Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 27, 1893, Page 2, Image 2

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    2 l »«V Kartoffel in
Europa.
Wem das Verdienst gebührt, die Kar
toffel von Amerika nach Europa über
führt zu haben, ist kauin noch zu ermit
teln. Man hat behauptet, daß Franz
Drake, der Sohn eines Matrosen, dann
Schiffskapitän, später Admiral, der
sich durch einen Seeräuberzug nach
Vera-Cruz, nach der Landenge von Pa
nama und nach Cartageiia in Süd
amerika beträchtliche Reichthümer er
worben und nun sein Vermögen zur
Ausrüstung von fünf Schiffen und
Barken verwendete, nm mit Genehmi
gung der Königin Elisabeth von Eng
land im Jahre 1577 einen Streifzug
gegen die spanischen Besitzungen in
Südamerika zu versuchen. Er segelte
durch die Magalhaens-Straße nach der
Küste von Chilc, nachdem er unterwegs
alle spanischen Schiffe, die ihm aufstie
ßen, genommen und geplündert hatte.
Ungefähr ein Jahr nach seiner Abreise
von England landete er an der kleinen
Insel la Mochain der Nähe von Val
paraiso und fand dort Bewohner, die
wegen der grausamen Behandlung der
Spanier, die sie im Lande erlitten, nach
der Insel geflüchtet waren.
Sie tamen nach dem Platze, wo die
Wasserfässer gefüllt wurden und brach
ten ?otatoos (der englische Name für
Kartoffeln, eine Art Knollen) und
zwei fette Schaase. Dies ist die einzige
Nachricht, welche sich in dem Tagebuche
des nachmaligen Sir Francis Draki
vorfindet und jedenfalls zu der Sage
Veranlassung gab, daß Franz Drake
die Kartoffel zuerst nach Europa ge
bracht habe. Noch einem anderen hoch
berühmten Engländer, Sir Walter
Raleigh, wird die Ehre unterbreitet,
der Erste gewesen zu sein, welcher die
Kartoffel aus Pirginien in England
einführte. Sir Walter, der allerdings
edlere Absichten hatte, als zu plündern,
der vielmehr England Kolonien zu er
werben glaubte, errichtete im Jahre
1584 eine Kompagnie zu einer Nieder
lassung in Nordamerika und erhielt
von der Königin Elisabeth ein Patent,
wodurch er Eigenthümer aller Läude
reien wurde, die man dort entdeckt
hatte oder entdecken würde, wobei sich
die Krone den fünften Theil von allem
dort geförderten Silber- und Golderz
vorbehielt. Zwei Schiffe wurden aus
geschickt, die außer einigen Perlen nur
etwas Tabak mitbrachten. Sir Walter
nannte das Land, das er zu kolonifiren
hoffte, der Königin?u Ehren, die den
jungfräulichen Titel liebte, Virginien.
Die Kolonisten konnten sich, beson
ders gegen die Angriffe der Eingebore
nen, nicht halten ; sie baten Sir Walter
schon nach zwei Jahren, sie wieder nach
England zurückzuführen. Ein zweiter
Versuch von Sir Walter, Virginien zu
kolonisiren, worin er schon im Jahre
1588 wiederum drei Schiffe schickte,
mißlang nicht weniger. Beide Male
war er selbst nicht in Virginien. Er
kann daher selbst die Kartoffel von
Virginien aus nicht in England einge
führt haben. Ebenso wenig ist dies
von feiner phantastischen Expedition
möglich, die er im Jahre 1595 antrat,
um die Goldstadt El Dorado aufzusu
chen. In dem heißen Guiana baut man
keine Kartoffeln und von dieser Reise
tonnte Raleigh sie auch nicht mitbrin
gen. Namen der Tinge deuten aus
ihre Abkunft und bieten häufig für die
selbe eine bei Weitem sichere Gewähr,
als die Resultate anderer Wissenschaft
licher Forschungen.
Die Kartoffeln hießen lange Zeit ik
den ökonomischen Schriften und in den
Akten der preußischen Doinänenkam
mer bis 1775 Tartuffeln, mit denen
die Kartoffeln ihrer Form nach viel
Aehnlichkeit haben, entlehnt, deren Di
minutiv im Italienischen 'l'»r,iSc>li
lautet. Es scheint daher mehr als eine
bloße Vermuthung, daß die Kartoffel
über Italien nach Deutschland gelangte,
wo Clnssius. der 1588 zwei Kartoffel
knollen aus Flandern zum Geschenk er
halten hatte, sie unter seinen „seltenen
Gewächsen" abbilden ließ. ' In Eng
land baute sie 1597 John Gerard als
eine große Seltenheit in seinem Garten
an, ltilti verspeiste man sie auf der kö
niglichen Tafel zu Paris und It>2l er
kannte der große Bacon die nährende
Kraft der Kartoffel und bemerkt in fei
ner Schrift über „Leben und Tod",
daß das Bier, wenn es mit einem Vier
tel von irgend einer wahrhaften Wur
zel i-oot), wie die Kartoffel, zu drei
Viertheilen gebraut würde, eher zu lan
gem Leben führen würde, als das,
welches blos aus Getreide bereitet wäre.
Seit 1(>84 wurden die Kartoffeln im
Großen in Lancashire angebaut, seit
1717 in Sachsen, seit 1728 in Schott
land, seit 1758 in Preußen, wo sie
aber, und zwar in Berlin, schon vor
ILSI gezogen wurden, und seit 1783,
hauptsächlich durch ParmentierS Be
mühungeu, in Frankreich. Auch durch
Spanier, in deren Vaterland? lange
vor dem Bekanntwerden der Kartoffeln
die Knollen einer Winde odu-
Ii») als ein allgemein beliebtes Gemüse
geschätzt waren, muß die Verbreitung
der Kartoffel vielleicht gleichzeitig wie
durch die Italiener stattgefunden haben,
denn die I'otstoos der Engländer sind
aus einer Verdrehung des spanischen
Wortes hervorgegangen. In
Spanien und Portugal, wodie Batate,
die daseist vortrefflich gedeiht, der Kar
toffel vorgezogen wird, ist letztere wie
derum von England aus eingeführt
worden. Man baut sie daselbst haupt
sächlich an. um die reffenden Englän
der zu befriedigen, und nennt sie des
— Fatales Versprechen.
Schwiegermama: Guten Tag, Kin
der, na, wir haben nnS lange gesehen!
Schwiegersohn: Allerdings, Schwie
germama, lange das ge
habt, Sie zu sehen!
—Macht-der Gewohnheit.—
Herr (zu einem Lehrling): Willst Du
einen Gruß bei Deinem Principal de
stellen? Lehrling: Ja, wann soll
er fertig sei""
«ine Ber»««««.
"llvs Lxiles" heißt das neueste Buch
Pierre Loti's. Die „Verbannte" ift
Carm-n Svlva, die Königin von Ru
mänien, von welcher erst jüngst die
Nachricht durch die Blätter gegangen
ist, sie weigere 'ich, nach Rumänien zu
rückzukehren. Pierre Loti'S Darstellung
lehrt uns, daß kein Widerspruch darin
liegt; der aufgedrängten ist die freiwil
lige Exiliruug gefolgt. Was in ande
rer Hand zu einem StückZplatter politi
scher Pikanterie geworden wäre, gestal
tet sich in der Umbildung durch den
Poeten zu einer psychologischen Studie
von wunderbarer Schärfe und jenem
melancholischen Reiz, den Herzenswärme
und reine menschliche Theilnahme über
die Darstellung intimer Vorgänge brei
ten.
Loti, der am rumänischen Hofe nicht
wie ein illustrer Gast, sondern als ein
Freund ausgenommen war, beginnt
mit der Erzählung einer Geburtstags
feier der Königin im April 1890. Der
Salon Carmen Sylva'S ist mit Blu
men übersüllt gleich dem Tempel einer
indischen Gottheit am Tage ihrer An
betung.... „Im dunklen Fond, in
einem erhöhten Theile des Gemachs,
der eine Estrade bildete, inmitten von
Stickereien der seltensten Nuancirung
war das Märtyrer-Idol, das man
heute noch einmal feierte: die Königin,
wie gewöhnlich in weiß gekleidet, die
Haare, ebenfalls weiß, ihr jugendlich
gebliebenes Antlitz umrahmen», mit
ihrem Lächeln voll unendlicher und hei
terer Güte. Zwei Ehrenfräulein, zn
ihren Füßen sitzend, öffneten und lasen
ihr die Glückwunschtelegramme vor,
welche sich auf einer Silberplatte auf
häuften ....
„Gezeichnet Humbert 1.," schloß
die eine von ihnen.
Und die andere rief: „Dieses da ist
von der Königin von Schweden, welche
Eurer Majestät wünscht...."
Die Königin hob das Haupt nach
mir, der ich eben eintrat und, lächelnd,
mit dem Ausdruck einer grenzenlosen
Melancholie, gab sie mir die Aufklä
rung. welche offenbar meine Blicke
suchten:
„Mein Geburtstag ist heute.... Sie
wußten nichts davon, ich hatte diesen
Kleinen verboten, eS Ihnen zu sagen.
Ich bekomme schon Blumen genug, mein
Gott..
Der unausgesprochene Schluß der
Phrase sagte, daß die Königin durch die
Verschwendung von Rosen sich nicht täu
schen 1ieß....
Eines dieser beiden Ehrenfräulein ist
Helene Vacarescu, deren Berhältniß zur
Königin Loti uns bester schildert, als
Alle, die es vw ihm versucht haben:
„Das war ein kleines Frauenzimmer,
das beim ersten Anblick nicht auffiel,
aber bald durch feinen Geist bezauberte.
Mit einem Aeußeren von strahlender
Kindlichkeit, einem labyrinthisch gebil
l->b)-riinlis), ein wenig bcraincht von
ihren literarischen Ersolgen und ihrem
rapiden Glückwechsel, ehrgeizig vielleicht,
aber so entschuldbar, eS geworden zu
sein; fähig überdies guter Regungen
des Herzens und der Mildherzigkeit
namentlich für die Kleinen, die ihren
Weg nicht verstellten. Die Königin,
'zunächst aufmerksam auf die seltene In
telligenz von Mlle. Helene ***. hatte
sich nach und nach gefangen nehmen
lassen durch ihr großes dichterisches Ta
lent; und dann, Mutter ohne Kind, im
Herzen die ewige Trauer um die eigene
Tochtcr tragend, liebte sie am Ende
diese sn erstaunlich begabte Adoptiv
tochter."
Loti nimmt an dem Diner theil und
er beschreibt die GeburtstagScour
die letzten Gratulationen, welche die
Königin Elisabeth von ihrem Bolke em
pfing. Die Ehrenfräulein und die Kö
nigin selbst tanzen und singen nach
nationale» Rhythmen in altrumänifcher
Tracht. „.... Alle diese hübschen, neu
gierigen, prüfenden, treulosen, schwar
zen Augen distonirten mehr als je mit
diesen antiken Gewändern. Und dann,
ich weiß nicht was von etwas Undank
barem, Haßvollem, Grausamem lag in
ihrem Lächeln für die Königin, ihren
höfischen Verbeugungen, ihren Hand
küssen.... O, das sage ich nicht von
Allen, gewiß, darunter waren auch
Loyale und Getreue, Frauen von Herz
'und treuem Gedenlen, die sich von den
Anderen unterschieden. Aber die Mehr
zahl von ihnen sröstelte mich an, in un
erwartetem Lichte gesehen....
Uz>d wie sie verändert war, ihre Kö
nigin, seit drei Jahren! Damals noch
so jung und jetzt zerstört durch eine un
vergeßdare Trauer, durch eine uner
hörte Täuschung vielleicht, abgemagert,
gealtert und mit trostlosem Lächeln."
Und diese Trauer „sinkt von den hohen
Saaloecken nieder", nichts vermag sie
zu zerstreuen und aus dem rothen Mar
morsaaie tauchen die Blicke der Ehren
fräulein in die lange Flucht der mit
ausgesuchtem Geschmacke decorirtcn Ge
mächer mit unbestimmter Sorge vor
Ericheinungen und Nachtgebilden.
„Was verursacht dies Alles? Vielleicht
diese Adschließuiig von dem Außen
ledcn. Vielleicht dieser leere Raum
rund um uns, prunkvoll und düster,
den Schildwachen hüten, und diese
Stille, diese schwere Stille inmitten
einer der Weltstädte, wo däs Rollen der
Wagen das fieberhafteste und unauf
hörlichste ist Wahrlich, man fühlte
da etwas Eigenartiges, das die licht
strahlenden Hoftafeln nicht verurfachen,
und das war wie die Palaftkrankheit,
der Druck des Königthums."
„An der Seite des Thronerben faß
jeden Abend an der kleinen Familien
tafel Mlle. Helene ***. Von dieser
beständigen Nachbarschaft rührte zwei
fellos die Entstehung eines Gefühls ber,
das leicht vorauszusehen war. Daß
ein Prinz von 2 t Jahren, strenge fern
gehalten von den Vergnügungen feines
Alters, ein Leben der geistigen Arbeit
und militärischen Uebungen führend,
für ein heiteres junges Mädchen einge
nommen wird, ein Mädchen, geist-
IZrüheiid und von hoher Intelligenz,
die einzige überdies, die er in vertrau
tem Verkehr fehen darf, ist die natür
lichste Sache der Welt. Dieser Roman,
der sich hier entwickelte, und den eine
gewisse Presse zu entstellen gesucht hat,
war wohl einsach und anständig zu
allem Ansang. Und der Gedanke einer
Heirath, so sehr sie den ausgestellten
Regeln widersprach, wurde zu dem ein
zigen, der einem jungen Manne kom
men konnte, der, wie der Kronprinz,
in pnritani'chcn Ideen und von »n
-tadelhasien B ispielen umgeben erzogen
war; während Mlle. Helene *** ander
seits nicht dazu angethan war, flüch
tige LiebeSgesühle zu wecken, sondern
vielmehr sie nach und nach zu sestiqen
und sestzuhalten durch ihre immer
wache Intelligenz."
Ei« Jahr darauf besuchte Loti die
Königin in Venedig, wo sie im „potel
Danieli" das erste Stockwerk bewohnt.
„Ganz im Fond des großen Salons,
dessen Thüren mit Königskronen ge
schmückt sind, dessen noch immer prunk
volle Decke ungeheure Luster aus vene
zianischem Glas trägt, ist die Königin
in weißem Kleide ausgestreckt in einem
Fauteuil und sie bewillkommt mich mit
ihrem gütigen Lächeln.... Aber wie
ehr Gesicht verändert ist, abgemagert..
Seit dem letzten Frühling scheint sie um
zehn Jahre gealtert zu sein."
„Sie ist so krank, hat mir diesen
Morgen Mlle. Catherine*** gesagt,
so trank.... und dann, sie geht nicht
mehr; man muß sie tragen oder in
ihrem Fauteuil fortrollen, nun ist'S
vorüber mit ihrem schönen geraden
Wuchs und ihrer schönen königlichen
Haltung."
Ihr zu Füßen, auf einem Tabouret
sitzt mit dem Ausdruck eines spitzbübi
schen Kindes Mlle. Helene ***. beklei
det mit einer sehr einfachen Rosarobe,
ihr schwarzes Auge immer lebhaft und
forschend. In ihrer Haltung ist etwas
wie die Affektation, verwöhntes Kind zu
spielen, die Tochter dieser anbetungs
würdigen Mutter und ich habe über
dies einmal bemerkt, daß in Abwesen
heit von Zuschauern ihr Benehmen
gegen die Königin immer kälter und
zurückhaltender war. Das soll sie nicht
herabsetzen: So wenige Frauen ver
mögen sich ganz und gar als sie selbst
zu zeigen, ohne eine ein wenig affettirte
Pdse, ohne eine selbst unbewußte Be
rechnung der Wirkung. Ich setze an
derseits keinen Zweiset darein, daß bei
ihr nicht aufrichtige Anhänglichkeit für
diese Adoptivmutter war, und daß sie
nicht echte Thränen vergossen hat, als
sie sie für immer verließ.
Die Königin war von der ganzen,
bis zu einem gewissen Grade treuen
Gruppe umgeben, welche ihr bei ihrer
traurigen Abreise gefolgt war und die
hier ihren Hof bildet: im Ganzen acht
oder zehn Personen. Und man plau
dert sast heiter, aber ohne volles Zu
trauen .... Die Königin sagt mir la
chend, was nicht weit davon ist, eine
Wahrheit zu werden: „Wissen Sie,
wir sind die Verbannten von Venedig."
Und sie fügt mit einer traurigeren
Nuance hinzu: „Wir sind selbst, wie
Einige behaupten, eine kleine Gruppe
von Verbrechern Europa."
Ich muß hier iu einigen Worten an
geben, welches zu dieser Zeit die Situa
tion von Mlle. Helene *** am rumä
nischen Hofe war. Von dem einfachen
Ehrenfräulein, das ich einst gekannt,
fand ich sie nun zur Verlobten des
Thronfolgers geworden. Es ist wahr,
die Kammer hätte nie ihre Einwilligung
zu dieser Heirath gegeben und der Kö
nig hatte die seine zurückgezogen. In
deß war nichts abgebrochen, da der
Kronprinz, von seiner Familie nach
Deutschland zurückberufen, um in fei
nem Stammschlosse einer strengen Zu
rückgezogenheit unterworfen zu werden,
Mlle. Helene*** weder ihr Wort, noch
ihre Briefe, noch ihren Verlobungsring
zurückgegeben hatte.
Die Königin welche die Vereinigung
ihrer beiden Adoptivtochter so sehr er
sehnt und weil sie diese Mesalliance ge
sördert, sich die Ungnade ihres ganzen
Volkes zugezogen hatte, verzweiselte
noch nicht. Die Journale Europas
kommentirten, die meisten mit Uebel
'wollen, diese seltsame Situation uizd
Mlle. Helene *** begann, nachdem sie
den Thron vor Augen gehabt und vier
Monate in diesem Zaubertraum gelebt
hatte, zu fühlen, wie Alles zerfloß,
gleichwie beim Erwachen...."
Von größtem Interesse ist, was Loti
über Carmen Sylva sagt über die
Schriftstellerin nämlich, nicht die Köni
gin von Rumänien. Es ist ebenso
viel Kritik darin, wie anziehende Schil
derung:
„Der Arbeitstisch der Königin war
bedeckt mit diesen deutschen „Blocks",
über welche ihre große, freie und auf
rechte Schrift so flink hinlief, mit all'
den lieben, zum Schreiben gehörigen
Sächelchen, mit ihren Initialen und
ihrer Krone geschmückt. Ihre höchste
Zuflucht in den verzweifeltsten Stim
mungen find diese Blocks, deren ein
zelne Blätter, mit fieberhafter Eile be
schrieben, eines um das andere abge
rissen werden. Die Königin, welche
mehr geschrieben hat. als irgend ein
Schriftsteller ihrer Zeit, hat sie zu
Tausenden abgerissen, diese Blätter,
über die ihre Feder hingeeilt war
eine jener Federn, die "»»»s tin" ge
nannt werden, die endlos schreiben,
»hne daß man sie einzutauchen brauchte.
Gedichte, Aphorismen, Romane und
Dramen, immer im Fieber tonzipirt,
geschrieben in äußerster Hast, in er
schöpsender Anstrengung, um so schnell
wie möglich alles Unausgesprochene zu
sanimenzusassen und zu fixiren, was in
Ströme» aus der Imagination herauS
fluthete.
Und so ungleich: einige Werke rei
chen an erhabener Größe hinan; andere
blieben unvollendet, in einander ge
wirrt, wie sie es waren durch den gleich
zeitig entstehenden Keim der folgenden
Arbeit. Kein Werk ist genug durch
gearbeitet da die Königin sich in ber
in der Literatur zu dem Irrglauben
bekennt, Alles müsse unmittelbar sein.
geschrieben im ersten Elan und dann
so gelassen werden. DaS so beträcht
liche Lebenswerk Carmen Sylvas, des
sen größter Theil für immer »«gedruckt
und verloren bleiben wird, hätte durch
die Hände eines gewissenhaften Sonde
rers gehen müssen; so ausgewählt, !
hätten diese Werte den Rang erworben !
den sie verdienen...
O! Ich will nicht sagen, die Arbeit
der Königin sei nicht charm.nt, so wie
sie ist; sie hat einen hoben Flug, der so
vielen geschickten Büchermachern versagt
ist; anderseits erräth man bis in ihre
schwächst«! Partien die große, edle,
vibrirende und zur Theilnahme heraus
fordernde Seele und für die, die
empfinde» und weinen, ist das genug
wenn auch nicht sitr die Menge lite
rarischen Mandarinen. Man staunt
selbst, daß diese Frau, als Fürstin ge
boren und gekrönte Königin, seit zwan
zig Jahre» so alles menschliche Weh er
gründen konnte und bis in die Tiefen
erfassen die niedrige Noth der Kleinen >
und der Armen."
Die geistige Ueberanstrengung, meint
Loti, habe noch mehr, als der Kummer
ihre Krankheit verschuldet. Um 3 Uhr
Morgens zündete sie ihre Lampe an und
arbeitete. Dann nahm das Tagwerk
als Königin sie ganz in Anspruch und
hielt sie sest bis ll Uhr Nachts. In
Venedig, als Loti sie sah, arbeitete sie
noch. Ihr Buch hatte deu Titel: „Das
Buch der Seele." Sie versprach Loti,
ihm etwas daraus vorzulesen aber
in der Gondel. Sie sügte hinzu: „Ich
muß Sie aber ausmerksam machen,
hüten Sie sich: das ist das Buch einer
Närrin! Denn Sie wissen, daß mein
Kopf, wie es scheint " und mit
ihrer schönen Hand, fast durchschei
nend in ihrer Magerkeit, b'fchrieb sie
zwei drei Kreise in der Luft .vor ihren
Augen, um anzuzeigen, diesmal wirk
lich lachend, daß ihr Kopf beschuldigt
war, stark wirblich zu sein "
Die älteste Univerfilüt.
Nicht in Europa ist die älteste Uni
versität zu suchen, sondern in Afrika,
und zwar in dem marokkanischen Fez.
Es ist die keruinische Universität,'so ge
nannt von ihrer Gründerin, Fatme
der Heiligen aus Kairuan in Tunesien,
die im 9. Jahrhundert n. Ehr. lebte.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß da
mals, wo Paris, Oxford, Cambridge,
Padua und Bologna noch keine Univer
sitäten hatten, Studenten aus Anda
lusien, Frankreich und sogar auch Eng
land nach Fez wanderten und dort ge
meinsam mit Tunesiern, Tripolita
niern, Aegyptern u. s. w. studirten.
Fez ist noch heute der westliche Hauptsitz
der mlihamcoanifchcn Theologie. Ein
englischer Gelehrter, Stephen Bonfal,
der längere Zeit dort lebte, hat die
Universitätsverhältnisse eingehend er
forscht und darüber in der „Fortnightly
Review" einen Artikel veröffentlicht,
dem die „Frkf. Ztg." folgende Einzel
heiten entnimmt:
Wie alle richtigen Universitäten, ist
auch die Keruiua eine Republik, die sich
selbst regiert. Sie begreift iu sich die
Fukis, die eigentlichen Professoren, und
die EminS, jo viel wie Beigeordnete;
aber diese beiden Gattungen haben mit
der bloß der Gläubi
gen und der Studenten, sondern auch
der Maulthier- und Kameeltreiber zu
rechnen, die in diesen Räumen Verkeh
ren; der Sultan selbst kann nichts ge
gen diese Privilegien ausrichten.
Vor drei Jahren setzte er den Mokka»
dem ab, den Rektor der Universität, der
sein Amt auf Grund des Erbrechts
durch seine direkte Abstammung von der
heiligen Fatme besitzt; es erhob sich
aber ein solcher Sturm unter der Be
völkerung der Universität, daß die Ab
setzung wieder rückgängig gemacht wer
den mußte. Der Sultan ergriff dezt
Ausweg, daß er erzählte, sein Vater sei
ihm im Traum erschienen und habe
ihn gebeten, den Mokkadem wieder ein
zusetzen. Seitdem hat sich der Sultan
nicht wieder in die Angelegenheiten der
Universität eingemischt. Der wissen
schaftliche Werth der Keruina ist natür
lich nicht groß, der größte Theil der
Studenten kann kaum selbst lesen uns
schreiben.
Auf der Universität besteht ihr Stu
dium darin, daß sie ihre Unwissenheit
vervollständigen durch das äußerliche
Studium der Bokharie (einer Art' Ta
lmud des Muhainedaiiismus), der Astro
logie und des Prophelenthnms. Nur
wenige Begabtere sind kühn genug, die
Mathematik zu studiren, die ganz in
den Ueberlieferungen der arabischen
Wissenschaft stecken geblieben ist; Andere
werden Juristen: die Zahl sämmtlicher
Studenten beträgt etwa tausend, da
runter sind gegen 400, die sreie Ver
pflegung haben. Die Freischüler be
kommen eine ziemlich magere Kost aus
der Stiftung, die noch von Fatme her
' rührt, und alle Jahre ein Gewand, ibre
einzige Kleidung. Sie schlafen in den
Höfen der Moschee, trinken das Wasser
der Springbrunnen und essen trockenes
Brot dazu. Andere bekommen Unter
knnst bei irgend einem Kaufmann der
Stadt, dem si», als Entgelt für Kost
und Wohnung, verschiedene Tienste lei
sten; sie besorgen ihm Ausgänge, füt
tern seine Maulthiere u. dgl. So
bringen sie die vier bis sünf vorgeschrie
benen Jahre zu. nach deren Verlauf fi«
Lehrer, Priester, Notare, Friedens
richter werden.
Die wahre Reue.
„Reue vernichtet Schuld,"
So hör' ich viele sagen.
Die. darein eingelullt.
Sich dann danach betragen.
Der Ouell ist rein und klar.
Doch wer iyn recht will brauchen,
Muß nackt mit Haut und Haar
Sich ganz o'rm untertauchen.
So ist es mit der Reu':
Soll sie «ie Schuld vernichten.
So muß man, ohne Scheu
Bor Schmerz, sich selbst erst richten!
Die neue Schr«tb«<»schtne.
Mr. Bulles, ein bekannter Bankie«
in New Park, hatte, der Richtung de»
Mode folgend, ' sich eine Schreibma
schine angeschafft und überließ eS seinem
Prokuristen, aus der Zahl der Bewer
ber sich die geeignetste Person zur Be
dienung der Maschine auszuwählen.
Diejenige, welche den Vorzug des En
gagements erhielt, war eine große, im
posante Dame von auffälliger Schön
heit und dem hochmüthigen Wesen einer
Herzogin. Sie kleidete sich geschmack
voll, und mit ihrer Art und Weife, sich
an die Schreibmaschine zu setzen, machte
sie eher den Eindruck einer großen
Dame der Gesellschast,welche sich herab
läßt, gelegentlich «in Stück auf dem
Pianino zu spielen, als den einer be
soldeten Schreiberin. Es sah aus. als
wäre das ganze Personal in ihrem
Dienste und als bestünde ihre Beschäfti
gung nur in der Kontrolirung ihrer
Millionen.
Mr. Bulles hatte immer das Gefühl,
als müsfe er sie erst um Erlaubniß fra
gen. ob er rauchen dürfe, und war mit
unter fast ängstlich, sie zu bitten, ihm
einige seiner Korrespondenzen nieder
zuschreiben. Welche Arbeit jedoch er
ihr auch immer gab, sie verrichtete sie
so gut wie sie nur irgend gethan wer
den konnte, und so hatte er an ihr
nichts weiter auszusetzen, als ihren
Hochmuth. Endlich beschloß er. ihren
Stolz zu beugen. Er hatte sich die ganze
Zeit über unbehaglich und gebrückt
durch ihre Ueberlegenheit gesühlt, nun
sollte sie einmal ihm gegenüber dasselbe
empfinden.
So rief er sie denn am nächsten Mor
gen in'S Comptoir, und nachdem er ihr
einige Geschäftsbriefe diktirt hatte, sagte
er:
„Nun kleinere Bogen, bitte. Sind
Sie fertig? Warten Sie." Sorglos
auf die Spitze feiner Cigarre beißend,
starrte er eine Weile sinnend durch das
Fenster.
„Lieber Jim," begann er, „ich danke
Dir vielmals, aber es wird nicht mög
lich fein, durchaus nicht. Ich habe
ein für allemal auf jedes Amt im poli
tischen Dienste verzichtet, und obgleich
die Stellung als Gesandter in einer
Stadt wie St. Petersburg außer
ordentlich ehrenvoll und die Wahl mei
ner Person höchst schmeichelhaft ist,
könnte ich doch New ?)ork und meine
Thätigkeit hier nicht aufgeben. Sage
dem Präsidenten in amtlicher Spracl>«,
er wäre sehr gütig, aber er müsse sich
nach jemand Anderem umsehen. Meine
besten Empfehlungen für Mrs. Blaine,
und genehmige die herzlichste Condola
tion zu dem V»rlust unseres Hauses.'
Der Deinige.
Sr. Hochwohlgeboren Herrn James G.
'Blaine, Washington, D. C."
Das an der Maschine arbeitende
Mädchen brachte dies mit ruhigem, un
bewegtem Gesicht zu Papier. Der
Ernst ihres Betragens war durchaus
unverändert. „Ist das Alles?" fragte
sie jetzt.
„Ja," antwortete Bulles matt, „ja
ich glaube, das ist Alles." Er war
durch solche Kleinigkeit nicht muthloS
zu machen und berief die Schreiberin
während des Nachmittags zu sich, um
ihr folgende Note zu diktiren:
„Mr. Delmonicos. Sie wollen
mir gefälligst eines Ihrer größten Pri
vat-Speisezimmer für morgen Abend
vorbehalten und ein Abendbrod für
hundert Personen vorbereiten. Meine
Zimmer sind zu klein, ich wünsche des
halb ein größeres bei Ihnen. Treffen
Sie Anordnungen, daß später getanzt
werden kann, und bestimmen Sie De
korationen nach Ihrem Belieben, jedoch
gehen Sie mit Blumen nicht über 1000
Dollars. Ihr Ergebener."
Die nächste Note lautete:
„Lieber, alter Junge! Ich würd«
.nit Freuden zusagen, aber Tuxedo
stimmt mit meiner Verdauung nicht
überein. Natürlich. Du kannst alle
haben, die Du wünschest. Die
beiden Führer sind nicht in der Stadt,
aber ich werde sie Dir kommen lassen.
Ich denke, der Preis, den Du mir sür
den Wagen bietest, ist annehmbar, und
Du sollst ihn dafür haben, umfomehr
als ich das Kutfchiren anfgeben und
mir eine Nacht anschaffen will.
Dein...."
Der letzte Brief war:
„Lieber Herreshoff! Die Zeichnun
gen langten gestern hier an und sind
wahre Schönheiten. Dem Aussehen
nach zu urtheilen, bin ich sicher, daß
das mir zum Ankauf empfohlene Bcnl
an Eleganz und Sicherheit alle übrigen
schlagen wird. Ich werde Ihren Rath
besolgen und von dem Fahrzeug Be
sitz ergreifen, sobald eS segelfertig ist.—
Achtungsvoll...."
Herr BulleS sagte: „Das genügt.
Wenn Sie fertig sind, lassen Sie mich
sehen." Er glaubte, eine kleine Spur
von Demuth an der hochfahrenden Per
son zu entdecken, doch zu zuversichtlich
war er nicht. „Wenn dies keinen Ein
druck auf sie macht," dachte er bei sich,
„dann schreibe ich morgen einen Brief
an die Königin von England und einen
an Gladstone, in dem ich mein Beda»,
ern ausdrücken werde, an den Festlich
keiten und Jagden im nächsten Sommer
nicht theilnehmen zu können."
Ali das Mädchen ihm die Briefe zur
Unterschrift vorlegte, schob er sie nach
lässig zur Seite mit dem Bemerken:
„Ich werde sie später unterschreiben und
selbst zur Post bringen."
In der That unterzeichnete er sie,
legte sie couvertirt unter verschiedene
andere Briefschaften, wo das Personal
sie nicht sogleich sehen konnte, und
machte weitere Pläne für die Zukunft.
Am folgenden Tage lehnte er drei Ein
ladungen zu DinerS bei den vornehm
sten Persönlichkeiten ab, berief einen
Architekten zu sich, den er mit dem Bau
eines Landhauses in Newport betrauen
wollte, und machte außerdem noch ein«
Bestellung auf ein kostbare« Damen
tollier.
Die Schreiberin fing an. «in wenig
mehr Interesse zu zeigen, und sagt«
jetzt: „Ja, mein Herr," statt einfach
„ja", womit immerhin schon etwas ge-
Wonnen war. Er merkte, daß er Fort
schritte machte.
Aber am vierten Tage erschien sie
mit einer womöglich noch kälteren Miene
als bisher und legte drei Briefe aus
sein Pult. Sie pflegte stets die Post
sachen für ihn zu öffnen und die Pri
vatbriefe von den Geschäftsbriefen zu
sondern. „Hier," sprach sie, „sind drei
Briefe, von denen ich nicht recht wußte,
ob sie Ihnen oder Ihrem Buchhalter
zu übergeben sind." BulleS blickte nach
der Unterschrift eines der Briefe und
las den Namen „H. Herreshoff". De"
Inhalt lautete:
„Herrn Henry Bulles!
Werther Herr! Ich hin im Besitz
eines mit Ihrer Firma Mfehenen und
von Ihnen eigenhändig unterzeichneten
Briefes, welcher sich auf eine Nacht und
eine fingirte Korrespondenz, die zwi
schen uns geführt worden sein soll, be
zieht. Da ich weder das Vergnügen
habe, mit Ihnen, noch mit der Angele
genheit der Nacht bekannt zu sein, so
kann ich nur annehmen, daß Jemand
Sie zu hintergehen beabsichtigt, und
sende Ihnen daher Ihren Brief
Ihr ergebener
H. Herreshoff."
Mr. Bulles wurde sehr roth und
wagte nicht aufzusehen. Er hätte gern
gewußt, wie weit das Mädchen wohl
den Brief gelesen haben mochte. Im
zweiten Briese stand: „Das von Ih
nen für Dienstag bestellte Privat-
Speisezimmer und Souper war genau
nach Ihrer Anweisung für Sie in Be
reitschaft gesetzt, aber Niemand erschien.
Sind wir im Irrthum, wenn wir glau
ben, daß hier ein Mißverständniß vor
liegt, oder daß Ihrem Schreiben, wel
ches wir zurückbehalten, irgend ein
schlechter Spaß zu Grunde liegt, oder
aber, daß Jemand Ihre Unterschrift
gefälscht hat. Wir erwarten umgehende
Aufklärung u. s. w.
DelmonicoS."
Mr. Bulles sank in seinem Stuhl
zusammen. Er öffnete den letzten
Brief mit unsicherer Hand. Das Mäd
chen stand immer noch hoch aufgerich
tet neben ihm gleich einem rächenden
Geiste. Der Brief war von einem
Freunde und enthielt einen Ausschnitt
aus einer Zeitung nebst folgenden Zei
len:
„Lieber Henry, hast Du diesen ein
liegenden Zeitungsartikel gelesen? In
des Himmels Namen, was bedeutet
das? Da muß sich Jemand einen nie
derträchtigen Witz gemacht haben, der
Dich aus's Empfindlichste berühren
muß. Es stand in großen Lettern au'
dem Zeitungspapier:
„Ist Henry Bulles geisteskrank?
Der wohlbekannte Bankier macht sei
nen Freunden große Sorge.
Washington, 11. 0., Der Sekre
tär der Bereinigten Staaten empfing
eine Mittheilung höchst merkwürdiger
Art von Henry Bulles, laut welcher
derselbe sehr hoheitsvoll den Posten
eines Gesandten in St. Petersburg zu
rückweist. Er ist sowohl dem Präsi
denten als Mr. Blaine gänzlich unbe
kannt, und es muß vermuthet werden,
daß entweder sein Geist etwas gestört,
oder daß er das Opfer eines niedriger
Scherzes ist."
Mr. Bulles ließ das Papier fallen
und schaute verzweifelt auf die Schrei
berin. „Gaben Sie jene Briefe zu>
Post?" fragte er.
„Ja", sagte die Herzogin streng.
„Ich»fand sie auf Ihrem Pulte, nach
dem Sie fortgegangen waren, und
nahm an, daß Sie vergessen hatten,
sie zur Post zu besorgen. War da?
nicht recht?"
„Sie sehen ein, daß ich Sie nicht
länger brauchen kann. Sie wissen zu
viel."
„DaS ist, meiner Meinung nach, ge
rade ein Grund, weshalb ich bleiben
sollte. Denken Sie nicht auch so? Sie
mögen sagen, Sie sind das Opfer eine
schlechten Spaßes geworden, ich aber
kann, sobald ich entlassen werde, an
ders sagen. Würden Sie es nicht vor
ziehen, mein Gehalt ein wenig zu er
höhen und mich weiter zu beschäftigen?"
Mr. Bültes blickte düster auf den
Zeitungsausschnitt, der vor ihm aus
dem Pult lag.
„Ja," sagte er grimmig, „eS ist
Keffer, Sie bleiben."
Merkwürdige Zeitungsannonce»
Die Zeitungen haben schon manche»
Todessall zur Kenntniß gebracht, aber
noch nie den meines seligen Onkels,
Commercienraths N. Ein Stick- und
Schlagfluß, der unglücklicher Weise ge
rade ihn traf, machte feinem Leben ein
Ende. Er starb, sich selbst unbewußt,
im 78. Jahre seines irdischen und im
ersten Augenblicke seines jenseitiger
Lebens.
AIS ich mich vor 25 Jahren mit dem
Proseffor N. verehelichte, glaubte ich
nicht, daß ich heute den verehrten Lesern
der schwabischen Chronik seinen Tod
anzuzeigen haben würde, und doch ist
es so. In einem Alter von 47 Jah
ren unterlag mein Gatte dem allzugro
ßen Gewichte seiner unergründlichen
Gelehrsamkeit, und so mußte er gestern
Abend seinen Geist aufgeben, der ihm
in den Literaturzeitungen so ost unge
rechter Weise abgesprochen worden ist.
Düs verehrliche schwarze, Seife be
dürfende Publikum, sowie alle extra
feine weiße. Stärke zu haben wün
schende Herrschaften erlauben wir aus
uns re Fabrik aufmerksam zu machen,
die beide so nothwendige Artikel in be
ster Qualität, und zu den billigsten
Preisen liefert.
Nichts ist der Ausbeu>
«ungSsucht mehr heilig; noch ehe der
Mensch geboren ist, wird er ein Opfer
der Spekulation. So hat sich in Lon
don eine Gesellschast gebildet, welche
die Familien gegen Zwillinge und
Drillinge versichert! Bei der Geburt
von Zwillingen zahlt sie 650, sind
Drillinge gekommen, 675
»lücher i« vorr»l«ed. 5
Viel weiß das Volkslied vom alten
Blücher zu singen und zu sagen, dem
unvergeßlichen Helden, dessen hnndert
sünfzigster Geburtstag unlängst gefeiert
wurde. Lieder waren eS zumeist, die
im Heere salbst entstanden, nach dem
Muster und der Melodie älterer Hel
dengesänge. So feierten die Soldaten,
als der Elbübergang bei Wartenberg
sich vollzogen hatte, den Marschall
„Vorwärts" am Wachtfeuer nach der
Weise vom Prinzen Eugen:
Ans dem Hauptquartier in Jessen
Schrieb nacy reiflichem Ermeffen
Vater Blücher den Befehl:
Morgen früh soll Nork marschiren,
Uebern breiten Elbstrom führen
Sein Armcecorps ohne Fehl.
Dann kam die gewaltige Völker
schleicht, und jetzt sangen die Preußen
nach der Melodie des aus der Frideri
ciaiiischen Zeit stammenden „Kaiser
Josef, willst Dn denn eines mit mir
wagen", dem geschlagenen Napoleon
nach:
Kennst Du nicht den alten Greis, Bill
cher, unsern Helden?
Der wird Dir von seiner Kunst, auch^
noch was vermelden.
Oder meinst, daß Blücher alt und nicht
könne fechten?
Donnerwetter, na. da kommst Du grad'
an den Rechten!
Vergeben- beschwört Napoleon die
Preußen, doch nicht so hestig zu sein,
nach der hübschen Melodie: „Geh',
Mädchen, packe Dich nach
Deiner Stickerei," er bekommt nur die
höhnende Antwort:
Bei Leipzig bist kaput gemacht
Mit Deinem großen Heer.
Jetzt wirft zum Land hinausgejagt,
Adje, Du Lamperöhr.
So folgen wir dem Siegeszuge der
Deutschen bis nach Paris hinein und
können auch dem Klageliede Napoleons
auf Elba lauschen. Indessen dieser sich
in Ingrimm verzehrt und verwegene
Pläne ersinnt, erfreut sich Blücher,
zum Fürsten von Wahlstadt ernannt
und mit der Herrschaft Krieblowitz in
Schlesien begabt, des behaglichen Frie
dens, doch jäh wird er aufgeschreckt:
Vadder Blücher sat in goder Roh
Un schmokt sin Piep Tobak derto,
Da kloppt ein wat an sine Dör,
Dat was de höllische Postcourier,
Und dadrin stund et schwart up wieß,
DeNapl wär wedder in Paris.
„Ei," sprak de Blücher, „dat wär mi
woll,
Js denn de Kerel düwelsdoll?
'T is god, nu malen wie noch en
Gang.
Mi würd hie so de Tied schon lang."
Ganz im Tone des alten Burschen
liedes vom „Growsmed", dem dieser
Sang nachgebildet rst, wird nun ge--
schildert, wie dem „Napl", als er den
Marschall Vorwärts kommen sieht, die
„Herztüte" schwach wird, und er legt
sich auf's Bitten:
„Ach Blücher, liebster Blücher mein.
So blüchre doch so arg nicht drein."
Aber unwirsch erwidert der Alte iv
seinem geliebten Platt:
„Holl 't Mul, Kujon, un fegg kein
Wurt,
Gliek ut ganz Frankreich mötst Dv
furt!"
Gustav iv. von Schweden und dl«
Offenbarn»»« Johannis.
Bekanntlich wurde Gustav IV. ent
thront und mußte den Bernadotteswei
chen, weniger bekannt dürfte aber fein,
daß an feiner Absetzung die Offen
barung Johannis Schuld trug. Schon
in früher Jugend machte sich bei ihm
eine Vorliebe zum Mystizismus bemerk
bar, welchem er sich, bereits mit acht
zehn Jahren zum felbstständigen Regie
ren gelangt, ganz und gar hingab. Er
fand feine größte Freude in dem Stu
dium des Ueberfinnlichen, und sich in
die Schriften SchwevenborgS nndJung-
StillingS vertiefend, verfuchte er dir
Räthset der Geisterwelt zu entschleiern.
Dieses bewog ihn schließlich nicht nur
sein privates Thun und Lassen, sondern
auch seine Regierungshandlunge» nach
den dunklen Sprüchen der Apokalypse
zu regeln.
Einst erließ Gustav den Befehl, 888
Eichen im königlichen Thiergarten zu
füllen. Zwar war eine Lichtung im
Parke nothwendig, aber es blieb uner
findlich, wie der König gerade zu dieser
Zahl gelangt war. Die Veranlassung
war schließlich die, daß Jung-Stilling
,888" als eine der heiligen apokalypti
schen Zahlen bezeichnet hatte! Auf
ähnliche Weise wurde ferner bekannt,
woher der fanatische Haß stammte, wel
chen Gustav in höchst unkluger Weis«
gegen Napoleon I. zur Schau trug.
ES waren keineswegs politische Gründe,
sondern er hatte hcrauSgetüftclt, daß
die Buchstaben des Namens Napoleon
die Zahl titiS ausmachten, die nach der
Offenbarung Johannis die „Zahl de»
Thieres" ist. Den Marsqall Brune
suchte Gustav zum Abfall von Napo
leon zu bewegen, den russischen Gesand
ten AlopäuS ließ er wider alles Völker
recht einsperren und seine Thorheiten
im eigenen Lande waren endlich so weit
gediehen, daß seine Entthronung
gen mußte.
Hoffnungsvoll. Baron X
ist nach einem sehr bewegten Jungge
sellenleben in den Hafen der Ehe einge
laufen. Bei der Hochzeitstafel nimmt
ihn der joviale Schwiegervater beiseite
und sagt: „Na. ich hoffe, Sie werden
jetzt solide werden und keine Dumm
heiten mehr machen." Salbungsvoll
erwidert Baron X., auf seine junge
Frau zeigend: „DaS soll meine letzte
sein!"
Falsch gedeutet. Student».
Ach. mir geht eS sehr schlecht heute!
Wirthin: Aber lassen Sie doch den Arzt
mal kommen! Student: Ach, der
pumpt mir ja auch nichts!