Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 03, 1893, Page 3, Image 3

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    Inge.
(4. Fortsetzung.)
Jngeborg versprach, mit ihrem Be
gleiter an dem Gartenausgaug zu war
ten, und Hellmuth wandte sich nachdem
Speisesaal, um aus kürzestem Wege in
da- Lesezimmer zu gelangen.
Da trat aus der Thür des Saales
eine Gestalt, deren Anblick ihm alles
Blut zum Herzen zurücktrieb und seinen
Fuß an den Boden fesselte.
Die da langsam die Stufen hinunter
schritt. den weiten Mantel von grauem
Sammt, mit Silberfuchs verbrämt,
nur lose umgehängt, daß er nur eine
Folie bildete für die vollendete Frauen
gestatt in eiiiem hellen, kostbaren Stoff-
Ilxjde das war die Cora seiner
Träume, die Cora, die an seinem Her
zen gezittert und gebebt unter der Gtuth
seiner Küsse einen kurzen Sonnner
nachtstraum hindurch.
Sie war'S—und doch nicht, denn die
verheißungsvolle KnoSpe hatte sich jetzt
entfaltet zur vollen Pracht weiblicher
Blüthe.
Während er noch tiefer in den Schat
ten zurücktrat, sah er im blendenden
Gaslicht die schönen Züge, sah das
tiberinuthiAe, neckische Blitzen der dun
keln Augen, als ihr einer ihrer Beglei
ter etwas zuflüsterte, und hörte das
silberne Lachen, wie sie sich nun zu
ihrem Manne wandte.
Nun, fragte Otten, als sie sich an
der verabredeten Stelle trafen, doch
keine Wollen am politischen Horizont,
die u»S womöglich zwingen, morgen zu
rüsten?
Nichts dergleichen, mein Freund.
Jngeborg wandte sich überrascht um.
Die Stimme ihres Schwagers klang so
hart nnd gezwungen. Aber in der
Dunkelheit konnte sie seine Züge nicht
erkennen und der Arm, in den sie ihre
Hand legte, bot ihr die gewohnte sichere
Stütze.
Zu Hause angelangt, wünschte Hell
muth Inge eine gute Nacht und stieg
leise, um die Mutter nicht zu stören,
in sein, eine Treppe höher gelegenes
Zimmer.
Jngeborg, deren Zimmer unter dem
seinigen lag, hörte während der nächsten
halben Stunde das energische Auf' und
Ad seiner Tritte. Was mochte ihm be
gegnet sein, daß er nach dem weiten
Wege nicht die Ruhe suchte, sondern in
dem kleinen Zimmer umherging, wo
ihn drei Schritte an'S Ende brachten?
Eine nervöse Unruhe bemächtigte sich
ihrer, schon wollte sie ein Kleid über
werfen und hinausgehen, da hörte sie
ihn die Treppe Herabkommen, die Haus
thür öffnen und sich entfernen.
Hellmuth stürmte die Promenade
hinab. ES war kaum elf Uhr, noch
funkelte das lichtcrgefchinückte Kurhaus.
Kurz entschlossen bog er in den dunklen
Park.
Oden in dem engen Raum hatte ihn
das Gefühl der geraubten Freiheit, der
Ohnmacht überkommen, wie es das
Raubthier empfinden mag hinter den
Gittern des Käfigs, der ihm die Wüste
ersetzen soll. Hier konnte er doch we
nigstens wieder athmen. Er ließ den
Nachlwind um seine Stirn streichen und
blieb stehen.
Die schmale Mondsichel spiegelte sich
grade vor ihm im Weiher. Wie ein
Schiffchen schwamm sie aus den Wellen,
ein hoffnungsvolles Schiffchen des
Glücks und der Liebe.
Ein bitteres Auflachen des Mannes
ließ die Schwäne am Ufer erschreckt aus
fahren. Sie zogen die Köpfe unter den
Flügeln vor und einer stieß vom User
ab und glitt geränfchloS wie ein silber
ner schatten grade über das schwan
kende Mondbild hin.
Ein Thor, wer sein Leben so wankcl
müthigem Spielzeug anvertraut! Frei
lich, jetzt wird eS wachsen und zuneh
men, bis cs sich eines Nachts hier
spiegelt im strahlenden Glänze voll
kommener Rundung, um dann kleiner
und blasser zu werden und zu ver
schwinde» in hoffnungsloser Nacht mit
seinem geborgten, erlogenen Licht, das
uns doch glauben machen will, es sei
echt, wärmend und lebcspendcnd wie
die ewige Sonne selber. Schwör' nicht
beim Mond, dem ewig wandelbaren!
Nein, schwört bei ihm. all' ihr leichtfer
tigen Frauen und Madchen! Rust die
Unbeständigkeit der Gestirne an zur
Rechtfertigung des eigenen Wankel
muthS.
Heyden eilte weiter, durch die dunkel
sten Wege, vorbei an der Büste Hölder
lins, dessen von LeidenSsurchen durch
grabene Züge im tiessten Tannenschat
ten stehen, bis er endlich müde und
erschöpst auH eine Bank siel.
Und wie nun das stürmische Blut
langsamer zu fließen begann, kam auch
Klarheit in das Chaos hinter der
Stirn.
Was vorhin seine Seele durchtobt
hatte, war ein Nachhall der Empfin
dungen/ die an jenem FrühlingSmor
gen des vergangenen Jahres sich seiner
demächiigt hatten. >
Müde, bestaubt und erhitzt war er
aus dem Dienst gekommen, aber als er
die Treppe zu seiner Wohnung erstieg,
hatte er doch nichts gespürt, als ein un
endliches GlückSgesühl, denn in einer
Stunde wollte er ja feierlich um die
Hand feiner Cora bitten, sich sein Glück
sichern für immer. Es gibt Augen
blicke in unserem Leben, wo sich die
äußern Nebenümstände unvergeßlich
uuierm Geiste einprägen.
So wird er immer sein nüchternes,
einsaches Garnisonzimmer vor sich
sehen, wie damals, als er die Thür öff
nete.
Die Wand, an der die sonst in
Lieutenantszimmern üblichen Pferde-
und Hundebilder durch einen großen
Stich des eisernen Kanzlers und die
Photographieen seiner Eltern ersetzt
waren, gegenüber das Waffen-Arrange
ment von Beilen und Bogen fremder
Völker, die ihm sein Bruder einmal
mitgebracht, und auf dem grünen
Tuch des Tisch?;, der ihm zum Schrei
ben und Arbeiten diente, zwei Briefe.
Die Gardine deZ offenen Fensters hatte
sich in der durch sein Eintreten entstan
denen Zugluft gebläht und flatterte
n»n in der Luft. Mit der ihm eigenen
pedantischen Sorgsalt befestigte er sie
erst, ehe er nach den Briefen griff.
Der eine war von großem Format,
dazu, wie er sosort sah, von der Hand
des Oberstlieutenants adressirt, eine
Einladung oder dienstliche Meldung
der konnte warten. Dagegen hier das
zierliche, cremefarbene Billetchen mit
dem strengen Jasmindust und den ele
ganten flüchtigen Schriftzügen, die er
erst innig zu lüssen Pflegte, ehe er öff
nete auch pedantisch sorgsäliig. denn
ein ausgerissenes Couvert kam ihm vor
wie ein schmutziger Teller, von dem
man eine Liebüngsspeise essen sollte
ein sonniges Lächeln ging über seine
Züge; was wollte sein Liebling? Wa
ren es nur ein paar warme Worte, ein
herzliches Glückaus zu dem bedeutungs
reichen Tage?
Fassungslos sah er auf das Schrei
ben. Die Worte waren so kurz und
klar, und doch schien es ihm, als starre
er aus die fremden Zeichen einer Papy
ruSrolle.
„Geliebter! Vergib mir, wenn ich
Dir Schmerz bereite, aber es geschieht
zu Deinem, wie zu meinem Besten.
Trotz meiner leidenschaftlichen Liebe zu
Dir, wäre ich an Deiner Seite nicht
glücklich geworden, denn ich bin ein
Welttind, ein Schillervogel, dem Deine
Klause immer ein Gesängniß gewesen
wäre und Du ein Kerkermeister.
Darum habe ich mich gestern mit
Herrn Berger verlobt. Als wir uns
am Nachmittag sahen, fand ich nicht
den Much, eS Dir zu gestehen und Ab
schied von Dir zu nehmen. Die Ver
hältnisse kommen uns zu Hilfe, Du bist
versetzst, wenn Du zurückkehrst, bin ich
verheirathet.
Lebe wohl, und, wenn Du kannst,
so vergib mir. Ich war Deiner großen
reinen Liebe nicht werth, aber die Er
innerung an sie wird nie ersterben ia,
dem Herzen Deiner Eora."
Mit zitternden Fingern griff er nach
dem großen Couvert. ES war die
förmliche Anzeige der Verlobung Coras
von Waldau mit Herrn Baron Berger,
Berlin.
Auf die Stunden, welche nun folg
ten, konnte er sich nicht besinnen. Sein
Bursche kain anfragen, ob der Herr
Lieutenant nicht zu Tisch iu'S Casino
gehe. Beim Anblick seines Herrn wollte
er, erschreckt, zum Stabsarzt gehen.
Hellmuth wies ihn ab. befahl ihm, zu
packen und machte seine Meldung schrift
lich.
Als er des Abends im Zuge saß
um dem Geleit der Kameraden zu ent
gehen, hatte er seinen Plan geändert
und benutzte den Nachtkurier schau
kelte ihn die gleichmäßig rollende Bewe
gung in einen sieberhasten Schlaf voll
wilder Phantafieen. Er stand mit sei
nem Bruder auf schwankem Schiff in
heulendem Sturm. Die tosenden Wo
gen jagten sie einem selsigen Ustr zu
und sie wußten es beide, dort erwartete
> sie der Tod.
Durch das Grün der Bäume in dem
dunkeln Cypressenwald schimmerten
zwei weiße Gestalten. Wenn eine
schäumende Woge das Schiff hob, er
kannte er deutlich Inge und Cora.
Jngeborg stand aus einem überhängen
den Felsen, in weißem Brautkleid, mit
wehendem wchleier und ausgebreiteten
Armen, den Geliebten auch noch in ge
meinsamen Tode zu empfangen: Cora
zerpflückte einen Strauß gluthrother
Rosen und streute die Blätter in die
Arandlmg, und als er sie ries mit dem
Herzcnsschrei der Sehnsucht, da flat
terte sie auf ein paar großen schillern
den Klügeln dem sichern Innern zu
und durch die tobenden Wasser hörte er
das glockenreine, herzbethörcndc, leicht
sinnige Lachen.
O, dieses Lachen! Wie oft hatte das
ihn in den ersten Wochen aufgeschreckt
aus dem bleiernen Schlaf der Erschö
pfung, wenn sich das tagsüber ver
bannte Bild auf leichten Sohlen in
seine Träume geschlichen, die mühsam
erzwungene Ruhe von Neuem zu ge
fährden! Dann hatte am Morgen
wieder der Kampf begonnen, in dem
die Verachtung mit Geißelhieben auf
die Liebe peitschte, bis die zarte Gestalt
zuckend am Boden lag.
Und als sie endlich todt war, die
Märchenaugen geschlossen sür immer,
als das Traumesdunkel stiller Selig
keit dem nüchternen hellen Verstands
licht wich da schien ihm seine Seele
ein Trümmerseld, besät mit den trau
rigen Torsos seiner Ideale, da lagen
Wahrheit, Treue, Recht, Zucht und
Sitte zerbrochen am Boden und selbst
das hohe Kreuz des Glaubens schien zu
wanken. Nach Monaten erschien das
blasse Gesicht einer neaen Morgenröthe,
mühsam erkannte er in dem matten
Schimmer den alten Wahrspruch seines
Geschlechtes: s>sr »ss>s,-s »«l »scr»!
Ader das Licht schien ihm von nun an
aufbewahrt für den neuen Morgen der
Seele, sein Weg hier unten lag vor
ihm in der kalten Dämmerung der
Pflichtersüllung und Resignation.
Er stand auf und suchte sich in dem
Dunlel aus den reckte» Psad zu sinden.
Nein, nicht Liebesleidenschast hatte ihn
heute durchtobt. Das war vorbei, wie
er wähnte, für immer. Aber es galt,
sich zu wappnen sür einen neuen
Kampf; denn eines stand sest er
wollte nicht fliehen wie ein Feigling,
nicht einen Fuß breit wollte er weiche».
Mochte die vielbew»»derte Baronin
Berger die Augen niederschlagen, wen«
sie ihm morgen gegenübertrab, er wollte
sie kühn und srei zu ihr erheben, denn
er hatte gesiegt.
Noch vor einer Stunde hatte er ge
rungen mit dem Dämon der Rache. Er
wußte eS, wenn er wollte, war Cora
jetzt in seine Hand gegeben, denn er
hatte ja den Schlüssel zu diesem Räth
selwesen, sah wie durch Glas in die
Seele dieses leideuschastlichen Ge
schöpseS, das dik kurze, innerlich leer«
Ehe sittlich nicht gereift haben konnte.
Wenn er wollte, so warf sie sich in we
nigen Tagen sreiwillig wieder in seine
Arme wie einst unter dem Jasmin
strauch und dann tonnte er sie seine
Verachtung süblen lassen.
Aber er wollte nicht! Geradeaus ging
seine Bahn —er folgte einem verlocken
den Irrlicht.
Durch die kurze Sommernacht brach
schon schattenhasteS Dämmern, als die
wachsame Inge die Treppenstufe» leise
tnarren hörte. Gleich daraus schloß
sich oben eine Thür und dann wurde
alles still.
Mit einem Seufzer der Erleichterung
und einem Gebet im Herzen schloß sie
die Augen.
IV.
So kam'S, daß am nächsten Morgen
Cora mit einem leisen Schrei des
Schreckens ihr kunstvoll geschliffenes
GlaS aus die Steinplatten des Elit'a
bethbruilnens sailen ließ, als plötzlich
Heyden vor ihr stand. Jngeborg, die
oben an der Ballustrade lehnte, sah,
wie die schöne Frau nach dem ersten
Augenblick der Bestürzung ihm beide
Hände entgegenstreckte, die er mit ruhi
ger Höflichkeit an die Lippen führte.
Wenige Augenblicke später stand die
Baronin neben ihr, begrüßte Frau
von Heyden mit so kindlicher Ehrfurcht,
Inge mit so offenbarer Freude, daß
von einem Ausweichen oder Zurück
weisen dieser Liebenswürdigkeit gar
nicht die Rede sein konnte.
Heyden selbst'schien das auch gar
nicht zu wünschen, wenigstens plauderte
er völlig unbeiangen mit dem Baron
Berger und einem französischen Mar
quis, der in dessen Begleitung war,
während Lieutenant Otten sich sofort
zu den Damen gesellte. Er fand aber
bei seinem frühern Ideal diesmal nicht
die gewohnte Aufmerksamkeit.
Cora war zerstreut; zum ersten Male
achtete sie nicht auf die bewundernden
Blickt, die ihrer auffallenden Erschei
nung folgten, sondern sah zu Heyden
hin. der ihren Mann und den Marquis
kopshach überragte, und als letzterer,
ihr Schatten, seit sie sich vorgestern in
Wiesbaden getroffen, jetzt die beiden
allein vorgehen ließ, um durch einige
geschickte Manöver an ihre Seite ju ge
langen, wurde er auch höchst ungnädig
tmpsaiigen.
Als man sich dtn Kolonnaden wieder
näherte und sich Heydens verabschieden
wollten, schloß sich die Baronin ihnen
an.
Ich muß erst meinen Verlust ersetzen,
meinte sie lachend; vorhin, als Sie vor
mir standen, gleich Banquos Geist,
verlor ich so die Contenance, daß ich
mein GlaS zerbrach.
Man könnte sast glauben, Frau Ba
ronin hatten ein schlechles Gewissen,
scherzte Otten.
Einen Augenblick später stieg ein
leuchtendes Roth bis unter ihre lichten
Stirnlöckchen. aber auch nur einen
Augenblick, dann beugte sich sich ab
schiconehmend zu Frau von Heyden und
bat so inständig, sich ihrer anzunehmen,
sie ein wenig zu chaperonniren, denn
ihr Mann habe oft in Frankfurt zu
thun, dzß die herzensgute alte Dame
gern einwilligte.
Cora versprach noch, heute vor dem
Diner ein Stündchen anzusprechen,
dann löste sich die Gruppe. Heyden
schob den alten Ludwig bei Seite und
lenkte den Fahrstuhl in einen einsamen
Weg, der Promenade zu.
Kaum zwei Stunden später saß Cora
wirklich, mit berechneter Einsachheit ge
kleidet, auf dem Rosenaltan nnd plau
derte so heiler und unermüdlich, daß
die alte Dame ost in ihr ansteckend«?
Lachen einstimmte. Sie war ganz
sröhliches, unbefangenes Kind, und wie
einem solchen konnte man auch ihr nicht
zürne», wenn sie sich mitunter einen
Schritt über die gebotenen Grenzen
hinauswagte, auch ernste Dinge mit
ihrem leichtfertige» Spott Überschüt
tete.
Aus Hellmuths Frage, was sie denn
hierher geführt habe, lehnte sie sich in
den Stuhl zurück, sobaß die kleinen
Füße in den gelben Lederschühchen un
ter dem Saum hervorsahen, schlug die
strahlenden Augen mit gemachter Me
lancholie zum Himmel auf und sagte
feierlich:
Ich soll mich erholen.
Alle lachten.
Da richtete sie sich schnell auf und
sagte eifrig:
Ja gewiß. Denken Sie den», es ist
nicht furchtbar anstrengend, die ganze
Saison hindurd jede Nacht um zwei
nach Hause zu kommen, von Diner zu
Souper zu eilen und dazwischen zur
Erholung Wohlthätigkeitsvorsttllungen
zu leiten, Tdeater zu spielen, keine Pre
miere zu versäumen und Reitstunden
in, Tattersall zu nehme»? Hieltest Du
das.aus, Inge?
Ich würde es gar nicht Probiren, ent
gegnete diese ruhig.
D» kommst i» der Klause wohl auch
nicht in Versuchung.
Die Antwort war ihr entschlüpft, ge
gen iliren Willen. Aber sie ärgerte sich
ichon die ganze Zeit hindurch über die
kühle Gelassenheit, mit der Inge ihr
gegenüber an Hellmuths Seite saß,
lelbstoerständlich, als müßte das so
sei». Sie war noch immer die alte
Cora, jtdein Impulse nachgebend, ohne
jede Selbstbeherrschung.
Inge hatte ihre ernsten Augen fest
aus die Sprecherin gerichtet, als sie er
widerte:
Also nur auf de« Mangel an Ver
suchung tommt es deiner Meinung
nach an?
Wenigsten? bei uns gewöhnlichen
Menschenkindern. Heilige machen na
türlich eine Ausnahme. Ich habe nie
die Absicht gehabt, mir eine Aureole zu
verdienen.
Jetzt lachte sie schon wieder und schüt
telte so übermüthig den schönen Kops,
daß sich die Lichtsunken in dem goldenen
Haar fingen, als wollten sie sie mit dem
verschmähten Heiligenschein wie zum
Trotz umgeben.
Frau von Heyden hatte bei Inges
Marten erstaunt aufgehorcht. Es halte
!ast etwas Feindseliges in ihnen gele
gen. etwas, das ihrer sansten Tochter
sonst so sremd war.
Als Cora gegangen, fragte dieselbe
>aher:
Dir scheint diese Frau von Berger
vohl kein angenehmer Zuwachs -zu
ein?
Nein, Mama, ich liebe sie nicht. Wir
sind ja aber nur noch wenige Tage
zier, und ich denke, auch Hellmuth wird
nichts dagegen haben, wenn wir unsern
Luseulhalt möglichst abkürzen.
Sie sah ermnnternd zu ihrem Schwa
ger hinüber; aber dieser streiste ruhig
)ie Asche von seiner Cigarre und sagte
»ann:
Warum? dazu liegt doch keine Noth
vendigkeit vor. Ich habe noch eine
Woche Urlaub, also könnt ihr euer
örunnentriiiken immerhin noch süns
Tage fortsetzen, ehe ich euch heimge
eite.
ES war so ein ziemlich großer Kreis
geworden, in dem man sich täglich be
ilegte. OttenS, Berger und der Mar
lis genossen, was ihnen die schone
Umgebung bot, und ganz konnte sich
Hnge der lärmenden Gesellschaft doch
.licht entziehen, obgleich sie eS am lieb
sten gethan hätte.
Das Herz that Inge weh, wenn sie
von dieser schönen gefallsüchtigen Frau
auf Hellmuth sah. Offenbar war er
sür Cora der Hauptanziehungspunkt,
ille ihre kleinen Manöver galten ihm
illein, Otten und der Marquis wurden
ziemlich nebensächlich behandelt. Frei
lich konnte sie nicht wiffen, wie er da
rüber dachte. Hellmuths Gedanken las
man ihm nicht von der Stirn ab,
scheinbar kam er der liebreizenden Be
sucherin auch nicht einen Schritt ent
gegen, wie das wahre Gesicht hinter vie
ler steinernen höflichen Maske aussah,
ahnte Inge nicht.
Ihr Herz litt unbeschreiblich um ihn.
Sie beide hatten öon Anfang an eine
tiefe Sympathie verknüpft, er war ihr
Halt und Stütze gewesen in dem Schiff
bruch ihres Glücks, sie hatte sich in den
Jahren ihres geschwisterlichen Verkehrs
daran gewöhni, in ihm das Urbild des
deutschen Edelmannes zu sehen, d. h.
das Bild eines edlen Mannes, der nicht
nur oberflächlich den Gesetzen der Sitte
und Ehre folgt, sondern aus dem inne
ren Drange der Seele gut und wahr
handeln muß, weil das Recht seiner
Natur das einzig mögliche scheint. Und
nun kam dieser Schmetterling mit sei
nen sarbenglänzenden Flügeln und ver
suchte, Honig zu saugen aus dem Mark
der Eiche; wagte es diese leichtsinnige
Frau, niit ihren kinderkleinen Händen
zu rütteln an den Grundfesten der Ehre
und des Gewissens!
Eine tiefe Bitterkeit stieg in Inge
aus, fast haßte sie dieses blonde, la
chende Geschöpf, in dessen Augen so
deutlich das Verlangen geschrieben
stand, und ein ehrlicher Zorn gegen
Hellmuth erfüllte sie, daß er diesem
Spiel nicht ein Ende machte.
Dabei war sie nach wie vor auf die
Gesellschaft Lieutenant OttenS ange
wiesen.
OttenS sagte sich, daß auf die Dauer
das stille matte Leuchten der echten Perle
dem Funkensprühen des DiamantS vor
zuziehen sei, und eines Abends, als
man von einem gemeinsamen Spazier
gang heimkehrte und er eine Weile
schweigend neben Heyden einhergegan
gen war, sagte er plötzlich:
Ein offenes Wort, alter Junge, wie
stehst du mit deiner Schwägerin?
Hellmuth nahm diL Cigarre aus dem
Munde und sah den Sprechenden ver
ständnislos an.
Mit Inge? Aber vorzüglich.
Das meine ich nicht. Hast du nie
vie Absicht gehabt, um sie zu werben?
Um meines Bruders Frau? Nein,
niemals.
ES klang sehr ehrlich und war Wahr
heit. Dieser Gedanke war Hellmuth
nie gekommen.
Es lag doch so nahe, murmelt«
Otten.
Ter andere schwieg. Wie sollte er
sagen, was ihn daran gehindert, diesen
„naheliegenden" Gedanken zu ergrei
fen?
Sie gingen eine Weile schweigend
weiter, dann saßte Otten einen Ent
schluß und sagte:
Du hättest also nichts dagegen, wenn
ich in aller Form um Hrau von Heyden
anhielte.
ES schoß Hellmuth blitzschnell der Ge
danke durch den Kopf, daß die Klaust
ohne Inge sehr einsam sein werde.
Ueber das lichte Bild der Heimath, das
er im Herzen trug, siel in Gedanken ein
lieser Schalten. Aber das war selbst
süchtig, und so sagte er:
Wie könnte ich? Inge ist ja auch
nicht von mir abhängig, sondern voll
ständig srei. Bist du deiner Sache
übrigens so sicher?
Otten seufzte tief auf.
Deine Schwägerin ist das seltsamste
Geschöps, das ich kenne. Mein Wer
ben kann ihr doch nicht entgangen sein,
aber ich müßte lügen, wollte ich fagen,
daß sie mich auch nur mit einem Blick
ennuthigt hat. Sie entspricht eigent
lich auch nicht dem Ideal, das ich mir
von meiner zukünftigen Frau entwor
fen, aber dennoch....
Nun? fragte Hellmuth, fast be
lustigt durch des Freundes kläglichen
Ton.
Dennoch kann ich mir nichts lieberes
denken, als diesen klaren Kops, das
treue Herz neben mir zu haben für im
mer, brach die'er jetzt fast begeistert aus.
Ich kann dir das nicht so erklären, aber
seitdem die Baronin Berger hier ist.
mein alter Schwärm, wie du weißt,
sind mir auf einmal die Augen aufge
gangen. Wir Männer sind doch wie
Kinder immer nach den glitzernden
Spielzeugen strecken wir die Hände aus,
und wenn wir's haben, dann steht
plötzlich die treibende Mechanik still und
aus dem Wunderwerk wird unnützer
Zand.
Du hast recht, sagte Hellmuth leise.
Aber wir sind selbst schuld, wenn wir
uns täuschen lassen und müssen dann
sie Folgen tragen. Und nun. Glück
iuf, Kurt.
Mit warmem Händedruck trinn cn
sich beide.
Inge verlieren! Der Gedanke ver
ließ ihn heute nicht mehr. Wie die
Mutter sie vermissen würde, deren rechte
Hand sie war! Und die Leute im Dors,
all' die Kranken und Armen, sür die
sie immer Zeit, Liebe und Hilst hatte!
Lber das war ja undenkbar. Sie
vürde nein sagen, gewiß, «sie und der
leichtsinnige Otten das war einfach
lächerlich!
Warnm war ihm eigentlich nie der
Gedanke gekommen, sie zu heirathen?
Er lag doch so nahe, wie der Freund
gesagt hatte. Freilich, er hatte schwer
an seiner Enttäuschung gelitten und
ihre Trauer hatte sie ihm unnahbar ge
macht. Und dann liebte er sie wie
eint Schwester, wie eine Freundin.
Solch wariye, herzliche Zuneigung sei
nicht stark genug, .um zwei Herzen
für dieses Leben zu verbinden, hatte er
gemeint, die müssen zusammengelöthet
werden in der Gluth einer großen Lei
denschaft.
Nun, seine Leidenschast hatte er hin
ter sich! Sven» er heute Cora ansah und
an die Zeit dachte, da ihr Anblick sein
Blut in Wallung gebracht, ihre
Schmeicheleien seine «sinne berauschten,
dann erröthete er vor Scham. Wie
traurig, daß ein jeder Mann auf eine
Zeit seines Lebens zurücksehen muß, in
der die Materie seinen Geist beherrscht,
und doch konnte er zu seiner Entschul
digung sagen, daß er Cora nicht nur
begehrt, sondern geliebt hatte, mit der
echten einzigen Liebe seines Herzens.
Daß aber auch eine solche Liebe ster
ben kann, wenn der kalte Hauch der
Berochtunq über die Flammen der Lei
denschaft fährt er hatte eS in diesen
Tagen zur Genüge erfahren, kein Mus
kel seines Herzens zuckte bei dem koket
ten Spiel, das sie mit ihm trieb; er
beobachtete sie, wie die kleine Forelle
das Hüpfen und Tanzen der L,belle, an
deren todtem Körper sie wohl die ver
hänguißvolle Angelschnur sieht.
V.
Baron von Berger und feine Frau
nahmen nach der Rückkehr von der
Brunnenpromenade ihr Frühstück ein.
Der Sonnenschein siel in breiten Flu
then durch die hohen Fenster des elegan
ten Windsor Hotel, das sie bewohnten.
Aber die Gesichter der Gatten sahen ver
stimmt und mißmuthig aus.
Du bist doch erst vorgestern in Frank
furt gewesen, rief Cora schmollend, ich
mag mich nicht immer allein hier lang
weilen !
Sehr gütig, wenn Du eZ vorziehst,
dich zusammen mit mir zu langweilen.
Die Worte waren getränkt in spöttischer
Höflichkeit.
Uebrigens, du hast ja deinen p»s»s
tsmp», meine Theure, neue sowohl,
wie alte, den Marqüis oder diesen steif
leinenen Heyden die schöne Cora
sorgt selbst sür ihre Unterhaltung.
Die junge Frau klopfte vor Zorn
mit dem Fuß auf den Teppich. Das
schöne Gesicht war ganz dunkel gewor
den.
Ich glaube, mein Herr Gemahl thut
mir die Ehre an, eisersüchtig zu wer
den, ein Zeichen von wenig Geschmdck
und bürgerlicher Gesinnungsart.
Pardon, wenn in solchen Kleinigkei
ten die „bürgerliche" Stimme einmal
laut wird ist es mir eben noch nicht
gelnngen, darin deine echt blaublülige
Nonchalance zu erreichen, denn er
beugte sich vor. daß sein heißer Athem
sie sast streifte und eine wilde Flamme
zuckte in seinen begehrenden Augen aus
denn ich, ich liebe dich noch.
Sie bog den schlanken Oberkörper
zurück und streifte ihn mit einem bösen
Blick.
Desto unbegreiflicher ist deine Sehn
sucht nach der Kaiserstadt. Du hältst
mich doch nicht für Kind genug, um
mir weismachen zu wollen, daß dein
Gefchästssreund dich in solch zarten
Nosabillets um ein Rendezvous bittet?
Sie tippte leicht auf die Brusttasche
seines Rocks, in der er vorhin, als der
Diener die Briefe brachte, ein kleines
duftendes Schreiben gesteckt hatte.
Er sprang auf und ging schnell an's
Fenster.
Ein Kind bist du in der That nicht,
trotzdem würde ich dich bitten, mich
nicht zu sehr zu reizen eine Scene in
einer so vernUnstiger Ehe, wie die un
ferige ist....
Sie lachte spöttisch, aber nicht mit
dem gewohnten girrenden Tauben
lachen.
Du hast recht und besonders eine
EisersuchtSscene. Seien wir also wie
der aus der Höhe der Situation. Fahre
»ach Franksurt ich will mich nicht
hindernd in deine Amüsements drän
gen aber was dem einen recht, ist
dem andern billig kein lächerliches
Spionire» nach meinen Schritten! Ich
weiß allein, wie weit ich zu gehen
habe.
Sie wollte an ihm vorüber, da kam
er aus sie zu, ergriff sie an den Hand
gelenken und preßte sast heiier hervor:
Ein gutes Wort. Cora, und ich fahre
nicht, nicht heut und nie mehr. Was
ich suche, ist ja nur Betäubung.
Glaubst du, ich fühle die Schmach nicht,
nur den Körper feines Weibes zu be
sitzen und kein Recht an die Seele zu
haben?
Sie riß sich los.
Um meine Seele haben Sie damals
nicht geworben.
Und wenn ich es jetzt thue? rief er
leidenschaftlich, vor der schönen Frau
in die Kniee sinkend.
Cora maß ihn mit einem langen
Blick.
ES ist zu spät, sagte sie kalt. In der
Thür wandte sie sich noch einmal nach
ihm um.
Sie würden sich auch in der Rech
nung betrügen. Meine Seele ist kein
Kaufobjekt und Tauschhandel ist bei
civilisirten Völkern ja unmodern ge»
worden.
Also gnädige Frau kommen in der
That nicht zur Reunion.
Lieutenant Otten stellte diese Frage
in Jngeborg, als deren getreuer
Schatten er die Brunnenpromenade
zinabging. Man war eben am Roll
stuhl der alten Dame angelangt und
machte, wie gewöhnlich, einige Minu
ten Hall.
Hellmuth mit Cora und ihrem Mann
kreuzten gerade jetzt ihren Weg.
Wie konnten Sie überhaupt auf diese
Vermuthung kommen? Sie wissen ja,
daß ich »och in tieser Trauer bin.
Der Badeaufenthalt gestattet doch
rine Ausnahme. Zudem ist es ja
ngentllch eine geschlossene Gesellschaft.
Keine der gewöhnlichen Abendunter
haltungen in den untersten Tanzsälen,
sii denen jedermann ungehindert Zu
tritt hat.
Ich freue mich so sehr, rief Cöra, eS
ist der auserlesenste Kreis der interna
tionalen Creme, die diese wenigen gro
ßen Bälle in den obern unbenutzten
Räumen gibt. Eine Einladung ist eine
große Auszeichnung. Auch die anwe
senden Fürstlichkeiten nehmen daran
Theil.
Du kommst doch. Heyden? fragte
Otten.
Ich hatte nicht die Absicht. Große
Gesellschaften muß man gezwungener
Weise genügend mitmachen. Aber ich
tras vorhin einen hohen Vorgesetzten,
der den ausdrücklichen Wunsch äußerte,
mich zu sehen. Immer der Sklave des
Dienstes.
In diesem Falle eine erträgliche Ty
rannei, meinte Berger. der mit düsterer
Miene das Ausblitzen des Triumphes
in Coras Augen bemerkte.
Bisher waren ihm die vergeblichen
Bemühungen seiner Frau nicht entgan
gen, zudem fürchtete er Heyden weniger
als den Marquis, obgleich dieser bei
Cora augenscheinlich weniger Chancen
hatte.
WaS sich Cora von diesem Abend
versprach, konnte er sreilich nicht ahnen,
da er die Vergangenheit nicht kannte,
nicht wußte, wie es seit dem Wieder
sehen am Brunnen in ihr gährte.
Gerade in der ersten Zeit hatte Eora
in dem Rausch ihrer Ehe scheinbare Be
sriedigung gesunden, es war ihr alles
neu und überraschend, sie kam sich wie
eine Fee vor, die durch Berührung mit
ihrem Zauberstab jeden Gegenstand in
Gold verwandeln kann. Zudem schmei
chelte ihrer maßlosen Eitelkeit Bergers
schrankenlose Bewunderung.
Für selbstsüchtige Naturen ist eS ent
schieden bequemer, geliebt zu werden,
als zu lieben. Das 'Vergessen des Ichs,
das täglich neue Aufopfern der Seele,
die Hingabt des Geistes an den Gelieb
ten, alles, was edel Geartete hoch über
sich selbst erhebt und sie auch in Entsa
gung und Schmerz noch ein süßes,
i -hmüthiges Glück finden läßt, bean
sprucht eben eine Kraft und Tiefe der
Empfindung, die wohl der Rausch de»
Leidenschaft auch Schwächlingen gibt—
aber nur sür eine vergängliche Spanne
Zeit.
So steigt auch der Zaunkönig ver
suchsweise auf in die Sonnenregionen
des LichteS; aber geblendet und ermat
tet sinkt er bald wieder in fein gewohn
tes Gebiet, hinter Hecken und Zäunen,
während der stolze Aar mit ruhigein
Fittich den blauen Aether durchmißt.
Cora von Waldau war nur leicht
lebig gewesen, die Baronin von Berger
aber wurde bald leichtsinnig. Aus der
Lust an der Bewunderung wurde bald
eine Sucht und bald schienen ihr die
gewöhnlichsten Mittel der Koketterie er
laubt. um eine Schaar von Bewunde
rern um sich zu sammeln, in deren
Augen sie nichts weiter lesen wollte, als
die srivole Sprache sinnlicher Leiden
schaft. Zudem war sie noch so juug
verheirathet und dann hatte sie Hell
muth Heyden durchaus noch nicht ver
gesse«.
ES gab in dem glänzenden Leben die
ser geseierten Frau doch Noch eine
dunkle Stelle in diesem reizenden Köpf
chen, das so viel an Vergnügungen und
Putz dachte, stand doch ein flammendes
Mene Tekel.
Die Erinnerung an jenen Liebes
traum unter dem Jasminstrauch kam
in stillen Stunden immer wieder, und
bald suchte Cora sie ebenso eisrig, wi<
sie sie ansang» geflohen. Die Sehnsucht
nach etwas Besser»!, Reinerm, als es
ihr dieses Leben bot, war nicht ganz ge
storben, sie schlief nur den Schlaf der
Betäubung, und immer, wenn sie zu
kurzem Erwachen die Augen ausschlug,
sah sie sie an mit dem treuen, wahren
Blick der Liebe, de» nur Heyden allein
für sie gehabt.
Ihr Leben war leer, trotz aller Zer
streuungen, denn auch die elegantest«
Frau vermag uicht den ganzen Tag de»
unbequemen Gesellschaft des eigenen
JchS »n entfliehen. Für die edelste
Sehnsucht des Frauenherzens, du
Sehnsucht nach einem Kinde, war Coro
nicht sittlich reis genug. Der mütter
liche Instinkt schlief so vollständig, das
ihr dieser Gedanke, wenn er ihr über
haupt einmal kam. nur Mißbehage?
und Verstimmung erweckte.
(Fortsetzung solgt.
Eine grausige Geschichte.
Frau Stampserl: .Wenn i abergläu
bisch wär', Frau Nachbarin, dös hätt
an Unglück geb n könna!" —Fran Pum
perl: „Was is Jhua denn zuag'sto
ßen?" Frau Stampserl: „Stelln't
Ihna vor! Letzten Freitag, wia ine
Wastl so krank im Bett g'leg'n is, sar
unsre zwa Uhren os oamal zur selb'n
Sekunden stillg'standen!"—Frau Pum
perl: „HerrjeseS! Und nachher?"
Frau Stampserl: .Nacha hob i's hall
wieder ajzog'n!"
Ein sonderbares Lei
den. Richter: „Warum sind Sie nich
beim erste» Ausrus vorgetreten?"
Zeuge: „Infolge eines früheren Ohren-
Icidcns höre ich halt Alles ein bisse!
später!"
Was ist eine Mesal
liance? Wenn ein doppelter Buch
haller ein einfaches Mädchen heiralhei.
Auch ei« Mittel G«O«« »ie Sho»«r«
Von allgemeinem Interesse dürst«
eine Verhandlung sein, die vor dem
Schössengerichte in Wismar geführt
wurde. Der verantwortliche Redac
teur des „Mecklenb. Tageblattes" zu
Wismar war vom Grafen Schlieffen-
Schliefsensberg wegen Beleidigung bei
der StaatSanwaltschast angezeigt wor
den, und diese hatte öffentliche Klag«
erhoben. Graf Schliessen hatte in der
Cholerazeit herzförmige Kupserplätt
chen an seine GutSleute vertheilt, da
mit sie dieselben als Schutzmittel gegen
die Cholera um den HalS tragen soll
ten. Der Redacteur Dr. Wagener
hatte sich darüber lustig gemacht. Der
Vertreter der Anklagebehörde führte
aus, daß, obwohl die Thatsachen wahr
seien, doch eine Beleidigung vorliege.
Von Autoritäten sei bewiesen, daß da»
Tragen von Kupser gesund sei. Um
Talismane handle eS sich nicht, penn eS
seien Kupserplättchen ohne Inschrift in
Frage gekommen. Wenn dem Grafen
Schließen Aberglauben vorgeworfen
würde, so sei das eine Ehrenkränkung.
Die Stellung des Grasen als Landrath
und ReichStagS-Abgeordneter erschwere
die Beleidigung. Er beantrag« IVO
Mark Geldstrafe und Publicationsbe
fugniß sür den Grafen Schlieffen.
Der Angeklagte destritt mit Entschie
denheit die Absicht der Btleidigung und
berief sich einmal daraus, daß die ge
meldete Thatsache als wahr erwiesen,
dann aber mit der Empsehlung solcher
kupferner Herzchen ein grober Unsug
geschehe, da diese zweifellos vollständig
nutzlos seien, andererseits aber eine
große Gefahr darin liege, in Zeiten
einer schweren Seuche den Leuten ein
nutzloses Mittel in, die Hand zu geben
und sie zu dem verkehrten Glauben zu
bringen, sie seien dadurch vor An
steckung geschützt, so daß sie schließlich
bei der Verschleppung der Seuche nichts
Ernstliches mehr thäten. Der Redak
teur nahm eS zugleich als zweifelloses
Recht der Presse in Anspruch, das Pu
blikum über alle Vorgänge im öffentli
chen Leben zu belehren, vor allem aber
dann, wenn sonst eine Schädigung der
Menschheit als unausbleiblich erscheine.
Der Angeklagte verwahrte sich noch be
sonders gegen die Auffassung, daß durch
die s-tellung des Grasen Schlieffen al»
Landrath und ReichstagS-Adgeordneter
die Beleidigung eine schwerere werde,
da vor dem Gesetz alle gleich seien. DaS
Urtheil lautete nach einstündiger Bera
thung auf eine Geldstrafe von IVO M.
und Zuerkennung der Publitalionsbe
fugniß an den Grafen Schlieffen. Als
erschwerend wurde der Bildungsgrad
des Angeklagten und die hohe Stellung
des Grasen Schlieffen angesehen. Der
Angeklagte hat Berufung gegen das
Urtheil eingelegt, so daß die Sache
noch einmal vor der Strafkammer zu
Schwerin zur Verhandlung kommen
wird.
Dt« richtig« Dtagnos«.
Der Herr Doctor sitzt an seinem
Pulte und schreibt eilig, als es pocht
und, trotzdem kein „Herrein" ertönt»
ein Herr das Zimmer betritt.
„Guten Morgen, Herr Doctor!" Der
alte Herr läßt sich nicht stören, er schreibt
ohne von dem Eintretenden Notiz zu
nehmen, ruhig weiter.
„Guten Morgen, Herr Doctor, ich
komme "
„Nehmen Sie einen Stuhl." sagt
der Arzt, um ruhig weiter schreiben zu
können.
Der Patient setzt sich um
»ach einigem Räuspern auf's Neue zu
beginnen:
„Mein Herr Doctor! Ich komme,
um mit Ihnen wegen meiner verfluch
ten Nerven "
Er hält erstaunt inne, denn der Arzt
macht noch immer keine Anstalten, auf
ihn zu höien. Der Bogen unter seiner
Feder bedeckt sich immer mehr mit des
DoctorS Schrist. Eine kleine Weile
noch wartet der Patient, dann beginnt
er wieder, diesmal merklich erregter:
„Schon eine ganze Zeit leide ich an
meinen Nerven. Man empsahl mir,
ich möchte mich an Si« wenden, Sie
würden mich wieder in gesunden Zu
stand versetzen. Nun sagen Sie mir.
soll ich See- oder Alpenluft genießen,
oder verordnen Sie mir eine Wasser
kur. Ja, alle Wetter, warum ant
worten Sie denn nicht?"
Mit offenem Munde bleibt der Pa
tient sitzen, denn auch aus diesen direk
ten Appell hin bleibt der Doctor stumm
immer eisriger schreibt er. Da
wird'S dem Patienten zu arg, seine Er
regung bricht sich so mächtig Bahn,
daß er ausspringt und wüthend den
Arzt anschreit:
„Himnielkrcuzdonnerwetter! Warum
komme ich denn dann zu Ihnen, wenn
Sie sich nicht sür Ihre Kranken, son
dern sür andere Dinge interessiren?
Schockschwerenoth, Herr, wollen Sie
mich aiihören?
Jetzt erst legt der Arzt die Feder fort
und spricht:
„Ich wollte mir nur das viele Fra
gen ersparen, jetzt weiß ich es, Sie siud
wirklich nervös!"
Falsch ausgedrückt. Leh
rer : „Du warst gestern wieder nicht
in der Schule!- Junge: „Verzei
hen Sie. Herr Lehrer, der Storch hat
mir gestern ein Brüderlein gebracht!"
Lehrer: „Was geht das Dich an ?
Das ist doch Sache Deines BaterS!"
Junge : „O. mein Bater wird sich
morgen schon selbst bei Ihnen entschul
dige» !"
Er zahlk doch nicht.
Erster StudiosuS: „Peine Wirthin
sagte mir soeben, sie wolle Dich stei
gern!" Zweiter Slndiosus: „Wie
i>umm von ihr. meine Schuld bei ihr
noch zu vergrößern!"
lin Examen. Professor
(zum Stiidenten. der eben eifrig eine
seine Thesen vertheidigt): ..Ich glaube.
Sie sind im Irrthum, Herr Eaudidatl"
Studiosus (schnell): ~Gilt« »'
viaß?!" 3