Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 16, 1894, Page 3, Image 3

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    Witt»
12. Fortsetzung.)
Ivas geschehen war, da sie während des
Vorfalls ruhig geschlafen hatte. Aber
durch di« R«den der Miß Spring,
lino itwasAußerordentliches vollbracht
hatte. Und deshalb schaute sie ihn be
wundernd, vielleicht etwas erschrocken
über seine Magerkeit und tiefe Blässe
on.
Der Knabe war durchaus nicht eitel
in dies«m Augenblicke; er zitterte und
hätte lieber anderswo sein mögen; aber
„Milla," sagte auf einmal der Fürst
mit erkünsteltem Ernste, .und Du sagst
nichts zu Deinem Gefährten, der so
mutl,-!g gewesen ist? Wohlan, gratulire
ihm!"
ES scheint, daß das Gratuliren nii^t
verstehe," sagte der Fürst la
«us ihn zu und suchte mit fest geschlos
senem, gespitztem Mundchen die blassen
Lippen des Knab«n, der sich aber
schämte und dagegen wehrte. Die Sp
itzen des weißen Muss«linkleidch«ns
wurden dabei zerknüllt an Drollinos
Miß Spring, welche bei diesem
Auftritt zugegen war, wußte nicht,
sollte sie sich ärgern, oder sollte sie la
chen? der Fürst aber lachte herzlich.
Und der Kuß wurde halb gern, halb
«gezwungen ausgetauscht.
„So!" sagte der Fürst, „das ist
recht. Nun aber ist es billig, daß Du
außerdem eine dauerhaftere Belohnung
«rhältst. Ich will Dir die Wahl über
lassen. Sag' frei heraus, Knabe, was
willst Du?"
Anfangs schien Drollino nicht zu
verstehen. Dann aber, als er den Sinn
der Worte erfaßt hatte, als er begriff,
daß er vielleicht etwas wagen, viel wa
gen durfte, wurde er gluthroth, seine
Augen funkelten und aus feinen beweg
lichen Gesichtszügen sprach ein lebhaf
ter, ein höchster Wunsch.
Aber er konnte nicht sprechen.
Gedanke seines ehrgeizigen Verlan
gens erschreckte ihn Nein, nein,....
«s war unmöglich unmöglich.... zu
viel.
Der Vater ermuthigte ihn durch
Blicke und Geberden; aber er schaute
nicht auf seinen Vater und athmete
„Nun, wird's bald?" sagte der Fürst
ungeduldig; „Du sollst reden, verstehst
Du? Willst Du mich den ganzen
stecken.
„Papa," sagte das Mädchen auf ein
mal schüchtern und zupfte den Fürsten
„Du? Was solltest Du denn wis-
Plau^rmaulch-n.
spottend vom Kopf bis zum Fuße be
trachtete. „Er will Rowenas Füllen,
der Bursche, he?"
Der Fürst jedoch sprach nichts vom
Fortjagen. Er fand den ehrgeizigen
Wunsch ein wenig kühn, aber gerecht.
zustelle.
„Aber," fügte er bei, „hast Du auch
Alles wohl bedacht? Ich möchte doch
nicht, daß das arme Thier in Dunen
Drollinos Gesicht strahlte. Er konnte
Nno oac Fullen hatte, vernachlässigte
er Milla auf ganz unwürdige Weis«;
cr war immer im Stalle und stieg
nicht mehr in die Allee hinüber, um
im Schatten der Kastanien zu spielen.
„Welch ein Dummkopf!" sagt- am
Abend deS folgenden Tages ein alter
Stallknecht zu seinem Kameraden. „Ein
Füllen zu verlangen, wenn man sein
Glück hätte machen können. Aber be
greiflich! Dem hat's ja immer ein we
nig im Kopfe gerappelt! Was macht er
jetzt?"
„O," antwortete txr Andere, indem
er seinen Cigarrenstummel in den an
deren Mundwinkel schob; „er ist seit
gestern Abend im Stalle. Er ist nicht
Mittagessen gegangen und
e mia!" (Es ist mein! Es ist mein!)
„Man sollte eS „Mia" nennen," sag
te der Stallknecht spottend. „Morgen
will ich's ihm sagen."
„Warum nicht," antwortete Drolli
no stolz, als er diesen in höhniMm
Tone gemachten Vorschlag hörte. „Es
"ist mein! Wißt ihr?"
„Er ist verruckt!" sagten die Pferde-
Zungen und Stallknechte lachend. Aber
das kleine -füllen hatte jetzt einen Na
men. Uno es wurve zuerst im scherz,
dann im Ernste so -genannt.
Der Schnee kam diesen Winter
früh, und Astianello sah mitten in der
vom Winter alles Schmuckes beraub
ten Landschaft recht melancholisch
aus. Die Jagden waren zu Ende, die
fröhlichen Gesellschaften waren aus
einander gegangen; die Pferde mußten
scharf beschlagen werden, das große
Haus war kaum vor der Kälte ge
schützt, und der Fürst langweilte sich.
Aber obschon er sich tödtlich lang
weilte, fiel es ihm doch nicht ein, sich
zu vcrheirathen. Wohl aber beschloß
er, den Winter in Paris zuzubringen.
Uebrigens war es auch jetzt Zeit,
Milla in eine Erziehungsanstalt zu
bringen. Und diese war bald gefunden
in einem strengen, als Erziehungsinsti
tut berühmten Kloster, wo aristokra
tische Nonnen eine Schaar nicht we
niger aristokratischer Fräulein alles
«mögliche Schöne lehrten. Das Kloster
war in Turin, und die fromm« Kö
nigin Marie Adelaide hatte es bei ih
ren Lebzeiten oft besucht. Die Oberin
war des Fürsten Base im zweiten
Grade. Milla hätte nicht besser empfoh
len sein, und die von der guten Miß
Spring begonnene Erziehung hätte un
ter keinen günstigeren Auspicien vollen
det werden können. Sagen wir auch
.noch, daß Miß Spring als Trost für
den Trennungsschmerz die Aussicht
hatte, einen heiligen Bund zu schlie
fen mit einem muthigen, aber gewiß
ästhetisch gebildeten Geistlichen
jder englischen Kirche. Der unerschro
ickene siinfundsechzigjährige Britte hei
rathete Miß Spring. Milla aber, wel
che keine so tröstlichen Aussichten hatte,
konnte sich nicht darein finden, denVa
ganz trostlos, wenn sie daran dachte.
Und sie dacht: oft daran.... ein Kind
wie sie war
Und welche Betrübniß für Alle auf
dem Gute.... die Herrschaft ging fort...
war es wirklich wahr? Der Fürst sollte
tel gehüllt, das Gesichtchen halb verlo-
Aus Wiedersehen! Habt Dank!" Auf
sie vielleicht geweint....
„Denk' daran!" sagte Milla auf
chelten.
„Grüße mir Mia...." fuhr dasMäd
cineu vollen Blick in das Innere des
selben zu Wersen. Hinter dem geschlos
senen Fenster sah man eine Selunde
Raubte, dieser Llruß gelte ihm, und
uah7.l ehrerbietig den Hüt ab. Er fand
sehr geicha-eichelt; und Drollino
-eben ihm schnitt unverwandt de:n
der a.:i de: bsschn:>l!:i
Straße zuletzt ganz klein wurde und
Diesmal hatten alle Ehrenbezeu
gungen, aller Abschiedsschmerz Milla
gegolten, die so vnle Jahre nicht wie
der kommen sollte. Der Fürst hatte
fröhlich gesagt: „Auf Wiedersehen im
Frühling," und es wäre Niemand ein
gefallen, sich um seinetwillen aufzure
gen. Und doch sollte seine Abwesenheit
länger dauern als die Millas, sie
sollte sich ausdehnen zu Monaten, Ja
hren, Jahrhunderten, ja zur Ewigkeit.
Seine Geschäftsführer, seine Kutscher,
sein« Bereiter hatten ihn zum letzten
inal gesehen. Er starb in Paris gegen
Ende des Winters an einer hitzigen
Krankheit, während Milla in ihrem
großartigen, herrschaftlichen Kloster
anfing, sich an dieses von der Welt
abgeschlossene Leben zu gewöhnen, sich
von ihren Gespielinnen vergöttern zu
lassen, sich selbst sterblich in die Obe
rin, sieben Schwestern, zwei Laien
schwestern und vierzehn Gefährtinnen
zu verlieben, und zuletzt sprach sie so
gar davon, eine Nonne zu werden, da
chen mit einem großen Herzen und von
ungemein kleiner Statur.
2. Capitel.
Wände bekleidete. „Uff!...." Ma-
Munde selbst, der di« Frage gestellt
hatte, plötzlich die Antwort: „Wißt
ihr, was die Welt sagen würde? „Uff!"
die Marmortr:ppe hinunt:r und grüßte
dabei spöttisch den pausbackigen Gips
engel mit dem von einer gläsernen
Die Neuigkeit, die große Neuigkeit
des Tages hatte bald ganz Turin
durcheilt. Nach Vcrfluß von einigen
Stunden wußte die ganze seine Gesell
schaft der Stadt, daß der Herzog Giu
liano Lantieri seine Freiheit wieder
erlangt hatte.
Im königlich-n Theater machte sich
an diesem Abend während der Vorstel
lung ein- gewisse Unruh« bemerkbar.
Die Operngläser waren nicht auf di:
Bühne gerichtet, wo Mignon mit den
Worten Goethes, wie Thomas sie in
Musik gesetzt, in italienischen Lauten
sanft klagend fragte: „Kennst Du das
Land?" sondern auf cineLoge im zwei
ten Rang, welche von einernichi mehr
ganz jungen, aber prächtigen Frauen
gestalt eingenommen wurde, einer von
denjenigen, welch: das Vorrecht besitzen,
während ihres Daseins die Jugend
zwei- oder dreimal zu durchleben. Die
Baronin Olga war, obschon eine Rus
sin, brünett. Sie war kräftig, nicht
sehr groß, von prachtvollen Formen
und durchaus fremdartigen, vielleicht
nicht geradezu schönen Zügen voll
zaub-rkaften Reizes. Sie hatte eine
ileine Stumpfnase, «inen großen, ge
sunden, lachenden, fast negerartigen
Mund mit Zähnen, die förmlich leuch
teten in ihrem weißen Schmelz und
im Schatten dieser schwellenden, in
Form, Colorit und Ausdruck leiden
schaftlichen Lippen.
Ihr gegenüber, am Platze, den Giu
liano häufig eingenommen, glänzte die
abgeschmackte Figur eines französischen
Aicomtc. Es wurde s>->-
obachtet: erstens, daß die Baronin
Olga schöner war als je; zweitens, daß
jsie eine neue Toilette hatte, drittens,
daß sie in der heitern, guten Laune zu
sein schien, welche sie unwiderstehlich
machte; viertens, daß sie sich in Blick
Benehmen durchaus gleich zeigte
wie jeden andern Abend? fünftens,
daß ihre Loge gedrängt voll war. Giu
liano kam an diesem Abend in's Thea
ter, machte sich's bequem in seinemFau
teuil, besuchte die Damen seiner Be
kanntschaft in ihren Logen. Er ging
nicht in die Loge der Baronin, das war
Alles.
Aber was wurde nicht alles nach dem
Theater bei Fiorio erzählt!.... Alle
kannten das Warum dieses Bruches...
welchem sich ein gegenseitiges
Gesühl deS Ueberdrusses verbarg. Im
DAgmeinen tilgte man Giunanos
Auflehnung. Die Baronin war einige
Jahre alter als er und in der That
allzuviel auf Reisen. Ein Herr, eine
alte, aber unbestrittene Autorität die
ses furchtbaren Gerichtshofes, war der
einzige, welcher behauptete, Giuliano
habe einen großartigen dummenStreich
Richtigkeit ihrer Ansicht: zum Teufel!
Eiiuliano. Aber der Alte hielt hartnä-
Weib, welches Giuliano zu lieben im
„Warum?" fragten Alle wie aus ei
nem Munde.
„Ha!" antwortete der Alte mit ei
nem kurzen Lachen, jenem bitteren,
scharfen, schneidenden Lachen, welches
mit der Zeit die Lippen zerfressen
könnte, über welche es kommt.
„Arm«r Giuliano!" sagte einer;
„was wird er jetzt anfangen?"
than.
Giuliano fing nichts Außergewöhn
liches an, um die Aera seiner wieder
erlangten Freiheit zu feiern. Er sah,
daß er überall willkommener war und
freundlicher und besser aufgenommen
als je. Er verbrachte einen köstlichen
Carneval, machte sich lustig, war lie
benswürdig, mied jede Schlinge, gra
tulirte sich selbst und begleitete zwei-
oder dreimal seine alte Mutter in's
Theater. Eines Tages fuhr ihm ein
wunderlicher Gedanke durch den Kopf:
.Wenn ich heirathete!"
Aber er schlug sich denselben sofort
aus dem Sinne wie eine Versuchung.
Nun hatte er seine Freiheit, er wollte
sie genießen.
ein großes Vermögen gehabt, so
wäre er ohne weiteres nach Paris ge
gangen. Sein Vater hatte ihm aber
nur ein bescheidenes Erbtheil hinter
lassen, und er hatte natürlich schon et
was davon gebraucht. Bedenke man:
würdig, wie der Baronin Olga die S
üßigkeiten, die kleinen sächsischen Por
zellanfiguren, die Tassen von Vieux
fielen. Es versteht sich wohl von selbst,
stalt der Gedanke an die Mitgift auf.
Thürflügel.
Freiheit himmlisches Gut! Aber
eines Tages wurde Giuliano wüthend
Aber sich selbst, weil er Abends beim
Ausgehen sich unversehens dem
Viele Stunden vergingen ihm un
endlich langsam» Die systematische Lie
derlichkeit war ihm aus die Dauer
blonden Schönheit «inen besonderen
Charakter verlieh. „Kreole" nannte ihn
die Baronin und diese zwanglose,
! leichte Haltung, der es innewohnte, al
les mühelos zu einem gelassenen, leicht
l ten, einfachen Ausdruck zu bringen, har
mvnirte vielleicht de» Contrastes wea:n
mit vem leck energischen Temperament
ijeneS Weib«s. Deshalb hatte st« ihn
zum Sklaven gewollt und als solch«»
behalten bis zu dem Augenblick«, da
st« ihm erlaubt hatte, sich aufzulehnen.
Es war ihr eingefallen, ein Anderer
könnte sie besser, oder doch auf andere
Weise unterhalten. Und nun wollte er
nicht wieder zurückkehren in das pfir
sichfarbene Cabinet mit den granatio
- then Blumen; er wollte ts nicht, und
er that eS auch nicht.
So kam es denn manchmal vor, daß
er seine wohlgenährte Apollogestalt
auch in jener privilegirten Stunde noch
in einem wunderschönen orientalischen
Schlafrock dehnte, da die vornehme
Welt ausgeht und dir Portici, die
Straße am Po und dem Corso, bevöl
kert. Dann zündete er ein Tschibuk an
»no vurchvlatterte einen vtoman. Aver
sie waren lang, di«se Stunden, sehr
lang.
Sein Wohnzimmer war beinahe «in
man die besseren Wohnungen vermie
then konnte Jetzt hieß es: zu Fuße
gehen im Stalle war ein Schrei
ner zur Miethe; statt des Wieherns
That, ja schließlich....."
welcher schwitzte, als er einen Sklaven
Holz spalten sah, trocknete er sich die
Stirn im Vorgefühl der Unannehm
lichkeiten, die seinem Geiste durch die
Nothwendigkeit eines Entschlusses er
wachsen würden. Zudem hatte er sie
der Mütter achtgeben mußte! Ach!
Welch' drückende Last!
Wittwe. Aber gleich schüttelte er wieder
Nein..... keine Wittwe! Da hätte
Aber wo nehmen?.... Wo?
mit m«in«r Mutter darüber spre
chen."
Und weiter gtngen fein« Gedanken
aber die Erfahrenheit ihres Alters; sie
Gottes Namen, lieber so, als noch
Und Gott das war ihre Hoff
nung^ — würde sie gewiß eines Tages
bei«, was si« ab«r nicht hindert«, eifrige
'Umschau zu halten, damit im Falle
einer raschen Erhörung, die ja unver
hofft eintreten konnte, sie von Giulia
nos gutem Willen nicht unvorbereitet
'getroffen würde.
Giuliano war in Gedanken vertieft.
Die Dinge gingen ihm nicht nach
Wunsch, und der Hausverwalter hatte
ihm ein gewisses Bild entrollt, das ihn
durchaus nicht entzückte. Er war auf
ixm Corso gewesen und hatte die Ba
ronin In einem neuen, prachtvollen
Landauer und in einer glänzenden!
Toilette gesehen, mit «inem liebens
würdigen Lächeln, das nicht verfehlt
hatte, ihn in eine zornige Aufregung zii
versetzen. Dessenungeachtet hatte et
am Kutschenschlag der Gräfin H. eine
.lange Aufwartung gemacht, aber die!
und dem Landauer der Baronin zui!
Seite hatte er dem Vicomte zuPferd«
gesehen Und dann, als ob das al-<
les nicht genug gewesen wäre, zog eilt
Geruch von Stocksischen durch das
„Welcher Dust!" sagte er matt zu
stickten Saum an die Nase.
„Es ist Freitag!" bemerkte die Her
zv"'n leise.^
Herz schlug ahnungsvoll, und ihre fei-j
nen Livven flüsterten eine Bitte zu
dem Höchsten!
„Wer? Eine abschtulich« Ciga-
bejahend. ,
„Dr« Millionen," flüsterte sie. In
„Ah! Ich begreife. Die Tochter eines
Herzogin entgegnete lakonisch: ss„Ge
schlossene Krone!"
Giulianos Hand wühlte tändelnd
Und wie alt?"
Kloster."
Um die Erziehung zu vollenden,
nicht wahr? Ein harmloses Wesen,
Wenn nicht manchmal sind diese
Anstatt Gott zu danken!"
„Ja gewiß! Du glaubst, eS sei
so es,
thigsten Miene oft solche und ähnliche
Ausfälle. Giuliano wollte in Wuth
gerathen, aber er besann sich so
mcr.,... Also?"
Du sie sehen?"
.Wen?"
.Sie."
.Meine Lehrerin?" —"
Stimme. '
MrtseHwtg iolgt.i
„Kann Ihr Papagei schon spre
chen?" „Nein, bis jetzt kann er erst
fluchen."
R.: „Es muß wohl eine Heirath
aus Liebe gewesen sein, denn sie wußte..
daß er arm war!" war
Anderes! Er hatte ihr gesagt, es sei
ihm nur ein Rest seines emstigen Ver
mögens geblieben. Sie tauft aber um'»
Leben gern Reste zu einem billigen
Przise und so nahm sie ihn vciul^
«ine HerzenSgeschich««^
Gestern auf dem Balle hatte sie mir
ihre Liebe zugestanden. Allein als ich
spornstreichs zu Frau Mama eilen und
res —"
Meinem Glückrausche folgte augen
blickliche Ernüchterung. Die Mama!
würde die stolze Baronin von Meer-
Heim überhaupt ihr Töchterchen dem
Studiosus Karl Prillwitz geben, der
zwar nicht von, aber weiter auch nichts
war? Meine zuversichtliche Stim
mung verwandelte sich in die tiefste
Niedergeschlagenheit, unsagbarerKlein
muth packte mich. Würde ich jemals
den Muth finden, mit meiner Wer
erkennen
l Einige Tage verbrachte ich in dum
pfem Hinbriiten auf meiner Bude. Am
Abend des vierten Tages stürmte
Freund Basselwitz in's Zimmer.
„Was sind da» für Geschichte» ! bleibt
der Mensch drei Tage vom Verein«
weg. Bist Du krank? Puls her!"
Trotz allen Protestes hatte er mei
nen Arm bereits erwischt. „Physisch
alles wohl, folglich verliebt!" lautete
die Diagnose.
Ich saß da wie versteinert; daS
fehlte gerade noch, daß dieser Tausend
sassa hinter mein Herzensgeheimnitz
kam.
„Daß der keinen Unsinn schwätzt,"
brummte ich auf dem Wege zum Ber
einslokal; sein malitiöses Lächeln lieh
mich Schlimmes fürchten.
Kaum hatten wir die Schwelle un
seres Kneipzimmers überschritten, so
platzte cr natürlich heraus: „Hört
das Neueste, Prillwitz istverliebt, Sache
scheint ziemlich tief zu sitzen."
Fürchterlicher Tumult.
Ren! Gratuliren!" „Kondolt
ren !" „Wer ist die Glückliche ?" —-
..Ach wohl gar Baronesse Meerheim?"
Die Anspielung auf die von de»
glänzendsten Kavalieren der Stadt
nur ironisch zu verstehen. Freudiger
Stolz schwellte meine Brust. „Haha,
wenn ihr Spötter wüßtet!" Aber
sogleich knickte ich wieder zusammen.
„Die Mama! Die Mama!"
Doch ich wollte ja heute vergessen.—
.Bier her!"
Wie ich an diesem Abende nach
Hause gekommen, wird mir wohl ewi?
unerinnerlich bleiben. Gegen Mittag
erwachte ich. Um's Himmelswillen.
es war die höchste Zeit, bei Meerheim»
Visite zu machen. Da hatte mich der
Schneider natürlich wieder mal im
Stiche gelassen; nun, der elegante,
fast neue, helle Sommeranzug that'S
auch einmal; schien ja der von der
gestrigen Kneipe ohne Schaden davon
gekommen zu sein.
Also schnell hinein so, und nuir
auf zur Geliebten. Laura, ach Laura!
Da stand ich schon vor der eleganten
Villa, zwei Minuten später Begrüßung
im Salon.
„Nun, Herr Studiosus, Sie sehen
recht angegriffen aus," meinte theil
nehmend die Frau Baronin. „Wohl
die Nacht schlecht geschlafen ?"
„Aller allerdings ja, gnädige
Frau, habe ich bis spät in die Nacht
hinein gearbeitet man muß doch
allmäl'" an das Examen denken."
„Das lobe ich mir, immer hübsch ar»
beiten;" zufriedenes Lächeln, beifälli
ges Kopfnicken. „Die heutigen jungen
Herren denken oft gar zu wenig an
ober Herr Prillwitz, was ist denn das.
was tragen Sie denn dort für ein
merkwürdiges Abzeichen?"
Und sie wies nach meiner Brust, mit
allen Zeichen des Staunens.
Forschend schaute ich an meiner lin
ken Brustseite abwärts Kreuzmill —
genau an der Stelle, an welcher etwas
tiefer das Herz, pochte unter der Weste,
ein Pfeil durchbohrtes
Herz, zierlich und schwungvoll mit
Kohle gezeichnet auf dem hellen
so steht's mit Ihrem Herzen ?"
ominöse Herz, da war die ganze Welt
vergessen. „Ach, Karl," sliisterte das
reizende Mädchen an meiner Brnst.
ma könne etwas merken. Du böser,
guter—' mein-! Küsse erstickten ihre
Wort«.
O, daß sie doch so schnell verrannen,
diese köstlichen Minuten!
Bereits trat die Frau Baronin wie-
Entsetzt folgten unser« Blicke der Rich
nei Males!
Heute noch, nachdem Laura längst
mein reizendes Weibchen ist, segne >ch
den Einsall meiner Freunde. Wie
hätte ich bei meiner Muthlosigkeit sa>.s?
auch so bald erfahren können,
Frau Mama unserem Bunde gar nicht
abgeneigt war? , , 3