Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 18, 1893, Page 2, Image 2

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    2 Gl«« Aufführung Sltchae» 111.
Wie vor Jahren einmal im fürstlich
Sulkowski'schen Hostheakr in Matz
leinsdorf Shakespeares „Richard der
Dritte" aufgeführt wurde, davon er
zählt das „Wiener Tagblatt" nach den
Erinnerungen eines Mitwirkenden.
Director Niklas hatte in feinemKunft
tempel Schauspieler, welchen er Gagen
zahlte freilich nicht über 30 Fl.
und solche, welche ihm dafür zahlten,
daß sie spielen durften. Eines Tages
kam ein junger Mime, der in der Wahl
seiner Eltern überaus vorsichtig gewe
sen war, zum alten Niklas und sagt«
ihm mit dem Vollbewußtsein des gro
ßen Künstlers, der an einem kleinen
Theater gastirt: .Ich will vor einigen
Regisseuren für ein Engagement am
Burgtheater Probe spielen. Ich spiele
Richard 111. Ich ,ahle Ihnen 5« Fi.
für die Vorstellung; meine Kostüme
habe ich mir selbst machen lassen, ne
benbei bemerkt, kosten sie 6lX> Fl."
Der Director bekuckte sich den Mimen,
der ihn im großen Lewinsky-Pathos
also ansprach, bedeckte mit der Hand
sein linkes Auge, was eine seiner ge
wöhnlichen Bewegungen war, und
meinte: „Na ja! Wir können'! ja
machen!" Der große Tag brach heran.
Das Haus war dicht gefüllt, unter den
Gästen befanden sich einige Größen
des Burgtheaters, Theateragenten
und Direktoren. Die Freunde des
Kunstjüngers hatten die Werbetrom
mel tüchtig gerührt. Die Gäste wa
ren auf die Leistung des „Richard"
Vorhang in die Höhe rauschen. Un
gefähr einen Meter hoch war er auf
gezogen und schon sah man die stark
Gloster, als er plötzlich stecken blieb
te. Die Beine des Gloster tanzten
zwischen hörte man die Stimme des
Direktors: „Jessas! I han' was um
d' Erd'!" (Sein Lieblingsausdruck.)
„Haslinger!" rief der Director krei
schen Zwischenfälle eröffnet. Bald
mirte, seinen Mantel, dann fiel der
todte König Heinrich VI., offenbar
entsetzt über die Brautwerbung des
grundschlechten Richard, von der
Bahre. Als bei der Krönungsfeier
lichkeit Richard 111. der Haslinger im
Drange vielen Geschäfte, die er
verwüstlich. Jede Schandthat des
Darstellung und der trefflichen Regie
Lachstürme hervor. Den Höhepunkt
erreichte der Ulk in der Schlachtscene
im fünften Acte. Die Schlacht bei
Posworth war «in Meisterstück von
scenischer Kunst. „St. Georg! Be
seel' uns mit dem Grimme feuriger
Drachen! Ein auf sie! Unsere Helme
lrön' der Sieg!" Mit vollem Pathos
veclamirte Richard diese Stelle,
schwang sein Schwert, wobei er den
jSoffitcnhimmel mit einem Streich
spaltete, und stürzte mit seinen Ge
treuen in t«e Schlacht. Die Bühne
blieb nun leer: die sämmtlichen
thuende Feuerwehrmann wirkten an
der Darstellung der Schlacht bei Bos
worth mit. Der Director . hatte sich
die Trommel vorbehalten und wirbelte
draus los. Haslinger gab die Trom
pckensignale, weil er aber zu falsch
blies, erbarmt« sich der dienstthuende
meinen Ergötzen erklangen die be
kannten Feuerwehr - Signale:
„Wasserzuführen!" .„Aussetzen!"
„Pumpen !" etc,, zum Schlüsse er
tönt? der bekannte Jnfanteriemarsch,
Sieg!" durcheinander. Als nun ein
Trupp flüchtiger Streiter Richards
(zwei Mann) üb« die Bühne zogen,
denen die RichmvNd'fchen Schaaren
(abermals zwei Mann) mit lautem
Feldgeschrei auf dem Fuße folgten,
brach dc.s Publikum in dröhnenden
Beifallssturm aus. Dieser feierliche
Augenblick griff der Klavierspielerin
des Tlieaters, welche Orchester re-
Kulissea mit der Melodie: Du
mein Oesterreich!" begleitete. Dieser
patriotische Abschluß der Schlacht bei
Bosworth brachte die Gallerte voll
ständig zur Rqserei. Bor Begeiste
rung sangen die Zuhörer «it. Die
Verzweiflung Richards ließ das Pu
blikum ganz kalt. Das Ende gii>K
in dem lauten Jubel der Zuhö«e
unter.
Ein Trost. „E.Z ist ja j<nn
merschad', daß man meinen Mc n
nicht zum Stadtrath gewählt hat. Die
halbe Stadt hätt' e' Freud' d'rüber
g'habl." „Na trösten Sie sich, Frau
Nachbarin—da freut sich Halt jetzt die
andere Hälfte.
Der Uuter schied. Wissrn
Sie, was siir «in Unterschied zwischen
dem Diogenes und Ihnen ist? ?kun?
Jener saß stet« im Faß. Sie sitzen stets
»or »einsaß!
„Also, meine geehrten Freunde unt
Tischgenossen, lassen Sie uns das
Glas erheben und stoßen Sie mit mir
Die Gläser klangen, die Musik spielte
tönte es in Heller Festesfreude. Die
nun eilte Alles von seinen Plätzen den
Brauteltern zu, um mit ihnen anzu
stoßen, vorauf das junge Paar.
Der Bräutigam verneigte sich re
spektvoll und küßte der Schwieger
mutter die Hand, die Tochter erfaßte
sie innig und sagte: »Liebe Mutter,
auf Dein und des lieben Vaters Wohl
und Deinen baldigen Besuch!" Dan»
fiel die junge Braut dem Bater um
den Hals: „Geliebtes Vaterl, was
wirst denn ohne mich anfangen?" rief
sie; „es ist doch zu dumm, vaß so ein
mich entführt!" Mit diesen Worten
wandte sie sich in komischer Koketterie
halb dem Vater, halb zu ihrem Bräu
tigam, worauf Herr Doktor Lindner
Bräutigams legend sagte: „Lieber
Funck, bewahren Sie mir mein Mädel
gut, es ist ein Prachtexemplar von
einem Kind uNd es soll mich freuen,
wenn Sie's verdienen. Und nun, auf
die Plätze, Kinder, komm, Fridl, ne
ben mich!" „Erst noch anstoßen,
Herr Schwiegervater und diesmal
Ihnen ein Spezielles und das Ver
sprechen, daß ich Frida gut halten
will," fügte Funck lachend hinzu.
Inzwischen war auch die übrige Ge
sellschaft. Brautjungfern und junge
Leute und die paar Verwandten des
Bräutigams Lindners selbst hatten
keine näheren Verwandten herbei
geeilt, um persönlich das Wohl von
„Herrn und Frau Doktor" auszubrin
gen, worauf der alte Funck sich zu sei
ner Dame wandte: „Gnädige Frau,
auch Ich trinke auf Ihr und Herrn
Doktors Wohl und daß Sie den Ver
lust der Tochter nicht allzu stark em
pfinden!" Frau Martha neigte den
Kopf: „Ich danke Ihnen, Herr Funck,
und ich wünsche Ihnen an Frida eine
treue und liebenswürdige Schwieger
tochter!"
Das Festmahl wurde fortgesetzt;
man hielt jetzt schon an Spargeln mit
Zunge. Der Bräutigam war «ben da
bei, der Braut vorzulegen, die achtlos
Hand in Hand mit dem Vater dasaß.
«Kind, Kind, wie soll ich's denn wirt
lich aushalten ohne Dich!" rief dieser.
„Jeden Tag Nachricht, mindestens eine
Karte, das mußt Du mir versprechen,
und dann, lieb' den Funck nicht zu
sehr. Hörst Du? Ich hab' ältere An-
Die jungen Leute rechts und links
vom Brautpaar schäkerten und trieben
allerhand Possen. Der alte Funck saß
still in seine Spargeln vertieft und
Frau Martha überschaute die Hoch
zeitstafel, sah die jungen Mädchen
von kaum dreiundzwanzig Jahren,
! und wo zuerst diese ahnungslose Ju
gendliebe aufkeimte, die das Schicksal
i ihres Lebens bilden sollte. Das
Schicksal ihres LebenS? Wirklich?
Dieser Mann mit dem Graukopf ne
ben der Braut, war das ihre Jugend
liebe, war das der Mann, um den sie
jahrelang mit der aufopferndsten
Treue, mit der hingehendsten Liebe ge
kämpft hatte, derselbe, mit dem sie den
Brautstand durchlebt, diesen wonni
gen Brautstand, voll
Sehnen und Hoffen und Träumen?—
j Sie kiichelte bitter und der alte Funck
fragte besorgt, ob sich die gnädige Frau
ganz wohl fühle? —„O gewiß, ganz
wohl," entgegnete sie, „nur ein klein
wenig, es ist eben nicht alle Tage
- Hochzeit." „Und es heirathet nicht
. alle Tage die einzige Tochter," meint«
' der alte Funck, worauf .er ritterlich
schwieg.
j Jetzt beugte sich der Bräutigam
über seinen Vater weg zu Frau Mar
tha: „Ist es wahr, liebe Schwieger
> mutter, daß Sie sechs Jahre auf den
. Schwiegervater gewartet haben?"
! „Sechs und ein halbes Lahr," erwi
derte Frau Martha.
5 „Und darf ich fragen, »wie das kam?
Ich meine, daß Sie gar so lange zu
lyarten hatten?"
! „Soll ich die alion Geschichten er
' zählen?" fragte Frau Lindner müde
! lächelnd „sie weLden Sie kaum in
-teressiren."
: „Doch, doch," bestätigte der Bräu
> trzam, „e-Z ist auch, »»eil d«r Papa
>! sagt, wir Hätten nicht s« eilig Hochzeit
mvchen brauchen und er gab' die Frida
i! nicht her."
> .Nun," .erzählte Fr-m MaÄha,
«alt ich m«icien Mann keiven lernte,
! stand er gnade im Staatsexamen.
Nach Mein Jvhr war er damit fertig
dann «ckeitete er zwei Jahre als As
sistenzarzt und da meine Eltern nicht
einwilligt«!, mich einem unvermögen
den Manne zu geben, und ohn« ihre
Einwilligung oder dielmehr ohne ihre
materielle Unterstützung an eine Hei
rath nicht zu denkn war. so mußte
eine dreijährige, selbstständige Praxis
unserer öffentlichen Verlobung voran
gehen."
- „Ei, ei, gnädige Frau, da haben Sie
! also frühzeitig warten und sich gedul
den gelernt," bemerkte ihr Tischherr.
Warten? O, jawohl. Sic hatte ge
wartet und geivarlet und gekämpft
und gekämpft viele Jahre. Woraus!
hatte sie wohl gewartet? Was gab es
denn Großes zu erkämpfen? Und
dabei fiel ihr Blick wieder auf die la»
wollte sie denn damals mit dieser stür
mischen Leidenschaft, mit diesem trotzi
gen Lebensmuth? War nicht alles
. Wiinfchenswerthe erreicht? Hatte sie
j nicht den geliebten Mann gefunden,
war nicht ein Kind da, eine Tochter,
gesund, kräftig und blühend, und wa
ren nicht ihre äußeren Verhältnisse die
denkbar günstigsten? Was wollte sie
damals? War sie nicht glücklich?
Rein, sie war nicht glücklich. Sie
war betrogen und enttäuscht. Und
zur Rechten lieh, der etwas Verbind
liches sagte, klangen diese Worte in
ihr nach, wiederholte» sich in ihr, um
DaS Leben. Was sie enttäuschte?
Das Leben. Oder auch die Liebe?
Ja, auch die Liebe. Und die Ju
gend. Auch die Jugend. Alles er
nüchterte, enttäuschte, betrog sie. Aber
eS war ihre Schuld. Was hatte sie
hier zv einem Feste versammelt, wo
zwei treue, liebende Herzen sich in
innigster Vereinigung sür's Leben zu-
Segen der Eltern, hinausziehen "
Frau Martha hörte nicht weiter. Sie
versank in stilles Träumen. Und das
ganze Leben zog an ihr vorbei, kalt
und grau und wunschlos. Wie anders
Halle es kommen können? Etwa so,
daß ihr Mann das Muster eines Ehe
mannes geblieben wäre, der ewige
Tauber, der si« ein halbes Leben lang
mit seiner ehelichen Liebe gequält
hätte? —Die sogenannte eheliche Liebe!
Die Liebe überhaupt!— Die hatte sie
erfahren. Nicht daran denken! Vrrr!
Und sie schüttelte sich fast vor Kälte
Wieder ein Hoch und diesm.il gus
Papa Funck. „Da werde ich eil» volles
Glas leeren müssen," meiüie Frau
Martha.
„Ich danke, gnädige Frau," erwi
derte der alte Herr, „und ich hoffe nur.
der Wein wird auf ihre Wangen die
Röthe zurückbringen, die Ihnen der
Abschied von Frida raubt."
„O, die Röthe rst längst entschwun
den, lieber Herr Funck. Nicht wahr,
Fritz?" wandte sie sich an ihren
Mann. d?r Funck gerade zutrank, „Du
kanntest mich noch mit blühenden
Wangen, es ist aber lange her."
„Geh, Martha," erwiderte dieser,
„wer darf das sagen? Die ganze Ge
sellschaft ist darüber einig, daß Du
meine schöne Frau bist und die
schönste Schwiegermutter im ganzen
Kreise." Und lustig erhob der Doktor
sein Glas: „Es leb« di« schönste
Frau Martha lächelte nur; sie war
in der That schön, von mächtiger, vor
nehmer Schönheit. Ihr hoher Wuchs,
ihre weiße Gesichtsfarbe, die reine,
formvollendete Stirn, die ausdrucks
volle Nase und das fein modellirte
Kinn machten sie noch in ihren Jahren
zu einer auffallenden Erscheinung.
Aber sie suhlte das nicht. Sie fühlte
nur, wie einsam und kalt es in ihr
war und um sie wie lügenhaft und
hohl und leer. Sie blickte ihre Tochter
an, die, von Seide und Myrthen und
Schleier umwallt, heiter lächelnd an
der Seite ihres Bräutigams saß.
Wenn sie wüßte, was das Leben ihr
g«ben würde, wäre sie dann wohl
eben so ruhig? Und da fiel ihr die
eigene Hochzeit ein, ein kleines Fest im
engsten Familienkreise; da kam ihr
die arme Frau in den Sinn, die ihr
beim Abschied die Hände gedrückt und
s>> herzzerreißend geschluchzt halte.
„Kind, Kind, es ist Dein eigener
Wille! Du liebst ihn ja!" hatte ihre
Mutter ausgerufen und sie, im Glück,
im Liebesrausch, h>'tte diese Worte
nicht verstanden. Heute verstand sie
Alles. Alles. Alles, Alles, was das
menschliche Herz verstehen kann.
Die ersten, leidenschaftlichen Wo
ßem. schwärmerischem Glück erfüllt ge
wefen. Dann begann das Dämmern
> der Erkenirtniß
Die Glocke des Festordners ertönte,
l „Ich bitte für einige Augenblicke um
! Ruhe. Eine wandernde Schaufpieler
! truvve wünscht dem jungen Paare
seine Aufwartung mache» zu dürfen!"
Wieder ein Läuten und jetzt theilte sich
der Vorhang und auf der Bühne er
schienen ein paar Blumen streuende
Kinder, zugleich aber vernahm man
hinter der Bühne einen mehrstimmigen
Gesang: „Dem jungen Paare Heil
und Glück und Segen, und Fried' und
Wie der Gesang Frau Martha be
rührte, war es ihr. als müßte sie laut
-aufschreien bor Schmerz. Diese Er
niedrigung all' ihr Leben! Diese
Selbstbeherrschung, diese Heuchelei
und diese Einsamkeit! Und wie der
Mann es nicht fühlte, wie er sich her
diofte. die er zu lieben wähnte! Er
lebte in dem festen Glauben an feines
Weites unveränderter Liebe; er war
zufrieden, so Pufrieden. daß es ihm
Jeder ansah. Und Martha? Sie
fühlte und erkannte es wohl, drei
Wit en nach der Hochzeit zuerst, ganz
lcise und ahnungsvoll uns dann im
mer eindringlicher «nd Sie
fühlte fast visionär, wie ihre Liebe
schand und schwand, und wie alle Zu
kunftsbilder «nd Zukunftsträume zu
sammenstürzten. Und «ine entsetzlich«
Oede ergriff sie, «ine entsetzliche !>'de
und Leere und Verlassenheit. D»s
war in den ersten Monaten. Dann
hatte sie den Schlag verwunden. Mit I
ihrer starlen, energischen Natur eine
»ndere Hoffnung ergriffen und eine!
»ndere Sehnsucht. Eine andere
Sehnsucht! Sie wußte nur selbst
nicht welche. Aber eine Sehnsucht
war es, eine Sehnsucht nach etwas
Unerfüllbarem, nach etwas Mysti
schem, nach der Bethätigung und
Verkörperung ihres Selbst, nach einer
großen Arbeit oder nach einem
Kinde. Und diese Sehnsucht sollte sie
noch nicht zur Ruhe kommen lassen.
Eine Arbeit oder «in Kind! Und das
Kind war es, das sich zuerst einstellte.
Doch, seltsam genug, da sich ihre Hoff-
Ziinmer und weinte.
Ein lauter Applaus schreckte Frau
Doktor Lindner aus ihren Erinnerun
gen. Das Festspiel war zu Ende; es
war ein eigens auf die Hochzeitsfeier
bol. Die Gesellschaft schrie und ju-
Thristen Ruhe gebot.
Plumpudding auszubringen, wobn cr
Schillers Worte „Denn wo daS
Strenge mit dem Zarten, wo Starkes
liches Fest!" und der Doktor nickte lie
änd Aufführungen und Ballkleider und
Tanz? Welcher Aufwand von Kraft,
Mühe und Kosten für «inen Abend!
Und das Resultat? Und der Inhalt?
Sind wir klüger geworden? Erst
längst vergessen und die Jugend längst
Zahin ist, in zehn Jahren sind wir's
,ewiß. Und nun gedachte Frau Mar
tha wieder der ersten Zeit ihrer ('he,
vas vorausgegangen. Sie versetzte
sich in jene Zeit zurück, wo, weil sich
ihr Wunsch erfüllen, weil sie Mutler
!Und! Durfte sie «in Kind hab«n?
mildes Leid.
„Liebt- ich ihn? Ich weiß «s nicht.
Nur eins war mir klar: Liebte ich ihn
nicht, dann durfte ich trotz Religion
und Staat kein Kind haben." Und!
Leitlebens erschien ihr der kleine Kraus-!
köpf mit ihres Mannes Augen. Hal
tung und Geberde als ein lebender!
Vorwurf. Sie hatte nie für Frida
Mutterliebe empfunden und ihr Leben j
war nicht weniger einsam als vordem.
Was ihren Gatten anbetrifft, der von i
ver ersten Stunde an sein Töchterchen '
abgöttisch liebte, so hatte sieüber ihn
nicht zu klagen. Er war stets.gut und
liebevoll gegen sie und nur ihr erschien
ir wie ein todtes Glück.
Die Tafel war zu Ende, von allen
Seiten erscholl „Gesegnete Mahlzeit!"
Herr Funck reichte Frau Martha den
Arm und führte sie in den Saal. Dok
tor Lindner führte seine Tochler und
auf der andern Seite ging ihr Bräu
tigam. Die jungen Leute gingen
theils paarweise, theils zu mehreren.
Man nahm auf den verschiedenen So-
phas und D'vans Platz und wartete
! nur, bis der Tisch abgeräumt war und
die Polonaise beginnen sollte. Der
Doktor ließ seine Tochter nicht los, bis
sie ihm immer und immer wieder ver
sprochen hotte, täglich zu schreiben und
ihren Mann nicht zu lieb zu hab«n, wo
gegen dieser ernstlich protestirte. „Ich
glaube gar. Herr Funck ist eifersüchtig,
das wäre niir früh!" rief ein munteres
junges M.'idchen, „und gar auf den
Later. Da muß Frau Doktor erst recht
eifersüchtig auf Frida werden. DaS
wäre aber nett!" LauteS Gelächter
folgte dem Scherze. Frau Martha
wandte sich zu dem jungen Mädchen:
„Eifersüchtig, das ist häßlich, Greta.
So häßlich, daß man nicht einmal
Witze darüber macht." In ihr aber
krampfte und zuckte und riß etwas.
.Das sind die Gestalten des vergange
nen Lebens", sprach sie zu sich selber.
„Das sind die Schatten dessen, waS
Du todt glaubst, was längst, was
längst vorüber, aber nicht lodt'ist. DaS
sind die Qualen.die Du einst erduldet
hast, sie fassen Dich wieder, sie wollen
Dich nicht los lassen, nicht los lassen
diesen Abend!" Eine furchtbare Angst
kam sekundenlang über Frau Martha,
sie, die Stolze, wieder die Herr
lHast über sich gewann. Und aber.
MalS fühlte die Liebe dieses Manne«,
die sie bedrückte und die sie nicht erwi
dern konnte, fühlte unsägliches Mitleid
mit diesem Manne, den sie wie ein
Kind behandelte und wie ein Kind
liebkoste und bei dem sie dadurch mehr
und mehr an Reiz verlor, bis seine
Natur den Ausweg gefunden hatte.
Den Ausioeg! Sie lächelte dazu,
sie fand sein Leben gut und natürlich,
und Scham. Eiferjucht! Wenn ein
großes, starkes, volles Menschenherz
zerrissen und verachtet in den Staub
geworfen wird, erniedrigt, verbraucht
und entehrt, nennt man daS dann Ei
fersucht! Die Untreue ihres Gatten
war das Letzte, waS sie in ihrer Liebe
erlebt hatte. Das war das Ende!
Verwundet bis auf's Blut, siech am
Herzen und müde vom Leben zog sie sich
in sich selbst zurück. Nun war sie zivan
zig Jahre verheirathet. Wie lang«
sollte das noch so gehen? —Du
Gute, Liebevolle und Verstciiidnißlose
Frau beständig im Stillen das Unrecht
abbat, sie aerlassen zu haben, heute, wo
auch er müde und alt war.
von den Strapazen des hcutigenAbends
erholen. Aber ich bitte, Herr Funck
das soll Sie nicht stören —"
„Gnädige Frau, das ist kostbar, ich
alter Kerl, höchstens aus Aufmerksam
keit gegen meine Tischdame könnte ich
mich einem so seltsamen Vergnügen un
terziehen."
Ihrer liebenswürdigen Tischdame,"
sagt man ja wohl," meinte Frau Mar
tha übermüthig.
„Da sagt man die Wahrheit, denn
liebenswürdig sind Sie, na, noch vieles
Andere, aber davon zu reden ist hie,
nicht der Ort!"
„O bitte, Sie müssen es mir sagen,
ich erlasse es Ihnen nicht, mir zu sa
gen, was ich noch bin, wie Sie mich
sonst noch beurtheilen. Erscheine ich
Ihnen gefühllos? Oder kalt, w«
Frida behauptet? Denken Sie nur, das
Kind hat seinem Vater zuerst von de>
Verlobung mit Ihrem Sohn erzählt,
sie behauptete, „Mama ist zu kalt, s«
kann nicht verstehen, daß ich den Funck
liebe," Und nun frage ich Sie, Funck
den Aelteren, stimmen Sie mit Ihre,
Schwiegertochter überein?"
„Ich stimme, wenn Sie wünschen,
mit Jedem überein, aber mit Frida be
sonders gern," sagte Funck. „Nun
darf ich fragen, da Sie schon davon re
den, was Sie dem Kind auf diese Be
merkung erwiderten?"
Eben endigte die Polonaise in einen
Walzer und nun drehte und wirbelt«
Alles im Saale. Der Doktor schritt
auf seine Frau zu: Martha, thu mi,
die Liebe und walze ein einziges Mal
mit mir durch den Saal."
Sie erbleichte und sah ihn starr an.
„Martha, wie damals, weißt Du
noch? Komm, tanze mit mir!"
„Wie damals werden wir niemals
wieder tanzen, Fritz," sagte sie.
„Nun dann, wenn nicht wie da
mals, so wie heule."
Und er umschlang sie und drehte sie
im Kreise, daß alle Paare stehen blie
ben und nur auf sie schauten, die ma
jestätisch, königlich dahinfchwebten.
Und da war es Martha Plötzlich, als
ob sich Alles in ihr löste, aller
Schmerz und alles Leid, da war es
ihr, als ob das ganze Leben mit ei
nemmal vorüber wäre und als ob s«
e- zum letztenmal überschaut hätte.
Was hatte sie von ihm erwartet? Im
mer und immer diese Frage und alz
Antwort nur jenes unbestimmbare,
entschwundene Sshnen.
Was sie erwartet hatte, wußle sie
nicht, aber was sie jetzt erwartete,
wußte sie: Ruhe, ewige Ruhe, ein ein
sames, verwahrlostes Grab, ohne Blu
men, ohne Liebe. Ein Grab, in dem
sie sich so geborgen fühlen wird, so
sicher vor dem Leben! Und Vergessen
heit wollte sie haben und T»d und
Ausgelöscht sein! Niemand sollte ih
r>,' gedenken, wenn sie gestorben war.
Niemand um sie trauern, von ihr re
dm. Und bei diesen Gedanken ward
Frau Martha so ruhig zu Muth, so
frei, so heiter, so selig. Und die
Sehnsucht ergriff sie, eine frohe und
leichte Sehnsucht, die Sehnsucht, eins
zu sein mit der Natur, zu verschmel
zen, aufzugehen, sich aufzulösen in
ibr. Und diese Sehnsucht wußte sie,
würde nicht vorübergehen! sie kannte
ihr Ziel, sie fühlte, daß es ihr zu Theil
werden mußte.
Das junge Paar war verschwunden,
aber der Ball noch lange nicht zu
Ende. Da vergnügte man sich noch
mit Tanzen und Hofieren und Aeu
geln. Herr Doktor Lindner hatte
tapfer mitgetanzt, wenngleich er gerne
sich zu den Alten zählte. Endlich er
schien das junge Paar wieder, in Rei
fctoilette, um sich zu verabschieden.
Die Musik verstummte und es erfolgte
eine letzte Umarmung, ein letztes Lebe
wohl und ein letztes: „Bewahr' mir
mein Kind gut und mach' es glück
lich!"
Feuchten Auges stand der Vater,
ruhig und beherrscht blickte Frau
Martha:
„Gottlob, Frieda ist ganz wie der
Vater, welch' ein Glück, daß ich keine
Kinder habe."
AuS der Rechenstunde.
Für einen Groschen bekommst Du 2S
Bonbons: wieviel für eine Mari. Lud
wig Müller? Ich habe aber keine
Mark. Nun, dann denke Dir mal.
Dein Onlel aus Hamburg läme zu
Euch zum Besuch und schenke Dir ein«
Marl. Na. da lennen Sie den aber
schlecht!
Sesu«dh«tt», «chSuheit«»
Zu den häufigsten Leiden junger
Mädchen und Frauen gehören die Mit
esser und die entzündliche Steigerung
dieses Uebels, die Finnen. So un
schuldig und bedeutungslos für die Ge
sundheit dasse'<be an sich auch ist, so bil
det es doch eine Quelle vielen Kum
mers, da es meist gerade in einem Le
bensalter auftritt, wo man gegen der
lei Verunzierungen, „Unreinlichkeiten
des Teints", ganz besonders empfind
lich zu sein pflegt, nämlich vom Back
fifchalter bis in die 20er und "Oer
Jahre hinein. Ein herausgedrückter
Mitesser sieht aus wie eine ganz lleine
Made mit schwarzem Kopf, und die
volksthllmliche Meinung geht in der
That auch dahin, den Mitesser für ein
kleines „Mädchen" zu halten, welches
an Leben und Gesundheit des daran
Leidenden zehre. Das ist nun glückli
cherweise nicht der Fall, da der Mit
esser gar nicht zu den lebenden Wesen
gehört, sondern nichts ist, als ein klei
ner Talgpfropf, dessen der Luft ansae
setztes Ende schwarz gefärbt erscheint.
Wie ein deutscher Arzt schreibt, fin
det man bei mikroskopischer Untersu
chung den Mitesser bestehen aus ver
schrulnpfte» Zellen und' Zellentrüm
mern, Fett und zuweilen einem tl«inen
chen Stellen des Gesichts schwarze
Punkte von verschiedener Größe, d. h.
erweiterte und verstopfte Ausfiih
rungsgävgc von Talgdrüsen. Drückt
man nun mit beiden Daumennägeln
dagegen, so schießt der kleine Mitesser
mit dem schwarzen Punkt, dem „Kopf"
bleibt eine Oeffnung, ein kleines „Loch"
zurück, die leere Talgdrüse, die sich all
mälig wieder schließt.
Das Verhalten der Mitesser ist
übrigens recht verschieden. Zuweilen
sind an einzelnen Stellen so zahlreich«
und dichtgedrängte Mitesser zu sehen,
daß die Haut ordentlich höckerig und
schwarz punktirt erscheint; andere Male
beobachtet man sie als einfache, ver- i
tiefte, über das Gesicht verstreute, I
schwarze Punkte von sehr verschiedener
Größe, die man beim Dariibcrstreichen
mit dem Finger als ganz kleines
Knötchen wahrnimmt. Die Drüse ist
so prall mit Talg gefüllt, daß sie ein
ivenig über die Haut hervorragt;
kommt nun hierzu, wie es häufig ge
schieht, eine entzündende Reizung, so
wird aus dem Mitesser eine Finne.
Der gewöhnlichste Sitz der Mitesser
sind Nase, Wange, Stirn, Lippen, und
am häufigsten daran zu leiden hab«n
Blonde und Blutarme, ferner Perso
nen mit gestörten Magen- und
Darmfunktionen, ohne daß freilich
Andere grundsätzlich davon verschont
Die Vertreibung der Mitesser ist
nicht immer so einfach, wie man
wünscht und glaubt, zum größten
Theil wohl deshalb, weil ihre Entste
hung und ihr Auftreten unzweifelhaft
auf Rechnung eines konstitutionellen
Zustandes gesetzt werden muh. Aus
diesem Grunde thut Vielen eine
gründliche Veränderung der äußeren
Lebensverhältnisse sehr wohl, oder wo
das nicht angängig ist, das zeitweilige
Vertauschen des Bureaus, Schulzim
mers und der damit unweigerlich ver
bundenen Lebensweise mit Landauf
enthalt, wo die bessere Athmungslufl
und energischere Bewegung den Ap
petit stärken und die Verdauungs
funktionen regeln, die Wangen erblü
hen lassen, mit einem Wort, den gan
zen Menschen gesund mach«n. Leider
Radfahrer-Klub, Pflege der Bewe
nen Kräftigung und Gesundung des
Körpers eine verstärkte Anwartschaft
aus die Hebung des zwar bedeutungs-
Die örtlichen Mittel werden um so
erfolgreicher und nachhaltiger wirken,
je mehr ihrer Wirkung auf eben ge-
dachte Art vorgearbeitet wird. Ge- >
mit den Daumennägeln eine Anzahl
von Mitessern entleeren; aber Man
cher, der den Versuch gemacht hat, auf
diese Weise des Uebels Herr zu wer
den, wird die Erfahrung gemacht ha-'
ben, daß feine tägliche Arbeit sich mit
der Zeit nicht verminderte, sondern!
vermehrte, als ob jür jeden ausge
drückten Mitesser zwei oder drei neue
entstünden, und daß allmälig erst ein
zeln«, dann zahlreiche Finnen sich ein
stellten, wo früher nur Mitesser wa
ren. Die Behandlung ist zu gewalt-"
sam und reizt die Talgdrüsen allzu
sehr, so daß diese mit der Zeit in einen
entzündlichen Zustand qerathün. Noch
ärger wirkt in dieser Richtung der für
die Operation des Ausdrückens viel
fach empfohlene und belieble Uhr
schlüffel, weil feine Einwirkung eine
noch rohere sein muß. nm den Mit
esser aus seiner Höhle herauszubeför
dern. Dauckennägel wirken doch we
nigsten? theilweise durch Druck von
fest verschlossen ist, sehr oft aber sicher
der Haut steckt wie die Haare, wäh
rend der Druck, namentlich der deS
Uhrschlüssels, in einer Weife wirkt,
ders diese durch wiederholte, aber ver
gebliche Versuche mißhandelten Mit
esser entwickeln sich am ehesten zu Pu
steln („Finnen").
' In neuerer Zeit werden gegen die
Handlungsweise ganz besonders. Zu
erst wird das Gesicht einer gründlichen
heißen Seifenwaschung unterzogen
! und feucht erhalten. Die Sandab»
> nibung selbst wird in der Art vorge
nommen, daß man mit einem schwach
tauchten Flanellstück das Gesicht und
nöthigenfalls den Hals abreibt, zuerst
ganz gelinde, später aber, je nachdem
man es verträgt und bedarf, in kräf
tigerer Weise. Zuletzt wird der Sand»
abgewaschen und die Haut gut abge
' rieben. Stellt sich nachher ein Gefühl
von starkem Brennen ein, so pudert
man die Haut oder wäscht sie mit
lauem Wasser ab. Diese Hautabrei
bungen stellen unter den mechanischen
Mitteln gegen „unreinen Teint" eines
rationellsten Mittel dar. Des
farbe bestens empfohlen, sie sollen schö
ner und nachhaltiger wirken, nicht
blos momentan, sondern von Grund
aus die Haut verbessernd, als alle
Schminken.
Ein Reisender in Abyfsinien be»
merkte, als er von dem Flusse Moi
schime feinen Rückzug angetreten, un
weit des Weges alt« verdorrte Bäume
und Steine, die er den Tag vorher
nicht gesehen. Einer seiner Be
gleiter, ein Eingeborener, rief beim
überfallen wollen !" Ich lachtet 'denn
in einem der nächsten Bäume erkannte
ich deutlich einen alten, vom Feuer ver
kohlten Stumpf. Um mir zu bewei
sen, daß es nichts, als nackte BareaZ
(abyssinische Sklaven) waren, nahm er
auch schreiend hinstürzte. Der Schuß
wirkte auf die anderen Bäume und die
Steine, die einst die Lyra des Orpheus.
Alle bekamen Leben und lösten sich in
schnelllausendc, schwarz« Menschen auf,
gli«der meines Gefolges, die einst mit
zu dem „Geschäft" gehört hatten, mich
überzeugten, indem sie sich theils zir
daß die Leute damit in Eu
ropa als gymnastische Künstler Auf»
> sehen gemacht hätten.
«edaukenspahn«.
Wenn D» die Fehler einer Frau er
fahren willst, so wende Dich an ihre
ES gibt Bücher, die Jedermann lese»
sollte und eben deswegen liest sie Nie
mand.
Freunde sind wie Regenschirme
nicht zur Hand, wenn'S regnet.
lieben: ober zu lieben und glucklich z»
! sei», ist ein Wunder.
Wie die Gesellschaft jetzt beschaffen
ist, muß man entweder geben oder lau
sen; wer still steht, ist verloren.
Geprellt. Ein Handwerks
bursche sieht in der Ferne einen Fuß-
I gendarnit», nach dem er sich von Zeit
!zu Zeit scheu umsieht. Der Gendarm
! bemerkt das und wittert Unrath. Wie
er ,s<r einen schnelleren Marsch an
! schlägt, nimmt der HandwerkSbursche
ReißauS. Ter Gendarm eilt natürlich
telstündigen Weltlaus ein. »Ihre Pa
piere!' herrscht er den Flüchtling an.
Der überreicht sie, sie sind in bester
! Ordnung. .Warum flohen Sie denn
! so eilig?" fragte der Gendarm. »LH-.
, erwiedert der Handwerkbursch«, .ich
hab« «inen Herrn um etwas Feuer mi
geb«ttelt und wußte nicht, ob das ver
boten ist."
Immer besser. Herr
lauf dem Balle): Wer war denn die
, Dame, neben der Sie eben sexen?
Dam«: Das «arja m«ine Mama.
Herr: Haben Sie denn noch eine
Mama? Dame: Welche Frage!
Herr: Ach, entschuldigen Sie, ich
wollte fragen: Haben Sie denn schon
eine Mama? Dan»e : Das verstkhe
ich gar nicht. Herr: Ach, was rede
gemeint, Sie würen Ihre Mutter. Sie
wären Ihre Tochter, wollte ich sagen—
Ihr« Tochler wäre Ihr« Mutter
Ihr« Mutter wäre Tochter!