Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 20, 1893, Page 2, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    2 eollcn Fr««c««a«tchen?
Diese Frage ist für die sogenannte
große Welt aufs Neue brennend ge
worden durch ein Ereigniß, das sich
in Louisville abgespielt hat. Drei
junge Damen, Annie Wilson, Emmy
Ereighton und Mary Mison spazier- !
ten des Abends plaudernd und Eiga- !
retten rauchend auf der Straße, als
ihnen zwei Polizisten begegneten. Dir
orretirten die Ahinrngslosen. Man
brachte sie in das Polizeigefängniß
und am nächsten Tage standen sie vo>.
der Court unter der Anklage, öffent.
liches Aergerniß verursacht haben.
Aber der Richter Buckley schien di«
Sache nicht sehr ernst zu nehmen, und
nachdem er die Aussagen, der Polizl--
sten und die Erwiderungen tisr getan.
sagte er würdevoll: „Obwohl Vie An>
geklagten sich nicht g nau an hie Re
geln des öffentlichen Anstcmdes gehat»
ten haben, kann ich doch nickst finden,
daß sie irgend ein Gesetz verletz! hät
ten." Die jungen Damen wurden
freigelassen. Ein französischer Jour>
nalist, der sich mit diesem Vorfall ein»
gehender beschäftigt, bemerkt, daß es
ihm durchaus keine Verlegenheiten
reiten würde, die drei rauchenden Kreu
zten vor der Oeffentlichleit zu ve»
theidigen. Ebenso wenig aber wurde
es ihm schwierig fallen, wenn er den
Sitz des Staatsanwalt einnähme, fi«
anzuklagen. „Ich würde die furchter.
lichen Verheerungen betonen" 112»
schreib: er— „welche der Tabak in den.
festgefügten männlichen OrganismuS
hervorruft. Um wie viel mehr muß
das Niwttn die zartere Gesundheit ei
ner Frau unterwühlen! Der Tabak
vergiftet die Milch der Ammen, ja, er
macht sie verschwinden. Wenn man
die Hebammen fragen würde, welche
in dem Quartier wohnen, in dem die
Tabaksarbeiterinnen zu Hause sind,
so würden sie bestätigen, daß die Kin.
der dieser Arbeiterinnen blaß und
kränklich sind und in großer Zahl ster>
ben."... Doch mit derselben addoka--
torischen Beredsamkeit bringt derselbe
allerlei Gründe vor, welche er als Ver
theidiger der drei cwgeklagten, Rauche«-
rinnen den Nichtern darlegen würde,
um ihre Freisprechung zu erwirken.
„Ich würde die Richter »ach Spanien
führen wendet er gegen die Anklage
ein wo seit Langem die Sitte be
steht, daß Frauen rauchen. Ich würde
ihnen vorhalten, was General Marbok
in seinen Erinnerungen von einer
Reise nach Portugal erzählt, wo er
in einem Postwagen eine große Gesell
schaft von Damen rauchen fand.
„Wie schade", rief der General aus,
als er diese Gesellschaft sah, „daß ich ,
mir das Rauchen noch nicht angewöhnt
habe!" Die Herzogin von Chartres
von Bonrbon rauchen viel. Un»
ter den berühmten Frauen Frankreichs !
war Georges Sand eine leidenfchaft. ?
liche Naucherin, und zwar rauchte sie !
aus der Pfeife. In ihren Reifebrie- l
sen vom Jahre 1837 schreibt siee 5
„Wenn wäbrend meiner Abwesenheit >
die Republik proklamirt werden sollte, I
so möge man mir Alles nehmen, was >
ich besitze: Man gebe meine Ländereiec, i
Jenen, die Nichts besitzen, man mache '
aus meinem Haus ein Spital für die >
Verwundelen, man trinke meiner, !
Wein Lüs, man stopfe mr> meinen >
Drucksachen die Mnkn, kuH, Alan
nehme mir Alles, nur das Portrait
meiner alten Großmutter "!M «nd
lasse mir nur eine
... und Tinte..." Und zum
feiner Ausführungen weist
her Vertheidiger der rauchenden Da.
ner hochgestellten Frauen auf, welch,
es durchaus nicht unter ihrer Würde
finden, dem Tabalsgenuß zu fröhnen.
raucht, aber nur in ihrem Boudoi?,
niemals vor ihrem Gatten, ferner dir
Königinnen von Rumänien und Spa.
Gräfin von Paris." Soweit der
Franzose. Damit ist die Frage:
„Sollen Frauen rauchen?" bei denen,
bei einer Geldstrafe von fünf Mark
«erboten ist. Ortsrath: Gut, wenn
Jemand beim Betteln betroffen wird,
fünf Marl nicht hat? Ort-richter:
eben unter polizeilicher Aussicht so
lange betleln. t»s er die sünf Mark zu
fammengebracht hat!
Beim Bauer. Arzt: Ich
hörte, bei Euch ist Jemand schwer
krank, Holzbauer? Was fehlt Euch
schon feit gestern recht betrübte Augen!
Zweiset. A: Sie waren >a
wohl gestern mit Fräulein Weber an
geln. nicht wahr? —B: Ja wohl.
Ä. Na, haben Sie etwas gesangen?
—B: Ja, als wir zurücklamen, wa
— Gefaßt! A.: Glauben Sie
an eine Vergeltung? B.: Felsenfest!
Wie an lzvangeliuint A.: So
ach, dann werden Si» mir wohl
auch 2t) Mark pumpen!
DaS weifte .vaiStuck».
Die Gärten und Parks, die das aus
' beherrschender Anhöhe gelegene engli
' sche Königsschloß Windsor umgaben,
l lagen zu Ansang des Jahres 1726
unter einer Wichten Decke frifchgefal-
I lenen Schnees begraben. Mit laut
losen, hastigen Schritten eilte da und
'dort ein reichgekleideter tönigticher
'Diener unter den kahlen Arsten, den
entlaubten Zweigen der hochragenden
Bäume dahin, um in der nahegelege
nen Stadt eine Bestellung zu besorgen.
Aber wenn die Menschen einander be
gegneten, so tauschten sie keinen
freundlichen Gru°ß, sondern nur einen
kummervollen Blick. Zuweilen flog
krächzend ein Nabe über die im Strahl
dkr Januarmorgensonne schimmernde
Fläche oder über den unter der Eis
decke leise da hinschleichenden Bach.
Noch stiller war es drinnen im
Schiaß. Wenn nicht 'das Glocken
spiel -aus den Zinnen des alten runden
Thurmes mit gewohnter Regelmäßig
keit seine Schuldigkeit getyan und
die neunte Morgenstunde verkündigt
hätte, so hätte man glauben können,
man sei in ein verzaubertes Märchen
schloß versetzt.
Hinter den herabgelassenen Vor
hängen des Gemaches, das der Schat
ten des runden Thurmes noch duslerer
machte, lag die Königin Sophie, eine
Prinzessin aus einem deutschen Her
zogshause, nn Sterben.
Der Leibcurzt der Königin war so
eben, nachdem er die in solchen Fällen
üblichen Mittel noch angewandt und
verordnet hatte, im Schlitten wegge
sahren, um, wie Sophie ausdrücklich
ken in der Stadt zu sehen, die ihn
ner. al-er betäubender Moschusduft
seine nächste Umgebung.
Aber aiech aus ihrem Sterbegemach
ließ die Königin nunmehr alle ihre
Dienerinnen und Höftinge entfernen;
sie wollte mit ihrem Gemahl, dem Kö
nig Georg, allein sein, um Abschied
ner sterbenden Gemahlin ihren letzten
Wunsch nicht versagen. Sein Gewis
se» mahnte ihn daran, daß er der am
Altar ihm angetrauten Frau das nicht
gewährt hatte, was auch das uvter,
dem Dache der niedrigsten Hütte woh- -
nende rechtschaffene Taglöhnersw?ib!
von ihrem Ehemann mit Fug und >
Recht verlangen lann: unverbrüch- i
liche treue Liebe bis zum Tod. Der
König hatte es wohl nie daran fehlen '
lassen, feiner Gemahlin alle äußerliche ;
Ehre zu erweisen und pon Anderen
für sie zu fordern, .wie es ihrem hohen '
Range MIÄ ihrer Stellung entsprach..
Aber sein Herz hatte in den letzten j
Jahren einem anderen Weibe gehört, j
einer vornehmen, jugendlichen Wittwe,
ihres einschmeichelnden Wesens völlig
in ihre Fessel» geschlagen hatte. Das >
wußte man am Hofe wohl; das
flüsterte man einander neuerdings zu >
Es fehlte >in'-- Höflingen nicht
?"> Ei-iniiiin, die des Königs Vorlieb"
für Lady Horatiai zu -
versuchten: er vermeide ja. !
jeden grobe»., die eheliche 'Zreue ver
letzenden Hehlschritt. d-<r srxjljch im
Lande peinliches Aussehen erregen,
mit slrei'ger Sorgfalt; man
wüthigen, aber immerhin etwas be
schränlten Gemahlin, die schon bei
mancher musitalischen Aufführung in
Schloß Windsor das Gähnen der
Langeweile nur mit Mühe verborgen
! Sterbegemach, wo lautlose Stille
> herrsch!?. Er hatte wenigstens den
Arzt noch anzutreffen gehofft; der
Moschusdust beklemmte ihn; aber bei
l Krankenbett hinwarfen. Und als
nun die Lunken knisterten, als die nie-
r?rr,tl>ranitien Kohlen wie mit 's?!- !
schcm Athem aufglühten, meinte er
auch die regelmäßigen, schwachen
. Athemzüge Sophiens zu hören.
Jetzt öffnete die Königin ihre Lip
pen und sprach feierlich langsam:
»Ach, ich würde nicht so frühe sterben,,
wenn Du mich geliebt hättest,"
„Sophie," entgegnete der König,
nicht ohne haß etwas wie Unwillen in
seiner verhaltenen Stimme bebte, .wen
> Dich?"' ausgezeichnet, als
" „Lady Horatia," rang es sich von
ihren Lippen. Zum ersten Mal rief
sie den ihr verhaßten Namen vor dem
Ohre ihres Gemahls aus. Bisher
hatte sie ihr Schicksal duldend und
schweigend getragen.
Der König wollte widersprechen,
aber es gelang ihm nicht. Er kniete
am Krankenbett nieder und beugte
sein Haupt. Ein paar Thränen tropf
ten aus seinen Augen aus die abgema
ven sie an jedem Sonntag ihm zu er
weisen gewöhnt war. Sie schlang
das Tuch kunstgerecht um Georgs
hals und knüpfte den Knoten. Dann
fuhr sie fort:
„Das verspreche ich Dir," entgegnete
der König. „Du hast übrigens bis
ietzt auch nicht den Schatten eines
steht es nicht so schlimm um Dich, wie
Du meinst. Der Arzt hat mich erst
zestern versichert, man dürfe nicht alle
j Sie schüttelte bei diesen beruhigen
den Worten das Haupt.
> „Es gibt nicht nur eine äußerliche
Untreue, Georg, sondern auch eine in
nerliche. Und in der Welt, in dik ich
ietzt eingehe, sieht man nicht aus da?, >
»as vor Augen ist, sondern auf das >
Herz. Doch ich dank? Dir für
.Dein Versprechen."
! der eine Viertelstunde
'>md Äibe7,
- Halstuch ge
lnupst war, >.,( Königin
knupfm »<^d.
> . Taqi noch verschied
nachdem sie ihre Kinder
>°'".n ihr Krankenlager versammelt
hatte, gegen Abend.
Der König mußte sich nach einer
schlaflosen Nacht entschließen, die er
sten Besuche zu empfangen, die ihr
Beileid bezeugen wolllen.
! Unter diesen ersten Besuchen ließ
sich auch Lady Horatia melden, die,
m ein dunkles Trauergewand gehüllt,
zon ihrem Landgu! nach Windsor ge
fahren war. Der König ließ ihr lurz
sagen, er könne sie nicht empfangen;
:r hoffte, sie werde aus dieser schlössen
und bestimmten Antwort entnehmen,
vaß sie bei Hofe in Ungnade gefallen
sei und am besten daran thäte, für
:inige Zeit die Nachbarschaft von
Windsor ganz zu meiden oder in's
Ausland zu gehen.
! Allein darin täuschte er sich. Lady
Sonntag gegen Abend, nachdem die
irdische Hülle in die Gruft versenkt
war, in der Schloßlapelle zu
,! Windsor abgehalten wurde. Georg
hatte befohlen, daß womöglich Nie-
hatte sich in das Vertraue» des Ka
pellmeisters einzuschleichen gewußt
sür die bei^denr
' sonst ein sparsamer Mann, für ihre
, Kunstleistungen mit verschwenderischer
. ! Freigebigkeit belohnte. Aber die Lady
' sang so rührend, so weich, so schmel
zend, daß sie die Kunst der anderen
wohl geschulten Stimmen vollständig
, in Schatten stellte, daß der König
ihren Gesang aus allen anderen
Stimmen heraus hörte und daß ihm
' ihre Stimme während der Reden und
, Ziebete der Hosgeistlichkeit beständig
z im Ohre nachklang,
x Schon war der König für Lady
5 horatia halb und halb wiedergewou
r nen; doch gedachte er sie zu tränken,
indem er sie nach Beendigung des
z Notlesdienstes durch den Hosmarschall
. fragen ließ, welche Belohnung sie für
r vie letzte Ehre, die sie der Dahinge
e schiedenen erwiesen habe, beanspruche.
„Ich bitte nur um die Gnade Sei-
sie I>nrch Vre Winiernacht aus
Erschöpft von den Anstrengungen
»es Tages, warf sich der König auf
sein Lager. Wieder floh ihn der
Schlaf. Durch die hohen, breiten
Fenster des Zimmers warf der Mond
lange Lichtstreifen auf die Tapete;
das Feuer im Kamin glostete, leise
knisternd. Die Gedanken Georgs be-
Recht. Er schlief ein und hatte einen
seltsamen Traum. In der Mitte zwi
schen seinem Bett und dem Fenster, da
wo der Mondschein auf den Bodentep
pich fiel, sah er eine weiße Rauchsaule
aufsteigen, die nach Moschus duftete.
Er wollte aufspringen, um nachzuse
hen, ob eine Kohle aus dem Kamin
gesprungen sei und den Teppich in
Brand gesteckt habe. Allein seine
Glieder waren wie gelähmt. Denn
die Rauchsäule nahm immer deutli
cher die Umrisse der in die Gruft ver
senkten Königin an. Und nun bewegte
sich die Gestalt gegen sein Bett her,
jetzt wuchs ein Arm aus der Gestalt
hervor und dieser Arm griff nach dem
weihen Halstuch, das der König aus
das Sammelpolster vor seinem Bett
gelegt hatte. Der Arm hob das weiße
Halstuch in die Höhe und die Gestalt
flüsterte: „Georg, vergiß nicht, was
D» mir versprochen hast, als ich Dir
zum letzten Male zum letzten Male
den Knoten dieses Tuches hier
knüpfte."
Kalter Schweiß stand auf des Kö
nigs Stirn, als er von seinem Schlafe
erwachte. „Es ist nichts gewesen," be
ruhigte er sich selbst, „eine thörichte
Vorspiegelung meiner überreizten
Einbildungskraft." Seims Ver-;
sprechen-- wollte er eingeben! sein.
Er vergaß es doch. In den näch
sten, auf die Beisetzung der Königin
folgenden Wochen war bei Hof und
in der Sladt der Landestrauer wegen
aller Gesang und alle sonstige Musil
verstummt mit Ausnahme der Orgel
und der Ehoralmelodie», die in den
Kirchenhallen erklangen, aber des Kö
nigs Herz nicht aus seiner Schwer
muth zu erheben vermochten. Da
äußerte Gesrg einmal gegen seinen
Hojmarschall, sein Ohr dürste danach,
das Lied, das Lady Horatia bei der
Beisetzung seiner Frau gesungen habe,
nur Nock? einmal zu vernehmen; er
fragte auch seinen Hosprediger, ob es
eine Sünde sei, daß ihn jener schmel
zende Gesang bis in den Traum hin
ein verfolge, was der Geistliche ver
neinte.
Der Hofmarschall hälte es für einen
Verstoß gegen die Schicklichleil
Lady Horalia Schloß Windsor
berufen heitre, um mit Stimme
die Sch'.ocrmuu> des zu,
verscheuchen, ivjx dereinst der Hirten-
David mit seinem Saitenspiel
lden finsteren Geist Sauls gebannt
hatte. Aber etliche Tage daraus er
hielt der König ein Bittschreiben der
Ladh Horatia, er möge ihr seine un
veränderte Gnade damit beweisen, daß
er mit zwei oder drei Vertrauten eine
Abendgesellschaft auf ihrem Landgute
der Heimgegangenen Königin in tiefer
Wehmuth gedenken wolle.
Georg konnte und wollte diese
„Einladung" so nannte er ehrli
cherweise die unterthänigste Bitte der
ehrfurchtsvollen Dienerin nicht
ausschlagen. Mit einigen seiner Höf
linge. auf deren Verschwiegenheit er
cherweile hinaus auf das Landgut der
Lady und hörte den schmelzenden Ge
sang. nach welchem sein Ohr dürstete.
Die Abendgesellschaften wiederhol
ten sich, als der Winter zu Ende ging,
als der Frühling in's Land zog. als
der Sommer mit all' seiner Pracht die
Anlagen des Schlosses Windsor
schmückte, als der Herbst wiederum
die Bäume entlaubte.
In dem Landhause der Lady wur
den gar bald hinter dicht verschlosse
nen Fensterläden ganz andere Lieder
gesungen, als Tranerweisen, die dem
Andenken der in ihrer Gruft ruhen
den Fürstin galten. Sophie wäre
vergessen aewesen. wenn der König
nicht zuweilen noch das weiße Hals
tuch. daS leiner seiner Kammerdiener
lunstgerecht zu lnüpsen verstand, an
die Verstorbene erinnert hätte.
Der letzte Sonntag, der in das zu
Ende gehende Trauerjahr siel, war
Ladn Horatia hatte seit einigen
Monaten wiederum ungehinderten Z
utritt bei Hofe. Und wenn sie es auch
mit peinlichster Sorgfalt vermied, in
ihrem Benehmen etwas zu zeigen, was
man als Berletzung der Schicklichteit
hätte deuten tonnen: sie erschien doch
neuerdings bei Hofe nicht mehr im
Wittwengewand, sondern eher ausge
rauf, daß sie nie mit dem König allein
war; aber sie beherrschte thatsächlich
die ganze vornehme Gesellschaft, und
seiner verewigten Gemahlin nicht in
Ehren gehalten habe. Das Tuch wett
eiferte in seinem blendend weihen
Schnee, den der Gonnkag Morgen
über die Gärten von Windsor gebrei
tet hatte. Ueber Mittag aber trat
Thauwetter ein und gegen Abenii er
hob sich ein heulender Sturm, der im
Schloßgarten die dürren Aeste zer
brach und auf den Wegen verstreute.
Der König besahj seinem Hosmar
schall. daß Lady Horatia bei diesem
entfesselten Wüthen der Elemente nicht
in ihr Landhaus zurückkehren dürfe,
sondern es geschah zum ersten
Mal für heute Nacht in Schloß
Windsor beherbergt werden müsse.
Im Uebrigen ließ sich die in den
Räumen des Schlosses Windsor ver
sammelte vornehme Gesellschaft durch
das eingetretene Unwetter in ihrer
Heiterkeit nicht stören. Ja, in ihrer
Heiterkeit! Man durfte nach langen,
trüben Wochen der Trauer wieder
von Herzensgrund aufathmen. Man
unterhielt sich über die Neuigkeiten,
die der Tag brachte; man sprach auch
von den großen Herrschern der Welt
geschichte, von Cäsar, von Alexander.
Der König selbst ging in munterer!
Laune seinen Gästen mit gutem Bei
spiel voran, und die junge Welt hätte
sich kaum gewundert, wenn er auch
noch die Erlaubniß zu einem flotten
Tanz gegeben hätte. Doch ging das
vor völligem Ablauf des Trauerjahres
nicht an.
in der ganzen Gesellschaft aber war
Lady Horatia. Sie hatte das Spit
zenklöppeln nun auch erlernt, und
wenn sie es auch in dieser Kunst noch
nicht zur Meisterschast gebracht hatte,
wie die verewigte Königin: die Kauf
leute von London und Brüssel hatten
dafür gesorgt, daß sie ihre hoheils
losen, den Neid aller Kennerinnen er
regenden, auf's reichste ausgestatteten
Spitzenileid bewundern lassen konnte.
sich zur Ruhe. Als er sich auskleidete,
deckbar, bewegV." sich wie in lebhaf
tem Luftzug.
Und nun meinte Georg die Thür
in ihren Angeln kreischen zu hören.
Er rief den Namen feines Kammer-
Frühstück bringt Keine Antwort'
Doch trat jetzt für ein paar Augen
blicke Ruhe ein Stille Todes
stille nur unterbrochen durch das
Ticken der Uhr, die vom runden
Thurm her die neuute Morgenstunde
verkündigte. Und nun meinte der
König hinter dem Thiirvorhang eine
menschliche Stimme und die Worte
zu vernehmen: „Das Trauerjahr läusi >
heute Abend ab; ich werde Deine
Träume nicht , mehr stören, Georg; >
aber daß ich zum letzten Mal zum
letzten Mal bei Dir gewesen bin, da- !
von wirst Du Dich überzeugen, wenn >
Du das weiße Halstuch betrachtest." s
Nachdem der König angekleidet war
und den Kammerdiener vergeblich we- >
gen etwaigen verdächtigen Erscheinun-
gen ausgefragt hatte, trug er mit zit
ternden Fingern das weiße Halstuch
an's Fenster. Sonderbar! es war in
einen Knoten geschlungen, in einen
Knoten, wie ihn nur'die Königin So- .
phie zu lniuzsen verstanden hatte.
Und »och sonderbarer! Wie sich der
König am vorhergehenden Abend ver-
gebens abgemüht hatte, den Knoten
zu schlingen, so bemühte er sich jetzt
einige Minuten ohne jeden Erfolg, den
Knoten zu lösen. Ja, wenn er das
seine Spitzentuch hätte zerreißen wol
len, dann hätte er schließlich die Auf
gabe, die er sich gestellt hatte, zuwege
gebracht. Aber ohne Zerreißung des
Gewebes ging die Sache nicht.
Er begab sich in das behaglich
durchwärmte Frühstückszimmer und
ließ bei Lady Horatia anfragen, ob
sie den Morgenimbiß mit ihm einneh
men wolle. In ganz kurzer Zeit er
schien sie, strahlend von Schönheit wie
der junge Tag. Sie schickte den Kam
selbst die würzige Chololade in die
Tasse schenlen. Zum ersten Mal war
Georg mit Lady Horatia im Schloß
Windsor allein.
schickt sie ihn zu bedienen verstand.
Er sagte ihr zuerst einige Artigkeiten,
daß sie leine Langschläserin sei.
Dann in einen ernsteren Ton überge
hend, überreichte er ihr das Spitzen-
Halstuch mit der Frage, ob sie diesen
Knoten lösen lönne.
Wenn es sonst nichts ist," antwor
tete Horatia, „den Knoten will ich bald
offen haben." Und mit ihren zierli
chen, von Gold und Edelgestein blit
vnden Fingern drehte sie das Tuch
um und um; sie versuchte es hielt
inne versuchte es wieder, vermochte
aber an dem Wunderknoten auch nicht
das mindeste zu verrücken.
„Ihr seht," sagte der König, „Ihr
„O doch!" entgegnete sie in unge
duldige: Hast, „so mache ich es wie
Mit diesen Wörten schleuderte sie
Blitzschnell fuhr der König nach der
Feuerklamme, um das Tuch dem Ver-
Verben zu entreißen. Aber Lady Ho
ratia haschte auch danach, als es auf
dem Zimmerboden lag, und im Nu
stand ihr Aermel, stand ihr prächtiges
Kleid in lichterlohen Flammen. Der
König rafft einen Teppich vom Boden
auf, um die Brennende darein zu
wickeln und das Feuer zu ersticken.
Sie stößt einen Schrei aus, noch einen
Schrei, dann streift ihr Athem seine
Wanae und sie drückt einen heißen
Kuß auf des Königs Lippen.
In demselben Äugenblick tritt der
Kammerdiener in das Gemach und
läßt vor Schrecken die Thür offen
stehen.
„Ein Weib, das einen solchen Au
genblick benutzt, um sich einen Kuß zu
rauben!" schießt es dem König durch
den Kopf. Er stößt sie von sich, der
Teppich gleitet zu Boden, das glo
stende Spitzenlleid flammt von Neuem
auf. Wahnfinnig vor Schmerz rennt
Lady Horatia durch die offene Thür
und den Eorridor und finli am Ende
des Ganges bewußtlos in die Arme
des nacheilenden Kammerdieners, dem
streifen.
Der König, von Reue gemartert,
nicht im Stande, der jammervoll Zu
gerichteten unter die Augen zu treten,
schickt nach seinem Leibarzt. Aber
nachdem Lady Horatia wieder halb- !
Wegs zur Besinnung gekommen war,
bestand sie mit aller Hartnäckigkeit
darauf, daß sie sich nicht im Schlosse j
verpflegen, sondern nur in
weiß ich eigentlich nicht."
Von nun an hatte König Georg
keine vergnügte Stunde mehr in sei
nem Le!in.
Das weiße Halstuch, dessen Spitzen
im Kaminfeuer versengt worden wa
ren, das sich aber sonst unversehrt er
halten hatte, verwahrte er wie ein
Heiligthum. Er trug es in der Sei
tentasche seines Rockes stets bei sich,
auf dem Herzen.
Die Regierungsgefchäfte überließ
er mehr und mehr seinen Ministern
und seinem Sohne.
Um Zerstreuung zu suchen, begab er
sich auf Reisen und weilte längere Zeit j
in Deutschland.
Im Juni des nächstfolgenden lah- i
res machte er in der Gegend von Os-
nabrück einen Spazierritt, nach seiner
Gewohnheit nur von einem treuen
Diener begleitet, der ihm in einiger
Entfernung folgen mußte.
Wie er so in Gedanken verloren da
hin ritt, verletzte ihn der herabhän
gende Zweig eines Baumes leicht an
der Stirne. Er griff in die Tasche,
rinnende Bwt stillen könnte. Zweier
lei siel dem König in die Hände: Der
Brief, mit dem ihn Lady Horatia bald
!nach dem Tode seiner Gemahlin in
ihr Landhaus eingeladen hatte und
das weiß? Halstuch. Das Pferd
stand geduldig still, auch während der
König es nicht im Zügel hielt. Georg
wandte sich nach seinem Diener um
und versuchte, das weiße Halstuch an
die blutende Stirne zu drücken. Aber
ein Windstoß entführte das Tuch der
I Hand des Königs und warf es dicht
vor die Augen des Pferdes, das seinen
Kopf zur Erde gebeugt hatte. Das
Thier sch»ute, machte einen Seiten
sprung und schleuderte den König mit
aller Wucht gegen einen Meilenstein.
Der herbeieilende Diener fcnd seinen
Herrn entseelt. Im Volke hieß es, ein
Schlag habe ihn gerührt.
! Als man sein« sterbliche Hülle nach
England gebracht und im Schlosse
Windsor seine letzte Willenserllärung
I eröffnet hatte, fand man darin die
Bestimmung, daß im Sarge sein
Haupt aus nichts anderem ruhen solle,
als auf dem Spitzentuche, das Köni
gin Sophie eigenhändig gefertigt
hatte aus dem weißen Halstuch.
Kindermund. Mutter :
„Fritzchen, wo bist Du?" Fritzchen.
„Im Garten, Mama." Mutter:
„Aber Junge, Du steckst ja bis über
die Knie im Schmutz!" Fritzchen: „Ich
habe mich selbst eingepflanzt und will
sehen, ob ich wachse."
Abhilf e. Er: „Mit Deiner
i geb' ich Dir die Rechnung erst nach
sein Essen."
„Die Schale fängt wieder an," lau»
tele die Parole in den letzten Wochen,
und aus tausend und abertausend
Kehlen von großen und kleinen Leuten
hallte dieser Ruf wieder im Kreise
ebenso vieler Familien, deren Mitglie
der entweder lehrend oder lernend an
diesem größten Ereigniß der Herbst-
Saison betheiligt waren. In diesem
wie in anderen Jahren ist die Wieder
eröffnung der Lehranstalten für alle
Lehrkräfte, besonders aber für sämmt
lichen Schulen gleichbedeutend mit
einer große», schweren Arbeit. Denn
es erfordert ein gehöriges Maß admi
nistrativer Gewandtheit, die gewalti
gen Schaaren heranrückender männ
licher und weiblicher Regimenter in
verschiedene Bataillone zu rangiren,
dann das Kommando den Unterfeld
herren zu übergeben, und über das
Avancement der neuen Rekruten und
Ausmusterung der Reservetruppen.
für welche momentan leider noch keine
Exercierplätze vorhanden sind, zu ent
scheiden.
Doch nicht nur Führer und Lehrer,
sondern auch die Eltern der tapferen
Juaend werden durch den Schuleröff
nungs-Alarm aus ihrer Ruhe aufge
scheucht, und so sehr auch sonst die
Mütter und namentlich die Bäter in
ihrer eigenen Thätigkeit aufgehen mö
gen, an dem einen Tage wenigstens
sehen wir zahllose Eltern mit ihren
kleineren und größeren Kindern ge
meinsam den Weg zur Schule antre
ten. Alle Mütter, die jemals ihre Kin
der, sei es nun das Aelteste oder
Jüngste, der Stammhalter oder das
kleine Prinzeßchen, bei einem solchen
ersten Schuljahr begleitet haben, den
ken gewiß noch zurück an die eigcn
dabei bemächtigten. Vielleicht mögen
nicht alle Frauen sich selbst Rechen
schaft darüber ablegen, was sie so son
sich, beherrscht von einem richtigen Ge
fühl, auch zärtlicher als sonst der lie
ben Mutter nähert, denkt diese viel
sicher nennt die Frau Namen, Alter
und Wohnort ihres Kindes, sie möchte
vielleicht noch eine Bemerkung, eine
Bitte hinzufügen, aber dazu ist keiue
den ihr zugewiesenen Platz einnehmen,
und mit einem langen, sehnsüchtigen
Blick nach ihm verläßt sie zögernd den
großen Schulraum. Auf der Straße
angelangt, möchte sie, wenn sie sich
nicht k'bämen würde, am liebsten wie
gen zurückfordern, doch die Vernunft
siegt natürlich über diese sentimentale
Rea»mg, sie weiß, daß von heute ab
daS Kind ihr nicht mehr allein gehört,
aber diese Trennung ist nothwendig
und heilsam. Wir Mütter können
unsere Kinder nicht allein für uns be
halte», sie nicht für uns allein einseitig
erziehen, sie gehören dem großen Gan- -
zen an, müssen also als Theil dieses
Ganzen sich diesem unterordnend ge
lehrt. erzogen »nd herangebildet wer
den. Doch ein Borrecht bleibt uns
Müttern erhalten. Wenn auch Geist
und Körper unserer Kinder in ösfent
licl>en Anstalten geschult werden sollen,
wenn wir auch scheinbar uns von un
seren Kindern trennen müssen, sobald
wir ihnen unsere reine Liebe in's Herz
gepflanzt und dieses Pflänzchen auch
weiterhin treu pflegen, dann bleibt
uns mit den Herzen nnserer Kinder
doch ihr bestes Theil erhalten, und wir
können sie rnhig der Schule und den
Einflüssen des össentlichen Lebens
. Am Allerbesten lrcinlt es den,
Bei einer Dame ndzublitz»».
Der in dem Korb, den er bekommt,
Siehl einen anderen Hahn schon sitzen.
Umgangen. Arzt: „Sie
diirsen also Ihrem Mann von jetzt ab
jeden Tag ein Gläschen Bier geben
verstanden?!" Frau:
Herr Doctor, jeden Tag ein Gläs»
chen!" Arzt (nach acht Tagen):
„Na, Sie sind doch hoffentlich bei den»
einen Gläschen stehen geblieben, da?
ich Ihrem Mann pro Tag erlaubt
hatte?" Frau: „Selbstverständlich.
Herr Doctor aber aus die nächsten
vier Wochen ist er schon im Vor
schuß!"
Aus dem technischen-
Examen. Professor: „Herr Kandidat,
was stellen Sie sich unter einer Ket
tenbrück« vsr?" Kandidat:
Herr Professor!"