Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 09, 1894, Page 3, Image 3

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    Mia.
1. Capitel.
Freilich nur ein HauS in d«r Pro
vinz, aber ein großartiges Haus,
und Reickitbümer, ivelche des alladeli
gen, historischen Namens würdig wa
ren; ein Haus, wie es deren jetzt we
nig« mehr gibt, dank d-r heiligen, zer
störenden Justiz, welcher wir dieAb
schasfung der ErstgeburtSvorrechte ver
danken.
Und unglaublich aber wahr
das gegenwärtige Haupt deS Hauses,
Seine Excellenz der Fürst von Astia
nello, ein schöner Mann von fünfund
dierzig Jahren und Wittwer mit ei
nem einzigen Töchterlein, wollte von
einer zweiten Heirath nichts wissen.
Nicht daß es ihm in Betreff dieser
Angelegenheit an gutem Rath gefehlt
hätte. Freunde und Verwandte, wer
«in Recht hatte, feine Meinung abzu
geben, und wer es nicht hatte, alle san
gen das gleiche Lied. Sie sprachen
ihm in einem fort von anbetungswür
digen Schönheiten, reichen Aussteuern,
hocharisto
fahren, lobte die ausgezeichnete Erzie
hung, wußt« die Lorzüglichkeit d«S
blauen schätzen aber: er
urtheilt von einer nicht geringen An
zahl von Grsßmiitt.'rn, Müttern, Ta
nten, denen etwas schüchterner, aber
nicht weniger unzufrieden, ein Chor in
teressanter junger Wittwen zur Seite
stand. Er sprach nie von der verstor
benenHerzozin; er schien nicht unglück
lich zu sein und war es auch nicht.
Man sah ihn fast immer fröhlich und
guter Laune. Er war durchaus kein
kasteiender Heiliger, sondern genoß
das Leben ruhig, in vollen Zügen. Er
beschäftigte sich nicht mit der Politik,
aber wenn er «S gethan hätte, würde
er ein eifriger Conservatiser und un
versöhnlicher Reaktionär gewesen
sein. Er war dies auch auf eigeneßech
nung und im eigen«» Hause, wo er «i
-fersüchtig über di« unveränderte Fort
übung der Gewohnheiten und Tradi-
Füllen der Stuten, welche er als Fül-
Gestüte des Hauses Astianello waren
alt und geschätzt und machten nicht
trächtlichen Posten, sondern auch nicht
zum kleinsten Theil den Stolz derFa
milt« aus. Unter lius g«sagt, verstand
Wissenschaft auf's Tapet. Der Fürst
ohne weiteres davonlief.
Der Fürst lachte und.... heirathete im
mer nicht.
Seit einigen Jahren nun hatte die
Schaar d«r v«rfchworenen Freund« ih
re Angriffe eingestellt. Sie hatten ge
meint: „Ueberlassen wir die Sache der
Zeit." Aber die Zeit verging, ohn« auf
ihren Flügeln ein« neue Fürstin von
Astianello herbeizutragen.
Und doch hatte der Fürst seine gute
Gemahlin nach seiner Art recht sehr
geliebt. Vielleicht blieb er eben deshalb
ihrem Andenken und der «igei:«n Frei
heit jetzt so treu.
UcberdieS liebte der Fürst auch sein
Töchterlein sehr, und der Gedanle,
demselben «ine Stiesmutter zu geben,
war ihm zuwider. Nicht daß er es
viel um sich gehabt oder seine Erzie
hung selbst an die Hand genommen
in den weiten Räumen d«r Säle da»
klein« Wesen sich herumtrieb, das wei
ße, zarte, süße Ding, das vom Wachsen
nichts wissen wollte, im Lernen leine
großen Fortschritte machte, weder leck
noch witzig war, sondern nur ganz
schen Pflanzchen im Treibhaus, und
das ihn so lieb hatte. Er sah es gar
,zu gern, wie das kleine Mädchen, wenn
er auf d«n Kutschersitz stieg, um das
Viergespann zu lenken, in Ekstase ge
rieth und ihn entzückt betrachtete, wie
sie einen König auf seinem Throne
betrachtet hab«n würde. Eins nur miß
fiel ihm, daß seine Camilla, der Ab
kürzung halber Milla genannt, so
schüchtern und furchtsam war. Und
doch sagte sie nie: „Ich fürchte mich!"
Ab«r todtenblaß wurde sie, wenn ein
Gewitter ausbrach, und zitterte, wenn
ihr Bater davon sprach, sie in denSat»
tel zu beben. Entsetzen sprach aus ih
ren großen, liebevollen Augen, wenn
«r so grausam war und darauf be
stand, sie solle im Garten bei einer
Schießübung mit d«m Flobkrtgewehr
zugegen sein! Camilla hatte «ntschi«den
nichts von tiner Amazon« in sich. Und
nachdem der Fürst sich ein wenig da
rüber geärgert hatte, entschuldigt« er
ste schließlich, da si« doch wirklich ein
w«niz zu zart sei.
Nun war sie allerdings schon kräfti
ger geworden durch fortgesetzte Kuren
und die Luft von Astianello; aber des
senungeachtet sollt« si« nicht gequält
werden, herzhafter zu sein oder fleißi
ger zu studiren. Das würde mit der
Zeit schon kommen. Und wenn es auch
nicht kommen sollt«, auch später nicht...
je nun, so war das Uebel eben nicht
groß.
Der Fürst bracht«, sowohl auS «ige
ner Liebhaberei, als des Töchterlein»
wegen, ein«n großrn Theil des Jah
res in Astianello zu. DaS ungezwun
gene, freie Leben auf dem Land«, die
unumschränkte Herrschaft, die «r da
selbst ausübte, entsprach«» seinem Ch
arakter als gütiger Feudalherr. Natür
lich wurde von Zeit zu Zeit ein kleiner
Abstecher nach Parts, Turin oderFlo
renz gemacht, um sich für die Einsam
keit ein wenig zu «ntschädigcn. Häufig
wurde die Villa von einer Schaar
Freunde überfallen, oder eine große
Jagd v«relnigie dort fröhliche Gesell
schaften und bot erwünschte Gelegen
heit zu einer freigebigen, aufrichtigen,
trotz ihrer Einfachheit opulenten Gast
freundschaft ohne Ceremoniell, ohne
Falsch, nach etwas altväterischenßräu
chen, mit einer verschwenderischen Fülle
von Reichthümern und einer guten
Dosis von Unordnung und Mißbräu
chen; aber auch in den letzteren h-rrjqte
kein Mißton, auch sie waren fast gehei
ligt durch alihergebrachte Gewohnheit
und Dankbarkeit. Ein großes Dienst
personal that wenig oder nichts und
verschwendete hinter dem Rücken des
Herrn, der vieles nicht wußte und zu
vielem ein Auge zudrückte, und von
denjenigen, die sich'S auf feine Kosten
wohl sein ließen, zum Gegenstand ei
nes vielleicht ungeschlachten, aber
nichtsdestoweniger aufrichtigen Cultus
gemacht wurde.
Die Billa war sehr schön, zwar alt,
aber in ihrer Architektur schon frei von
dem kalt monumentalen Styl der in
der gleichen Zelt erstellten Bauten. Sie
stand mitten im Garten auf einer Er
hebung d«s Bodens, die sich weiterhin
als ein« ganz mit Blumen bepflanzte
Esplanad« ausdehnte. Der Hauptfas
sade gegenüber erstreckte sich eine Allee
von alten Kastanienbäumen bis zu
dem großen Gitter am Eingang der
Billa. An die Allee stieß rechts das
weitläufige Gebäude b«r Stallungen,
links der Garten.
Die zu der Villa gehörendenßauern»
Häuser waren hinter «inem dichten
Cypressenwäldchen versteckt und ver
bargen ihrerseits wieder die unmittel
bar daran stoßenden Häuser des Dor
fes. Und es kam sehr oft vor, daß
ein Bauer, wenn er vom Felde heim
kehrte und es eilig hatte, ungescheut sei
nen Weg durch die Allee nahm und
Jemand sich darüber aufhielt. Das
Gitterthor stand den ganzen Tag of
fen. Der Garten war, wie schon gesagt,
über und über mit Blumen besät. Von
der Esplanad- führte, an die Haupt
fassade gelehnt, «ine Doppeltreppe, de
ren Hälften zu den Seiten eineZSpring
brunnens aufstiegen, zu «wer Terrasse
im ersten Stock empor und brachte
diese so in unmittelbare Verbindung
mit dem Garten. Es war ein Wunder
lieblicher, idyllischer Anblick, diese bei
den Treppen mit ihren merkwürdi
g-n von Rosen, Flieder und Gaisblatt
umrankten Geländern; «s schien, als
wollten die Blumen das Haus erstür
men.
Schade, daß das Fenster auf der
Terrasse stets geschlossen war.
Hinter demselben befand sich «in
wunderschönes, ganz mit blauem At
las ausgeputztes Schlafzimmer. ES
war das Schlafzimmer des fürstli
chen Paares gewesen, und Milla war
darin geboren worden; aber der Fürst
setzte nie den Fuß hinein und gab
auch nicht zu. daß es bewohnt wurde.
Milla wohnte in «mein anderen
Flügel des Hauses. Auch sie hatte ein
sehr großes und reich auSg«statttteS
Zimmer, und ihr kleineSßettchen schien
in dem ernsten, weiten Raum« noch
kleiner. Aber wie um die verschwin
dend« Kleinheit dieses Kinderbettes
auszugleichen, erhob sich diesem zur
Seite majestätisch das mächtig« Bett,
in welchem sich jeden Abend züchtig die
knochiaen, hageren Glieder der ehrba
ren Miß Rhoda Spring, der englischen
Erzieherin der jungen Fürstin, aus
streckten. In Wahrheit machte Miß
„Spring" (Frühling) ihrem poetischen
Namen nicht viel Ehre. Der Frühling
dieser würdigen Dam« war seit Jahren
vorbei, und es wäre schwierig gewe
len, beim Anblick dieser fürchterlichen,
so großartig und so abschreckend häß
lichen Person auch nur eine Erinne
rung an Veilchen und Rückkehr ter
Schwalben heraufzubeschwören. Trotz
alledem war Miß Spring ein Engel
von einem Nordlandsmädchen, gut,
aufrichtig und ungemein treuherzig;
aber bei den Bewohnern des Dorfes
und der Besitzung fand sie keine Sym
pathie. Da diese guten Leute gewohnt
waren, die englisclM Pferderassen und
vor allen and«rn die auS Irland kom
menden Füllen hochzuschätzen, so konn.
t-n sie gar nicht begreifen, wie ein«
Landsmännin der „Lady Rowena"
(eine berührte schwarzbraune Stute,
die aus d«r Ausstellung in Rom den
Preis davongetragen hatte) so häßlich
sein, derartige Füße und «in Gesicht
haben lonnte, da! aschgrau aussah,
wie die Schnauze eines Füllens. Das
Schlimme war eben, daß der Fürst ei
nem seiner Freunde in Dublin geschrie
ben >)att-, er möcht« ihm eine Stute
schicken, so und so, und eine Erziehe
rin, ebenfalls so und so. Sie waren
nun, wenn man so sagen darf, zusam
menicreist, hatten aber bei ihrer An
kunft durchaus nicht das gleich? Wohl
gefallen crrcgt. Damit soll nicht gesagt
sein, daß nicht beide, jedes in seiner
Art, vorzüglich ausgefallen wsren:
Roivena war das Ideal des Dienst»
Personals in den Ställe», und >Ois
Svring war das Ideal d«r kleinen
Milla.
Offen gesagt, gehörte nicht viel da
zu, um Millas Ideal zu werden. Ihr
Kindesherz war ungemein li«beb«dürf
tig.
Und in dem Getümmel des Hauses,
im Kommen und Gehen d«r Leute, die
ausschließlich mit Pferden beschäftigt
waren, und wo das weibliche Element
nur durch die Garderobieren und die
Frauen d«r Verwalt«! und der Reit
knechte vertreten war, mußte eine Frau,
die sich mit dem Mädchen beschäftigte
und Sorge für es trug, einen wichtigen
Platz in dessen Herzen einnehme», Und
Milla hatte einen äußerst
Charakter.... Sie schloß sich schnell an
und mit einer Wärme, welche um so
dauernder war, als sie vom eigenen
Feuer sich nährte, sich daran begeisterte
und jedem Egoismus fern blieb. O,
wie hatte sie ihre ungeschliffene Amme
geliebt, die b-7 ihr geblieben war, bis
sie sieben Jahre alt geworden! Wi:
viele Thränen, welche Verzweiflung,
als sie dieselbe von sich lassen muß!«!
Nun hatte sie ihre Liebe natürlich auf
Miß Spring übertragen!
Und Miß Spring war, in der That
eine gute Dam« und Milla auch unge
mein zugetan.... Sie lebte im vollen
guten Glauben, wirklich die Erziehung
dieses kleinen Geschöpfes, dieser lieben
Milla, zu leite». Aber in Wirklichkeit
erzog diese Milla sich selbst mit der
unerschöpflichen sanften Milde ihres
Charatters, mit ihrem glühenden Be
dürfniß, Jemand lieb zu haben. Sie
machte keine großen Fortschritte im
Lernen, sie war sehr schüchtern und
durchaus nicht aufgeiveckt; aber waS
Der Fürst hatte befohlen, die arme
Kleine nicht allzusehr mit Unterricht
zu Plagen; «r hielt nicht darauf, ein
Wunderkind zu haben; und zudem war
er der Meinung, ein Frauenzimmer
misse immer genug. So kam es, daß
Milla nur wenige Stunden des Tages
in dem großen Saale, dem sogenann
ten Studirzimmer, zubrachte, und
wenn das Wetter es erlaubte, waren
sie und Miß Spring im Freien, auf
dem Spaziergang oder im Garten.
Auch der Arzt hatte dazu gerathen,
und wirklich konnt« der Gesundheit des
Mädchens nichts zuträglicher sein. Miß
Spring suchte mit Vorlieb« den dich
ten, kühlen Schatten lnr Kastanien
auf; in der Mitte der Allee, auf der
Seite gegen den Garten, hatte derFiirft
«in« Art ländlicher Hütte mit Bänken
und Sitzen erbauen lassen; dies war
der gewöhnliche Aufenthaltsort der
Erzieherin und ihres Zöglings. Rechts,
oben an der Allee «rhob sich die Billa,
lintS unten war das beständig offene
Gitterthor, hinten der Garten, vorn
die unabsehbar lange röthlich« Mauer
der Stallungen.
Wie viele Leute lebten von dem Lu
xus dieser Stallungen! Die Pferde
zucht war eine unerschöpflich« Qu«ll«
des Wohlstand«? und des Verdienstes
für die Bevölkerung von Astianello,
und fast alle rüstigen Arme fanden da
bei ihre gesicherte Beschäftigung. Und
wie stolz waren sie darauf, zum Gute
des Herrn Fürsten zu gehören! Di-
Bereiter insbesondere bildeten fast eine
bevorrechtete Zunft, in welcher daSAmt
des Vaters sich auf den Sohn vererbte.
Sie standen im Rufe sehr geschickter,
sehr kühner, ja sogar etwas verwege
ner Leute. 'Man nannte sie die Teu
fel von Astianello, und sie fühlten sich
von ihrem Titel ungemein geschmei
chelt und bemühten sich demselben da
durch alle Ehre zu machen, daß sie
meist Carriere ritten, ihre Mütze auf
eine ganz besondere Art trugen und
eine gewisse über die Maßen malerische
Sprache führten, welche den welken
Lienen der Miß Sping unzählige
„Shocking" entlockte. Aber die Bereiter,
vielleicht weil sie die Bedeutung des
Wortes nicht kannten, hörten nicht
aus, ihre Reden mit diesen energischen
Ausdrücken zu zieren. Es war ein
Brauch, eine Gewohnheit wie tine an
dere; wahrscheinlich waren sie über
zeugt, daß die voll«nd«te Eleganz der
Profession dies v«rlange. Natürlich
zeigten di« Jüngsten einen übertriebe
nen Eif«r, diesem Anspruch zu genü
gen; bei den Knaben, dem jungen Auf
wuchs der Bereiter, war «S geradezu
schauderhaft. Da mußte man z. B.
Drollino hören! Er war just der
schweigsamste Knabe auf dem ganzen
er sprach, waren wirklich fast lauter
Flüch«.
Ein eigenthümlicher Typus, dieser
Drollino! Eigentlich hieß er Pietro
und war der Sohn eines der besten Be
reiter auf dem Gute. Nach der Sitte
des Provincialdialeltes hatte man sei
nen Namen verändert und verlängert
loandelt und dieser schlechtweg inDrol
lino verkürzt. Dieser kurz gefaßte Na
me paßte sehr gut für ihn. Er war ein
sehr magerer, kleiner Knabe von zehn
Jahren mit einem feinen, kleinen, aus
drucksvollen, von der heißen Sonne
der Triften gebräunten Gesichte. Die
Mutter war bei seiner Geburt gestor
ben, und da er die Stiefmutetr nicht
gern hatte, wollte er nichts vom Zu
haiisebleiben wissen er schlenderte
beständig allein oder mit seinem Vater
auf den Weideplätzen herum. Er wollte
auch nicht in die Schul« gehen und
mit Allem, was nicht Pferd hi«ß. Die
Pferde freilich gingen ihm über Alles,
und er hielt sich vi«l lieber bei den
Er ritt bereits mit wunderbarer Ge
schicklichkeit. Das Schlimmste war, daß
»r mit zäher Liebe an d»n einzelnen
Pferden des Gestütes hing, und wenn
es geschah, daß ein Paar od«r einJun
«es verkauft wurde, mit dem er sich per
sönlich beschäftigt hatte, so betrach
tete er diese Mak»a«l eine
pe?lonNld« Beleidigung, fleischte die
Zähne, fluchte wie ein Türke und streif»
k tagelang wie ein Ziq-un-r in d«r
Ebene herum. Dann bekam die Lieb«
zu den Pferden wieder die Oberhand,
und das Schäfchen kehrte in den Scha
fstall zurück.
er kannte bereits fast alle dabei ge
bräuchlicbne Kniffe, wuhte, was die
Pferde gern haben, und wa» sie nicht
Begriffe von den Worten mein und
dein. Er stattete dem Obstgarten bis
weilen nächtliche Besuche ab, und
wenn der Gärtner die Früchte control
lirte, fand er immer, daß von den un
reifen Citronen fehlten, di! er so sorg
fältig und voll Hoffnung zählte. Und
Drollino liebie di« unreifen Citronen
sehr.... Aber er ließ sich ni« auf der
Thai ertappen. Dessenungeachtet war
er ein Knabe, den man lieb haben
mußte; er hatte gewisse für feinen Be
ruf f«hr bezeichnende Eigenschaften.
Außer d«n Pferden verehrte er seinen
Herrn. Er stahl ihm freilich die Citro
nen, aber nöthigenfall» wäre er für
dem kleinen, weißgekleideten Wesen
gehören sollten, das in der Allee spiel
te, dann wurde auch das Mädchen in
schon einen kleinen Plan gemacht. Er
wollte gelegentlich ein Pferd stehlen
und sich auf und davon machen, fort
Herrgott!.... Welches Glück!..» Ein
Und lonnte nicht Milla, wie jen« en
gelhafte Evelina in „Onkel Toms Hüt
te", auserkoren fein, den „wilden Bu
rcnzler waren.... MißSprings Traum.
Sie war f«hr vertrauensvoll und sehr
phantasievoll, und Drollinos Fluchn-
Landes, des grünen Erin, s«ien.
Allerdings waren Drollinos Flüch«
von ganz besonderer Art. Er stieß si«
„Aber Drollino! Das schickt sich nicht!"
ltt Miene.
Und wie Drollino diescZ fein«
Stimmchen wiederholt hatte sagen hö
ren, daS Fluchen schicke sich nicht, sing
«r an, jedesmal roth zu werd«n, wenn
ihm unversehens ein Fluchwort ent
schlüpfte. Es hatte zwar früher schon
nicht an Bemerlungen über seine Reden
schellen und Ohrfeigen gemacht wor
den, und er fand MillaS Sprache ver
ständlicher.
ihr halbtodte 'Bögelein herbei und Ka
tzen von unglaublicher Magerkeit; «',»-
mal brachte er ihr sogar «in Murmel
thier, daS noch halb im Schlafe lag.
Sie hob für ihn oft «ine Süßigkeit
vomMittagesscn auf. Drollino hinwie
der, der stolz war und das Naschwert
nicht umsonst haben wollte, überbrachte
ihr prächtige Psirsick)«, di« er mit größ
ter Geschicklichkeit und nicht geringer
Gefahr aus dem Obstgarten der Villa
selbst für sie gestohlen hatte. DasMäd
chen, die unbewußte Mitschuldige, aß
mit Vergnügen die verbotenen Früchte.
Die Scene von Adam und Eva, aber
in umgekehrter Ordnung!
Der Fürst hatte die beiden Spielge
fährten mehrmals in der Alle gesehen,
aber d«Sache hatt« ihm durchaus nicht
mißfallen. Er fand si« vielmehr ganz
natürlich. Und es war auch so, alles
ein Kind gewesen.
Drollino spielte viel und sprach we
nig. Aber als er ganz vertraut mit
Milla war, konnte er nicht umhin, je
den Augenblick wieder sein« gros:«, un
b«zähmbar« Leidenschaft, die Pferde,
zu erwähnen. O, wie bedauerte er, daß
es nicht mehr war, wie früher, zur
Zeit vor f«in«s Vaters Unglück! „O,
wenn Du wüßtest, Milla, was das
ist!" Und lebhaft «rr«gt, «zählte er von
den Fr«uden d«S freien Lebens, der
Wollust eine« zügellosen Rennens aus
dem Rücken der wolligen Füllen! O,
wenn er eins hätte.... ein Pferd! Aber
er hätt« es klein hab«n mögen, kaum
geboren, um es selbst zu zähmen, zu
erzi«h«n.... Sein! S«ii»! Sein!— Die
Augen funkelten ihm vor Begeisterung.
Eines Tages kam er wi« ein Sturm
wind in die Allee gebraust.
„O Milla! Wenn Du wüßtest! Jetzt
im Stalle.... von Rowena!"
„Wer?" fragte das Mädchen un
schuldig.
„Ein kleines Mutterfüllen! Wenn
Du eS sähest! Sie sagen, es werde ein
wunderschönes Thier werden. Es ist
so groß, schau, wie Lupo, der Wacht-
Drollino hielt inne, Milla machte
ein strenges Gesichtchen. Er zuckte die
Achseln mit einer verächtlichen Geber
de und kehrte im Fluge zum Stall zu
rück.
Dort blieb «r bis spät, so lange er
konnte, bis die Stallwach« mit einem
Fußtritt drohte und ihn fortjagte. Er
bat, man möchte ihn die Nacht hier
zubringen lassen, auf dem Stroh, ne-
Nack zehn Uhr durften nur noch die
zum Nachtdienst bestimmten Personen
bleiben.
hin in den Gedanken vtrsun
ken, d«r ihn gänzlich beherrschte, und
erwartete mit Ungeduld d«n Tagesan
gtword«n war, auf das kleine wollige
Thierchen heftete, daS noch nicht stehen
konnt«.
So kam die Mitternacht.
Tiefe der Allee hinein. Nicht lange, so
stimmt ein«n Trupp von zwet oder drei
ter Vorsicht, dem nördlichen Theil'/ der
Billa zugingen, wo sich die Borraths«
lammern und die G«sindestub«n befan
den. Drollino erkannte, daß diese
schweigende Geftllschaft Dieb« waren.
Er g«ri«th nicht in Schrecken und
«am nicht au» der Fassung, sondern
empfand ein« ungestüme Freude, daß
er sie gesehen hatte und ihre Pläne
vereiteln konnte. „Ha, ihr Schürt«»,"
dachte er, „euch will ich da» Handwerl
di Eck der V'll
durch den kleinen Graben, glitt wie
eine Schlang« durch dos höh« imWinde
wogende Gras und war im Nu bei-n
ter, einen lebhaften Alten, der seiner
seits in aller Eile fünf oder sechs der
Diebe zu überraschen, an den von dem
Knaben bezeichn«ien Ort. Als si« dort
antamen, waren die Diebe, welcht noch
Lichtstreif auf die stumme, geheimniß
volle Scene warf, so daß DrollinosZi
geunergesicht und die winkend erhoben«
Flucht. Jetzt hörte man durch dieSiille
der Nacht scharf kreischend und schnell
wie eine losgebrannte RaleteDrollino»
Siimme das Alarmgeschrei erheben:
„Diebe! Diebe!" Und mit diesem Rufe
hatte er sich auf den Bösewicht gestürzt,
der ihm zunächst war, und sich ihm an
d«n Arm gehängt und li«ß sich nun von
demselben auf seiner schleunigen Flucht
in der ganzen natürlichen Schwere
mitschleppen. DerWachthund bellte wi«
wüthend, die Bauern rannten fort zur
Verfolgung, ei hatte sich «in unglaub
licher Tumult erhoben.
Plötzlich blitzte es auf, man hört«
einen Flintenschuß, auf welchen ein
durchdringender Schrei folgte. Man
war den Flüchtlingen hart aus denFer
fen, aber doch gelang e« zweien dersel
ben, zu entkommen. D«r Dritte, an
welchem Drollino gehangen war und
welcher einen Pistolenschuß auf ihn
abgefeuert hatte, um ihn los zu wer
ten, wurde gefangen. Der Knab« aber
lag b«wußtlo» am Bod«n.
Er war indessen nicht todt und auch
nicht lebensgefährlich verwundet. Die
Kugtl war in eine Wade gedrungen
und hatte di« Knochen nicht «rlrtzt; si«
wurde in der Nacht noch herausgezo
gen. Drollino blieb der unbestritten«
Held des Abenteu«rS.
Der Fürst suchte ihn im Stübchen
der Psörtmrwohnung aus; er trat an
das Bett, ließ ein sonore» „Bravo"
hören und steckte die Hand unter das
Leintuch, um den Puls zu fiihl«n. Es
war natürlich ein wenigFieber vorhan
den, aber leine Gefahr.
Der Held war ziemlich schwach, aber
stolz und «rfreut, daß er so viele Ehre
und sogar einen Besuch des Fürsten
verdient hatte. Dem Vater, der ihn
später fragte, ob er in dem schrecklichen
Augenblick keine Furcht gehabt hätte,
antwortete er gewissenhaft: „Nein!
Das heißt," v«rb«sserte «r «inen Au
genblick nachher, „ich habe zweierlei be
fürchtet: sie möchten die Ställe anzün
den und möchten di« Signorina Milla
weck«»."
Er blieb drei Wochen lang imßett«.
Der Fürst hatte es nicht bei dem Lob«
bewenden lassen, das er ihm in jener
denkwürdigen Nacht gespendet hatte.
Er ließ sich jeden Tag nach seinem Be
finden erkundigen und befahl, daß er
während der ganzen Krankheit auf
Kosten des fürstlichen Hauses gespeist
würde. An einem schönen Morgen, als
er wuhte, daß Drollino völlig genes«,
war, lieh er ihn rufen.
Drollino kam sogleich in Begleitung
seines Baters. Er war noch ziemlich
schwach; der Blutverlust und die drei
Wochen, welche er im Bett hatte zu
bringen müssen, hatten ihm scharf zu
gesetzt; er war sehr mager und bläh
bis in die Lippen. Sein Herz klopfte
fast hörbar und die Beine zitterten ihm
ein als er die lange Flucht der
Säle i::i Erdgeschoß durchschritt. Der
Fürst erwartete si« im chinesischen
Nacht besser zu betrachten.
(Fortsetzung folgt.!
„Kann Ihr Papagei Ichon spre
chen?" „Nein, bis jetzt kann er erst
fluchen."
Sie: „Da, steck' das Bouguet in'S
Knopfloch. Es könnte sein, daß ich, um
zwischen uns die Spitze abzubrechen.
Dich heute Abend auf der Beranda des
Hotels küssen muß und dann riech ich
Ein Alter vom Lande: „Wo bist
ließ dann los." Alter: „Was? Das
über die Brücke weggesprungen."
Buchhalter zu einem Comptoiri
sien: „Sie gehen ja heute ziemlich früh
weg." Comptoirist: „Ja, meineFrau
will mich kurz vor 4 Uhr an der Eck«
mit d«r Carriage erwarten." Buch
halter: „Mit der Carriage? Habe
riage halten. Sie geben's ja nobel!"
Comptoirist: „O, ich meine mit der
Baby-Carriage."
Schnapsend« Madagassen.
Berauschende Getränke spielen 5-i
dm Eingeborenen von Madagaskar
serlichen Trinkern machen, wenn nicht
ihr Destillationsverfahren überaus
langsam wäre. Die Madagassen
rungund Destillation herstellend Das
Verfahren ist originell. Der Saft
wird dadurch gewonnen, daß das Zuk
tritt. Dann beginnt der eigentliche
Destillationsproceß. 80 Krüge, von
denen ein jeder vier Gallonen des ge
rohr nach einem ausgehöhlten Klotz,
in dessen Jnnerm sich ebenfalls Röhren
von Bambus befinden und welcher der
eigentliche Desiillirapparat Ist. Nach
dem alle Vorbereitungen mit der größ
ten Sorgfalt gemacht sind, wird in
einem Loch ein mächtiges Feuer ange
leeren Räume zwischen den Krügen ge
leitet, während über das Bambusrohr
im Innern des hohlen Klotzes Wasser
fließt. Die Brühe in den Krügen
kocht schnell und die sich entwickelnden
Dämpfe nehmen ihren Weg durch die
Bambusleitung nach dem ausgehöhlten
Klotz. Durch das Wasser condensirt,
werden die Dämpfe zur berauschenden
Flüssigkeit und letztere wird i» einem
Gefäß sorgsam aufgefangen. Sobald
dieselbe sici? genügend abgekühlt hat,
ist der Schnaps fertig. Derselbe ist
absolut rein, allein stark und gilt für
sehr gesund. Die Missionäre haben
noch keinen Versuch gemacht,' dieser
primitiven Schnapssabrikation Ein
halt zu thun, wohl wissend, daß di»
Eingeborenen dann vom Schnaps zum
importirten „Rum" übergehen würden,
der von europäischen Händlern verkauft
wird und mit solchem nur den Namen
gemeinsam hat; in Wirklichkeit ist das
Zeug ein schändliches Gift, welches den
Geist wie den Kijrper ruinirt. Außer
ihrem Schaps sabriciren die Einge
borenen ein Getränk, das sie Wein
nennen und das wie rothe Tinte aus
sieht. Dasselbe wird aus Beeren, von
der Größe eines Paradiesapfels, welche
sie Affenbeeren nennen, hergestellt. Zu
eimr Gallone von diesem Beerensaft,
der einen scharfen Geschmack hat, wer
den vier Gallonen eingeweichter Ta
bakblätter genommen und eine aroma
tische Wurzel, welche den Geruch wie
den Geschmack der letzteren vollständig
entfernt, gethan. Diese Mischung
wird ungegohrcn in Flaschen versiegelt
und gibt nach Verlauf von mehreren
Monaten einen wohlschmeckenden
Trank. Die Eingeborenen trinken mir
großem Behagen vier bis fünf Gläser
davon, während diese Quantität beim
Europäer heftiges Erbrechen verur
sacht. Wasser trinken die Madagassen
nie, denn dasselbe wimmelt von ver
schiedensten Lebewesen; wird dasselbe
abgekocht, so zeigen sich in demselben
sonderbare Fäden, die wie Seetang
aussehen; der Geschmack ist abscheulich.
Aus diesem Grunde trinken sie weder
Thee noch Kasfe, trotzdem sie letzteren
in bedeutenden Quantitäten für den
Export anbauen. Sonderbarer Weife
dient ihnen auch nicht die Milch als
Getränk, diese verwende» sie vielmehr
ausschließlich zum Ausziehen der Käl
ber.
Aufmunterung. Bettler
(zu einem Herrn, der ihm einen Pfen
nig giebt): „Sie, .schenken S' m'r doch
a' biss'l mehr! I' bin noch 'n Anfän
ger und verlier' sonst allen Muth!"
Der bewohnte Mond.
stimmtheit, daß er stets einen Mann
cher Mond ist das?" „Der Honig
mond," sagte der Astronom.
gewürdigt wurde, als Columbus
schon lange todt war?" Schüler
(aus dem neunzehnten Jahrhundert):
„Weil er nicht genug annoncirt hatte."
Boreilig. „Herr Doktor,"
spricht ein Bote den Arzt Dr. M. an,
„Sie möchten doch schnell einmal nach
Zk. kommen. Dort hat man Einen zu
zeitig abgeschnitten."
Abgeführt. Dame: Si«
sind verheirathet, Herr Pinsel?
Maler: Nein, die Kunst ist meinWeib!
Dame: So! Da würde ich an Ihrer
Stelle auf Scheidung klagen, denn die
hat Sie ja längst verlassen.
Naiv. Baron (z Xeinem nicht
mehr ganz jugendlichen Diener, den er
auf einer groben Fahrlässigkeit betrof
fen hat): „Ich glaube, Johann, Du
wirst alt!" Johann: „Glaub's
selbst, Herr Baron, mein Bater
selig würd' auch so an die achtzig!"
Der Modellsie h e r. Ma
ler: „Also, Sie wollen Modell stehen?
nicht so recht (ihn scharf fixirend)
Hm —" Modell (entrüstet): „Nee,
wissen Sie, so lange gratis ankiekei,
laß ich mir nich." 3