Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 02, 1894, Page 2, Image 2

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    2 Japanisch« Nädee.
Einer Schilderung des japanischen
Vadelebens begegnen wir in dem un
längst erschienenen Buche: Wanderun
gen durch Japan, von Ottfried Nip
pold, der mehrere Jahr« als Lehrer der
Rechtswissenschaft an der Akademie zu
Tokio gewirkt hat. Nippold gibt zu
nächst einen anziehenden Bericht über
seine Lebensweise in dem reizenden
Badeorte Schimobara. Es heißt da
rin : Um 6 Uhr wird aufgestanden
und gleich in das heiße Bad von über
ca. 100 Grad Fahrenheit gestiegen.
Darauf folgen Uebergießungen mit
möglichst kaltem Wasser. In dieser
Weise badet man in Japan unverän
dert Sommer und Winter. Man
friert im Winter nur vor, nicht nach
dem Bade: man kann sich nach dem
selben bei der größten Kälte mit eis
kaltem Wasser übergießen. Im
sem heißen aber viel kühler vor, und
das kalte Masser wirkt nach dem hei
ßen auch viel erfrischender. Der in
teressanteste aller japanischen Badeorte
ist Kusatsu, wohin jährlich Tausende
von Japanern im Vertrauen auf die
Heilkraft der h«ißen, start schwefel
haltigen Quellen ziehen. Die meisten
Quellen besitzen eine Temperatur bis
zu 160 Grad Fahrenheit und darüber.
!Jn solchem kochenden Wasser zu baden
ist eine der größten Qualen. Bei die
sen Quellen fehlt selbst den Japanern
oft der Muth, und nur mit Widerstre
ben fügen sich die armen Patienten
dem ärztlichen Befehl. Nippold er
zählt in anschaulicher Weise über den
Hergang bei dem Baden: Um 6 Uhr
wird im Dorf geläutet, und auf die
ses Zeichen hin begeben sich alle Die
jenigen, die vom Arzte zum Gebrauch
der ganz heißen Quellen verurtheilt
sind, nach der Vadestelle. In dem ge
räumigen Badehause ist bereits eine
«roße Anzahl von Personen versam
melt, die ihre Vorbereitungen ju dem
Bade treffen. Eine Anzahl steht um
das mit dem kochenden Wasser ge
füllte Bassin herum. Jeder hat ein
Drett in der Hand. All« bewegen die
ses Brett tactmäßig, indem sie es ein
hauchen und damit das Wasser von
!unten herauf in die Höhe wühlen.
Nachdem-dies etwa zehn Minuten ge
dauert hat, nähern sich die Badenden
Nande des Bassins, kauern dort
Nieder und beginnen sich den' Kopf mit
s>em heißen Wasser zu begießen. Ei
nige der Badenden wickeln etwas Lin
ken um besonders empfindlich« Stellen
!des Körpers. Jetzt naht der Augen
blick zum Einsteigen in das heiße Ele
,Es sind im Ganzen vielleicht 50 P«r
jfällt ihnen der Entschluß jedes Mal
den eine Ewigkeit zu dauern. Im
Chor wiederholt jed«s Mal die ganze
Schaar die Worte des Bademeisters,
der übrigens auch im Wasser sitzt,
selbe nichts schadet. „Noch zwei Mi
nuten!" ruft er, und „Noch zwei Mi
das Zeichen, daß die Zeit um ist. Mit
entflieht die ganze Gesellschaft der
heißen Flüssigkeit. Alle athmen freu
dig auf, daß die Sache «inmal wi«der
überstanden ist; bis zum folgenden
Tage haben sie Ruhe. Es bedarf in
der That eines kräftigen Vertrauens
auf die heilsame Wirkung, um sich
Tag für Tag dieser schrecklichen Tor
tur auszusetzen.
—V or Gericht. Nichter: Sind
Sie verheirathet? Angeklagte:
Nein! Richter: Verlobt?
Angeklagt« : Ich weiß nicht! —>
Richter: Was heißt das? Erklä
ich verlobt bin oder nicht!
Bedenkliche Wendung.
Vertheidiger: „Meine Herren Geschwo
renen, hatte sich Ihnen «in« so günstig«
Gelegenheit geboten, wie meinem Clien
ten, Sie hätten auch gestohlen!"
Unverbesserlich. Gatte:
„Immerzu Putz und weiter nichts als
Putz, dazu verlangst Du fast täglich
Geld. Erst neulich mußte ich Dir «in
Sammetjacket kaufen; hast Du denn
«gar keinen Sinn fiir etwas Höheres?"
Gattin: „O doch, Männchen ein
»Teuer Hut wäre mir ebenfalls Willkomm
men."
Schlau. Herr (zum Gepäck
träger): WaS bekommen Sie denn?
liche Volk gibt mir immer 30 Pfen
nige l
„Er schläft noch!" sagte der Mei-
Tisch eine weiße Decke zu er
widerte : „Er hat dich heut noch nicht
klappern hören, drum schläft er noch.
Wie siehst du denn aus ?" fuhr sie, sich
zu ihrem Gatten wendend, fort.
„Wilhelm, Wilhelm, wie du aber auch
bist."
„Was ist denn?" fragte der Mei
ster verblüfft und sah auf seinen lan
gen Sonntagsrock herunter, der mit
Mühe über eine wunderschöne Weste
von verschlissenem Atlas geknöpft war
und freilich eine Menge verdrießlicher
Falten schlug.
„Wie du wieder den Rock zugemacht
hast!" sagte sie. „Das unterste zu
oberst. Halte mal!"
Nicht ohne Anstrengung brachte sie
die ungewöhnlich großen Knöpfe aus
den Knopflöchern, zog den Rock ener
gisch um die dürftigen Schultern des
geduldigen Mannes, rückte die langen
Schöße zurecht und knöpfte ihn von
neuem regelrecht zu, während der Mei
ster mit ängstlich emporgerecktem Halse
eine Berührung mit den flatternden
Bändern der Staatshaube zu vermei
den suchte, die etwas lose auf dem
Kopfe der Meisterin saß und deren leb
hafte Bewegungen getreulich mit
machte. Endlich saß der widerspen
stige Rock, wie er sitzen sollte, und die
Meisterin wollte eben zu der unter
brochenen Arbeit zurückkehren, als die
Thür stürmisch aufgerissen wurde, und
ein langaufgeschossener Junge mit den
Worten: „Er is uff! Nu jiebts
aber Kaffee, Mutter!" in die Stube
trat.
„Kannst du's denn nicht erwarten,
Nimmersatt!" tadelte ihn der Mei
ster, während die Meisterin aufgeregt
in die anstoßende Küche eilte und dort
gerauschvoll mit Geschirr herumhan
tirte. Nach einigen Augenblicken
brachte sie mit großer Vorsicht Kanne
und Tassen auf einem kolossalen Ta
blett herein, das mit einer Blumen
guirlande umrahmt loar, und auf des
sen einer Seite aus weißen Blüthen
kunstvoll zusammengesetzt eine mäch
tige Fünfzig prangte. Behutsam setzte
sie es aus den gedeckten Tisch, kehrte
wieder in die Küche zurück und holte
einen Niesennapftuchen, der seinen
Platz zu Häupten der festlichen Zahl
erhielt. Meister und Bursche traten,
mit andachtsvollem Staunen an den
geschmückten Tisch heran, und der letz
tere sog gierig den süßen Duft des Ku
chens ein, den er mit den Augen zu
verschlingen drohte. Nun gesellte sich
auch die Meisterin zu ihnen und blickte
schmunzelnd auf das wohlgelungene
Werk.
„Das hast du gut gemacht, Mut
ter!" rief der Meister, sich vergnügt
die Hände reibend. „Aber er wird
auch seine Freude dran haben!"
„Besonders an dem Nappluchen!"
fügte der Junge hinzu; aber der
Meister erwiderte : „Wenn er so aufs
Essen wär' wie du! Die Jirlande
wird ihn am meisten freuen und die
schöne Zahl drauf. Na, 's ist aber
auch keine Kleinigkeit: fünfzig Jahr
im Amt! Wie der Mensch das aus
wie alle Tage zu schreiben und immer
fort zu schreiben! Nll, Kinder, da
lob' ich mir doch meine Schusterei, da
gibts doch wenigstens Abwechslung:
heute ein Paar langschäftige, morgen
ein Paar Halbschuhe, rindslederne und
kalbslederne, große und kleine, aber so
nicht sein!"
„Es wird dabei wohl auch nicht al
les über einen Leisten gehen, Wil
helm!" meinte die Meisterin. „An
einen schreibt man so und an den an
dern so i und die Hauptsache ist: man
hat sein Brot dabei!"
„Da hast du recht, Mutter!" gab
der Mann nach, „und gemacht muß die
Arbeit auch werden. Na, sie werden
's ihm aber auch heute gedenlen, wie
sich's gehört."
„Meinst du, Wilhelm?"
„Nu freilich, 's ist doch ein Jubi
läum, und da gibts immer was. Ich
hab' mit dem Gerichtsdiener gespro
chen, der meint: 'ne Ehrenbezeigung
Orden."
„'nen Orden? Ach, was sie so
vorne auf der Brust tragen ?"
„Jawohl, und der König selber
schickt ihn ein."
„Ick weeß schon." mischte sich der
Junge in's Gespräch, „'ne Rettungs
medaille !"
„Dummer Junge!" brauste der
Meister auf. „Hat er denn einen auS
fen mit Rath und That? Zehnmal
verdient, Wilhelm!"
„Ja," pflichtete der Meister bei, un-
Das jedes gethan für so einen
braven, ordentlichen Miether, wie der
ist. Aber er soll auch sehen, wie wir's
ihm danken ! Heute ist Feiertag, und
gen, da muß er unser Gast sein."
„Un Mutter muß den Kuchen mit
nehmen, un seinen Jubiläumsorden
Der Meister schüttelte den Kopf.
was HöhtteS
„Was meinst du denn?" fragte die
Meisterin gespannt.
gen ist."
„Einen Titel? Warum nicht gar?"
„Jawohl! Sclkertär ist er gewor
den."
„Sekkertär!" rief die Meisterin
Schmidt im ersten Stock ?"
„Ja, ja, Mutter!" betheuerte der
Meister. „Du kannst mir's glauben.
Paß auf, er wird's !"
In diesem Augenblick klopfte es an
die Thür. Die drei Leutchen in der
Stube schraken zusammen, denn sie
glaubten, der Jubilar melde sich an.
Es war aber nur der Briefträger, der
einen guten Morgen bot und einen
Brief von amtlichem Format mit den
Worten hinreichte: „Für Herrn
Kanzlist Gutschi«. Portopflichtige
Dienstsache. Kostet zehn Pfennig
Porto." Mit vor Aufregung zittern
den Händen erlegte der Meister den
verlangten Betrag, während die Frau
mit dem Zipfel der sauberen Schurze
den Brief erfaßte und auf den Tisch
dicht neben den Festlucheu legte. Als
der Postbote sich mit freundlichem
Gruße entfernt hatte, machte der Mei
liegenden Hammer und schwang ihn
triumphirend um sein kahles Haupt.
„Hurrah!" rief er. „Es lebe unser
Sekkertär!"
„Hoch! hoch!" fiel der Junge ein.
„Nu kann ick mir doch zwee Stücke
Kuchen nehmen, Vater ?"
„Meinetwegen drei!" lachte der
Meister seelenvergnügt, faßte seine
Frau um die volle Taille und schwenkte
sie ein paarmal durch die Stube, daß
hervorstieß: „Wilhelm! Wilhelm!
ficht, und als der Meister sie losließ
und auf den Brief zeigend ausrief:
„Nu, Mutter, wer hat jetzt recht?"
erwiderte sie: „Wer hätte das ge
dacht ? Sekkertär!"
„Scht! Stille!" rief da der
Junge, und alle horchten auf. Drau
ßen im Flur ließen sich schlurfende
Schritte vernehmen, die sich der Stube
dürres Männchen mit einem blasse i,
faltigen Gesicht, in dem ein Lächc.n
demüthiger Bescheidenheit jeder,na >n
der Träger desselben zu existiren wagte.
Spärliche graue Haarsträhnen waren
sorgfältig in dir flache Stirn vorge
kämmt, von der eine unverhältnißmä
ßig große Nase steil hinunterlief ; von
dem übrigen Gesicht war nicht viel zu
„Guten Morgen, Herr Krause! Gu
ten Morgen, Frau Krause! Guten
Morgen, lieber Karl!" in die Stube.
so war diese Furcht vollkommen
grundlos. Seit Jahren spielte dieser
Tag in der Gedankenwelt des alten
würde. Seine amtliche Lausbähn
glich nur allzusehr einem Wege durch
ödes, unwirthliches Land ohne Wechsel
war es heute noch, der knappe Lohn
reichte eben nur hin, um nothdürftig
das Leben damit zu fristen, und nur
den guten Wirthsleuten, die ihm für
ein Geringes Pflege und Wohnung ge
währten, hatte er es zu danlen, daß
sen war er sicher, würde er die Früchte
seiner Arbeit und Nechtschaffenheit
ernten, heute würde er entschädigt
werden für alles, was ihm das Leben
an Glück und Gaben vorenthalten
hatte. > >
Sonne des Jubeltages begrüßt, und er
fühlte sich hinlänglich stark, auch die
ausschweifendsten Huldigungen mit
die Mitglieder derselben im Sonn
tagsstaate versammelt sah, und der
appetitliche Geruch des Festluchens
den geschmückten Frllhstückstisch:
„Aber was ist denn das ?"
Nun trat der Meister an den Jubi
ren Ihnen auch viel, viel tausendmal,
Herr Gutsche —"
„Und wünschen Ihnen," siel der
sünd und zufrieden sein !"
„Ja," nahm der Meister wieder das
Wort, indem er sich dem Tische näherte
sie: „Halt! Erst wird gefrühstückt,
es ist Zeit!"
ein, „erst wird jefriestickt!"
Schnell nahm die Meisterin die
Kanne vom Tablett und ging damit,
während der alte Kanzlist über und
über gerührt die schöne Guirlande mit
der weißbluthenen Zahl Fünfzig be
wunderte, in die Küche, aus der sie
Riesennapfkuchen an ihren Platz her
an. senkte das Messer tief in feinen
schneeweißen Leib und zerlegte ihn in
Blöcke von erhabener Mächtigkeit,
welche das schmatzende Entzücken des
hungrigen Jungen erregten.
Feierlichkeit dcs Augenblicks ein geseg
neter Frühhunger geltend, und als die
Meisterin die Tassen gefüllt, und jeg
licher seinen Kuchentheil vor sich hatte,
hob ein kräftiges Schmausen und
Trinken an, und keiner sprach ein
Wort.
Nach einer Weile aber, da die Kanne
geleert und in den Kuchen eine gehörige
Bresche gelegt war, begann der Mei
ster : „Nu, Mutter, rück 'mal heraus
mit dem Brief!"
Vorsichtig ward das inhaltreiche
Dokument aus der Tiefe der Tasche
hervorgeholt, und die Hand des Kanz
listen zitterte, als er es in Empfang
nahm und an die etwas kurzsichtigen
Augen hielt. Eine leichte Nöthe ver
breitete sich über fein Gesicht, und das
Herz klopfte ihm vor freudiger Erwar
tung. Doch bevor er das Schreiben,
das ihm deii lang ausgebliebenen Lohn
seiner Treue bringen sollte, öffnete,
sagte er, zu dem Meister gewandt:
„Sie haben zehn Pfennig Porto ver
auslagt, Herr Krause ?"
„Lassen Sie das nur!" erwiderte
der Meister ungeduldig. „Erst auf
machen !"
Nun erst entschloß er sich, den Brief
unter thunlichster Schonung des amt
lichen Siegelabdruckes zu erbrechen,
langsam faltete er ihn auseinander
und las ihn und dann sank er fast
Vom Schreck gelähmt, saß die Fa
milie da. Der Meister wollte etwas
sagen, aber er brachte nichts heraus,
brächen mit verzweifelten vor
sich hinbrütete. Endlich faßte er nach
dem auf den Tisch zurückgefallenen
Brief, holte zitternd seine Brille aus
der Rocktasche und begann den Inhalt
des Schreibens zu entziffern. Es
währte einige Minuten, ehe er damit
barmherziger Deutlichkeit: Gekün
digt zum ersten des nächsten Quartals
loegen überzähliger Schreibkräfte!
Dem Meister gab es einen Stich in's
Herz. Es war ihm zu Muthe, als
wäre er selber der arme Kanzlist, der
Augen, und er merkte, daß darin etwas
vorging. Aber er durfte jetzt nicht weich
werden und zu slcnnen ansangen, er
hatte Wichtigeres zu thun. Hastig
legte er de» Brief zusammen, nahm die
Brille ab, und indem er feiner Frau,
deren Blicke mit ängstlichem Ausdruck
auf ihn gerichtet waren, zunickte, wo
bei er wiederholt mit den Augen zwin
kerte, als handelte es sich um eine ge
heime Verabredung, faßte er den trost
losen Alten sanft bei der Schulter Und
sagte: „Aber, Herr Gutsche, lieber
Herr Gutsche, nehmen Sie sich das
doch nicht so zu Herzen !"
Der alteKanzlist schrak empor, strich
sich mehreremal gedankenlos über die
kahle Stirn und antwortete: „Ent
schuldigen Sie, Herr Krause, aber ich
ich —"
Und das demüthige Lächeln, das in
den Augenblicken seelischer Erregung
aus seinem Gesicht verschwunden war,
kehrte wieder dahin zurück.
„Sehen Sie, Herr Gutsche," versetzte
der Meister eindringlich, „einmal mußte
es ja doch geschehen, und sehen Sie—"
„Aber gerade jetzt, nach fünfzig
Jahren gekündigt!" erwiderte der Alte
leise, und ein schmerzliches Aufathmen
begleitete diese traurigen Worte.
„Gerade jetzt!" rief der Meister und
schlug mit der Faust auf den Kaffee
tisch, als wollte er sich selber Muth
machen. „Ich hab' mir's auch gleich
gedacht!"
„Sie haben es geahnt, Herr
Krause?"
„Freilich, wie der Brief ankam,
wußt' ich's gleich !"
Junge, über solche Doppelzüngigkeit
entrüstet, ein ; die Meisterin aber, die
ihres wackeren Mannes Diplomatie
durchschaute, puffte ihn ermunternd in
die Seite, daß er schmerzlich auf
kreischte.
„Freilich hab' ich's gewußt, Herr
Gutsche," wiederholte der Meister, in
dem er wie begütigend seinen Arm um
den Stuhl des Kanzlisten legte und
ihm zutraulich in's Gesicht nickte. „Ich
arbeite doch für den Herrn Rath, wis
sen Sie, erst neulich hab' ich ihm ein
Paar Doppelfohlige gemacht, feinstes
Roßleder, ein Staat, sag' ich Ihnen!
Nu sehen Sie, da hört man so man
cherlei, und da dacht' ich mir gleich:
gesagt? O!" stöhnte der Kanzlist
und versuchte, seinem Gesicht einen vor
wurfsvollen Ausdruck zu geben.
„Ach, Herr Gutsche, es war mir
rechts so."
„Jawohl, Herr Gutsche! Sehen
gehen, und es war hohe Zeit, daß ihm
die Meisterin zu Hilfe kam.
„Krause hat ganz recht," sagte sie,
Redekampse ihre Arme umfänglich auf
dem Tisch ausbreitete. „Ganz recht
hat er, und ich freue mich drüber, daß
Frau, und wir kennen uns nun schon
zwanzig Jahr: es ist die höchste Zeit,
daß Sie aufhören! Sie haben ohne
hin nicht viel auf der Mühle, und mit
den Augen geht's auch nicht mehr."
„Meinen Sie wirklich, Frau
Krause?" fragte der Kanzlist ängst
lich.
„Nu ob!" versicherte die Meiste
rin. „Wenn Sie's noch ein Jahr so
weiter treiben, sind Sie blind !"
„Sich zum Krüppel zu machen,"
fiel hier der Meister ein, „das kann
der Staat von keinem verlangen!
Seien Sie froh, daß die Plackerei ein
Ende hat! Jetzt wird erst das Leben
bei Ihnen anfangen, Herr Gutsche.
Jetzt können Sie sich ausruhen, brau
chen nicht mehr Tag für Tag auf's
Amt zu gehen, nicht mehr nach dem
und jenem zu fragen, nicht mehr bis
in die Nacht die Feder zu schwenken,
daß es eine wahre Schande ist."
„Ja," ergänzte die Meisterin, „und
müßig brauchen Sie ja deshalb auch
nicht zu gehen. Arbeit wird's schon
geben, da bringt der was zum Schrei
ben und der will einen Rath haben,
Sie verstehen sich ja auf alles. Na,
und wenn's auch nicht ist, zum Aus
kommen haben Sie ja immer genug."
„Ich?" fragte der Kanzlist, beinahe
erschrocken. „Aber, Frau Krause!"
„Warum denn nicht?" nahm der
Meister wieder das Wort. „Einen
für's Alter, Klei
brauchen Sie denn weiter? Oder
wollen Sie uns etwa untreu werden?
Jetzt gehören Sie einmal zu unserer
Familie, und da bleiben Sie, und von
Miethe oder dergleichen reden wir nicht
mehr, nicht wahr, Mutter ?"
„Das versteht sich!" stimmte die
Meisterin ohne Besinnen bei. „Darü
ber verlieren wir erst kein Wort wei
ter, wenn's Ihnen bei uns noch ge
fällt, Herr Gutsche!"
Dem armseligen Alten kamen die
Thränen in die Augen und glitten die
eingefallenen Backen hinunter auf die
sauberen Vatermörder.
„Herr Krause liebe Frau
Krause !" sagte er mit bebenden Lip
pen und griff nach ihren Händen.
„Wie soll ich wie kann ich —?"
.Kein Wort sollen Sie sagen!" rief
der Meister und drückte ihn, als er sich
vom Stuhl erheben wollte, mit sanfter
Gewalt nieder. „Die Hauptsache ist:
sehen Sie nun ein, daß es so das Beste
ist?"
„Wenn man es so aufsaßt, Herr
Krause, freilich, freilich," erwiderte er
in stiller Ergebung.
Da rief der Meister, als wäre ihm
eine große Last vom Herzen genom
schoppen kein Wort, Herr Gutfche,
Gutsche!"
vorenthaltenen Lohn, hat dir das
Schicksal nicht das Beste und Schönste
auf der Welt gegeben Menschen, die
mit dir fühlen, die dir Treu- halten
auch in der Noth und im Leide ?
Für unsere Frauen.
Gute für daZ
Die Weihnachislichter sind verlöscht,
die grünen Tannenbäume vertrocknet,
sen der Jubel des kleinen Volles, ver
tier anregenden, abwechslungrcichen
Feststimmung. Es ist uns ergangen
wie dem Wanderer, der auf hohem
und Rauch der Tiefe. Aber es ist nur
ein kurzer Blick, ein rasches Genießen,
ein flüchtiges Ausruhen! Bald geht
es wieder hinab! Wir müssen aber-
Mss hinein in das Nennen und Ja
gen, in das Sorgen und Arbeiten,
Hoffen unid Fürchten des täglichen Le
bens. Unsere Aufgabe ist oft gar
schwer und ernst, und wir möchten fast
muthlos werden bei dem Gedanken:
„Ein neues Jahr, ein neuer Kreis von
Tagen, ein jeder bringt Dir sein« An
sprüche und Deine Pflichten entgegen!
Wie wirst Du allen Anforderungen ge
nügen können?"
Aber wir haben nicht vergeblich in
lichter Höhe geweilt, nicht erfolglos den
Hauch seines Empfindens geathmet,
unid wenn auch das Experiment in der
freu. igen Atmosphäre ein knrzes gewe
sen, es hat doch verbessernd und ver
edelnd auf uns eingewirkt. Wir wis
sen, daß der Weg empor ein mühe
voller, heißer ist, und wir den Ausblick
niemals genießen köünen, sobald wir
die Anstrengung des Höhersteigens
nicht ertragen wollen. Wir wissen
auch, daß es keine wahre Festfreude
aeben kann ohne vorhergehende Arbeit,
daß die Höhe uns aufhört zu locken,
wenn wir stets in!den Bergen wohnen,
daß die Feste keinen Reiz mehr für uns,
hätten, wenn wir jahraus jahrein nur
feiern wollten.
Wenn also auch der Festesjubel ver
rauscht, das holde Christkindlein und
lder graubärtige Sylvester entschwun
den sind, so blieben doch manch' gute
Geister bei uns zurück, die uns helfen
Iverden, die Jahreszeit zu vollbringen.
Diese braven Hausgeister heißen
Pflichterfüllung und Zufriedenheit.
Der Erste gibt uns Muth und Kraft
und Ausdauer zu Allem und Jedem,
was unsere Lebensstellung von uns
fordert, und wenn auch manchmal der
Arm müde, der Fuß matt und der
Geist träge werden wollte, so genügt
ein kleiner Mahnruf von ihm, und mit
erneuter Schaffensfreud« gehen wir
an's Werk. Der Zweite weiß uns
alles Unangenehme und Böse aus dem
Wege zu räumen; knnn wir murren
woll«n über unser Schicksal, dann zeigt
er mit seiner Hand auf eine Unzahl
von Menschen, denen es viel schlimmer
ergeht, und wir nehmen unser eigen
Kreuz gern« wieder auf ,'oie Schulier,
tvenn wir sehen, daß viele Andere auch
keine geringere Last zu tragen haben.
Er macht die Arbeitsstunden kurz, .
würzt unser Mahl, und bringt Frie-
d«n in unsere Heimstätten! Beide Gei
ster stehen in innigem Verwandt
schaftsverhältniß zu einander, und
wenn der Eine uns verläßt, könnten
wir den Anderen auch nicht länger bei
uns behalten. D'rum wollen wir uns
temühen, im Sinne der Beiden unser
Leben einzurichten, damit es ihnen bei
uns wohlgefällt und wir geleitet unid
geschützt von unseren guten Hausgei
stern, Pflichterfüllung und Zufrieden
heit, den langen Weg durch das Jahr
1894 zurückzulegen im Stande sind,
bis wieder die Weihnachts- und Neu
jahrsglocken feierlich erklingen.
Ein Protz. Sie: Warum
steckst Du denn heut' alle zehn Ringe
an die rechte Hand ?—Er : Weil ich
schwören muß auf dem Gericht!
Ich fingst in aller Ruh'
Da gam ä hibsches Mädchen
Gemiedlich uf mich zu.
Die dhat mich schichdern frager
Ob ich nich wissen dhät,
Ich zog Sie gleich de Mitz^e
Noch zwanzig Bfenn'ge aus.
Doch als de Bärgerwiese
Erreichd nach een'ger Zeit,
Ich sacht de hibfche Maid.
Da schiddelt sie das Kebbchen
Und lacht derzu ganz fein
„Ich hab' hier" meent' sie leise,
„Ae kleenes Schdelldichein!"
Und richtig nahde Eener
Schon uns'rem Blatze sich? ;
Ich gönnte grad' noch sagen :
Dcs T«uf«lS Bank.
selbst das Rupfen der Gimpel im Gro
ßen betrieben wirk, ist bekanntlich ein
Actienunte rühmen, an? welches fast
sane Volk freilich nicht bestimmt ist.
Aus dem Bericht für das abgelaufen«
Jahr sind einige Details betannt ge
schließen lassen. In der Generalnr
fammlung der Actionäre von 1892
wurde berichtet, daß im Geschäftsjahre
1891 zu 1892 der Reingewinn der
Spielbank sich auf 26.800,0V0 Frs. be
zifferte, 2 1-2 Millionen mehr wie im
Vorjahre. Im abgelaufenen Ge
konnten danach vertheilt werden 23L
Frs. für jede Actie oder 47 Procent.
Der Nominalwerts dieser Actien be
trägt 500 Frs. für die Actie, >d«r wirk
liche W«rth aber 2400 das Fünf
schau licht aber noch lanye nicht die
Summen, w«lche alljährlich an dieser
Stelle verloren werden. Rechnet man
hierzu die großen Unkosten, die aus d«r
Unterhaltung unid dem Betriebe lasten,
die Zuwendung an, di« Pensionskasse
der annährend 1100 Beamten derßank,
di« zu zahlenden Unterstützungen an
an d«n FUrft«n zu Monaco zu zahlend«
Jahresrente von 2 Millionen Francs,
die Bestreitung >der Verivaltungslosten
für das Fürstenthum Monaco und fer
ner di« Summen, welche von Spielern
gewonnen sind, so mag sich der Betrag
verdoppeln und damit eine Höh« «rrei
chen, di« in der That erschreckend ist.
Dem Vernehmen nach geht die Spiel
gesellschaft zu Monte Carlo mit dem
Plane um, in dem Badeorte Mondorf
im Großh-rzogthum Luxemburg ein
Filmlgefchäft zu errichten, für welche
Erlaubniß die Gesellschaft sämmtliche,
v Millionen Frams betragende Staats
kosten des Großherzogthums überneh
men will. Diese Erlaubniß wird
schwerlich «rtheilt werden.
Die schrecklichen Kin
der. Herr H. besitzt, trotzdem er sich
den Fünfzigern bedenklich nähert,
noch eine Fülle an Haupthaar, die
das Staunen und die Bewunderung
auch seiner jüngsten Freunde erregt.
Einem von diesen war es neulich ganz
ohne seine Absicht beschieden, das Ge-
Photographie-Album blätterte, ihm
Gesellschaft leistete. Da auf einmal
ruft der Knabe, auf ein Portrait zei
gend: „Sieb mal, das ist Papa! Aber
es ist schon lange her. Es ist von da
mals, als Papa gar keine Haare mehr
hatte!"
Mörderischer Ehrgeiz.
Die Frau Commercienrath hat einen
neuen Stubenbohner kommen lassen.
„Machen Sie Ihre Sache aber auch
gut?" „O, gnädige Frau, gehen
Sie nur nebenan bei Oberst's und er
kundigen Sie sich. Auf dem Parquet
des großen Saales allein haben im
vergangenen Winter fünf Personen
den Fuß gebrochen, und eine Dame ist
die große Treppe herabgestürzt. Und
Saal und Trepp« habe ich ge
bohnt!"
Verfängliche Wendung.
Staatsanwalt: „Der Angeklagte hatte
24 Ochsen gestohlen! Vergegenwärti
— Ein Trostspender. Rich
ter: „Wie alt, mein Fräulein?"
Fräulein (nach langem Zögern): „Acht
— Ausrede. Gast: Herr
Wirth, Sie haben den Preis des Cog
naks erhöht, aber die Gläser sind viel
kleiner als früher! Wirth: Ja»
aber die Flasche ist größer l