Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 12, 1894, Page 3, Image 3

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    I Der schwarze Kosier.
(6. Fortsetzung.)
jZeit sei, mich de« Mannes zu versi
chern, und der zerbrochen« Spiegel kam
mir dabei sehr zu statten. Ich ließ den
Wirth rufen bei dem Klirren d«r
zwingen.
„Der Mensch Ist betrunken," sagte
nach meiner Stube, konnte aber die
ganze Nacht kein Auge zuthun bei dem
Gedanken, daß ich unter demselben
unvorsichtigen, bösartigen Worte am
Herzen fraßen und der Wahl mit Zit
tern dem Morgen und dem, was dieser
bringen würde, entgegensah.
Was der Morgen Wohl bringen
würde! Ich selbst hatte nur eine sehr
«rwart«te und wünscht«, und ahnte
nicht, w<s für eine erstaunliche Ent
deckung mir beschied«n war.
17. Capitel.
Am nächsten Morgen fuhr ich plötz
lich aus einem unerquicklichen Halb
schlaf. in den ich erst mit Tagesan
bruch versunken war, auf, und sah
zu meiner Ueberraschung, daß es
schon acht Uhr war. Mein erster Ge
dankt galt meinem „Gefangenen", wie
ich den Mann im Stillen schon nannte
ob er wchl noch in seinem Zimmer
Hatte der Wirth seine Angelegenheit
mit ihm schon in's Reine gebracht?
Hastig fuhr ich in meine Kleider und
trat auf den Vorplatz mein Zimmer
war im ersten Stock, das Philipp Har
veys im zweiten, aber nicht unmittel
bar über mir.
Als ich meine Thüre öffnete, hörte
ich Austin Harvey unten nach seinem
I Bruder fragen und vernahm deutlich.
D wie der Kellner die Antwort gav, der
rütteln. Von innen ließ sich kein Laut
„Er ist drinnen," sagte der Kellner.
„Ich glaube, daß er sich nur schlafend
stellt."
Sie beriethen eine kleine Weile mik
gedämpfter Stimme u:id traten dann
„Ich nehme diese Stube," flüsterte
hinunterging. In seiner Bestürzung
hatte er den Schlüssel auf dem Boden
stehen lassen. Ich hatte die Empfindung,
ich vorher noch den Außenriegel
Seite abgeschnitten hatte. Die Ver
jtindungsthiire wieder zu verschließen
sangen zu nehmen, wagte ?ch doch
«enn sie hätten da! Drehen des Schlüs
sels hören müssen. So schloß ich mich
denn selbst mit ihnen ein.
Sttmmln im Ntbtmwmrr bewie-
fen mir veuriny, dag Austin lernen
Bruder in der That «-funden hatte
und des Kellners Angab« also richtig
gew«s«n war. Ich prsßte mein Ohr an
die Thüre, sie sprachen aber so leise,
daß ich kein einziges Wort unterschei
den konnte.
Das war natürlich sehr ärgerlich
und eine Hroße Enttäuschung, ich
mußte mich aber d'rein ergeben und
tröstete mich mit dem Gedanken, daß
vielleicht im Laufe de» Gesprächs ihre
Erregung und damit auch der Klang
ihrer StimmÄ sich steigern würde.
Einstweilen setzte ick mich auf einen
Stuhl neben der Thüre und sah mich
in dem kahlen Zimmer mn.
Das Erste, was meine Aufmerksam
keit fesselte, war Austins Ueberrock, den
er nachlässig auf einen Wühl gewor
fen hatte. Unwillkürlich ergriff ich
ihn und durchsucht«, treu den Regeln
meines Handwerks, die Taschen, ohne
daß ich eigentlich erwartete, Wichtige?
darin zu finden. Ich hatte den Fall
Harvey «inmal übernommen, und da
konnte ich doch einen Ueberrock nicht
»liegen lassen, ohne ihn mir zu bes«h«n.
Ein Pa« schwarz«r Glacehand
schuhe in einer, ein kleines Gebetbuch
in einer, andern Tasche und etliche
Schillinge in einem kleinen Karten»
Täschchen vorn«, das war alles; in der
Brufttasch« auf d«r linken Seite steckte
ein Taschentuch. Nachdem ich den Rock
schon wieder beiseits gelezt hate, nahm
ich ihn ein zweites Mal zur Hand; iin
Nebenzimmer wurde immcr noch ge
flüstert und ich hatte sonst nichts zu
thun. Ich zog das Tasäentuch aber
mals heraus, und als ich schon im Be
mal kam mir em kleines Papierröll
ch«n zwischen die Finger, das sich in
einer Ecke der absonderlich tiefen Ta
sch« verkrochen gehabt hatte. Ich zog es
heraus, strich es glatt; es war nichts
als ein Kofferzettel mit der Aufschrift
„Southend nach London."
nichts Besonderes und doch war es ge
nau die Aufschrift, die ich auf Philipp
Harveys schwarzem Koffer vermißt
hatte.
„Southend nach London," wie kam
dies Fetzchen Papier in Austins Rockta
sche? Die Erklärung lag sehr nahe
er selbst wohnte in Southend und war
d«S Oesteren nach London gefahren;
d«r Z«tt«l stammte von einem seiner
Gepäckstücke.
Dies« Erklärung war völlig hinrei
chend, und doch genügt« sie mir nicht.
Während ich noch den zerknitterten
Zettel anstarrte, geschah, was ich er
wartet hatte: Philipp erhob im Eifer
des G«spräch» s«ine Stimme. „Ich
glaube nicht, daß ich'S gethan habe,"
sagte er nachdrü-Aich. „ZSas Du mir
auch sagen magst, ich glaube nicht, daß
ich eS gethan habe."
habe? gethan habe? Doch wahr
haftig nicht den Mord? Sollte der
iien Bruder eine solche Comödie
spielen?
„St!" machte Austin, gleich darauf
aber war er es, der mit erhobener
ich verstehen lonnte, dann fuhr er
fort: „O Philipp, Philipp, ivarum
gibst Du es nicht zu? Zu wessen Vor
theil glaubst Du zu lügen? Noch ein
mal, ist denn Dein eigener Brief an
mich nicht ein vollständiger Beweis da-
Koffers Dir bekannt war? Und nun
willst Du leugnen o Philipp, Phi
lip!"
„Der Koffer," rief Philipp im
Tone des Entsetzens. „Sprich mir nicht
davon! Es ist noch ein Dämon in die
sem Hause, der mich damit verfolgt.
Nein, ich schwöre Dir, daß ich bis zu
der Minute, da Du vorhin bei mir ein
gedrungen bist, keine Ahnung davon
hatte, was in meinem Koffer war.
Großer Gott! Noch jetzt kann ich es
nicht glauben Tante Elisabeths
Leichnam! Ich glaube es nicht, Austin;
Du hältst mich zum Narren. Sie hat
Dir er«>blt, was Sonnta«, Abend vor
gefallen ist, und nun w«st Du mich
in's Bockshorn jagen und mich zur
Reue zwingen. Und es reut mich ja
auch aber ibre Leiche in dfm Kof
fer! Ich kann es nicht glauben. Das
arme alte Geschöpf! Das geizige al:e
Ding!"
Und zu meinem grenz-nlofenErstau
nen brach der rauhe Geselle in leiden
schaftliches Schluchzen aus.
Eine Stille trat ein und erst nach
einer Weile saftte Austin sehr deutlich
und eindringlich, aber mit einerKälte,
die sehr von seiner sonstigen Herzlich
keit abstach: „Du hast sie umgebracht in
jener Nacht, Philips. Du weißt, daß
Du es gethan hast. Wagst Du im An
gesicht des Himmels, beim kZcdächtniß
unserer verstorbenen Eltern zu sagen,
daß Du sie in jener N-chb'' zr» vöden
geschlagen hast?"
Ich preßte das Ohr an die Thür
spalte und lauschte in athemloser
Spannung auf die Antwort. Sie er
folgte auch, aber so leise, daß ich sie
nicht verstehen lonnte. Eine Pause trat
ein und ich fletschte die Zähne vor ohn
mächtiger Verzweiflung. Plötzlich aber
ward Austi: sStimme wieder vernehm
lich, und aus dem, was er sagte,
lonnte ich mir auch einen Theil von
Philivvs Antwort zurechtlegen.
„Wenn Du also diesen ersten, gräß
lichen Punkt nicht in Abrede ziehst,"
sagte Austin, „weshalb willst Du dann
wahnsinniger Weise vas Uebrige leug
nen?"
„Ich gebe die Thatsachen zu, deren
ich mich erinnern kann," rief Philipp
außer sich; „andere nicht."
„Du leugnest also nicht, daß Du be
trunken warst?"
„Nein."
„Dermaßen betrunken, daß Du kein
BtWUbtsiiv.DiintK Tdpns mehr hat-
irp «s ip oies ia yausig genug ver
Fall gewesen bei Dir, mein arm«rßru
Soviel ich errathen konnte, schwieg
Philipp.
„Höre mich an," begann Austin wie
der, aber Philipp fiel ihm in's Wort.
„Weiß Edith Alles?" rief er heftig.
„Sie weiß natürlich Vieles. Du
wirst nicht leugnen wollen, daß Du
häufig erklärt hast. Du werdest der
alten Frau noch einmal den Garaus
machen, wenn sie Dich mit ihren Mo
ralpredigten über Deine Deine Ge
wohnheit«» quäle. Du hast das zuEdith
selbst gesagt."
„Ja," erwiderte Philipp. „Wie man
so etwa? sagt im Scherz."
„Gut," fuhr Austin f»rt. „Sonntag
Abend kamst Du betrunken nach
Hause; Du hattest einen Wortwechsel
mit der Tante und v«rs«tztest ihr einen
Stoß, um sie aus Deinem Zimmer zu
entfernen. Das alles gibst Du zu?"
„Ja," sagte Philipp wieder ganz
laut.
„Die ganze Nacht über bist Du al
lein in ihrer Näh«, am nächsten Mor
gen ist sie »erfchwund«n. Wir verlassen
miteinander das Haus und wenige
Stunden darauf entdeckt man ihre
Leiche in Deinem Koffer. Letzteres ist
Thatsache, ob Du sie «inräumst oder
nicht."
Philipp schwieg wieder.
„Und nun leugnest Du, die Leiche
hineingesteckt zu haben, und wußtest
doch, daß sie d'rin war das geht aus
Deinem Brief hervor."
„Austin," versetzte Philipp mit hei
serer Stimm«, „ich habe in Dir immer
den älteren Bruder geliebt und geach
tet, und soweit ich mich erinnern kann,
habe ich noch nie gelogen, so viele Feh
ler ich auch, Gott sei's geklagt, sonst
habe. Ich schwöre Dir, daß ich von
Tante Elisabeths Tod nichts wußte,
bis Du vorhin in mein Zimmer kamst."
„Weshalb," versetzte Austin herb,
„schriebst Du mir dann den Brief nach
Paris?"
aber sagte Philipp deutlich: „Ich will
Dir lieber alles sagen, soweit ich mich
nämlich darauf besinnen kann, ein we
nig bringe ich es wohl untereinander,
wie Du Dir denken kannst. Aber
bei Edith habe ich wohl gar keine Aus
sichten mehr?"
„Wahrhaftig nicht," rief Arthur wü
thend. „Sie ist meine Braut wie
wagst Du, so etwas zu sagen? Hat Dir
Fräulein Simpkinson nicht selbst al
les gesagt?"
„Ja, ich weiß ek, nur.... Mn denkt
sich hie und da nun, nachdem Fräu
lein Simpkinson mir alles gesagt hatte,
faßte ich nichtsdestoweniger den Ent-
Tabatladen zu br«ch«n. Ich sagt« es
ihr und schrieb es ihr auch, und ich
bekam ein paar Briefe von dem armen
Ding, in denen sie bitterlich klagt und
mich recht schlecht macht leiden
schaftlich«, zornige Episteln. Als ich
nun amSonntagAbend heimkam, stand
mein Koffer fix und fertig gepackt da
und ich hatte d«n letzten Brief sammt
ihrem Bild und der Locke, die der ar
den Koffer und klappte den Deckel zu.
Ich wußte also, daß das obenan lag,
und nun, wenn man uuch einen Korb
wenn Edith meinen Koffer aufgemacht
hätte, würd« sie den aanzen Kram ae
sunoen und sich einen Vers dazu ge
macht haben. Und mir war's, als ob
mir der Tod lieber wäre, als Ediths
Verachtung weil sie doch Deine Frau
wird, Austin, glaube ich."
schichte," bemerlteAustin höhnisch. „Ich
will hoffen, daß Du sie der Palizei
glaubwürdig beibringst, denn daß Edith
möchte ich nich! behaupten. Dein Kof
fer war also voll mit Büchern, als Du
v»n Southend weggingst, und die Lie
besbriefe und Andenken lagen zu
oberst?"
„Ja, bei Gott!" rief Philipp.
die alte Tante Hineingelrochen?"
Keine Antwort.
„Nehmen wir einmal an, Du seiest
von der Richtigkeit Deiner Aussage
überzeugt, dann will ich Dir ssgen,
wie die Sache sich wirklich zugetragen
hat. Erst aber beantworte mir eine
Frage: »„Weshalb warst Du so besorgt
um Tante Elisabeth?"
„Weil ich, wie ich Dir schon sagte,
einen Wortwechsel mit ihr gehabt habe
und sie zur Thüre hinausstieß, wobei
sie sich möglicherweise verletzt haben
tonnte. Am andern Morgen ivar sie
„Was vermuthlich der Fall war/
sagte Austin herb. „Nun höre mich an.
Als Du nach Haus« kamst, warst Du
wüthend über die Tante, weil Du Dir
eingebildet hattest, daß EdithSimpkin
fon Dich statt meiner wählen wurde,
wenn nur die alte Dame Dich zu Jh
remErben machen wollte. Du geriethest
in Streit mit ihr, gabst ihr, wie Du
sagst, einen Stoß, das heißt. Du hast
sie ganz einfach zu Boden geschlagen."
„Nein," warf Philipp ein. „Das that
ich nicht."
„Du hast sie geflohen und sie ist ge
fallen. Leugnest Du das?"
„Ich hörte sie nicht fallen. Erst am
andern Morgen stellte ich mir vor, sie
könnte gefallen sein."
„Du suchst Ausflüchte, Philipp,"
so war; Philipp suchte nur mühsam die
Einzelheiten des Vorfalls zusammen,
so gut es seinem umnebelten Geiste ge
lingen wollte.
„Also gestoßen hast Du sie? Und
dann läßt Dich Dein Gedächtniß im
Stich. wie.Du btlxutvM. Gedcn wir
weil er. AI, Du sahest, daß die alle
Person nicht mehr aufstehen konnte,
bist Du erschrocken; Du machtest den
Versuch, sie wieder zumßrwußtsein zu
bringen, was Dir aber nicht gelang.
Schließlich hast Du Deinen Koffer
ausgepackt und, mit der Absicht, sie un
terwegs irgendwo loszuwerden, die
Leiche hineingesteckt. In Charing Croß
wurden die beiden Koffer verwechselt
das Uebrige liegt am Tage."
„Ich kann mich dessen nicht erin
nern," sagte Philipp.
„Arinnerft Du Dich an irgend einen
and«rn Vorgang jener Nacht? Ist
eine andere Deutung denkbar? Du
rühmst Dich, nie die Unwahrheit ge
sprochen zu haben, aber sage mir, ob
Du in Deiner Trunkenheit nicht oft
wie im Traume gehandelt hast? Sag'
mir doch, ob Du an jenem Abend nicht
wieder jenes verhaßte Chloral «enom
men hast?"
„Das that ich, und wenn Du wüß
test, was Schlaflosigkeit für einen
nervösen, betrunkenen Menschen be
deutet, so würdest Du das begreifen."
„Und kannst Du unter diesen Um
ständen Dich selbst für zurechnungs
fähig halten? Kannst Du inAbrede zie
hen. mir erst «cht oder vierzehn Tage
vorher selbst erzählt zu haben, daß Du,
sobald Du die Dosis Chloral zu stark
nehmest, Dinge sehest,die gar nicht vor
handen seien, und Dinge thuest, von
benen Du am andern Morgen keine
Ahnung habest?"
Ob Philipp eine Antwort gab? Hö
ren konnte ich sie nicht.
~°>ch will Dir etwas sagen," fuhr
Austin fort. „Ich habe selbst erlebt, daß
ein Mann Nachts in Todesangst in
mein Zimmer stürzte und behauptete,
es seien Einbrecher bei ihm eingedrun
gen, und der eine habe ihn mit einem
Messer verwundet, daß ihm das Blut
am Nachthemd herunterriesele. Ich sah
hin, konnte aber nichts davon entde
cken; ich ging mit ihm in fein Zimmer
und fand keinen Mensch«n dort."
„Ja, ja!" kreischte Philipp. „Auch
ich babe solch« Visionen gehabt, aber
wirkli-5 geschehene Dinge habe ich nie
vergessen."
da ein so großer Unterschied?
Ich kenne »inen, d«r mir sagte, er sei
die ganze Nacht in seinem Bett gele
gen und habe geschlafen, und doch sah
ich ihn selbst im Garten imMondschein
Rosen pflücken."
„Halt ein! Hakt ein!" rief Philipp.
Philipp stöhnte laut.
.Sag' mir nur eins," sagt« Austin
drmqend, „Die Polizei ist uns auf den
Fersen. Die ganze Geschichte wird auf
gestöbert sag mir nur eins: was
"'"und" träumtest?"
Mas träumte Dir?"
„Mir traun-»: ach, Austin, ich
gen hatte ich rasendes Kopfweh."
„Und als ich zu Dir kam, fehlte d«r
Schlüssel an Deinem Koffer. Philipp,
erinnerst Du Dich, wo ich ihn fand?"
„Ja; in Tante Elisabeths Zimmer."
„Großer Gott, wozu das Verschwel
gen? Wie kann ich Dich retten? Mor
weigerst Dich, Deinem eigenen Zeug
niß zu glauben. Fliehe, Philipp,
fliehe, so lange es noch Zeit ist. Noch
einmal, geh' mit Geld will ich Dich
versehen; mache, daß Du nach Amerika
kommst."
„Sind sie mir wirtlich auf den Fer
sen?" fragte Pilipp.
„Dir und Edith, ja, mehr als das,
Edith ist verhaftet. Man verdächtigt
sie der Beihilfe an dem Mord. Geh'
Sicherheit bist, so schicke mir einen
Brief, der sie vollständig vom Verdacht
befreit."
„Weshalb hast Du mir das alles
„Weshalb hast Du Dich gestern ge.
weigert, mich zu sprechen? Dann hät
test Du alles erfahren."
„Und wenn ich hier bleibe?"
„Richtest Du Edith und Dich zu
Grunde. Pbilipp bedenke, was Dich
bedroht der Galgen. Im Grund
Deines HerzenZ weißt Du, daß Du die
melte Philipp in gebrochenem Tone.
„Ich muß es gethan haben Gott
fei mir gnädig!"
„Wenn Du Deinen Koffer ausge
packt hast," sagte Austin überlegend,
„müssen die Bücher noch in dem HauS
in Southend sein siehst Du das
ein?"
„Ja," sagte Vhilipp beklommen.
„Entsinnst Du Dich, ihn «ausgepackt
zu haben? Du schüttelst den Kopf. Wir
zeugt?"
„Geh' Du hin, geh' Du hin!"
stöhnte Philipp.
merk' Dir das, mußt Du England
verlassen. Wir können keinen überwie
senen Mörder in der Familie dulden,
Philipp."
„Sieh Du nach den Büchern," er
widerte er leise und bänglich. Dann
hörte ich nichts mehr.
18. C a p i t«l.
Im nächsten Augenblicke mußte Az
stin aus der Thüre treten, ich schlüpft«
darum hinaus, indem ich den Riegel
zurückschob. Seit ich die Brüder mit
einander eingeschlossen, hatten Auf
fassung und Absichten bei mir wesent
lich andere Gestalt angenoinm«n, und
ich beschloß nun, doch erst ein wenig
zuzuwarten, ehe ich Philipp bedrohte.
Jedenfalls stand fest, daß von einem
vorsätzlichen Mord bei ihm nicht die
R«de sein konnte, und daß Ne That
unter ganz anderen Verhältnissen voll
bracht worden war, als ich bisher an
genommen hatte. Nothwendig mußte ich
noch eine Unterredung mit Philipp ha
ben.
Austin kam jedenfalls noch einmal
in das Zimmer, das ich mir angeeignet
hatte, denn er mußt« ja seinen Ueber
ro«! holen, deshalb ging ich rasch wie
der in meine Stube im ersten Stock und
wartete, bis d«r Geistliche an meiner
Thüre vorüber war. Kaum hatte er
das .Haus verlassen, als ich sporn
streichs hinaufrannte, die Seitenthür
aufriß und ohne alle Förmlichkeit
zu Philipp Harvey in's Zimmer drang.
Er saß, den Kops zwischen den Hä
nden, auf einem niederen Lehnstuhl am
Kamin; als er aufblickte und mich er
kannte, schreckte er mit ixm Ausdruck
namenlosen Entsetzens zusammen.
„Herr Harvey," begann ich ras»,
„ich bin Fahnder in Diensten eines
Privatbureaus und bin mit Ihrem
Fall beschäftigt. Gestern Abend begeg
nete ich Ihnen unhöflich ich bitte
Sie um Entschuldigung. Ich hielt Sie
damals für einen Mörder, heute früh
glaube ich das nicht mehr, und ich
stelle mich Ihnen zur Verfügung, »m
das Geheimniß zu entwirren. Wir
müssen zusammen arbeiten, einem al-
PhilippHarvey murmelte einige un
verständliche Worte und Anfanz- schien
es mir völlig unmöglich, etwas aus
ihm herauszulocken. Er war von Miß
trauen erfüllt und sah in mir nur den
Fahnder und natürlichen Feind, und
erst allmählich gelang es mir, ihn da
von zu überzeugen, daß ich zu feinen
Gunsten Antheil an dem Fall nahm.
„Erstens müssen Sie mir rückhalts
los vertrauen, was Sie über die Ange
legenheiten Ihrer Tante wissen," be
gann ich, als wir uns schließlich sried
lich nebeneinander vor d«m Kamin
niederließen. ~Si« erwähnten gestern,
daß ihr Tod Ihnen keimn materiellen
Vortheil brächte, ist dem wirklich
so?"
„Ganz gewiß! Ihr Vermögen fällt
„War sie reich?"
„Reich eigentlich nicht, aber sie hatte
jährlich etwa neunhundert Pfund zu
verzehren, und das Capital hat sieAu
stin, als dem ältesten, in Bausch und
Bogen vermacht."
„Es war nie dre Rede davon, auch
Ihnen etwas zu hinterlassen «der ihn
zu enterben?"
„Nein, das heißt ernstlich nie. Ich
ist es unbedingt nöthig, daß ich haar
klein in Alles eingeweiht werde," sagte
ich.
„MeineTante hatte mich nicht so lieb
wie meinen Druder, denn er war von
jeher ein Musterknabe gewesen und
meine Wildheit erregte ihre Mißbil
ligung. Erst in allerletzter Zeit war sie
in einem Punkt auf meine Seite geire
der paßten und daß wir" uns wirklich
lieb hätten, tzie wollte mich verheira
then und hat sicherlich in letzter Zest
häufig zu Austin gesagt, sie wolle ihr
Testament ändern und auf diese Weise
DaS Mädchen selbst war der Ansicht,
Gebeiß der Mutter. Meine Tante war
wüthend darüber."
„Wann Hot diese Verlobung statt
gefunden?" fragte ich.
„In letzter Woche; sie wurde cser
noch veröffentlicht, denn meine
„Und sie wollte also, Sie sollten das
Mädchen Heirathen?"
alN Ihrer Uebelthaten?"
dern Menschen aus mir machen und
hol's der Teufel ich glaube es
selbst/'
Tod der Tante wunschenswerth ge
macht hätte? Im Gegentheil, dies frühe
Ende ist Ihnen nachtheiliz?"
„Gewiß, gewiß. Ihr konnte man
auch immer wieder etwas abbetteln,
gen sein."
„Und doch haben Sie Drohungen
gegen sie ausgestoßen?"
„Ach, das war nie mein Ernst.
Manchmal wurde ich wüthend, wenn
sie mich abkanzelte, und einmal sagte
ich zu der jungen Dame, die mit mei
nem Bruder verlobt ist, ich werde der
Tante noch einmal ein Leides zufü
gen."
„Das hörte die junge Dame? Da
raus erklürt sich vieles."
„Sie wollen mir damit sagen," »er
setzte er bitter, „daß Fräulein Simp
kioson M.der Entdeckung der Leicb»
ohne alles Bestnnen cmgenommtn yave,
ich hätte meineDrohung wahr gemacht?
So sagte mein Bruder."
„Sie können ihr das kaum zum Vor
wurf machen," bemerkt« ich mit
Strenge. „Was sollte irgend jemand
sonst denken?"
„Allerdings." räumte Philipp stöh
nend ein. „Ich muß es ja gethan ha
ben. Nicht, daß ich es je im Sinn ge
habt hätte, aber wahr ist, daß ich in
jener greulichen Nacht mich mit ihr
zankte. Austin hat ganz Recht, ich
muß es gethan hab«». Jetzt sieht «r in
Southend nach den Büchern; sind die
Ich hab« es gethan, es hilft alles
nichts."
Er sprach mehr mit sich selbst, als
mit mir, aber sein Vertrauen hatte ich
gewonnen. So elend und verlassen wie
Diese letzten Worte stimmten vor
trefflich zu der Theorie über den Mord,
wie ich sie mir seit heute früh ausgear
beitet hatte. Offenbar war ich von An
fang an auf der richtigen Fährte gewe
sen: Philipp Harvey hatte die That
vollbracht, und zwar ohne Mitschul
dig«. Und doch, konnte man ihn einen
Mörder nennen? Ich glaubte unver
brüchlich an seine Offenheit und Wah
rheitsliebe, und er mußte das Verbre
chen in einem Zustand« von Bewußt
losigkeit begangen haben, einem Zu
stand, in den ihn Alcohol und Chloral
versetzt hatten. Dies« Erklärung war
allerdings etwas seltsam, aber nicht
unglaublich. In meinem Beruf hatte
ich die Trunkenheit in den verfchieden
stenGestalten kennen gelernt und wußte
sehr genau, welche wunderliche Erschei
nungen der Alcoholgenuß bei nervös
erregbaren Naturen und Leuten von
starker Einbildungskraft hervorrufen
kann. Auch einen Fall von ganz unre
gelmäßiger Gehirnthätigkeit, die durch
Chloral hervorgerufen war, hatte ich
erlebt, und hatte einen Mann in die
sem ZustandHanolungen begehen sehen,
von denen er am nächsten Tage keine
Rechenschaft geben konnte. Darum fand
ich Austin Harveys Auffassung ganz
einleuchtend, um so mehr, als er ver
wandte krälle aus seines Bruders Vor
leben angeführt hatte. Auf der einen
S«ite war ich also vollständig über
zeugt, daß Philipp sein« Tante umge
bracht hatte, auf der anderen glaubte
ich unbedingt, daß er sich d«r That
nicht bewußt tvar. Irgend eine Erklä
rung mußte ja gefunden werden, und
°>i«se erschien mir immerhin annehm
bar.
Gleichzeitig mußte ich mir sagen,
daß enalische Geschworene schwerlich
bereit sein würden, darauf einzugehen.
In Frankreich wäre viel mehr Aussicht
auf Freisprechung vorhanden gewesen;
man hätte Ch-rcot (ein berühmterPa
riser Arzt und Docent, Specialist für
Nervenkrankheiten) als Sachverständi
macht. Und für Charcot, der sich all'
oen imsmerlschen und magnetischen
„Schwindel", an den kein Arzt glauben
wollte, bis ein Arzt ihm den zünfti
gen Stempel aufgedrückt hatte, so ge
schickt angeeignet und zurecht gemacht
hat, für den gibt es auf dem Gebiet
der Psychologie keine Wunder mehr,
und das „Unmögliche" geschieht da alle
Tage. Aber zwölf nüchterne, vier
schrötige Engländer, wie sollte man de
nen beibringen, es habe einer einen
Mord begangen, ohne selbst darum zu
wissen? Ueberdies war dieser Philipp
ja so thöricht ehrlich, zuzugeben, daß
er mit seiner Tante Streit gehabt und
sie aus dem Zimmer gestoßen habe. Ich
war ganz Austins Meinung; dasßeste,
was der Arme thun konnte, war, die
Flucht zu ergreifen. Heute früh beim
Erwachen war ich entschlossen gewe
sen, ihn sofort verhaften zu lassen. Der
Familie Geld abzuzwacken, das hatte
ich längst aufgegeben, ich wollte mich
nur mit Ruhm bedecken, indem ich den
Behörden und der Welt Bericht ab
stattete über meine Nachforschungen
und meine Erfolge. Nun entschloß ich
mich, auch darauf zu verzichten, und
zwar kostete mich das einige Ueberwin
dung, aber ich fühlte mich unwillkür
lich zu dem unglücklichen Mörder hin
gezogen, wenn er auch ein leichtsinniger
Mensch und ein Trinker war, oder
vielmehr, mein Gerechtigkeitsgefühl
ließ mich wünschen, daß der Mann
nicht über Gebühr gestraft werde. Ich
wollte alles d'ran setzen, ihn zu ret
ten; die Familie konnte hernach meine
Dienst' lolMen, wie es beiden Theilen
angemv/:n erscheinen würde.
„In Beziehung auf die Bücher kann
ick> Sie jetzt schon aus der Ungewiß
heit reißen," sagte ich. „Sie sind da.
Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen.
Ein Wandschrank im Zimmer Ihrer
verstorbenen Tante ist gänzlich damit
angefüllt."
Ich hatte nicht erwartet, daß diese
Mittheilung den jungen Mann so
gänzlich aus dem Gleichgewicht bringen
wcrde, und seine Aufregung machte mir
zur Genüge deutlich, daß er mit allen
Fasern feines Wesens an der Mög
lichkeit hing, seine Unschuld beweisen zu
können, und sich nur mit äußerstem
Widerstreben der von seinem Bruder
aufgestellten Theorie unterwerfen
Würde.
„Dann ist alles aus," stammelte er,
„dann hat Austin Recht und ich muß
fort."
Mühfain erhob er sich; auf seiner
Stirn stand der Schweiß in dicken
Tropfen.
„Doch nicht jetzt. Wo wollenSie denn
bin?" sagte ich. „Sie müssen dießück
kehr.lhres Bruders abwarten."
(Fortsetzung folgt.)
Höchste Re se rviri he i t.
Nein, mein Herr. Ei, weshalb denn
nicht? Weil mir Mama ein für
all« Mal verboten hat. Herrenbeglei
tung anzunehmen!
Da der Name Melilla jetzt häufig
in d«r Tagespresse genannt wird,dürf!e
«ine Mittheilung über die spanischen
Presidios oder Schichbefestigungen an
der niaroccanifchen Küste, zu welchen
Melilla gehört, wohl das Interesse wei
terer-Kreise beanspruchen. Die Pre
sidios sind fünf feste Plätze in Maroc
co, welche von den Spaniern in den
Kämpf«» gegen die Mauren behauptet
worden sind. Dreselben heißcin: 1.
Ceuta, 2. Penon Velez de la Gomera,
oder kurz Velez, 3. Alhucemas, 4. Me
lilla, 6. die Chaffariuas. Die Prest--
dios dienen gewöhnlich als Verbrin
gungsorte für spanisch« Gefangene, die
hier unier Aufsicht der Soldaten an
den Festungs-, Wasser- und Hafen-
Bauten arbeiten. Nicht selten versu
chen die Gefangenen die Flucht, welche
ihnen ziemlich 'leicht ist, da sie außer
halb ihrer Arbeitszeit sich ziemlich frei
bewegen dürfen. Indessen kommen sie
bei den Mauren übel an, so daß sie sich
nach den Presidios zurückwünschen.
Die wichtigste Stadt ist Ceuta. Sie
Stadt Spaniens. Auch ist sie der Sitz
eines Bischofes. Für die Spanier ist
sie ein Ersatz für Gibraltar. All»
delte Mofche« ist das einzige Erinne
rungszeichen an dieselbe. Ceuto hieß
im Mittelalter Septa, entstanden
schein Besitze ist. Penon heißt Fels
kuppe. Der Ort ist von geringer Be
deutung und hat nur 460 Einwohner.
Alhucemas hat 340 Einwohner. Es
fliegt auf einem kahlen Felsen. Die
müssen aus Spanien beschafft werden.
Der Platz verursacht deshalb den Spa
niern große Kosten. Melilla ist die
hat 3600 Einwohner. Die Araber
Namen Ehaffarinas führen drei In
seln, welche zusammen 700 Einwohner
hab«n. Nur die mittlere Insel ist be-
SiegttruiigS-Weinbergt.
Die Weinberge der preußischen Do-
Gemarkungen des Rhemthals und be
finden sich fast durchweg in deren be
sten Lagen. Ihr gesammier Umfang
hat, verteilt sich mit rund 6.7 Hettar
(Neroberg), 8,3 auf Hattenheim aus
schließlich Steinberg, 2,6 auf derr
Steinberg (GemeinKÜHattenheim), 3,4
auf Erbach (Markobrunnen), 1.1 a»s
Kiedrich (Gräfenberg), 3,1 auf Rüdes
heim, 3,6 auf Eibingen und mit 13,6
Hektar auf Aßmanns Hausen. Der an
nähernde Werth des ganzen Besitzes
wird aus 2,615,03? Mark berechnet,
das macht auf den Hektar 32,897 Mk.
diesen besteht der Nebensatz zum größ
ten Theil aus Riesling. Der ge
fammte Herbstertrag der Domänial
güter belief sich in den 26 Jahren von
1866 bis 1890 auf W.260 Hektoliter
oder 2437 Stück, der Erlös und der
4,906,332 Mark. Durchschnittlich
brachte demnach das Jahr 1170 Hekto
-213 Mark. Die Jahrgänge sind je
doch außerordentlich verschieden. Den
geringsten Ertrag lieferten die Jahre
1872 und 1879 mit 204 und 343 Hek
tol., den höchsten die Jahre 1866 unt>
1868 mit 1972 und Hektol. Den
höchsten Gelderlös brachte das Jahr
IKB4 mit 847,437 Mark für 1611'
Hektoliter; die niedrigste Einnahm»
hatte die Domäne im Jahre 1882, da
man für 606 Hektoliter nur 22,622
Mark einnahm. Der höchste Einzel
preis für das Hektoliter wurde in den,
26 Jahren gezahlt für den Steinber«
ger mit 2788 Mk., der niedrigste für
den Neroberger mit nur 20 Mark. Wie
schwankend die Erträge selbst der be
sten Lage bei der aufmerkfanrsien Be
handlung sind, zeigt sich, wenn wir hö
ren, daß die kleinste Ernte <1872) sich
zur größten (1870) verhält wie 1: 23.
geringste Preis für 1 Hektol. IW6er
Steinberger nur 20.7 l M., während!
die beste 1868 er Auslese von den Taxa
toren auf 2600 M. für den Hektoliter
geschätzt wurde; da» bedeutet «neP«ii->
schwankung voal2o. 3