Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 28, 1893, Page 2, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    2 «lu« »em Leben «in«» Humo
risten.
Aus dem Leben von Wilhelm Scholz
irhakten wir von einem langjährigen
Freunde des Verblichenen einige bisher
in der Oeffentlichkeit noch nicht be
lannte Mittheilungen. Die jetzt
sämmtlich Verstorbenen, sogenannten
.Unsterblichen" des „Kladderodatsch"
Scholz, Dohm, Löwenstein und Kalisch
trafen sich mit ihren näheren Freunden
regelmäßig Abends am Stammtisch.
Zn dieser Tafelrunde, der die witzig
sten Köpfe von Alt-Berlin angehörten,
herrschte beim gemiithlichenZusammen
sein nicht die bissige Satire, sondern
der harmlose Humor, und zumal
Scholz verstand es meisterhast, durch
seine im Tone vorgebrachten Anekdo
ten zwergsellerschiitterndeWirkungen zu
»zielen. So versetzte er eines Abends
nicht nur seine Genoffen, sondern auch
die aufmerksam lauschende Nachbar
schaft in anhaltende Heiterkeit, und
diese steigerte sich bei jeder neuen Anek
dote derart, daß schließlich ein fremder
Herr am nächsten Tische, der gerade
kramps ergriffen ward und dabei dem
Erzähler sein Bier gerade ins Gesicht
goß. Starres Entsetzen und dann
iisrigste Entschuldigung des Attentä
ters. Scholz aber trocknete sich kalt
blütig ab und sagte dann in seinem
schast." Darauf tranken die Beiden
wirklich Brüderschaft, und diese hielt
bis zum Tode an.
Bald ward besonders das „Klee
blatt" Dohm-Scholz-Kalisch weltbe
kannt. Als die Eisenbahn Berlin-
Schriftsteller und Künstler aus Berlin
„Kladderadatsch." Alles war sehr
schön: Sonderzug von Berlin nach
Dresden,und dort glänzendesFesteffen.
Als man aber von letzterem aufbrach,
Kladderadatsch - Herren gingen grok
fchastlicher Wagen des Weges gefah
ren. „Hält" schrie Dohm mit don
nernder Stimme, indem er, -seinen
Stock schwingend, sich quer auf den
Fahrdamm stellte. Der Wagen
hielt. Dohm riß die Thüre auf, bat
seine Begleiter, in den Wagen einzu
steigen, in dem ein vornehmer, alter
Herr saß, und ries dem Rosselenker zu:
„Nach dem Bahnhofe!" Da kein Ge
genbefehl kam, gehorchte der Kutscher.
Der rechtmäßige Inhaber des Wagens,
der vor Entsetzen keinen Ton zu reden
gewagt hatte, äußerte endlich schüchtern
ja seinen unerbetenen Fahrgästen, daß
er gar nicht die Absicht habe, nach dein
Bahnhofe zu fahren. Die drei Frem
den hatten sich bis dahin nur unter
einander unterhalten. Jetzt erst äußerte
Dohm seelenruhig: „Wir können doch
nicht im Regen bis zum Bahnhof lau
fen." Der alte Herr verstummte wie
der. Nach «iiier Pause sagte er end
lich zu den sich um ihn gar nicht küm
mernden Herren: „So erlauben Sie,
daß ich mich wenigstens vorstelle. Mein
Name ist " Nun stellten sich ihm
auch die Fremden vor, kurzweg nur
ihre Namen angebend. Als der Herr
aber hörte: „Scholz, Dohm, Kalisch",
rief er erfreut aus: „Sind Sie die
„Sie wollte ich schon lange gern kennen
lernen. Sie bringe ich mit Vergnügen
zur Bahn."
folgende Thatsache: Der Schriftsteller
Ein Lehrer wollte sei»
nen Schülern den Unterschied zwischen
arm und reich recht deutlich machen'
.Wie nennt man", begann er, „die
Leute, welche lein Geld besitzen, schlechte
Kleider und nichts zu essen haben, oft
sogar noch betteln müssen?" „Arme
Leute!" antworte» der Schüler. --
.Gut", fuhr der Lehrer fort, „wie
Kleider, viel Geld, Pferde und Wagen
besitzen, viel Wein trinken, Pasteten,
Austern, Froschkeulen und sogar Bo
gelnester essen?" „Das sind ja
Schweinehunde!" sagte der Knabe
schnell.
ste B»rl«dn«q anf der Welt««»-
steUuag.
An der Table d'hote d?s Alfter Ho
tel« in Hamburg saß er ihr gegenüber.
Schon vorhin, als sie mit ihrem Vater
vom Berliner Bahnhof ankam, hatte sie
sei» Interesse erregt. Sie war eine
schlanke, dabei doch kräftig gebaute
Blondine mit etwa» blassem Gesicht,
großen blauen Augen, einer schmalen,
geraden Nase und kleinem rothen Mund.
Sie vlanderle sehr lebhaft und lacht«
viel während deS Essens, so fröhlich und
ungenirt, daß man sah, wie sehr sie sich
freute, i» die Welt hinauSreise» zu kön
nen. Der neben ihr fitzende und zu
allen ihren Bemerkungen lächelnde und
kopfnickeuoe Herr Papa war der unver
fälschte T>>puS eines echten Berliner
Spießbürger» : mit einem vollen rathen
Gesicht, grauem Schnurrbart und dun
kelblondem, stark mit Gran gemischtem
Haar, daZ bereits von der Stirn merk
lich zurückzuweichen begann.
Aus ihrem Gespräch vernahm Fritz
Bochmann, daß die Beiden beabsichtig
ten, zur Weltausstellung nach Chicago
Ai reisen. Er wollte dasselbe thun,
und daher gewannen Bater und Toch
ter, insbesondere die Letztere, erhöhtes
Interesse für ihn. Das gab doch
wahrscheinlich eine angenehme Reise
gesellschast vorausgesetzt, daß man aus
demselben Schisse die Fahrt »ach New
Kork machte.
Das junge Mädchen hatte bald de
merkt, welche Aufmerksamkeit ihr der
v>».»-vi!, sitzende junge Mann schenkte.
Seine fortgesetzten bewundernden Blicke
fetzten sie jedoch nicht in die geringste
Verlegenheit, augenscheinlich war sie
dergleichen gewohnt. Nur ein einziges
Mal richtete sie ihre großen Augen
halb neugierig, halb erstaunt anf ihn,
wobei ein leises Lächeln befriedigter
Eitelkeit um ihre Lippen zuckte.
I Nach dem Essen erkundigte sich Fritz
Dachmann bei dem Hotelpersonal nach
den beiden Personen. Aber Niemand
wußte ihm Auskunst zu geben, da sie
, ihre Namen noch nicht in die Fremden
liste eingetragen hatten. Und doch hätt«
er gern gewußt, ob sie mit dem am
nächsten Tage von Knxhaven abgehen
den Tanipser weiter reisen würden. Ach
was. dachte er schließlich, wer weiß, ob
ich sie je im Leben wiedersehe!
Dennoch, als cr am nächsten Tage
das tleine Schiff bestieg, das ihn mit
den andere» Passagieren nach dem gro
ßen Oceandampser besördern sollte,
ließ er seine Blicke in gespannter Er
wartung uuter den fremden Gesichtern
umherschweifen. Und da—ein freu
diger Schreck durchfuhr ihn betrat sie
am Arm ihres Baters das Verdeck. Als
sie an ihm vorüberschritt und er grü
ßend den Hut zog, dantte sie mit einem
freundlichen Lächeln.
Am nächsten Morgen halte man die
deutsche Küste bereits weit hinter sich;
Fritz Bachmann bekam seine beiden
Reisegefährten erst am Mittag zu sehen,
als die KajUtenpasjagiere sich im Speise
saal zujammenianden. Er hatte in
l zwischen erfahren, daß der Vater der
jungen Dame ein Rentier Herke aus
Berti» war. Der alte Herr war heute
auffallend schweigsam und aß mit weit
geringerem Appetit, als vorgestern in
dem Hamburger Hotel. Seine gesunde
rothe Farbe war über Nacht ganz ver
schwunden. Alles in Allem: die ersten
Anzeichen der drohenden «Seekrankheit.
Das junge Mädchen dagegen war
munterer denn je und sah ebenso srisch
seinen Antworten zuweilen ein Berli-
nismus entschlllpsle, so sah er, wie nn
angenehm das die Tochter berührte,
j Sie wars ihrem Bater dann jedesmal
! «inen vorwurfsvoll«» Blick oder flüsterte
ihm ein leises „Aber, Papa!" zu.
„lrgend so ein reich gewordener Krä-
Er hoffte, das Mädchen am Nachmit
tag auf Deck zu treffen, aber sie erschien
nicht, obwohl das Weiter sehr schön war
und sast sämmtliche andere Reisende
Etwas mißmuthig und ungeduldig
spazierte der junge Mann zwischen den
plaudernden Gruppen auf und ab.
! Nun war sie hi«r mit ihm zwischen den
selben Wänden nnd doch schien sich keine
-Gelegenheit zu näherer Bekanntschaft
bieten zu wollen.
Gegen Abend stand er an der Brü>
stung und blickte nach dem fernen
! sich deschäsligt hatten, in seiner Nähe
cbcnsalls a» dem Geländer lehnte. Erst
!
' um ihre Schultern geworsen und sah
in dem röthlichcn Dämmerlichte, das
ihre zarte Gestalt wie in eine strahlende
Glorie hüllte, so wunderbar schön aus,
daß erste eine We>le voller Entzücken
i betrachtete. Er begriff kaum, wie er
den Muth send, so ohne Weiteres au
! sie heranzutreten und sie anzureden,
s Sie antwortete ihm freundlich, und
5 nach den ersten Redensarten über das
Wetter, den Sonnenuntergang, das
Schissund die Mitreisenden, warf sie
d!. Frage hin:
zur Weltausstellung?"
> »Ja, ich bin Berichterstatter und
reise im Lustrage meiner Zeitung."
I .Ah!" machte sie unwillkürlich be
wundernd. „Die Ausstellung muß ja
großartig sein," plauderte sie nach
einer kurzen Pause weiter. „Papa
wollte aber erst überhaupt nicht nach
Chicago, und dan.» soll!« ich wieder
durchaus nicht mit. Mama war dage-
gen. Solche weite Reise und acht Tage
auf dem Wasser, das sei zu anstrengend
für mich. Aber wissen Sie, Papa
kann mir nichts abschlagen." lachte sie,
und da setzte ich schließlich doch meine»
Willen durch. Es ist ja auch nicht
d»- erste Mal, daß ich auf dem Wasser
bin."
.Sie sind also schon öfter gereist?"
„Gewiß, wir reisen jeden Sommcr,
nämlich Papa »nd ich. Hm vorigen
Jahr z. B. waren wir nach Schweden,
Stockholm. Und dann über Kopen
hagen zurück. Waren Sie schon da?"
Fritz verneinte. „Aber von Berlin
nach New Vork, die Reise habe ich schon
zweimal gemacht.'"
„So, da kennen Sie wohl Amerika
gründlich?"
„Das nun gerade nicht"' lächelte er,
„aber New Hork wenigstens so einiger
maßen."
.Uns werden Sie nicht seekrank?"
„Das war ich nur das erste Mal.
Ich wundcre mich aber, daß Sie, Fräu
lein Herke, so gefeit gegen dieses Uebel
sind. Sie haben jedenfalls der See im
vorigen Jahre bereits Ihren Tribut
gezahlt."
„Bei der Hinreise ja. aber nachher
ginge!"
Sie schien sich aber das griesgrämige
Wesen ihres Baters nicht besondeiS zu
Herzen zu nehmen, denn sie lachte und
Eines Abends lehnten Beide leise
plaudernd an 'der Brüstung. Ueber
ihnen am dunklen Himmel funkelten
unzählige Sterne, und der volle Mond
goß sein blasses Licht auf Schiff und
Meer. Tie mächtigen Schornsteine des
Nie endampserS warsen lange schwarze
Schalten aus das Verdeck. Unter ihnen
leuchtete das Meer in Myriaden von
Funken, und das Schiff zog eine weit
hin erkennbare breite blitzende Furche
ixie einen Silberstrang durch da»
! Wasser.
I Sie waren ganz allein und verfolg»
ten mit ihren Blicken die weißen, blen
denden Schaumtämme, welche das
Schiff beim Durchschneiden der Wellen
> erzeugten und bewunderten das seltsam
phosphorescirende Leuchten des Mee
res. Die tiese Stille um sie her, die
erhabene Poesie des Anblicks, den sie
gcmeinsa!» genossen, ries in ihre» jun
gen, empfänglichen Herzen ein schaurig
süßes Gefühl der Ehrsurcht und ein
zärtliches Empfinden wach. Unbewußt
traten sie dicht neben einander, Schul
ter an Schulter. Ihre Hände auf dem
Geländer berührten sich, und Beide
suhlten sie bei dieser Berührung einen
wonnigeu, beseligenden Schauer. Fritz
welche er die seine gelegt hatte, und
flüsterte, sein Gesicht dem ihren nähernd,
so daß ihr Haar seine Wange streifte,
mit vibricender Stimme: .Fräulein
Meta "
Meta erbebte, als sein Athem ihr
Antlitz umjächelte, ihre Augen schim
merte» seucht, ihr Busen hob und senkte
sich in stürmischen Athemzügen. Ihr
war. als umfange sie ein schöner
Traum. Schiff und Meer schwanden
vor ihren Sinnen, und sie vernahm nur
sai» zu Herze» dringende Männer
stimme an ihrem Ohr. Aber als er
plötzlich einen heißen Kuß auf ihre
Hand drückte, da fuhr sie erschreckt aus
ihrem seligen Selbstvergessen auf
Meta's Vater wurde nicht eher sicht
bar, als bis das Schiff in den Haftn
von New Uork einlief. Noch immer
etwas blaß und abgespannt, kam er
dann auf Deck und beeilte sich, wieder
festes Land unter seine Füße zu brin
gen. Erst im Hotel fühlte er sich ganz
> wohl und gewann auch sofort seine
gute Laune wieder.
Fritz hatte sich in demselben Hotel
einquartirt und suchte sich nun auch
dem Vate» der heimlich Geliebten mehr
zu nähern. Das war durchaus nicht
schwierig. Es genügte, daß er aus
Berlin war, um den alten Herrn so
fort für ihn einzunehmen. Derselbe
Philister Alles und zog überall Ver
gleiche, die natürlich niemals zu Un
gunsten der deutschen Reichshauptstaot
ausfielen.
„Wissen Sie, Herr Doktor, Amerika
ist ja ganz gut," bemerkte er gleich am
ersten Tage zu Fritz, nachdem er kaum
ein halbes Dutzend Straßen von New
Aork gesehen hatte, „aber gegen Berlin
kommt's nicht aus. Die Leute haben
Phantasie. Ich bitte Die Stra
ßen mit Zahlen zu benennen, anstatt
mit Namen. Wie soll man sich denn
zurechtfinden?"
Die Beförderung mittelst Fahrstuhl
nach den oberen Stockwerken im Hotel
gewann zwar seinen Beifall, dafür
schimpfte er aber über das Bier, das
schlechter sei als in der elendesten De
stille im Berliner Voigtland. Das
hinderte ihn aber nicht, demselben eben
so wacker zuzusprechen, wie er es da
heim zu thun pflegte.
Nachdem er zwei Tage in New
Uork umhergelaufen und Meta von ei
ner Sehenswürdigkeit zur anderen
geschleppt hatte, wobei Fritz den lie
benswürdigen Führer machte, erklärte
er, nun habe er genug. Und am näch-
sten Morgen saß man denn im Zuc
und dampfte der „Gartenstadt" entzc
gen.
In Chicago angelangt, bezog man
eines jener Hotels, welche zu diesem
Zweck eigens gebaut waren ein
elende Baracke, wie Meta's Vater sich
geringschätzig ausdrückte, welche ein
mäßiger Wind eines Tages über den
Hausen Wersen würde und in der man
daher seines Lebens nicht sicher sei.
„In Berlin dürsten sie solchen Schwin
del nicht machen," sagte er, „da würde
die Polizei schön dazwischen fahren.
Alles aus Holz! Ist ja furchtbar
feuergefährlich!"
Ihm schien hier überhaupt nichts zu
imponiren, weder die großartigen, öf
fentlichen Gebäude, noch die Ausstel
lung selbst. Tag für Tag streifte man
nun zu Dreien in derselben umher.
Fritz war Vater und Tochter gleich un-,
entbehrlich geworden.
Eines Tages, man befand sich ge
rade in einer ungeheuren Maschinen
halle, stieß Meta's Vater einen lauten
Freudenschrei aus und stürzte dann aus
eine Gruppe Herreu los, die um eine
der Maschinen herumstanden.
„Herrgott! Krause, Lehmann!
Seid Ihr auch hier?"
„Nanu, Herke!? Also auch in Chi
cago? Na, da ist ja bald die ganze
Lindenstraße hier!"
Und die drei Berliner Freunde
schüttelten sich die Hände.
„Nee, Kinder, die Hitze hier in
Amerika," seufzte, nachdem die ersten
Fragen und Antworten ausgetauscht
waren,der dickeGetreidehändlerKrause,
indem er sich mit seinem rothseidenen
Taschentuch den Schweiß von der
Stirn trocknete.
„In Berlin wird's jetzt doch wohl
gemüthlicher sein."
„Aber großartig ist hier Alles,"
meinte Lehmann, «in Seiftnfabrikant
gleichfalls aus der Lindenstraße,
„bei uns in Berlin bringen sie so was
nicht zu Stande. Ja, die Amerikaner
—alle Achtung!"
Die beiden Anderen sahen ihn ganz
entrüstet an. „Na, hör' mal, Leh
mann," sagte Herke, „denkst Du viel
leicht wirklich, in Amerika können sie
blos Weltausstellungen machen?
Wart's man ab. Wir kriegen bei uns
auch 'mal eine, gegen die die Chicagoer
gar nichts ist. Da kannst Du denn
Deine Reise gleich mit ausstellen!"
Lehmann machte ein wüthendes Ge
sicht, stimmte aber schließlich in das
allgemeine Gelächter, welches diese Be
merkung hervorrief, mit ein. Nach ei
nigem Hin- und Herreden einigten sich
die Drei dahin, daß man das unver
hoffte Wiedersehen beim Bier feiern
müsse.
„Wir sind drei Mann," sagte
Krause, „machen wir also einen Skat!
Wenn wir noch 'n paar Berliner fin
den, könnten wir gleich einen Verein
gründen."
„Jawoll, 'n Columbia-Verein," be
merkte Lehmann, „das wäre zeitge
mäß."
„Ja, wo ist denn eigentlich mein
Mädel und der Doktor?" rief plötzlich
Herke, indem er sich suchend umsah.
Die Beiden waren aber nirgends zu
werden sich nicht verlaufen."
Und damit zog er den Freund mit
sich hinter Lehmann her, der schon
vorausging.
Kaum hatte das Kleeblatt den
Raum verlassen, als Fritz und Meta
hinter enierMaschine hervorkamen und
lich.
„Papa wird sich seinen Bekannten
angeschlossen haben," tröst-te Fritz,
„wir werden ihnen schon noch begeg
nen".
Im Grunde war er glücklich, >.iit ihr
allein zu sein. Meta beruhigte sich
auch bald und ließ sich von ihm weiter
führen. So wanderten sie 2 Stunden
lang umher und kamen endlich auf ei
nen großen freien Platz, auf welchem
eine gewaltige Menschenmenge hin-
und herflutl>ete. In der Mitte ragte
!sehxn?" S p sp '
Meta bezeigte große Lust dazu, aber
es schien ihr doch auch wieder sehr ge
wagt, sich dem Ballon anzuvertrauen.
> Sie zögerte.
! „Ist es denn auch gar nicht gefähr
lich?" fragte sie.
! „Bewahre. Nicht 'mal so gesähr
! lich wie eine Eisenbahnfahrt oder eine
Seereise. Sie sind doch sonst ein so
tapferes Mädchen, Fräulein Meta,
und ich sage Ihnen, Sie werden einen
unvergleichlichen Genuß davon haben."
Es Ware» noch gerade zwei Plätze
in der Gondel frei. Meta stieg ent
schlossen, wenn auch etwas blaß und
ausgeregt, ein, und nachdem Fritz ihr
gefolgt war, wurde das Zeichen zur
Abfahrt gegeben.
Der Ballon stieg zu Anfang lang
sam, dann aber mit immer größerer
Schnelligkeit in die Höhe. Meta hielt
sich krampfthast mit beiden Händen am
Rande des Korbes fest, den angstvollen
Blick starr auf die Erde gerichtet, von
welcher sie sich in rasender Geschwin
digkeit entfernte. Ihr war es jedoch,
als ob nicht der Ballon, sondern die
Erde in Bewegung sei. Der Ballon
schien still zu stehen, die Erde dagegen
senkte.
lich schwindelig," setzt« «r hinzu.
Meta schämte sich beinahe ihrer
Schwäche. Mit en«rgisch«r Willens
anstrengung hob sie den Kopf Ueber
ihr hing, wie eine ungeheure Kugel,
scheinbar unbeweglich, der Ballon, und
die dünnen Leinen, welche von feinem
Netzwerk herab mit dem Korbe verbun-
Halt, d«r sie vor dem Herabstürzen in
die Tiefe bewahrte. Von Neuem über
fiel sie ein heißes Angstgefühl. Ihr
war, als schwebe sie frei in der Lust.
Unwillkürlich schmiegte sie sich Schutz
suchend enger an den neben ihr stehen
den jungen Mann, der leise, fast un
merklich seinen Arm um ihre Taille
legte und die Zitternde an sich drückte.
Meta schloß die Augen, und ihr Kopf
sank auf feine Schulter. Das Blut
klopfte heftig in ihren Schläfen, sie
glaubte sich einer Ohnmacht nahe.
Da tönte plötzlich weich und innig
seine Stimme in ihr Ohr. „Meta,
wieder nur immer dieselben einfachen
Worte, so zärtlich bittend, so wunder
bar süß, so berauschend, daß sie ein
seliges Gefühl von Wonne und Glück
in ihr hervorriefen. Und wie sein
Arm sie so fest umschlang, sein Herz
laut an ihrem Herzen pochte und seine
alle Furcht von sich weichen; ihr ward
so leicht, so froh, und sie wähnte, mit
ihm hinaufzufchweben in die blaue
höher, weit über die Wollen hinaus,
Da ein plötzlicher Ruck der Bal
lon stand still. Meta richtete sichver
zenden Sonnenschein sich ansbreitende
Panorama. Die Stadt mit ihren
zahllosen Gebäuden und die Ausstel
l lung auf einen winzigen Punkt zu
sammengedrängt und ringsherum die
Gärten »nd grünen Felder und weiter
bis zum fernen Horizont, gleich einem
dunklen Kranz, endlose Wälder —es
war ein entzückender Anblick. Und
während nun alle übrigen Insassen
der Gondel ihre staunenden Blicke nach
der Erde richteten, fuhr Fritz, hinge
rissen von-feinem Emps'iidenMsternd
fort: „Meta, antworten Sie mir,
feine Arme um sie und preßt; sie an
sich: „Meine Meta, meine liebste
ja! In. Luftballon! Meta! Hurrah!"
Und Meta sah ihren Vater in Ge
gelandet, so sprang Meta hastig, er
regt aus dem Korbe und näherte sich
verlegen ihrem Vater.
Aufgeregtheit und ihr glühendes Ge
sicht ausfielen, „wie siehst Du denn
aus, Meta? Du—" fuhr er mißtrau
isch fort, als sie seinen Blicken aus
wich, mit dem Doktor so allein im
Luftballon? Was hat das zu bedeu
ten?"
„Ach, Papa," stotterte Meta, "gar
„Na, ich danke, Ihr drückt Euch
„Aber wie kannst Du nur so fra
gen, Papa? Die Ausstellung wollten
„Die Ausstellung wird Euch wohl
„Nun was habt Ihr?"
Ihr Vater starrte sie verdutzt an.
stes Gesicht.
schöne Geschichte. Wir kennen den
Herrn ja kaum vierzehn Tage. Ich
begreise Dich nicht. Was denkst Du
böses Gesicht! Ist er Dir denn nicht
recht? Und sich dem eben herantreten
den jungen Manne zuwendend, sagte
sie: „Kommen Sie, Papa will mit
Ihne» sprechen."
~Ja, Herr Doktor," nahm ihr Vater
auch sogleich das Wort, „ich muß Ih
nen sagen, daß mir die Sache nicht
recht gefällt. Ich habe ja gegen Ihre
Einwilligung kann ich doch nicht so
ohne Weiteres geben. Vierzehn Tage
Bekanntschaft und dann schon Verlo
bung! Sie werden zugeben, daß das
ein bischen plötzlich ist. Und davon
abgesehen, es sind vorher doch auch
noch andere sehr wichtige Punkte zu
berücksichtigen."
mit den Worten: „Ach, Herr Doktor!
Sie sind's wirtlich, ich habe Sie vor
hin im Gedränge gar nicht erkannt,"
auf ihn zueilte. Er schüttelte Fritz
Rede fortzusetzen, als ihn Meta's Va
ter am Arm ergriff und bei Seite
winkte.
„Hör' mal, Krause, kennst Du den
„Gewiß, Du nicht?"
„Nein, wir sind erst auf der Reise
test mir wohl über seine Verhältnisse
u. s. w. Aufschluß geben. Er will
nämlich meine Meta haben."
Weiht Du, er ist derselbe Bach-
Tante Voß schrieb. Das ist der
Mann s„r uns, sagtest Du damals.
Und ich sage Dir, der macht sich noch
'mal einen Namen!"
„Was, der ist es? Na, denn—Herr
Doktor," wandte er sich freudig erregt
an Fritz. „Wir wollen die Sache in
Berlin weiter besprechen. Ich werde
Ihren Wünschen nichts in den Weg
legen."
Fritz nahm etwas verwundert Über
die plötzliche Nachgiebigkeit des alten
Herrn die dargebotene Hand desselben
und drückte sie unter einigen Dankes
worten, während Meta sich der ande
ren Hand ihres Vaters bemächtigte.
Sage 'mal, Krause, woher kennst
Du denn den Doktor eigentlich persön
lich?" fragte Herke, nachdem die ersten
stürmischen Reden und Gegenreden
vorüber waren.
„Der Doktor wohnt ja bei mir
in meinem Hause," erwiderte der Ge
fragte.
„Was? Da wären wir ja Nach
barn. Es ist ja bloß drei Häuser von
uns ab!"
„Wahrhaftig," sagte Fritz zu Meta,
„wie nahe sind wir uns da schon jah
relang gewesen und doch einander ganz
fremd! Wie wunderbar! Erst das
Meer mußten wir durchsegeln, einen
fremden Erdtheil aufsuchen, um uns
zu finden. Und darum," rief er laut
und fröhlich, indem er seimn Arm um
Meta legte und mit der freien Hand
auf ihr mein Glück gefunden, ein be
geistertes Hoch der Columbia-Ausstel
lung!"
„Hoch! Hoch! Hurrah!" stimmten
Alle jubelnd ein, indeß Meta mit
glückstrahlendem Lächeln sich an den
Geliebten schmiegte.
Das strikenve ivtcer.
In einem kleineren Provinztheater
sollte Shakespeare's Schauspiel „Der
die Unruhe der Wellen naturgetreu
darzustellen. Dafür erhielten sie ge
wöhnlich eine Mark. Aber da die
Geschäfte in letzter Zeit nicht besonders
gute gewesen waren, hatte der Director
ter den Statisten. Das Meer brauste
Als am Abend das Stück ausge
aus die Bühne herabfielen, während
der Wind pfiff und heulte, blieb das
Meer ruhig liegen, als ob nicht das
„Nein, zehn meinetwegen, aber nicht
mehr." Das Meer blieb spiegelglatt
Das Publikum im Saal lachte aiis
Dafür brach der Sturm aber nun
im Saal los. Man lachte, schrie und
pfiff. „Der Teufel hole Euch alle,"
die Wellen nicht hoch gehen, sollt Ihr
Und das Meer, durch den Sturm
gepeitscht, hob und senkte sich in wil
dem Durcheinander, laut heulend und
von einem Ende zum andern durchriß
und die fünfzehn Meerbeweger auf die
Bühne taumelten.
Das war das Ende des „Sturms".
—ln schwacher Stunde.
.Warum nimmst Du denn auf einnial
Deinen Hut »nd brichst so schleunig
aus?" „Ach. dort kommt mein Schnei
der und ich habe heule gerade G.'ld! EH.
wäre schrecklich, wenn ich em Ende »ich,
sest bliebe!" >
vin wenvtsÄe« Hoch,ctt»f«st.
Eine wendische Hochzeit von selte
ner Großartigkeit wurde vor einigen
Tagen im Spreewalde gefeiert. Ein
Berichterstatter des „L. A." weiß von
dem Feste Folgendes zu erzählen: Der
Geistliche hatte den Trauungsalt auf
Nachmittags 2 Uhr angesetzt. Die
Gäste trafen aber bereits zwei Stun
den vorher im Hause der Braut ein.
Sie setzten sich sofort an die gedeckten
Tische, aßen Butterbrod und Käse und
tranken dazu reichlich Bier und
Branntwein. Inzwischen war auch
der Bräutigam mit seinen Verwand
ten zu Wagen angekommen. Er be
gab sich nach der Begrüßung der
Gäste zu der in ihrem Kämmerlein im
beäutlichen Schmuck seiner harrenden
Braut. Schweigend heftet sie ihm
den auf dem zarten, zusammengeleg
te» Batisttuch in ihrer Hand ruhenden
„Wenk" d. i. ein kleines, unscheinbares
Myrtenkränzchen, an den linken Ober
arm. Ein solches Kränzchen bekommt
im Spreewalde aus der Hand der
Braut nur der „ehrbare Bräutigam".
Die Hochzeitsgäste hatten sich inzwi
schen vollzählig eingefunden. Nun
schmückten die Brautjungfern ihre
Burschen mit einem Sträußchen, das
besteht und nach unten mit einer sei
denen, mit langen Zipfeln versehenen
Schleife abschließt; außerdem heftete»
sie ihrem Kavalier «in buntes Tuch
auf die Brust. Die allgemeine Auf
merksamkeit unier der schmucken
Schaar lenkt der „Pobratsch", d. ist der
Brautführer, auf sich. Die „Masch",
fünf Ellen langes Stück aus bestem,
weißem Damast, mit rothen und
weißen Fransen verziert, um die
rechte Schulter; dann bindet sie ihm
an an der linkin Seite eine große
Schleife. Einen schweren, klirrenden
Schleppsäbel hat der „Pobratsch"
schon in seiner Wohnung angelegt.
Nach Beendigung des feucht-sröhlichen
bekränzten Wagen paarweise Platz.
Nachdem die Aufstellung beendet, be
gibt sich der „Pobratsch" ins Hoch
zeitshaus und sührt die hold erröthen
de Braut zu dem ersten Wagen, der
Bräutigam folgt mit der „Masch".
Auf dem Haupte der Braut prangt die
auf schweeweißem Spitzenrade ruhende,
Blüthen blinken goldene Perlen hervor;
allerliebste Guirlanden aus künstlichen
Blumen, welch« an die zierlich mit
Brot, Butter, Käse, Leber- und
obst. Schweinebraten, Salat.
Gebackener Quark. Kaffee mit Ku
chen und Napfkuchen. Alle Speisen
waren schmackhaft zubereitet und mun-
Als Getränke wurden Lagerbier, Zi
tronen- und Rosinliköre für das
sah nach dem Rechten. Um 10 Uhr
alle Gott" geschlossen. Unterdeß hatte
versammelt und wurde reichlich mit
Speise und Trank bewirthet. Nach
einigen Stunden zwanglosen Zusam
stete sich die Gesellschaft zum Aufbruch,
verließ der Zug unter Laternenbe
leuchtung das Hochzeitshaus.
Aus demTogcbuche ei
nes Don Juan. Wenn ich einer
verheiratbelen Frau einen Brief
schreibe, so datire ich denselben stet»
vom ersten April, sieht ihn der Gatte,
so kann man ihm immer noch einre
scherz'