Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 18, 1893, Page 6, Image 6

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    6 Bekanntlich ist seit dem 1. Juli der
Verkauf von Spirituosen in Süd-
Carolina Staatsmonopol. Er ist
ungefähr nach dem „Gothenburger
System" geregelt, und da dieser Ver
such bis jetzt der erste seiner Art in
den Ver. Staaten ist, so lohnt es sich,
seine Durchführung und seine Erfolge
oder Mißerfolge etwas näher in Au
genschein zu nehmen.
! Die große „StaatS-Dispensary"
fliegt an der Main Str. in Columbia,
inur wenige Schritte von dem StaatS
icapitol. Sie ist tligiich 12 Stunden
in Betrieb und liefert durchschnittlich
i 12,000 bis 15,000 Gallonen Whisty
Arten sowie „Gist" und
anderer Spirituosen pro Tag. Abge
sehen von einem kleinen Büreau für
Die Eifenbahn-Commissiire und für
Kie landwirthschaftliche Zeitschrift
>,Eotton Plant", ist das Gebäude auS
ffchließlich dem Staats-Spirituosen-
Heschäft gewidmet
Z>. H. Traxler, SpirrNwseii-CommMr.
Das Erdgeschoß dient als Lager
raum für die eintreffenden Spirituo
sen, welch- auf ihre Reinheit streng
Pullen, und zum Etikettiren. Etwa
LV Männer und Jungen 'find im
„Bottling Department" beschäftigt.
Die Sp'.rituosenfässer werden oben
je 15,000 Gallonen halten. Am Bo
den jedes dieser Bottich« ist eine O«sf
nung, durch welche die Spirituosen in
die Flaschenabziehungs-Mafchine flie
ßen. Von letzterer gehen sechs Rohre
aus, durch welche der Stoff in die
Pullen gelangt. Das geschieht selbst-
Pulle bis zum Hals gefüllt ist, setzt
der Strom von selbst aus. Bes dieser
Arbeit, wie beim Zustöpseln der Fla
schen, werden fast nur Jungen im
Alter von 15 bis 1/ Jahren verwen
det. Die Stöpsel kerden einem
Hiiinmerchen in die Flaschen geschla
gen. Es ist zwar auch eine Maschine
dafür vorhanden, dje «ber nur für
langhalsig» Flaschen zu brauchen ist.
Die verstöpselten Flaschen Nxrden
nach dem Verfiegewngs- und Etiket
tinmgStisch gebracht. Hier sind
Stempel des Commissärs darauf,
welcher die Worte enthält: „D.'H.
Traxler, Spirituosen -
Andere Angestellte kleben dann die
Etikette aus, welche, je nach dem Grade
des Whiskys, oben einen oder mehrere
Sterne aufweist.
Nicht weit davon beflnoet sich da>
Verpackung? - Departement. Jede
Flasche wird in dickes Packpapier ein
geschlagen, und eichene Fässer, in de
nen sich auch Sägemehl oder Hobel
spähne befinden, nehmen sieben bis
zehn Dutzend solcher Flaschen auf.
Auf den Fässern muß der Inhalt und
sein; auch muß sich die Bescheinigung
des CommissärS, daß sie für eine be
stimmte County-Berkaufsstelle config
nirt sind, darauf befinden. Ohne
diese Bescheinigung dürfen keine Ei
senbahnen im Staate Spirituosen be
fördern. Die Angestellten werden sehr
bescheiden bezahlt. , .
Von Interesse ist noch das Proben»
und gewaschen.
Es ist etwas früh, über das Ergeb
niß dieses Systems ein Urtheil zu
fällen. Indeß küßt sich Folgendes
lauter „grüne" Leute in diesem Dienst
beschäftigt sind —denn es wurde Nie
mand angestellt, der vorher mit einem
Spirituosengeschäft in Verbindung ge
standen hatte —so „arbeitet" dieses
System ganz vorzüglich. Es ist stets
mehr Stoff vorluden, als bestellt
wird. Nur darf man sich von der
Nachfrage keine übertriebene Vorstel
lung machen. Denn die verbotene
Concurrenz von Privat-Spirituofen
dauert noch immer schwungvoll, fort,
und bisher ist kein ernstlicher Versuch
gemacht worden, dagegen einzuschrei
kn. Auch ist daß Temperenzler-Ele
ment, gegenüber welchen diese Einrich
tung ein Zugestiindniß sein sollte,
durchaus nicht von derselben begei
stert. Unter solchen Umständen muß
die Zukunft des Unternehmens als
eine recht zweifelhafte bezeichnet wer
den.
O«««»» ?«rf» i.
Ein Wiener Blatt erzählt von dem
Großmogul Jahangir, der im Jahre
1616 den Einfall hatte, verkünden zu
lassen: er wünsche, daß die Damen
seiner Residenz Edelsteine auf den
Neroze-Markt bringen sollten, und er
würden. Sein Wunsch war Befehl,
an. Ihm folgend, wurde fein Sohn,
der schmucke Prinz Khurrum, alsbald
durch die exquisite Schönheit der Gat
tin Jemal Khans, Namens Arjemund
Bann, angezogen, und et fragte sie,
was sie zu verkaufen habe? Sie
antwortete prompt, daß sie nur einen
großen Diamanten besitze und der
Preis desselben sehr hoch sei; und
als der Prinz ihn zu sehen und den
Preis zu wissen wünschte, zeigte sie ihm
ein Stück feinen und durchsichtigen
eines Diamanten erinnerte, und be
merkte mit schalkhaftem Lächeln, das
Kleinod sei 100,<XX> Rupien (Gulden)
werth. Der Prinz zahlte sofort den
Preis und ließ sich mit ihr in eine
Konversation ein, durch welche ihr
Geist und ihr Witz alle seine Sinne so
vollends berückt?, daß er sie schließlich
in seinen Palast sie zwei bis
drei Tazv'veiweilte. Merkwürdiger
weise wurde he bei ihrer Heimkunft
von ihrem Gemahl nicht so gut em
pfangen, als st« gewünscht, und als sie
darüber heim Prinzen Klage führte,
suchte er ihrem gekrankten Gefühl Ge
nugthuung zu verschaffen, indem er be
fahl, daß Jemal Khan im Elevhanten
hofe von einem der Thiere zu Tode ge
glücklichen Ehegespons des flatterhaften
Dämchens wurde das Glück zu Theil,
yo» seiner Hinrichtung den Prinzen
sprechen zu dürfen und ihn zu überzeu
gen, daß er, Jemal Khan, keineswegs
über die ihr widerfahrene Gunst em-
Prunkgewand und das Kommando ei
nes Reiterkorps von fünftausendMann
zu geben und ih^ überdies der hiius-
Ncuvermählüng zu überheben.
Gekritnkt. Eine Dame gibt
liniin Sonn«vbiNid«r mildlhiilig einen
Äroschm Sie sich nicht
der sich sor'n Irischen bedrinten kan»?"
Gerade die Frauen/
dn b« Hren Minxev vurch Weinen >
Alle« erzielen, werden weine»,
wenn ibnen der HHann »mmol wirklich
V.'ranlckfjung dazu gibt.
Eigenthümlich, wie Alles, was Ja
pan in Chicago zur Schau gestellt hat,
ist auch seine Ausstellung im Kunstpa
last. Der gewöhnliche Besucher, wel
cher die japanische Kunst im Wesent
lichen nur aus den bemalten Fächern
und einige» weitverbereitete», meist
armseligen Nachahnungen lennt, dürste
hier Neues und Eigenartiges in Hülle
und Fülle entdecken. Er möge nur
seinen Besuch der japanischen Kunst
ausstellung nicht auf den Tag verle
gen, an welchem er der österreichischen,
deutschen und holländischen Kunst seine
Aufwartung macht, sonst gelangt
er ganz bestimmt nicht mehr nach Ja
pan oder findet doch keine Zeit, über
den merkwürdigen holzgeschnitzten
fünfstöckigen Padodenthurm am Ein
gang hinauszukommen
Nische au« der japanischen AunstauSstellung.
Die heutige japanische Civilisation
ist ja grSßtentheils noch so neu, daß
man sozusagen die Schneiderfalten
herausbügeln muß, und eine vefent
lich nachahnende. Eine entschiedene
Ausnahme hiervon bildet aber gerade
die Kunst, weiche viele Jahrhunderte
»lt und höchst originell ist. Sehr hoch
gediehen ist in Japan bekanntlich die
Decorationskunft, besonders was die
innere Ausschmückung der Wohnräume
anbelangt, und da dieselbe auch hier
auf das Reichste vertreten ist, so ist eS
kein Wunder, daß die japanische Kunst
ausstellung einen großen Theil der Da
menwelt länger fesselt, als die gedie
gensten Gemälde- und Sculptursamm
lungen europäische Länder.
Japanisch»; au» Holz geschnitzt.
Viele Räthsel gibt diese Ausstellung
den Besuchern auf. An vielen der
Bildern kann man bei flüchtigem Blick
nicht einmal erkennen, ob sie gemalt,
oder gewoben, oder gestickt sind! Im
ersten Zimmer fällt uns vor Allem ein
großes gelvobenes Bild auf: „Die Fest
processisn", welche 368 Gestalten und
Gesichter zeigt und nahezu ein Halb
hundert verschiedener Costüme enthält;
das eigentliche Bild (abgesehen von dem
Rand) ist nur in einem einzigen Stück
gewoben und ein unvergleichliches Mei
sterwerk. Bei allen den Bild«rn muß
sich unsereins sagen: Ewe Kunst, wie
ich sie mir bisher vorgestellt hab«, ist
das zwar nicht, ab«r «s ist nichtsdesto
weniger Ku n st! Die Bilder aus dem
Thierleben zeichnen sich durch mehr küh
ne, als sehr naturtreue Auffassung aus,
und mit einfachen Mitteln wird ein
großer Effect erreicht. Eines der
merkwürdigsten Beispiele dieser Art ist
ein Bild, welches einen Kampf zwischen
einer Krähe und einem Geier in der
Luft darstellt; ein zweiter Geier sieht
von einem blattlosen Baumaste aus
diesem Schauspiel mit sichtlicher Span
nung zu. Noch bezeichnender für die
japanische Kunst ist eine Menschen-
Schlachtstene, die man nur bei eigenem
Beschauen würdigen kann. Unter den
Landschaftsbildern sielt eins der schön
sten einen hohen Berg dar, dessen
schneegekrönter Gipfel über die Wölken
emporragt. Der Künstl«r, welcher
das benachbarte Tigerbild geschaffen
hat, ist über dem Malen von Tigern
schließlich wahnfinnig geworden!
Elfenbeinschnitzereien find einige der
werthvollsten Raritäten, die je auf eine
Ausstellung gekommen sind. Bo» den
übrigen Merkwürdigkeiten seien nur
noch die kunstvollen, die besten Bilder
blühenden Pfirsichbaum zeigt.
Gedanken-Association.
A.: „Es ist eine bekannte Thatsach«,
da« die Gedanken don Eheleuten sich in
B.: „Das stimmt auch; so denkt meine
Frau zum Beispiel jetzt, was sie mir
sagen soll, wenn ich so spat nach Hause
komme, na, dasselbe denke ich auch!"
Schmeichelbast. Gigerl
(im kircus): „Sagen Sie mal, müssen
Sie sich den» solch duiiimes Gesicht ma
len?"— kloivn: „Jawohl! Freilich,
wenn ich Ihr Gesicht hätte, könnte ich
mir das Bemalen sparen."
Zeitgemäße Annonce.
Ein Junggeselle wünscht ein Veiociped
zu kaufen. Ehe nicht au»geschl»ssen.
.Leugne es nicht, Liebling, Dein
Gesichtchen straft Dich Lügen —Du
lichen Kops an der Schulter ihres
Mannes. Er drückt einen leichten
Kuß aus ihr seidenweiches Haar.
„Schweigen ist auch ein Einge
ständniß, Evchen. Der Postbote hat
Dir mit Mamas Brief Schrecken ein
geflöht, nicht wahr?"
Sie richtet sich empor. .Ach sei
nicht bös«, H«rzensmax! Et ist neben
der Freud«, Deine liehe Mama in un
serm Heim begrüßen zu dürfen, nur
die große Achtung, die ich vor ihr em
pfinde, die mich ein wenig ängstlich
macht, und das Gefühl meiner eigenen
—ja Max, meiner Unzulänglichkeit."
„Und glaubst Du, meine Mutter sei
so engherzig, Dir, dem „Wildfang",
von welchem sie nur w«iß, daß er daS
Lebensglück ihres einzigen SohneS
ausmacht, nicht die Stelle und Rechte
einer Tochter einzuräumen? Ich bitte
Dich dringend: Komm' ihr ohne
Scheu als ihr Kind, das Du nun bist,
entgegen! Sie wird bald inne werden,
daß auch aus 18jährige» Wildfängen
prächtige kleine Hausfrauen und so
gar vorzügliche Köchinnen werden
Evas liebliches Kindergesicht er
glüht vor freudigem Eifer. „So laß
mich los, Max. Ich mnß noch ein
mal die ganze Wohnung mustern, vor
Allem das Fremdenzimmer."
„Aber mein Arbeitsstllbchen laß
mich hübsch in Ruhe, Herz!"
Sie wirft ihm noch eine Kußhand
zu und einteilt.
Das junge Paar ist erst seit drei
Wochen von seiner Hochzeitsreise in
die kleine Kreisstadt eingekehrt, wo
der Amtsrichter Malhof seine erste
Anstellung gefunden hat, uud be
wohnt hier, da es neben dem Gehalt
über einen bedeutenden Zuschuß auS
Prwatinjtteln verfügt, eine allerliebste
kleine Villa, die innen und außen ei
nem Schmuckkästchen gleicht.
Heute Abend soll die Mutter des
jungen Ehemannes, die venvittwete
Frau Rittergutsbestder Maihos zu
einem mehrwöchigen Besuch« eintref
fen, und mit lebhaftem Herzklopsen
empfängt Eva die trotz alledem heim
lich gefürchtet? Schwiegermanm.
Frau Maihof die ältere ist eine
hohe Gestalt von gebietender Haltung.
Der Blick ihrer großen, dunklen Au
gen hat etwas durchdringendes, man
merkt ihm an, daß er scharf zu beob
achten versteht. Eva staunt, wie we
nig an das nahende Alter Gemah
nende' diese Frauengestatt in dem
nach neuestem Geschmack gearbeiteten
und tadellos fitzenden schwarzen At
laskleide hat. Auf dem braunen
Wellenscheitel ist ein schwarzer Spit
zenschleier mit Brillantnadeln leicht
und gefällig befestigt; Niemand sieht
es diesem immer noch schönen Frauen
topfe an, daß seine Trägerin an der
Schwelle der Fünfziger steht. Alles
an ihr ist Anstand und Würde, jedes
ihrer Worte treffend und geistvoll,
i Die junge Frau hat neben ihr ein
ähnliches Gefühl, wie sie als Schüle
rin hatte, wenn sie der verehrtin und
gefürchteten Anstaltslehrerin gegen
über sich befand. Fast möchte sie ihr
deswegen heimlich grollen und trotzen,
aber die unnahbar scheinende Frau ist
doch auch wieder hinreißend liebens
würdig x:gen ihr Schwiegertöchter
chen; sie kann eS nicht leugnen. Und
als sich die Dame »ach dem anregend
verplauderten Theestündchen aus ihr
Zimmer zurückgezogen hat, rklärt
Eva ihrem Manne, daß sie sür seine
Mutter schwärme. Dann drückt sie
auch ihre Bewunderung über das vor
trefflich bewahrte Aeußere der Ma-
Frau Maihof Mutter hat in be
friedigter Stimmung das behaglich
eingerichtete Fremdenzimmer im e-rsten
Stock betreten. „Sie macht sich wirt
lich recht nett, die Kleine!" denkt sie
anerkennend mit Bezug auf ihre
Schwiegertochter. Einen dustenden
Rosenstrauß, den diese im Garten sür
sie gepflückt, setzt sie in's Nebenzim
mer, um während der Nacht nicht dy>
Duft einathmen zu müssen. Aus dem
Nachttischchen brennt ein Armleuchter.
Frau Maihof entkleidet sich ohn« Hil
fe; sie hat sich dabei niemals von einer
Zofe bedienen lassen. Als sie d«S
Licht gelöscht hat, tritt sie im Däm
merscheine des SommerabendS noch
vorhin zwei Gläser mit Wasser neben
einander stehen sah. In eins dersel
ben läßt sie schnell einen Gegenstand
gleiten, worauf sie das einladend«
ding zwischen Kammerjungfer und
Stubenmädchen vorstellt, gestört.
Lina will ihre Hilfe beim Äuslleiden
anbieten, sieht aber die Arbeit schon
beendet.
„Soll ich der gnädigen Frau nicht
nie bei Licht. Gute Nacht!"
„Wünsche der gnädigen Frau eine
angenehme Ruhe!"
Frau Maihof Mutter schläft aus
gezeichnet. Ihr Schlaf ist ein so fe
ster, daß er durch den Eintritt Linas
am nächsten frühen Morgen nicht un
terbrochen wird. Dies« ist leise ge
kommen, um die Stiefelchen des Ga
stes Zu holen, waS sie gestern Abend
' d
Blick fällt auch auf die Kommod«,'wo
die beiden Gläser nebeneinander ste>
hen.
Plötzlich schlägt sie die Hände zu
sammen l-.nd unterdrückt nur müh,
fem» «inen Aufschrei. Da» eine der
beiden Gläser stellt nämlich ein Nacht
lämpchen dar. indem iiber dem Was
ser sich eine Schicht Brennöl ausbrei
tet, in die, auf einem Korkschwimmer
gesteckt, der kleine Docht eintaucht.
Auf dem Grunde des Glases liegt
ein Etwas, das Lina aus eigener
Praxis bekannt ist, ein Guttapercha-
Gaumen, der an seinen beiden Enden
etliche künstliche Zähne aufweist.
Lina fischt mittelst ihres Haar
pfeils das Kunstwerk aus der Tiefe
des Nachtläinpchens heraus; alsdann
läßt sie es in das daneben stehende
Glas mit reinem Wasser fallen.
>So," sagt sie, „da merkt sie es gar
nicht. Der Geschmack des Brennöls
wässert sicher aus, bis sie das Ding
wieder gebraucht."
Sehr befriedigt Über ihr Rettungs
werk verlätzt Lina unbemerkt, wie sie
gekommen, das Zimmer.
Bald darauf erhebt sich Frau Rit
tergutsbesitzer Maihof, eine Frühauf
steherin aus Sew»hnheit, kleidet sich
rasch an und begibt sich dann hinab
in's Frllhslllckszimmer, wo das junge
Paar bereits mit dem Morgenkaffee
aus sie wartet.
Nach den üblichen BegrüßungS
worten erklärt der junge Mann ver
gnügt: „Heute wirst Du auch die
Sorge los, liebste Mama, daß ich
mein Lieblingsgetränk nicht so zube
reitet erhalte, wie ich's von Deiner
Hand gewohnt bin. Eva ist Meiste
rin in der Kaffeebereitung, die sie stets
eigenhändig besorgt. Du wirst Dich
sogleich überzeugen."
Die Angeredete nickt der freudig er
rathenden jungen Frau mit liehens
würdigem Lächeln zu und lätzt sich
von ihr eine Tasse lieblich duftenden
Mokkas eingießen.
„Nun?" fragt stolz herausfordernd
der Sohn, als feine Mutter vorsichtig
prüfend gekostet hat.
Das Lächeln der Gnädigen erhält
etwas Gezwungenes. Sie setzt die
> feine, chinesische Schale mit großer
Erregung auf den Tisch zurück.
„Großartig, Mama!" rühmt Max.
„Nur mit Deinem Karlsbader zu ver
gleichen!"
In der That" erwidert zö
gernd die Mutter.
Eva blickt mit auffallend großen
Augen zu ihr hinüber.
„Aber, Mama!" ruft der S«hn er
schrocken, „Di machst ein Gesicht, als
habest Du Tinte getrunken und nicht
einen wahrhaft ambrosischen Mokka!
Nein —so ungerecht bist Du nicht.
Prüfe noch einmal. Mama, und sage
. mir dann Deine aufrichtige Meinung!"
Mit sichtlicher Ueberwindung greift
die Schwiegermutter nochmals zur
Tasse, Sie nimmt einen langen
Schluck, schüttelt sich aber darnach, als
habe sie Leberthran getrunken und
schiebt mit größter Entschiedenheit die
Schale weit von sich fort. Das war
«ine entrüstete Ablehnung, dieses .Ge
tränkes".
Aus Evas reizendem Gesicht wechseln
Nöthe und Blässe wie Schlagschatten,
ihre großen Kinderaugrn sehen nun
böse, ganz böse auf die Schwiegermut
ter. Keine Spur mehr von Scheu
lind Respekt. Das Autoritätsgesühl
verleugnet sich, indem sie denkt: „Ich
hatte doch Recht mit meiner Ahnung.
Alle Schwiegermütter sind gleich!
Nicht umsonst verlästert sie der Volks
„Bist Du unwohl, Mama?" fragt
der Sohn mit seltsam verhaltener
Stimme.
„Ich versichere Euch schon, daß ich
mich selten so wohl und frisch gefühlt
habe als an diesem Morgen," entgegnet
sie kiibl.
„Aber das Frühstück scheint Dir
nicht zu schmecken," beharrt der Sohn.
Sie sieht ihn mit ihren gebietenden
Augen zurechtweisend an, dann wendet
sie sich zu ihrer Schwiegertochter.
.Nimm mir's nicht übel, Kind, aber
diesmal ist Dir der Kasse« nicht gera
then ! Um Gotteswillen, Eva, so
weine doch nicht gleich ! Die Schuld
liegt an Deinem Lieferanten, der Dir
leider ein paar ölige Bohnen unter
Deinen Mokka gemischt haben muß."
„O«lige Bohnen?" wiederholt der
Amtsrichter, während die junge Frau
vor Erregung zitternd, kein Wort her
vorbringt. '
„Gewiß, Max, und zwar von ganz
penetrantem Geschmacke. Ich kann
denselben gar nicht wieder los wer
den."
Eva springt auf und stellt sich, dem
Kaffeetisch den Rückn» zuwendend, mit
unterdrücktem Schluchzen an's Fenster.
„Du hast ja von demselben Kaffee
ruhigi fort, währest» er in nervösem
Spiele ein Stückchen F«stkuchen zer
bröckelt und Kügelchen davon dreht.
ißt and trinkt."
Eva wendet sich kurz um. Es ist
deutlich zu »«rnchmen, wie ihr Absatz
ich muß doch bitten," «rkiärt sie, das
Köpfchen im Nacken.
Mit einer wahlhaft königlichen
Handbewegung erwidert die Schwie
germutter: „Keine Sce«, Kind! Ich
verlasse sogleich dieses Haus, um es
nicht wieder zu betreten."
.Um Gotteswillen, Mama!
Eva!" Der AmtsrWer stürzte von
einer zur andern.
„Ich lasse mich, in meinem Haus«,
nicht beleidigen!" erklärt trotzig d« <
junge Frau.
Frau Maihos Mutter hat sich erho
ben. „Um 9 Uhr 20 geht der Schnell- >
zug. Ich glaube, daß ich noch zurechi
kommen könnte," sagt sie ruhigen
Tones. j
„Mama Du darfst uns nicht in
solcher Stimmung verlassen! Be>
Senke die NelnNche Ursache de« Zwi
stes ! beschwört sie der Sohn.
„Und seine vollständige Grundlosig
keit !" ruft Eva dazwischen. „Er ist
gänzlich vom Zaune aebrochen. Du
selbst hast den Kaffee für gut erklärt,
Max."
„Allerdings," antwortet er, und er
ist a»ch gut."
Aber nun fragt ihn seine Mutter in
schneidendem Tone: „Wer hat Dich
,nr Wahrhaftigkeit erzoaen. Mar?
Wer bat Dir stets das Beispiel der
Wahrheitsliebe gegeben ?"
O Miit^r!" stöbnt der innge
Mann und fährt rathlos mit der Hand
über die Stirne.
Sie ergreift seine Rechte. Sei
ruhia. mein Junge. Weiht Dn denn
gewiß, daß Du von demselben Aufguß
getrunken hast?"
„Nein !" erklärt Eva, „ich habe für
Mama einen besonderen, frischen Aus-
Frau Markos Mutter wundert sich
über diese Erklärung. . „Ist das nun
Aufrichtigkeit oder Trotz ?" denkt sie.
Der Amtsrichter wendet sich zu sei
ner Frau. „Nun siehst Du, Evchen,
dort hinein ist aus bisher unermittelte
Weise der ölioe Geschmack gekommen !"
Er wäre ihr so dankbar gewesen,
wenn sie ihn beim Vau dieser goldenen
Brücke nnterstiikt hätte. Es fiel der
jungen Frau aber gar nicht ein Nachzu
geben „Der Kaffee war tadellos!"
sagt sie nur finster, de» Kopf aufwer
fend. „Ich weih es !"
„Und ich weiß es ebenfalls, daß
Mama sich niemals täuscht !" erwidert
nun der Amtsrichter ebenfalls gereizt.
Daraus wendet er sich kurz von ihr
ab und seiner Mutler zu. „Ich muß
auf's Gericht. Mama, der eiserne Dienst
ruft. Ich flehe Dich an, laß Dich
noch i
seiner Mutter die Hand und eilt hin
aus, ohne seiner Frau Lebewohl zu
sagen. Ein noch nie dagewesener
Fall!
Als Eva fich allein sieht, sinkt sie
schluchzend auf einen Stuhl. Erst
, kürzlich vernahm sie im Trompeter von
Säkkingen die rührende Klage Ma
rias :
Nun ist er hinaus in die weite Welt!
Und hat keinen Abschied genommen !"
Ach !° damals ahnte ihr's noch nicht,
Wie bald ihr Max auch sie abschiedslos
derlassen würde. Wo war ihr junges,
strahlendes Glück? Verflogen wie
Spreu vor dem Athem der Schwieger
mutter !' Und diese hat er, ihr Max,
noch ermahnt, Geduld mit ihr, seiner
Frau, zu haben! Es ist himmel
schreiend ! Umgekehrt war's allein
in der Ordnung. Geduld haben mit
ihr! Also als eine Geduldsprobe
betrachtete er sie nur noch ?'— O
es gibt zum Glück noch andere Leute
auf der Welt, deren Sonn»nfchein sie
war. Ihre Eltern in der Hauptstadt
nehmen sie jeden Augenblick mit offenen
Armen wieder auf. Mag er doch die
unfehlbare Mama hierbehalten, sie
selbst kann ja auch den nächsten
Schnellzug benutzen."
So weit ist Eva in ihrem Gedanken
gange gekommen, als sie plötzlich em
porschrickt.
„Was willst Du, Lina?"
„Ach, ich wollte der gnädigen Frau
nur sagen, daß die Frau Schwieger
mutter vollkommen Recht hat."
Eva starrt das halb verschmitzt, halb
verlegen lächelnd e Mädchen wortlos
am
„Es ist wahr," fährt die Jungfer
fort, „der Kaffee der Frau Ritterguts
bssitzerin hatte wirklich einen öligem G
eschmack."
Nun springt die junge Frau empor,
kirschroth vor Zorn. .Es ist wahr !"
so keucht sie, „tch habe Dich verwöhnt,
verzogen ! Aber daß eine so maßlose
Frechheit Deinerseits die Folge meiner
ftuten Behandlung sein würde, das ließ
ich mir nicht träumen !' Hinaus; fort
aus meinen Augen ! Auf der Stelle!"
Statt diesem Befehl Folge zu geben,
ergreift Lina eine der bebenden kleinen
Hände ihrer Herrin, zieht sie an die
Lippen, und beginnt in demllthigem
Tone um Gehör zu bitten, sodann aber
den Umstand deutlich zu erklären, wie
das Gebiß d«r Schwiegermutter ohne
deren Wissen mit Brennöl in Berüh
rung gekommen sei,
Evas Mienen hellen sich immer mehr
auf. Ja, zuletzt fällt sie ihrer Zofe
sehr unvorsichtiger Weise, da sie sich
doch gegen das Verwöhnen ausgespro
chen, um den HasS.
„Das ist ja ein köstlicher Spaß,.
Lina ! Darüber werden noch,
oftmals lachen. Ach mein armer
Max! Wie mußte er heut- zwischen,
zwei Feuern zucken! Wie elend mag
ihm jetzt noch zu Muthe sein. Und die
lrebe, gute Mama ! Ich will nuw so
fort auf ihr Zimmer eilen, ihr meine
Unart und Heftigkeit abbitten, alles er»
klären"
Sie eilt leichtfüßig auf die? Thür«
zu. Plötzlich besinnt sie sich und
bleibt stehem .Nein." sagt sie,, „das
geht ja nicht! Max bat mich au -
drücklich, die Eigenheit seiner Mutter
zu schonen. Sie darf nicht ah»ien
und auch, Max Nicht erfahren, daß der
Umstand mit ihren künstlichen Zähnen
bekannt geworden ist. „Höre Lina,"
wendet sie sich ä» das Mädchen, .auf
das Strengste verbiete ich Dir. die Ge
schichte von der Nachtlampe zu verra
then. M't diesem Verbot ist es mein,
größter Ernst. Ich selber werde mei
nem Manne kein Wort davon sagen.
Es bleibt mir nur die Abbitte übrig.
Ich muß durchkoppelte Freundlichkeit
meine Heftigkeit gut zu machen suchen."
Lina gebt hinaus und Eva bleibt
nachdenklich stehen. „Es wird schwer!
sein, sich Mama zu nähern," sagt sie
noch zu sich selbst, „aber ich lasse mich
nicht mehr abschrecken."
Indem sie noch sinnt, rauscht die!
Portiere zum Nebenzimmer auseinan-!
der, und sie sieht die imponirende Ge,
statt Ihrer Schwiegermutter auf sich
zuschreiten. Ein warmes Lächeln
in ihre Arme schließt. „Ich hörte
nem Kammermädchen gewechselt
wurde," erklärt sie. „Und ich danke
Gott dafür. Du bist eine vornehme
Natur, Eva. Eine andere hätte sich
die Gelegenheit nicht entgehen lassen,
ihre Gegnerin durch Blosstellung eines
schämen. Du verzichtest sogar meiner
Schwäche zu Liebe auf Deine eigene
Rechtfertigung. Du bist ein Engel,
Eva ! Ich habe Dich in diesem einen
Zuge vollständig kennen gelernt. Mein
h»ren Dir für's ganze Leben. Damit
aber auch Max erfährt, welcher unheil
volle Zufall heute hier gewaltet, will
ich selbst ihm alles sagen, wenn er auch
d«bek," hier dämpft sie, wie ein junges
Mädchen erröthend die Stimme, „zum
ersten Male erfährt, daß nicht alle
meine Zähne echt sind."
»in» »t«b« j«««« Arou.
Eine Verhandlung, dir an'S Tragi-
komische streifte, spielte sich in Wien
vor dem Strafrichter des Bezirksge
richts Hernals ab. Eine hübsche junge
Frau, die SchnetdermeisterSgattin
Barbara Süßel, hatte sich wegen wie
ihrem 63jährigen Gatten Josef Süßel
verübt hatte, strafgerichtlich zu verant
worten. Die vom Staatsanwalt ver
tretene Anklage legte der angeklagten
Frau zur Last, daß sie am 21. Juni
ihren Gatten mit einem Regenschirm
derart geprügelt hätte, daß der Mann
seither arbeitsunfähig. ist. Richter
(zu dem alten Manne): Ja, was war
denn die Ursache, daß Ihre Frau Sie
so unbarmherzig geschlagen hat?
Herr Süßel: Wissen S', Herr kai
serlicher Rath, i hab' mit meiniger Se
ligen 32 Jahr' guat g'lebt, na und
wie's halt gestorben war, hat (mit ei
nem scheuen Seitenblick aus die Ange
klagte) die mich g'heirat, eigentli nit
mich, sondern mein Geld hat's g'hei
rat'. Ja, Herr kaiserlicher Rath, sie
4<X>V nach Italien! Ritter (zur
Angeklagten): Ist das wahr?
und bin nach Bergamo in Italien ge
fahren. Richter: Und da haben
SieJhrem Manne dasGeld mitgenom
men ? (Mit einem Blick auf die vor
Gesundheil strotzende Frau.) Es
muß eine sehr gesunde Lust in Ber
gamo sein? Angekl.: Ich werde
mir doch Geld mitnehmen dürfen, wenn
ich krankheitshalber nach Italien muß?
Zu was bin ich denn verheirathet ?
Herr Süßel: Nit wahr, Herr Rich
ter, abg'fahr'n is sie mir damals! —»
Richter: Lassen wir das, kommen
wir zu jener Scene am 21. Juni,
schildern Sie mir die. Herr Süßel:
Herr Richter, mir hab'n an klan Dis
put g'habt und da is sie, wie sie dies
schon oft than hat, aus mi herg'fall'n
und hat mi mit'n Regenschirm so
schreckli g'haut, daß i, Herr kaiserlicher
Rath, alser knieender vor ihr g'leg'n
bin und sie bitt hab', sie möcht' mi nit
so jämmerlich hauen. Sie aber hat
nit ehnder ausg'hört, als bis der Re
genschirm in Fransen' g'haut war!
(Er zeigt die Trümmer des Regenschir
mes dem Richter vor.) Richter : Sie
haben auch Verletzungen erlitten?
Herr Süßel: Freili, i hab' müssen
gle! in's Slesaniespitai' und dort Ha
ben'S mir an Verband ang'legt. Der
Herr Primär hat g'sagt; i muß mir
glei niederlegen. Richter: Nun ha
ben Sie das gethan ? Herr Süßel:
Na, ich hab' mi nit z' Haus traut drei
Täg. Angekl. Ich bitte, Herr Rich
ter, er gibt mir jetzt kein Geld mehr,
was soll ich da thun? Staatsan
walt: Erlauben Sit, wenn Sie den
alten Mann schlagen, soll er Ihnen,
jetzt-auch nochGeld geben ? Angekl.:
Aber ich bitt', z'was hab' ich denn den
geheirath? Richter: Damit Sie'
Süßel: I bitt', Herr Richter, ma
chen Sie's nur nit zurnig, i fürcht' mi',
daß 'S mi dann wieder schlagt, sie hat'
mir ja droht, daß sie mi no amol in d'"
Atbeit nehmen wird. Richtern
Dann holen Sie die Polizei zu Hilfe.
Herr Süßel: Ja, wenn dies so
leicht wär'! Sit- spirrt sich mit mir
ein und haut mi dann durch und durch,
würde» Sie ihr nicht? Sußel::
Nein! I kaim mit ihr nix crus»-
richt'n, vor mir hat's kan Respekt,
vielleicht wird'S G'richt mit ihr fertig:
wre'n!
Die Staatsanwaltschaft beantragt«
d« Abtretung- der Akten an das Law»
desgericht, werk die Mißhandlung«»,
».-«che der Greis von seiner Gattin er
litten hat», eine schwere körperlich»
Verletzung involviren, Der Richter
sU. Ad» dem Meister Wiebrecht einst
kurzem B-denten schlug derselbe
ge»de Titel beliebt« Miisitstücke vor:
Da» Erwachen de» Löwe». D»
Viszelle. Der Silberfisch. Die
Luverture» zum Bampvr, zu Adl?rS
Horst, zum Ehernen Pferd, zu Bür
und Ba'ja und zur Diebischen Elster.
Merkwürdig. Ein buckliger
General hat de» Gegner geichlagen.
Er vernimmt die Muthäutzeruna de«
Besiegten: .Der verdammte Krüppel
macht uns »och den GorauS!"
.Annderbar." sagte er. „woher weiß
der. daß ich ducklich bin? Er hat doch
noch nie meinen Rücken gesehen!"