl?" fragte er
lächelnd, indem er sich auf dem Sopha
auch die Thränen in die Augen kom
men." Und sie kamen in der That"
zwei Thränen, die langsam seine Wan-
Es hat a' jeder Spatz sei' Weiberl,
Nur i' hab' nix als lauta Kunima,
Verdruß und Aerger.Noth und Gram:
?l' hock' im Winta uttd im Summa
A' jeda Käfer hat sei' G'spusi,
Fidel macht jeda Heuschreck Musi',
Wenn er sei' Dirndl führt fpazier'n.
Nur i' alloan hab' gar loa' Platzerl,
Wo Oans auf mi' wart't, an mi'
denkt:
I' hab' koan Weiberl, hab' koan
Schatzerl,
Das mir sei' Liab' und Herzerl
schenkt.
A' jeder Krebs, g'sallt's drauß' eahm
Kriacht hoam vergnüagli' zu sei'm
A' jeda Fisch schiaßt 'nauf zum-
Schimms,
Sicht er a' Fischerl dort alloan.
Nur i' hab' koan Talent zum Glück net,
I' brumm' halt so durch 's Leb'n da
hin!
D ß '' d '
Unbegreiflich.
Frau: „Die Katz bleibt da....
Und jetzt bist Du ruhig sonst komm
ich Dir."
Mann: „Was, Du wagst mir zu
drohn?"
Frau: „Ja."
Mann (zusammenknickend): „JesfeZ,
wo hab' ich denn vorhin die Courage
Praktisch.
Fremder: „WaS habt Ihr denn mit
Hier nebenan ist ein Modemagazin
und der Arzt hat Dir, wie Du weiht,
jede Aufregung verboten!"