Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 05, 1894, Page 2, Image 2

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    2 Di« wenvische xrach».
Der Farbenreichthum und die Ei
yenthUmlichleiten der wendischen
Tracht enthüllen sich in ihrer ganzen
Fülle an dem sonn- oder festtäglichen
Wald. Die weibliche Bevölkerung ist
auch hier die treuefte Bewahrerin alt
überlieferter Sitte und Tracht geblie
ben. In der Woche macht es die
Arbeit auf den feuchten Wiesen und
Feldern nothwendig, daß Arme und
Beine frei und unbekleidet gehalten
werden, während das Mieder den
Oberkörper sorgfältig verhüllt. G-Ht
die Spre'wälderin zur Arbeit ans, so
legt sie auch des Alltags blendend
weiße Wäsche und Tücher an; „sie
leuchtet förmlich in ihrer Sauberkeit,"
wodurch sie schon von fern von einer
deutschen Märkerin zu unterscheiden
ist. die zur Landarbeit stets ihre
schlechtesten Kleider anzieht. Auf dem
Kopfe trägt die Spreew-lderin ein
Tuch, oft von schneeigem Linnen, oft
aber auch von schwarzer oder bunt
durchwirkter Seide, welches in streng
vorgeschriebene Falten gelegt und so
gebunden wird, daß zwei Zipfel sich
deckend über den Rücken frei herabfal
len, die beiden anderen Zipfel aber zu
beiden Seiten des Kopfes abstehen.
Dieses Kopftuch, die Lappa. deckt daZ
Haar, einen Theil der Stirn und d°»
Ohren bis auf die Ohrläppchen. An
der Art und Weise, auf welche diz
Falten gebunden sind, ist der Hei
mathsort der Trägerin zu erkennen.
Das weiße Stirntuch dient nament
lich zum Schutze gegen heißen Son
nenschein. Der kurze Rock der
Spreewälderin, meistens von einem
weithin leuchtenden Roth, ist ge
wöhnlich mit eigengewebter Leinwand
gefüttert und wird an einem fchwarz
sammetnem Mieder mit weit ausge
schnittenen Armlöchern befestigt. Di
bloßen Arme sind mit kurzen schnee
weißen A-rmeln bekleidet, die zum
„Kittelchen" gehören, d. h. einem we
stenartigen, linnenen Kleidungsstücke,
welches unter dem Mieder sich befin
det. Sorgfältig ist das Brusttuch um
den Körper gelegt; seine beiden vorde
ren Zipfel werden von einem Sam
metbande am Körper festgehalten und
sind unter der Schürze verborgen.
Die letztere umgibt den Körper
Länge des Rocks und läßt von diesem
nur etwa zwei Hände breit am Rücken
sehen. Nur bei feierlichen Gelegenhei
ten und im strengsten Winter trägt
die Wendin Strümpfe, von Kindheit
an aber schon das Kopftuch. So die
nach den einzelnen Dörfern in Farbe
und Schnitt wechselnde Alltagstracht,
die oft von überraschender und male
rischer Schönheit ist.
Den Haupttheil der SonntagS
tracht bildet beim weiblichen Geschlecht
die Mütze, welche aus einem Pappege
stell besteht. Dasselbe springt an bei
den Seiten des Kopfes fast zwei
Hände breit vor und läuft spitz zu.
Eine steife, in viel- Falten gepreßte,
breite, weiße Krause ist an demselben
befestigt: sie umgibt das ganze Ge
ficht. Ein vorschriftsmäßig gefaltetes
Tuch bedeckt das Pappgestell. Dieses
Tuch ist an hohen Feiertagen und an
den ernsten kirchlichen Festen, bei wel
chen die Kleidung nur schwarz und
weiß sein darf, weißer Damast, an
den Sonntagen dagegen oft ein sehr
viel kostbarerer Stoff. Unter dem
Kinn stecli eine Schleife, in der Fzrbz
mit dem Kopftuch übereinstimmend.
Der Sonntagsrock unterscheidet sich
gewöhnlich von dem Alltagsrock nur
durch den besseren Stoff und einen
breiten Seidenbefatz. Das Brusttuch
wird zur festlichen Kleidung ebenso
umgelegt, wie in der Woche. An ho
hen Festtagen ist dasselbe entweder
weiß oder schwarz; an Sonntagen
ober erglänzt es in den lebhaftesten
Farben. Die Strümpfe sind stets
weiß, die derben Schuhe ausgeschnit
ten. Im Winter ergänzt sich dieser
Anzug noch durch schwarze dickgesüt
terte Tuchjacken. Ein kompetenter
Beurtheiler sagt über diese Sonn
tagstracht der Spreewälderinnen, daß
sie bei den körperlich meist sehr schön
gebauten Frauen und Mädchen ein
Bild darbiete, wie es malerischer kaum
wieder gefunden werden dürfte. Al
les, was Farbenfrische und Eigen
thümlichkeit heißt, ist freilich in die
sen Gegenden nur der weiblichen
Tracht vorbehalten geblieben. Die
Männer tragen an den Wochentagen
graue, auch Wohl blaue Leinwan
röcke; aus dem Kirchgang erscheint
dann der lange bläue Tuchrock. Die
Kopfbedeckungen sind aber völlig mo
dern.
Sehr einfach. Tochter: „Du
Bat i. we">jt Du nicht, der Herr Kas
sier könnte uns für die Festvörstellung
«in Billet verschaffen?" Vater:
„Aber, Marie, was fällt Dir denn
«in !...wo der in meinem Hause wohnt!
Der käm' dann gewiß ein paar Tage
später verlanget' wieder einen
ter: „Ach was, deswegen brauchst Du
ihm noch lang leinen" Ofen setzen zu
lassen! Da sagst Du einfach, dasStück
hat mir nicht gefallen!"
Guter Rath. Ein Haus
knecht gewinnt 80,000 Mark, und da
Maul"'"
Kolossaler Erfolg.—
B«ariff! Von der Presse gehen Sie
direkt in die Hände der Käufer über,
so daß sie noch gar nicht zur ersten —
Auslage gekommen sind."
Silvesternacht.
Kein Glock.-nlaut, kein Menschenmund,
Noch der Gestirne Kreisen
Vermag auf Gottes Erd.'nrund
Die Zukunft dir zu weisen!
Die Glocken tönen durch die Nacht,
Du lauschest ihrem Klingen;
Das Jahr, das du herangewacht,
Was wird das neue bringen?
Drum frag dich selbst! Das Jahr wird
gut.
Gehst du auf rechten Wegen.
In deinem Thun und Lassen ruht
Des neuen Jahres Segen!
Warum ich meinen S»l»cft«rpunsch
„i««» »ront.
Der Sylvesterabend war wieder
einmal da und meine Stimmung eine
recht gedrückte, wie das bei einem alten
Junggesellen oft, ganz besonders aber
an der Schwellt eines neuen Jahres so
vorzukommen pflegt. Wohl hatten
mich Bekannte zum Sylvesterpunsch
gebeten, allein ich hatte abgelehnt, weil
ich einen Abend wie den letzten des
Jahres lieber allein als in einem
Kreis, den ich nicht als den „der
Meinigen" betrachten kann, verbringe.
Ich versuchte meine Melancholie auf
der Straße zu verscheuchen, aber es
wollte nicht gelingen. Da kam mir
der Gedanke, eine der silberhalsigen
Flaschen „Feinste Punscheffenz", die
mir an dem Schaus«nster einer Deli
katessenhandlung freundlich zuklink
ten, werde mir gute Dienste thun, mir
energisch Helsen, über den Rest des
alten Jahres und meine dunkle Ab
schlußstimmung hinaus zu kommen.
Nachdem ich dieses Sylvesterheilmittel
erstanden und in die unergründliche
Tiefe meiner Paletottasche hatte glei
ten lassen, kehrte ich in mein Jungge-
Geist. die ehrsame Wittwe Müller, mit
den Vorbereitungen für den Abend be
schäftigt. Sie kniete, als ich eintrat,
vor dem Ofen, bemüht, das F«uer an
zuzünden, «in Geschäft, welches sie mit
heftigem Pusten und der täglich wie
derkehrenden Versicherung, „der Ofen
ziehe nicht", erledigte. Sie benutzte
diese allabendliche Verrichtung an dem
einen unerbetenen Bericht über sämmt
liche Vorgänge im Haus« zu erstatten.
„Bei dem jungen Weinand im Hin
terhause geht es heute sehr schlecht,"
begann sie. „Der Doktor ist schon
drei Mal da gewesen. Das ist doch
hart für die alte Frau; sie hat ihr
Doktor kennen den Franz ja selbst und
haben ihn immer so gut leiden mö
gen. '
Wie der Herr Doktor wünschen die
große Bowle für sich allein?"
„Ja. Frau Müller ich brauche
Prachtkleid herum. Wenn sie
Die Abneiguna, die ich im Allge
meinen gegen das Wasser habe, wird
mir von diesem dadurch vergolten, daß
mäß zum Sieden entschließen kann.
In Anbetracht dieser seiner Unlie
benswürdigkeit beschloß ich, noch einen
Besuch im Hinterhause bei der schwer
geprüften Mutter zu machen.
Mit rothvenveinten Augen, wie die
Nähe eines Krankenlagers sie veran
laßt, kam mir Frau Weinand entge
gen.
„Das ist freundlich. Herr Doktor,
daß Sie nach uns schen. Er
schläft," dabei deutete sie nach dem
Nebenzimmer.
„Hoffentlich bringt ihm der Schlaf
Besserung," versetzte ich.
Sie schüttelte den Kopf.
„O, es geht sehr, sehr schlimm."
Ein Thränenstrom brach aus ihren
Augen und, als versagten die Füße
ihr plötzlich den Dienst, sank sie auf ei
nen alten Lehnstuhl.
„Warum muß es gerade jetzt so
kommen?" schluchzte sie, „gerade jetzt,
da Alles so schön und gut hätte wer
den können. Von morgen ab gehört
er dem Hoftheaterorchester an, hat
eine gesicherte Stellung, ein festes Ge
halt. Bisher mußte er sich mit Pri
vatstunden abquälen, und konnte trotz
seines prächtigen Spieles nicht auf
kommen. Die Herren Kollegen vom
Orchester haben lange gegen ihn intri
girt; sie fürchteten sein Talent.
Aber aenützt-hat es ihnen nichts. Der
Hofkapellmeister hat ihn einmal zufäl
lig spielen hören, und da war da
wäre sein Glück gemacht gewesen.
Weinand, sagte er damals zu ihm,
Sie mich ich haben heute noch
spreche ich mit dem Intendanten ; mit
dem n«Uin ?lakrr werden zwei erste
Geige« pcnsionirt, da gibt rs Platz, da
zugeschickt wurde, der morgen zu lau
sen beginnt. Mit dem Glockenschlag
„Zwölf" wollte ich meinem Franz zum
Hofmusikus aratuliren. Ach, und
jetzt, wie wird es um 12 Uhr stehen?
einzige Stunde mehr geben dürfen;
die Plackerei mit talentlosen Schülern
und anspruchsvollen Eltern hat ihm
Zugesetzt."
Geschieh!« mit Professors drüben
hat ihm zum Schluß noch übel mitge
spielt." erzählte sie weiter.
„Welch« Geschichte, Frau Wei-
Er hat mir's nicht eingestanden ; doch
ich habe es gleich gemerkt, daß der
Junge wie verändert war von dem
Augenblick an. in dem er drüben die
Wohnung betreten. Einer Mutter
entgeht so etwas nicht! Es hat n^ir
gen Herzen schlimmes Unheil anrich
ten konnte. Der Herr Professor hat
auch scharfe Augen und hat wohl be-
Wort sein Leid geklagt hat."
„Wie viel Uhr ist es?" fragte er
„Acht Uhr, lieber Franz."
Doktor?"
Ich suchte ihm die Todesgedanken
auszureden, er aber schüttelte traurig
stand.
„Sind Professors heute Abend recht
hätte der Professor Ob
sterbe ? Noch vier Stun-
Zeit...."
deckten Tisch, Marie, strahlend in Ju
vorgestellt wurde.
In der von Freude und Wohlbeha
gen erfüllten Atmosphäre wurde -ch
„Vielleicht ist es ihm jetzt besser,"
dachte ich, während Marie einen
Strauß'schen Walzer zu spielen be
gann, „er schlief als ich ging, viel
leicht wird er genesen und ich muß mir
Vorwürfe machen. Unheil gestiftet zu
haben."
etwas Muth zu schöpfen, aber auf der
Treppe begegnete mir Frau Weinand,
bleich vor Angst. „Kommen Sie
rasch. Herr Doktor," rief sie athemlos,
.es geht zu End« bleiben Sie
hin und wieder schien sein Bewußtsein
zurückzukehren und dann fragte er, so
viel ich verstehen konnte, nach der Zeit.
Es schien, als wolle er seine letzte Le
benskraft zusammenraffen, um das
mve Jahr zu erleben.
Einen Augenblick richtete er sich noch
auf und fragte deutlich nach Marie.
„Ich werde sie holen, sobald Ihre
Mntter zurückkommt."
Es war mir, als gleite ein Freuden
schimiNLr über das bleiche Gesicht.
Unendlich dauerte es, bis die Mut
ter den Arzt, der in froher Gesellschaft
Sylvester feierte, gefunden hatte. End
lich kamen die Beiden.
Zum zweiten Male eilte ich nun in
das dritte Stockwerk des Vorderhau
ses. Man hörte drinnen mein Klop
fen nicht, so laut wurde gelacht, so hell
klangen die Gläser.
Als ich schließlich ohne auf «in „her
ein" zu warten eintrat, eilte mir der
Professor mit einem Champagnerkelch
entgegen.
„Sie kommen gerade zur rechten
Zeit," rief er fröhlich, „um mit uns
auf das Wohl des neuen Brautpaares
anzustoßen, das sich noch im alten
Jahr verlobt hat. Dieses alte Jahr
legen. Also aus das Wohl des Braut
paares im alten, auf das Wohl des
Ehepaares im neuen Jahre!"
flüstert« ihr etwas in's Ohr.
Franz wandte ihr sofort den Kopf
zu und richtete seine Augen auf sie;
er hatte ihre Nähe gefühlt, sie gesehen
und erkannt. Dann, als fürchte er,
Der Arzt hatte sich über den Ster-
Herzfchlag. Plötzlich richtete er sich
auf und kehrte sich zu der Mutter.
Diese verstand ihn und warf sich mit
einem Schmerzensfchrei über den
Reinhard war unterdessen gleich
falls eingetreten und legte feinen Arm
um das zitternd« Mädchen.
Da schlug es Zwölf von den Thür
men, und die Glocken begannen mit
ehernem Klang das neue Jahr einzu
läuten, dort die Hoffnungen zweier
Menschen zu Grab geleitend, hier zwei
Glückliche dafür mit süßen Verhei
ßungen begrüßend. Zwischen Leid
und Frsud' stand ich, der ich nichts zu
fürchten und nichts zu hoffen, nichts
zu verlieren und nichts zu gewinnen
hatte. Als ich nach einiger Zeit wie
der vor meinem Zimmer stand und die
geplanten Sqlvestertrunk, und klir
rend zerschellte alsbald die Silberhal
sige unten auf dem Straßenpslaster...
Sonderbare« Wer»««.
Volisthiimlichteit. Ihre Geschäfte
Pjerbetalent entfaltet werden soll. Un-
Während des Actes der Trauung muß
dann die Braut ihrem Eheliebsten aus
den Fuß treten und beim Knieen auf
Vorsichtige Etnla
dung Bitte, Herr Furiofo, spielen
Sie uns etwas v0r.... aber nicht wahr,
Sie hören dann auch wieder aus?"
Z«r Dritte.
Sie wollten den letzten Abend deS
Jahres zusammen verbringen, zu
Dreien, wie immer. Ein heiteres, ver
gnügtes Kleeblatt sie mochten gar
keine andere Gesellschaft. Die Drei
waren der Kanzleirath Müller, seine
junge Frau Jdet und deren Vetter, ein
Musiker.
Vetter Hugo lebte getrennt von sei
ner Frau, die ihn verlassen hatte, um
zur Bühne zurückzukehren, und war
sehr froh, bei Müller's eine angenehme
dann. Hugo hatte sich in Kost gege
ben, denn Müller atz gern gut, und für
zwei Personen es kaum zu ko-
Winter spielten sie Skat. Auch spiel
händig.und das war ja erst der Grund
gewesen, warum Müller ihn einlud.
Er selbst war nicht musikalisch und so
viel älter als Ida; ihre Musik sollte sie
sehr gut dabei, wenn sie zusammen
spielten.
So waren sie immer und immer
fröhlich beisammen; wohlerzogen und
grundbrav, wie Ida war, kam nie
etwas vor, was ihren Gatten geärgert
oder verletzt hätte. Besonders, da er
so gerne Skat spielte, und nun hatte
er seine Partie zu Hause.
Es war reizend, und Niemand
wünschte sich etwas Besseres. Der
Kanzleirath gemüthlich und bequem,
Ida heiter und sorglos, Hugo der
Spaßmacher für Beide sie waren
alle Drei für einander geschaffen.
Vor zwei Jahren, als Müller sein
kürzlich verwaistes Mündel heirathete,
hatte sich Hugo unbändig gefreut.
Thür fetzen/
Sie that es auch nicht, und ihr
Mann noch weniger. Zum Sylvester
war Zweierlei geplant, erstens die
Bowle, die Hugo so unvergleichlich zu
bereiten verstand und dann das Blei
gießen. Damit hatten sie sich im vo
rigen Jahre köstlich amüsirt, denn
Hugo war unerschöpflich im Erklären
der xeheimnißvollen Bleiklümpchcn.
Müller kam heute wegen der Ab
schlüsse im Bureau etwa» später nach
Hause. Ida trat ihm entrüstet entge
gen. Hugo hatte für heute abgesagt;
sein« Kollegen hätten ihm das Ver
sprechen abgenöthigt, zu einer Syl
defterfeier des Bühnenvereins zu kom
men. „Es war mir diesmal unmög
lich, auszuiveichen," schrieb er, „und
ich gehe lieber gleich in's Restaurant
issen, denn Ihr würdet mich zum
Schluß des Jahres noch ausschelten.
Ich werd« um »Wölf auf Eure Ge
sundheit trinken und morgen Alles gut
zu machen suchen."
Müller und seine Frau schimpften
wie die Rohrspatzen. Solche Rück
sichtslosigkeit! Wenn man das ganze
Jahr die Füße unter dem Tische hatte,
darf man am Sylvester nicht fehlen!
Abscheulich von Hugo!
Er hielt sich das ganze
Jahr von Kollegen- und Vereinskrei
sen fern, wohl seiner zertrümmerten
Ehe wegen, die er trotz seiner äußeren
Lustigkeit nicht recht verwinden konnte.
Und auch Müller's waren nicht sehr
gesellig, er, der Kanzleirath, schon gar
nicht, Ida fügte sich, weil sie ja zu
Hause auch ihr Vergnügen hatte. Und
so hatten sie auch gar nichts vor für
den Sylvesterabend. Es blieb ihnen
nichts übrig, als allein zu Hause zu
bleiben. Sie gehörten keinem geselli
gen Kreise an und hatten auch sonst
Niemand, den sie im letzten Augenblick
hätten einladen können.
Der Kanzleirath saß in seiner So
phaecke, um ein wenig zu schlummern.
Ida hatte sich in die Küche begeben,
um das Abendessen vorzubereiten.
Wie sie sich ärgerte; Hugo aß Hasen
braten so gern, der hätte sich gefreut.
Da.klingelte Müller vom Speisezim
mer aus.
Ida eilte hinein. „Was willst Du,
Kar'»?"
„Ach, spiele doch ein wenig Klavier,
Jdachen, mir zu Liebe! Siehst Du,
ich kann ohne Musik nicht einschlafen."
„O, sehr gern, lieber Karl."
Sie setzte sich an das Instrument
und spielte alle drei Gondellieder von
Mendelssohn.
„Nein, das ist zu reizend," rief er
dankbar. „Es ist fast schade, dabei zu
schlafen." Aber er nickte doch ein.
„Der Gute," dachte sie gerührt. „Er
meinte, ich wollte ihm zu Liebe gar
nicht spielen! Vernachlässige ich ihn
nicht ein Bischen? Was könnte ich
ihm nur für eine Freude machen? Je
denfalls will ich allein die Bowle
brauen, ich habe ja voriges Jahr gese
hen, wie Hugo es macht. Und ein ver
gnügtes Gesicht aufsetzen, obgleich die
Sache etwas langweilig ist.
Und als ihr Gatte „ausgeduselt"
hatte, kam sie hereingehüpst.
„Nun, weißt Du, Karl, wir wollen
uns nicht weiter ärgern. Sollten wir
nicht ganz gut ohne Hugo fertig wer
den können? Mag er doch fort blei
ben!"
„Du bist zu lieb, Ida!" Er sah sie
nett sie heute war. Er konnte es gar
nicht fassen. Sie hatte ihn geheirathet,
um sich zu versorgen, wußte er;
hinein, ohne weiter über einander
nachzudenken, ohne sich um einaAder
zu bemühen.
Und heute war Ida auf einmal so
liebenswürdig! Seine Rührung hier-
wechseln, hatten sie Beide das Bestre
machcn.
Nur, sie konnten zu Zwei nicht
Skat spielen.
Das war sehr bitter. Aber Ida
schlug vor, es mit Piquet zu versuchen,
das war auch ein sehr hübsches Spiel,
dei beliebte Zeitvertreib ihrer Eltern.
Karl verstand es nicht, aber mit
Feuereifer war sie dabei, es ihm zu
lernen. Sie verloren sich Beide in die
Aufgabe. Er begriff, aber spielte doch
nur sehr fehlerhaft.
„Nun, morgen wirst Du es schon
besser spielen," sagte sie tröstend.
„Ach,morgen ist ja Dein Vetter da,"
meinte er, „und Piquet kann man doch
nur zu Zwei spielen."
„Es ist wahr," gab sie zu, „aber
wer weitz, ob Hugo jetzt immer so re
gelmäßig kommen wird, wenn er ein
mal in Kollegenkreise geräth."
„Ach, der kommt wieder," sagte der
Kanzleirath kläglich.
„Mutz er denn?" dachte Ida. So
einmal zur Abwechslung war es auch
zu Zweien.
Gondellieder," bat er, „vorhin war ich
doch ein wenig schläfrig und habe sie
nicht voll genossen."
Nochmals spielte sie alle Drei, weich
schmelzend, mit dem ganzen Zauber
des reizenden Sechsachtelrythmus. Er
fand es wieder schön, viel schöner, wie
das lärmende Vierhändig.
Warum hatte sie ihm bisher so we
nig vorgespielt allein ihm? Wie
leicht war es, den guten Karl glücklich
zu machen! Sie spielte noch einige
sentimentale Stücke und hatte den
Hochgenuß, Thränen in die Augen ih
res Gatten zu locken.
Inzwischen war das Abendessen
fertig.
Da saßen sie nun «inmal allein bei
Tische, es war, ausgenommen in der
allerersten Zeit ihrer Ehe, nicht der
Fall gewesen. Während man sonst
immer auf den Fremden bedacht sein
mußte, legten sie heute einander die
besten Bissen vor. Und ein festlicher
Eifer, eine innere Freude lag auf ih
ren Gesichtern, sie kannten sich selbst
nicht mehr.
Dann kam die Bowle. Sie war
vortrefflich gerathen, denn im Grunde
verstand Ida sehr wohl, etwas Wohl
schmeckendes zuzubereiten.
„Und nun wollen wir auch Bleigie
ßen," schlug sie vor, „warum sollten
wir denn irgend etwas von der Syl
versterfeier auslassen?"
.I«, wir wollen Bleigießen," rief er
erfreut wie ein Kind. E« >var Alles
vorbereitet gewesen, man erwartete ja
eine« Gast, und bald zischte das heiße
Metal in dem kalten Wasser. Was
Karl gewissen hatte, war ein charakter
loses Etwas, so allenfalls viereckig,
aber sehr „frei" viereckig.
„Ein Blatt von den Piquetkarten,"
sagte er, „wir werden weiter Piquet
spielen."
Keines dachte daran, daß es auch
ein Blatt von den Skatkarten bedeu
ten konnte.
Nun goß Ida ein schmales, läng
liches Ding, an dem einen Ende ge
spalten, am andern mit einem rund
lichen Abschluß.
„Ein Baby, es ist ein Vaby," schrie
Karl sgfort.
„Lecher Unsinn!" rief sie und
verstummte.
Es war wirklich so etwas wie ein
nacktes, menschliches Figürchen, wenn
auch die Beine ungleich waren, die
Arme nur angedeutet und der Kops
gar zu groß.
Sie lachte ein w?n!g. Da schlug es
zwölf. Sie wurde ganz still, als
fühle sie den Flügelschlag des Ge
schickes.
Er erhob das Glas, die köstliche,
duftige Bowle.
„Meine Ida," sagte er gerührt, „wir
waren bisher eigentlich nicht recht ver
heirathet. Es war immer ein Dritter
da. In der Ehe aber darf der Dritte
immer nur ein Kind fein! Wenn
Du wüßtest, Ida —" .
Sie senkte den Blick und erhob auch
ihr Glas. Sie ließen den „Dritten"
leben, aber Hugo war es nicht.
Am Neujahrsmorgen kam Hugo
mit einem großen Blumenstrauß und
einer feinen Bonbonniere für Ida.
„Ihr seid natürlich sehr böse," rief
er, „ich begreife das, aber ich habe
Euch wirklich hochleben lassen, als das
neue Jahr antrnt. Und nun denket!
Meine Kameraden hatten mit mir ein
Komplott vor. Sie wollten mich mit
meiner Frau zusammenbringen. Sie
war da sie ist nämlich durchgefallen,
die Arme, und hat jetzt kein Engage
ment. Natürlich war ich ganz spröde."
Er blickte triumphirend von Karl
zu Ida. Beide hatten ihm abgera
then, sich weiter mit der Theaterprin
zessiin einzulassen, denn derlei sei nie
mals häuslich.
»Ihre Frau ist gewiß in sich gegan
gen durch die erlittene Enttäuschung,"
sagte Ida.
Hugo war wie aus den Wolken ge
fallen. Anstatt der schmeichelhaftesten
Vorwürfe, die er erwartet hatte, dieser
Gleichmuth! Kein Wort des Bedau
erns!
Und Ida schien ganz gestimmt für
eine Versöhnung mit der Theaterprin
z-ssin.
„Ja. was würdet Ihr denn begin
nen ohne mich?" frug er verdutzt.
„Anstatt des Skat Piquet spie
len," warf der Kanzleirath hin.
„Anstatt des Vierhändig Zwei
händig." fügte Ida hinzu. „Aber
nichts für ungut. Wenn Sie Ihre
Theaterprinzessin nicht bekommen, so
werden Sie uns immer ein lieber, an
genehmer Gast sein. Nur haben wir
uns gestern überzeugt, daß wir uns
auch allein ganz gut unterhalten tön
nen ohne einen Dritten.'
Dem Jahre wünschen wir, daß eZ
uns nicht an des Winters Sonnen
wende des Sommers Wonnen sende.
schen wir im Sängerkampfe, daß er
den Gegner beim Zwtegesang im Sie
ge zwang.
Wer in heiterer Tafelrunde den
'raus schmeißen!
Den lyrischen Dichtern wünschen
wir, daß sie Erhörung finden, wenn
sie zu Goethen flehen: Laß uns nicht
flöten gehen!
D«m jungen Manne, der ein jun
ges Mädchen zum ersten Mal auf
einem Ball findet, wünschen wir, daß
er sich nicht gleich Knall und Fall bin
det.
Wer vom Sylvesterpunsch vielleicht
mal sollte einen Kater fühlen, dem
möge die Stirn ein zärtlicher Vater
kühlen!
Wer bei seinem Studium gestört
wird durch einer schlecht gespielten
Geige Nähe, dem wünschen wir, daß
seine Geduld nicht auf die Neige gehe.
Wir wünschen der Dame, deren
Mittel nicht dazu ausreichen, daß sie
der theure Schneider Neide, hinrei
chende Geschicklichkeit, daß sie sich selbst
die Kleider schneide.
Wem heutzutage soll eine Reise
glücken, dem mögen keine Hindernisse
auf die Gleise rücken; auch wünschen
wir, daß sich ihm auf die Landwege
keine schneeige Wand lege.
Wer gerne.faullenzt in der Hänge
matte, dem fei gewünscht, daß er dazu
stets Zeit in Menge hatte.
Wem der Himmel nicht will des
Glückes Traum schenken, der möge sich
zum Trost mit einemPülleken Schaum
tränken.
Spät schlag' Dir die Stunde Heuer,
in der Du zahlen mußt die Hunde
steuer !
Dem armen Teufel, der seine letzte
Hoffnung auf die Lotterie gesetzt hat,
wünschen wir, daß bei der Ziehung die
Kummer nähme.
Dem Bratenbarden wünschen wir»
daß Jeder, den er durch seinen Sang
ergötzte, ihm in splendider Weise den
Gang ersetzte.
dem obdachlosen Strandläufer.
Wenn bei der Debatte die Parteien
mehr, als nöthig ist, in's Feuer gera
then. dann wünschen wir, daß ein
schlauer Redner dämpfen möge die
weitere Hitze durch heitere Witze.
Es möge der Wind den Börsenmän
nern, die spekulirend in die Weite
Freundliche Arme mögen sich des
schwachen Trinkers annehmen, daß er
nicht überwältigt von dem Produkt
der Weinranke, hilflos 'rein wanke!
Und Denjenigen, der thöricht will
fröhlicher Menschen Bund heißen, den
soll der Hund beißen!
Es hat die Tanz-Akademie
Jungst in Berlin als Krastgenie
Verpönt den ,Contre"-Tanz mit
Glanz
Sie schuf stattdeß den „Reihen"-
Tanz!
Bald wandelt nun der „Eontre"-Hatz
Zun» „Reih«n"-Baß den „Contre"-
Baß.
Die „Eontre"-Bande schmuggelt fein
Sich drauf als „Reihen"-Bande ein.
Die „Contremine" läßt sodann
Als „Reihenmine" springen man.
Auch wird der „Contre"-Admiral >
Zum „Reihen"-Admiral zumal;
Wann aber vom „Galopp" man sagt:
Die Lungensuchtbesörderungsjagd".
Und wann die „Polka" jeder dreist
„Masurenhoppelpoppel" heißt.
Und wann verweht der alte Dunst,
Verschweigen muß ich's noch mit
Schmerz
h-rz!
Ihr einziges Bedau
ern. Kranke Frau: Ach, Georg, ich
Liebling? Kranke Frau: Daß es
nicht ein anderes Glied der Familie
ist, mir steht schwarz so gut!
Im A.:
bei näherer Bekanntschaft verliert er!
Auch eine Nclnhnung.
Zahnarzt (der bei ein:r Kahnpartie
in's Waffer gefallen ist, zu feinem Le
bensretter): Edler Mann, wie soll ich
Ihnen danken? Kommen Sie init
venü (in der Buchhandlung): „Geben
Sie mir die Werke eines Dichters, der
nicht für Volksausgaben schreibt!"