Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 20, 1893, Page 7, Image 7

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    S>««tschr roeainachrtchten.
Provinz Brandenburg.
In dem Dorfe Sandkrug bei Chorin
erschlug der Gastwirth Tschirner einen
polnischen Knecht im Streit mit der
Heugabel. Tschirner wurde verhaftet
und in das Amtsgefängniß zu Oder
berg gebracht. 112 An Frankfurt a.O.
der Wirkliche Geh. OberMedicinalrath
a. D. Dr. Carl Louis KerscMdt.' —
Der Schuhmacher Philipp aus Fichten
wall ist wegeMErmorduug des Försters
Schulz voin Schwurgericht zum Tode
verurtheilt worden. Der Ausschuß
zur Errichtung eines Denkmals sür
Kurfürst Friedrich 1. bei Friesack hat,
unter Verwerfung aller anderen Ent
würfe, die beiden von Calandrelli und
Boese zur engeren Wahl gestellt. Der
Kaiser hat für das Denkmal einen Bei
trag von 1000 M. bewilligt.
Provinz Ostpreußen.
Da? zu Insterburg
hat die drei Dienstleute Christof Wab
bulat. Fred. Äolz und Wilh, August,
welche in der Nacht zum 27. September
v. I. den Gutsbesitzer Reiner aus
Schoneberg, der aus der Stadt zurück
kehrte, aus der Landstraße ermordet
und beraubt hatten, sämmtlich zum
Tode verurtheilt. Der vor einigen
Tagen verstorbene FleischermeisterSteff
ler hat den größten Theil seines bedeu
tenden Vermögens dem Mädchen-Wai
senhause in Goldap und der städtischen
Armenkasse vermacht. Die Unter
schlagungen des Kreissparkassen-Ren
danten Wenghoffer in.Gumbiiinen be
laufen sich, wie in der letzten Sitzung
des Kreistages mitgetheilt wurde, auf
142,204 Mark. Davon entfallen auf
die KreiKsparkasse etwa 94,000 Mark,
das Uebrige auf die Kommunalkasse.
Zln baarem Gelde hat Wenghoffer bei
der Kommunalkasse 24,204 Mark ver
untreut. Auf Vorschlag des KreiS
anSschusse-Z beschloß der Kreistag, die
zesälschten Sparkassenbücher als giltig
anzuerkennen. —Ueber das Vermögen
der Handelsgesellschaft I. Maschkeck
Co. in Gumbinnen ist der Concurs er
öffnet worden.
Provinz Westpreußen.
Rechtsanwalt und Notar, Justizrath
Mangelsdorff in Graudenz feierte sein
50fährigeS Amtsjubiläum. Der
Schuhmacher Kindeleit aus Schwetz,
welcher in Graudenz die 71jährige
Kmilie Leitgieb, mit welcher er ein
Verhältniß angeknüpft halte, sowie de
ren 11jährige Enkelin Ottilie Wahnke
und vom Schwurgericht zum
Tode verurtheilt worden war, wurde
zurch den Scharsrichter Reindel aus
Magdeburg hingerichtet. Der Kauf
mann und Gasthauspächter Kraft aus
Chmielno, der im vergangenen Jahre
m der Nacht zum 9. October vom
Pfarrhofe aus, durch das Fenster nach
der Schlafstube des Pfarrers Bober
»inen Schuß abgefeuert hatte und da
für vom Schöffengericht zu sechs Mo
naten Gefängniß verurtheilt worden
var, hat fich, nachdem die eingelegte
Berufung keinen Erfolg gehabt hat,
durch die Flucht nach Amerika dieser
Strafe zu entziehen gewußt.
Provinz Pommern.
In der städtischen Sparkasse in
Treptow a. T., soll nach dein Tode des
Ziendanten FloS ein nicht unbeträcht
liches Desieit entdeckt worden sein.
Zicuerdings spricht man auch noch von
verschwundenen und gefälschten Wech
seln. Ihren 102. Geburlstag feierte
»ie in Allwarp wohnhafte Frau Ren
-tier I. Doris, geb. Radmann, in ver
hältnißmäßig noch sehr guter körperlicher
und geistiger Rüstigkeit. Die Wittwe
des verstorbenen Lootsen Küster in Use
dom hat sich einer schweren Krankheit
wegen im Jürgen-See ertränkt.
Konkurse! Handelsgesellschaft Eisenberg
Behrendt inStettin. Dachdecker Paul
Hiebsch in Dramvurg. Kaufmann Ju
lius Schulz in Kallis. Goldarbeiter
Heinrich Kurich in Kolderg. Kaufmann
Max Born und Buchhändler E. Rahi»
m St-olp.
Provinz Schleswig - Hol'
st e,i n.
Der Posten unseres StadtcasfircrS
«ist als erledigt angezeigt. Die falschen
Buchungen HanssenS scheinen hinaus
gegangen zu sein über eine Verheim
lichung des Fehlbetrages von 8000
Mk., doch wird schwer festzustellen sein,
wie osl und wie viel falsche Buchungen
«vorgenommen sind. Auffallend ist es,
daß in der Jahresrechnung von 1890
—9l ein Posten von 8000 M. als
„angeliehen von der Creditbank" sich
'vorgefunden hat, während niemals eine
solche Anleihe gemacbl ist. Der Regie
rnngsrevisor Starnitzky, welcher mit
6er Revision beauftragt war, hat seine
Ermittelungen eingestellt, und die ge
richtliche Unlersuchung wird jetzt die
weiteren Aufklärungen geben. Für
I»c Nothleidcnben Altonas sind bis jetzt
lüder 300,000 M. rn Baar nnd außer
dem große Zusendungen an LebenS
ontteln eingegangen. —Die „Attonaer
DarlehnStasse von 1K82" das ist der
Name der vom Untcrstütznngsinstitut
zu dem Hiveck gegründeten Kasse, klei
nei«n Geschäftsleuten und G:werbe
treibeuden Altona s, deren Geschäfte
durch .die. Choleraseuche in'S Stocken
gerathen sind, durch Darlehen eine
Unterstützung »u gewähre» hat nun
mehr ihren Betrieb eröffnet. Die Katze
wird Darlehen im Betrage von 2H>
bis 3000 Mk. z» dem Zinsfuß von S
Procent jährlich vergeben. Die
städtischen Collegim ertheilten dem In
genieur Beringer in Charlottcnbnrg
die Erlaubniß zum Bau einer elektri
scheu Eisenbahn zwischen Altona und
Blankenese.
Provinz Schlesien.
Der Secretär des SreisausschusseS
Niegel in Lublowitz dessen Verhastung
wegen Unterschlagungen semer Zeit ge
meldet wurde, ist zu drei Monaten Ge
fängniß verurtheilt worden. 112 In
Mühlradlitz der ehemalige deutfchfrei
siniiigc Reichstagsabgeordnete, Fabrik.
besttzer Gustav Richter. Die projek-!
tirte Eisenbahnlinie Naumburg—Lö
wenberg ist vorläufig festgestellt. Sie
geht über Gießmannsdors dicht an dem l
Neuländer GypSwerk vorüber auf der
Nordseite von Langenvorwerk, sodann
über die Schäfereiwiesen, durchschneidet
dann den langen Berg und überschrei
tet gerade an der Grenze der Löwenber
ger und Groß-Rackwitzer Feldmark die
Chaussee, dann geht sie über die Kuh.
wiese nach Bahnhof Löwenberg.
Provinz Posen.
112 In Stallupönen der Postdirector
Gustav Rhode. Die Befitzersfrau
Schmidt auf Petrofchken hatte in Tilsit
aus dem Markt sür ungefähr 50 M.
Schweine verkauft. Am Abend kam
das Fuhrwerk aus dem Hof« an, und
aus dem Wagen fand man die Besitz«
rin mit zertrümmerte» Schädel als
Leiche vor. In Wehls« erschoß fich
der Rechtsanwalt K.
Der in Samter vor einigen Tagen
seines Dienstes entlassene Stadtbrief-
Wagner, der wegen Urkunden
fälschung und Unterschlagung verhaf
tet werden sollte, hat die Stadt heim
lich Verlasien. 112 In Schneidemühl
der Landrichter Kedcr, welcher vor
mehreren Wochen ein Rencontre mit
dein Bezirkskommandeur, Oberstlieute
nant Hosfmaiin, hatte. Der Lehrer
Werner in Schneidemühl feierte sein
50jähriges Lehrerjubiläum.—Der vor
einigen Wochen in Posen verstorbene
Rentier Abraham Isaak Hepner von
Sckrimm vermachte testamentarisch
6000 Mk. zu Gunsten der Elementar
lehrer der Stadt Schrimm und 3000
Mk. für die Elementarlehrer der Stadt
Jaratschewo, seiner Geburtsstadt, ohne
Unterschied der Konfession u»d Natio
nalität der Lehrer.
Provinz Sachsen,
112 Auf seinem Stammsitz Bockelnha
gen bei Osterhagen der Senior der frei
herrlichen von Minnigerode'fchen Fa
milie, Ludwig Freiherr von Minnige
rode. Die Bücher und das sonstige
Eigenthum des Deutschen Schneider-
und Schneiderinnen-Verbandes, welcher
i:> Magdeburg seinen Sitz hat, sind
mit Beschlag belegt worden. Vor
dem Schwurgericht in Magdeburg bil
dete ein Drama aus dem Wildschützen-
Leben den Gegenstand der Verhand
lung. Angeklagt waren die Bergleute
Friedr. Erbs und Samuel Schröder,
beide aus Lödesburg. Schröder ist be
reits im October 1891 vom Schwurge
richt in Halberstadt zum Tode verur
theilt worden, weil er den Förster Tan
germann, der ihn beim Wildern ab
faßte, erschossen hat. Erbsist auch
vielfach vorbestraft. Nach umfangrei
cher zweitägiger Verhandlung wurde
Erbs wegen Jagdvergehens und ver
suchten Mordes in je zwei Fällen zu 12
Jahren Zuchthaus und Schröder wegen
versuchten Mordes und Jagdvergehens
zu Jahren Zuchthaus verurtheilt.
Bemerkt mag noch werden, daß ein
Vetter des Schröder kürzlich vom hiesi
gen Schwurgerichte zuin Tode verur
theilt wurde, weil er beim Wildern
zwei Forstbeamte erschossen hatte.
Professor Wanderer in Nürnberg er
hielt von der Stadt Eisleben den Auf
trag. Luthers Sterbehaus stilgerecht
einzurichten und mit Malereien auszu
schmücken. In einem Raum wird ein
Katafalk errichtet, welcher das noch vor
handene echte Leichentuch Luthers trägt.
Provinz Hannover.
Mit einer zweitägigen Feier beging
der „Hannoverische Künstler-Verein"
sein 50jäh>igeS StistungSscst. Am
zweiten Festtage wurde im Provinzial-
Museum eine Ausstellung von Werken
der Mitglieder des Künstlervereins «us
dem Gebiete der Malerei, Skulptur und
Architektur eröffnet. Die Ausstellung
saßt im Ganzen weit über 1000 Stücke.
Im Leidnitzhause sind jetzt fleißige
Hände bemüht, die letzten Aus
schmückungen der Räumlichkeiten anzu
bringen, lo daß nach und nach die
Sammlungen des Kunstgewerbevereins
aus dem allen Rathhause in das neue
Heim gebracht werden können. Auf
die große Umwandlung weist eine im
Innern der Halle über der Thür an
gebrachte Inschrift hin: „Anno Domini
1891 und '92 wurde dieses HauS,
nachdem es mancherlei Schicksale ersah
ren, vom preußischen Staate wieder
hergestellt als ein Denkmal alter Zeit
und die ehrwürdige Wohnstätte großer
Bürger." Auch der Hofraum wird in
entsprechender Weise hergerichtet. Hier
baut man gegenwärtig eine offene Ve
randa, in der später wohl Erzeugnisse
des Kunstgewerbes ausgestellt werden
sollen.—i August Scheele, ein lang
jähriger Berichterstatter Hannover scher
Zeitungen. In Sachen der nach
großartigen Defraudationen von Han
nover flüchtig gewordenen, in Amster
dam jedoch festgenommenen beiden Ban
kier« Seemann und Rosenberg ist nun
auch der seiner Zeit ebeiisalls flüchtig
gewordene Rentier Arnold Lichlner ver
haftet worden, und zwar in dem Au
genblicke, als er ein ihm von hier nach
gereistes Fräulein auf dem Bahnhofe
in Bafel in Empfang nehmen wollte
Provinz Westfalen,
112 In Bielefeld der Gymnasial-Ober
iehrer Professor Johannes Hollenberg.
Der Stadtverordneten-Vorsteher Dr.
med. Schmidtmann in Bielefeld wurde
des Morgens todt in seinem Bett aus
gesunden; er war einem Gehirnschlage
erlegen.
Rheinprovin».
112 In Burtscheid Commerzienrath
Arlhur Pastor. 112 In Eleve einer der
letzten. Offiziere aus den Befreiungs
kriegen, der Major a. D. von Cron
stein. Er war bei der Formation des
7. Husaren-Regiments im April 1815
anwesend und mit dem Rest des Schle
sischen National-Husaren-Regiments in
jenes eingetreten. In Berlin war er
in den vierziger Jahren längere Zeit
Vorsitzender Tirector der Berlin-Anhalt
tischen Eisenbahn. —ln Crefcld ist ao
Stelle der bisherigen ArbeitSiwth plötz
lich Arbeitermanae! und
man sucht nun fremde Weber heranzu»
ziehen. Trotzdem denken die Fabri
kanten nicht daran, die im vorigen
Winter um 20 Prozent herabgesetzten
Löhne wieder aufzubessern. Die Weber
sind aber infolge des Nothstandes im
letzten Jahre nicht auf einen Strike ge
rüstet, und so werden trotz deS glän
zenden Geschästsganges unserer Indu
strien wohl die schlechten Löhne des letz
ten Winters bestehen bleiben.
ProvinzHessen-Nassau.
Eine im Römersaale in Wiesbaden
abgehaltene Versammlung hat einstim
mig beschlossen, im Jahre 1894 zum
50jährigen Bestehen des nassauischen
GewerbevereinS eine Kunst-Gewerbc-
Jnduftrie-Ausstctlunq für Nassau zu
veranstalten. Das Bahnprojekt Kas
fel-Wolshagen-Voltmarsen geht seiner
Verwirklichung entgegen, obgleich sich
demselben sehr bedeutende Terrainschwie
rigkeiten entgegenstellen. Ein Tunnel
wird über 300 Meter lang und 20 Me
ter hoch werden. Mit dem Bau wird im
Laufe des kommenden Sommers begon
nen werden.
Königreich Sachsen.
Auf Veranlassung der Postbehörde
wurde in Leipzig ein junger Mann ver
haftet, der HaudliMgsgehülfe Theodor
Arthur vou Wissel! auS Dresden, wel
cher einen Geldbriesträger i» seine
Wohnung gelockt hatte, augenscheinlich
in der Absicht, denselben zu ermorden
und auszurauben. Er wurde in dem
Augenblick sestgenommen, als er wieder
einen Geldbries ausgeben wollte. Bei
ihm fand die Polizei ein geschliffenes
Beil und mehrere Messer vor. In
einer seiner Wohnungen sand sich ein
großer neuer Koffer vor, der anschei
nend dazu bestimmt war, die Leiche des
Ermordeten auszunehmen. Auch in
einer zweiten Wohnung stand ein riesi
ger Koffer bereit. Wenige Tage
später wurde geqen den Geldbriesträger
Knösel von zwei jungen Leuten eben
falls ein Attentat versucht. Die beiden
Angreifer übersielen den Beamten aus
der Treppe des Grundstückes No. 6 der
Buchhandlung von Hermann Mendels
sohn und warsen ihn zu Boden, muß
ten aber, als auf Knöfel'S Hilferufe
ein Angestellter des Geschäfts hinzukam,
eiligst das Weite suchen, ohne ihren
Zweck erreicht zu haben. In Knöset's
Geldtasche befanden sich 8000 M. Auf
Ermittelung der Räuber hat das Po
lizeiamt. sowie die Postverwaltung eine
hohe Belohnung ausgesetzt. Der
Resta«rateur Kanold. in Leipzig ist
verschwunden, nachdem er die von sei
nem Büffetier gestellte Kaution im Be
trage von 700 M. in die Tasche ge
steckt. Die Ehefrau des Lehrers
Müller hat in einem zum Rittergut
Rauenftein gehörigen Teich freiwillig
den Tod gesucht. Der Geh. Kom
merzienrath Ernst Jordan, Mitinhaber
der Dresdener Firma Jordan ck Ti
mäus. auf dem Rittergut Unwürde.
Bäckermeister Kühl in Markranstädt hat
sich erhängt. Der Grund des Selbst
mords sollen zerrüttete Vermögensver
hältnisse sein. Beim Obstabnehmen
siel der Gutsbesitzer Gotth. Löser iu
Mauersberg vom Baum und erlitt so
schwere Verletzungen, daß er nach kur
zer Zeit starb.
Hessen-Darm st ad t.
112 In Heppenkeim der pensionirte
Lehrer Peter Müller.—Der Großherzog
hat das Protektorat über die im August
1893 in Mainz stattfindende interna
tionale Ausstellung von Erzeugnissen
und Gcbranch-gcrüthen der Bäckerei.
Konditorei und verwandter Gewerbe
übernommen. 112 Der Inhaber der
Hotzfirma und Flößerei „A. Messer
schniidtimKastel," Adam Messerschmidt.
112 Der Gymnasiallehrer Dr. Schnei
der. 112 Baurath Albert Schöneck.
Beim Kahnjahren im Hasen sind der
Setzerlehrling- Trout »ud der Steuer
mannslehrling Engel ertrunten.—Der
pensionirte Bahnbeamte Kern von der
Gustavsburg wurde iu der Wirthschaft
von Schucks in Grinsheim vom Schlage
getroffen und war sofort todt. Der
Kurz- und Wollwaarenhändler I. G.
K. von Michelau hat sich erschossen. —
112 In Ober-Eichbach der pensionirte
Kreisarzt Dr. Valentin Fritzel.
Königreich Bayern.
Ein Opfer feines Berufs ist der in
oer ganzen Gegend beliebte, leutselige
Arzt Dr. Strudel in Ludwigsstadt ge
worden. Er «ahm an einer Patientin
eine Operation vor und verletzte sich
dabei den einen Finger. Die hinzuge
tretene Blutvergiftung hat den Tod des
hochgeachteten Mannes herbeigeführt.—
Auf einer Treibjagd in Dietenhofen
wurde der Kaufmann Neumeier von
Großhabersdorf von dem Oetonomen
Stradtner von Neudorf durch einen
Schuß in den Kopf getödtet. Die
Müller'sche Bierbrauerei in Miltenberg
ist abgebrannt. In Allertsried kam
der Hirt Hofttetter mit seinem Schwa
ger, dem Genieindcdiener Fiederer von
dort, wegen einiger Psennige Bodcn
zinS in streit, in dessen Verlaus Hos
stetter dem Fiederer einige Faustschläge
aus den Kops versetzte, so daß Fiederer
alsbald das Bewußtsein verlor und am
solgenden Tage starb. In der Vor
stadt Riedseld bei Neustadt a. A. stieß
sich der Oekonom Billner einen Sprei
ßel in den Zeigefinger der rechten Hand.
Die Wunde entzündete sich; Billner
nahm nicht rechtzeitig einen Arzt und
so starb er an Blutvergiftung.—Adam
Oppelt von Neustadt a. d. S., welcher
in Würzburg Philosophie studirte, hat
sich im Eisenbahncoupe in der Nähe von
Franksurt a. M. durch einen Revolver-
Ichuß lebensgefährlich verletzt. Un
glückliche Liebe soll ihn zu den, verzwei
felten Schritt getrieben haben.
Königreich Württemberg.
Der verstorbene Privatier Franz Jo
seph Grunvogel von Waldsee hat sür
die katholischen Missionen I2,0«)0 M.
testamentarisch vermacht. Während
er sich zum Abschluß eines Hopsenver
kauss in einer Wirthschaft befand,
wurde der Weingärtncr Gottlieb Ziel
fleifch in Wangen vom Schlage gerührt.
Er war sofort todt. Der Untermiil
ler Simon Hayder wurde zwischen We
sterheim und Feldstetten unter seinem
Fuhrwerk liegend todt aufgefunden.—
Durch Feuersbrünste wurden einge
äschert: In Bavendorf die Gebäude
des Gemciiideraths Hug; in Dettingen
das Anwefen des Oekonomen Schenzle;
in Hochdorf Wohnhaus und Scheuer
des Bürgers Wilh. Kälberer; in Hun
dersingen das Anwesen des Bürgers
Andreas Spieß; in Langentrog Wohn
haus und scheuer des Oekonomen Jo
seph Veser; in Liemersbach Sägemühle
und Wohnhaus des Albrecht Feil; in
Oberroth die Bierbrauerei „Zur Rose"
von Posthalter Heinz nebst einer Dop
pelscheuer; in Oetisheim das Wohu-
und Wirtschaftsgebäude, sowie die
Scheune des GastwirthS Huttenloch; in
Scheer das Cellulofefabrikgebäude der
Holzstofffabrik von Krämer Klein
logel; in Unterthalheim das Doppel
haus deS Schreiners Aug. Klint und
der Wittwe Ade; in Zwerenberg das
Wohnhaus der Wittwe Luz.
Großherzogthum Bade».
Der Kellner Piau von Heidelberg
hatte infolge einer Wette einen Distanz
marsch nach Paris angetreten, das er
in 6 Tagen erreichen wollte. 'Nach ein
tägiger Rast wollte er in gleicher Zeit
zurückkehren. Pfau hat sein Ziel nicht
erreicht, sondern ist per Bahn hierher
zurückgekehrt. Der UniversitätS-
Secretär Einleitcr in Heidelberg wurde
Morgens todt in seinem Arbeitszimmer
aiisgesunden. Ein Schlagfluß hatte
dem Leben des in der ganzen Stadt
hochgeschätzten und allgemein beliebten
Beamten ein jähes Ende bereitet.
Bankier A. von Hvser in Konstanz ist
zum Stadtverordneten - Vorsteher er
wählt worden. 112 In Konstanz Ober
amtSrichter a. D. Joseph Steinwarz,
Privatin Franziska Cadus, Maler
Karl Staiger. 112 In Hegne der Bür
germeister und Accisor Seb. Schieß. —
An der Bettstatt erhängt wurde die
Frau des Schuhmachers Steuer in Kerk
aufgefunden. Die Besichtigung der
Leiche ergab, daß die Frau erschlagen
und dann ausgehängt war. Als der
That verdächtig wurde ihr Schwieger
vater verhaftet, welcher sich im Gefäng
niß aufhängte.
Aus der Rheinpfalz.
Das Schöffengericht in Landau ver
urtheilte dcn verantwortlichen Redacteur
der ultramontancn „Land. Zeitung",
Meirner, wegen Beleidigung des ver
antwortlichen Redacteurs des national
liberalen „Land. Anz.", Dr. Hof
niaun, zu 650 M. Geldstrafe. —Bei
der durch den Rücktritt des bisherigen
Bürgermeisters Pallmanu nöthig ge
wordenen Neuwahl eines Bürgermei
sters für Landstuhl und Kindsbach
wurde beim zweiten Wahlgange der
Kaufmann Heinr. Klingel gewählt.
Wegen Verdachts der Anstiftung zum
Meineid ist d:e Ehefrau des Ziegeleibe
sitzerS Haag vcn Stemmenden verhaftet
und in das Uiitersuchuiigsgefäugniß
räch Zweibrücken eingeliefert worden
Elsaß-Lothringen.
Die aus den Friedhöfen von Straß
burg und sonst in der Bannmeile lie
genden Knegerleichen aus den Jahren
1870—71 werden gegenwärtig ausge
graben, um in einer gemeinschaftlichen
Grabstätte aus dem Friedhof St. Urban
untergebracht zu werden. Die 85
Jahre alte Wittwe Watrin zu Gorze
wurde iu ihrer Wohnung als halbver
lohlte Leiche aufgefunden. Sie hatte
sich vor den Ofen gesetzt, um sich zu er
wärmen, war dabei eingeschlafen und
eine aus dem Ofeu fallende Kohl? hatte
ihre Kleider entzündet. Zum Anden
ke» a» die voriges Jahr Heimgegangene
Wohlthäterin Fräulein Gscll in Bisch
weiler, welche dem Spital im Laufeder
Jahre nicht weniger als 100,000 Mark
hatte zukommen lassen, wurde die in
feinstem Marmor gearbeitete Büste der
selben im Hauptslur des Spitatgebäu
des aufgestellt.—Der durch anhaltende
Regengüsse angeschwollene Spinbach iu
Dieuze hat den größten Theil der Sladt
überschwemmt nnd unermeßlichen Scha
den angerichtet.—f In Dornach Pfar
rer Holder. Der Kirche hat er testa
mentarisch 16,000 Mark vermacht.
Der Gutsbesitzer Simon in Bollingen
hatte aus der Jagd das Unglück, den
Taglöhner Villus vou bort, welcher in
einem dichten Gebüsch Reiser zum
Korbslechteu schnitt, zu erschießen. Der
Unglückliche war aus der Stelle todt.
Freie Städte.
Die Auswanderung über Bremen
betrug nach Ausweis der amtlichen
Statistik im October l. I. 4615 Per
sonen, gegen 11,030 im Jahre 1891,
18,642 im Jahre 1390, 10,511 im
Jahre 1889 und 10,311 im Jahre
1888. Vom 1. Januar bis Ende
October wanderten über Bremen im
Ganzen 112,946 Personen aus. gegen
123,041 während der gleichen Periode
des Vorjahres. Nach den Ber. Staa
ten wanderten zusammen 111,497 Per
ionen, gegen 111,297 im Vorjahre
au«: nach dort hat also die Aus
wanderung etwas zugenommen.
Der .Norddeutsche Lloyd" hat bei
-chichau iu Elbing für die Reichspost
oainpserlinie einen neuen Dampser mit
einer Fahrgeschwindigkeit von 144
Meilen, serner in Newcastle einen gro
ßen Paffagierdampser von 14 Meilen
bestellt. Der KauspreiS für dcn
letzteren betrügt 2 Millionen Mark.
Der neuerbaute Doppetschrauben-
Lampfer wird, einem Beichluß des
Aufsichtsralhs zufolge, zu Ehren des
LegründerS dej Lloyds den Namen
„H. H. Meier" sichren. Wenn man
mit dem 31. Oktober das Erlöschen der
iholerascuche annimmt, hat dieselbe im
»anzen 10 Wochen (vom 20. August
.in) angehalten. Während dieser Zeit
sind 17,973 Personen erkrankt und
,'!9O dem Würgengel zum Opser ge
allen, also 42 Procent. Und zwar
rkraakten bis zum 20. August 85, ge
ltorben sind bis dahin 36 Personen; in
>er Woche vom 21. bis zum 27. Au
gust: 26SS und 1281; vom 2ö. August
bi» zum 3. September.637B und 3013', I
vom 4. bis zum 10. September 3362
und 1548; vom 11. bis zum 17. Sep
tember 2393 und 923; vom 18. bis
»um 24. September 1327 und 547;
vom 25. September bis zum I. Octo- >
ber 472 und 180: vom 1. October bis
zum 8. October 170 und 46; vom 9.
bis zum 15. October 71 und 25; vom
16. bis zum 22. October 24
und 7, und vom 23. bis zum
29. October 2 und 4 Personen.
Das Exckiitivcomite für die Linderung
des Nothstandes kann jetzt über nahe
drei Millionen Mark quittiren. Ein
sehr erheblicher Theil entfällt hiervon
auf unsere auswärtigen Freunde. Das
New Norker Hilfscomite sandte seine
Schlußabrechnung an das hiesige Co
mite; dieselbe schließt mit 142,392
Mk. ab. Einen unangenehmen Ein
druck macht es in der Bevölkerung, daß
die Polizeibehörde jetzt damit beginnt,
die Kosten sür die Choleratransport«
einzuziehen. Meistens handelt es sich
um Arbeiter und weniger gut bestellte
Leute, denen die Bezahlung dieser Ko
sten, die sich häufig bis zu 40 Mk. er
strecken, jetzt natürlich recht schwer fällt,
wenn auch Ratenzahlungen zugestanden
werden.
Schweiz.
112 Der aus Deutschland stammende
Schweizer - Sagensorscher und Lieder
sammler Ernst Ludwig Rochholz, frü
her Professor an der aargauischen Kan
tonsschule in Aarau.—Am Neujahr
übernahm I. B. Meier, Bankbeamter
in Aarau, die Redaktion des .Badener
Tageblatt".—ln Lenzburg feierten die
aargauischen Förster das fünfzigjährig«
Berufsjubiläum des hochverdienten
Stadtförsters von Lenzburg, Oberst
Valo v. Greierz, welcher während vier
zig Jahren die aargauische Waldbau
schule geleitet hat. —Die Sektion Frau
euseld deS kontonalen GewerbevereinS
hat sich bereit erklärt, die kantonale Ge
werbeauSstellung sür 1893 in Franen
seld zu übernehmen. —In EmmiShosen
entstand Nachts Feuer, welche» drei
Häuser iu Asche legte. Schreinermeister
M. Kohler, Besitzer eines der abge
brannten Häuser, wurde als der
Brandstiftung verdächtig verhaftet.
112 In Kreuzlingen der Komponist Theo
dor Gaugler, bis vor Kurzem Musik
lehrer am Lehrerseminar. Zwischen
Arbon und Romanshorn fiel Dr. Lut
terkorth von Romanshorn vom Dampf
schiff in die See und ertrank. Ob er
den Tod als Erlösung von einem un
heilbaren inneren Leiden suchte, steht
nicht fest. Er war ein Deutscher von
Geburt, aus sehr guter Familie stam
mend, und ein ausgesprochener Phi
lanthrop. Seiner Zeit hat er in Wort
und Schrift und unter Aufopferung
eines großen Theils seiner Einkünfte
große Propaganda gegen die Studen
ienduelle gemacht.—Daselbst hat sich der
frühere Eisengießer Rudolf Fretz iu
einem Anfall geistiger Störung ver
giftet. Der Unglückliche starb unter
schrecklichen Schmerzen. Der Sohn des
Fretz, dem der Vater ebenfalls von dem
Gift zu trinken gab, liegt schwer krank
darnieder.
Eine praktische Neue
rung ist soeben in London eingeführt
worden. Für Expreßbriefe hat. das
Postamt einen neuen Versuch angeord
net. Ein automatischer Briefkasten ist
zu dem Zwecke im Herzen der City vor
dem Börsengebäude ausgestellt worden.
Mittels eines in den Schlitz geworsenen
Penny erhält man ein Couvert, in dem
ein kleines, weißes, eine Karte ein
schließendes Couvert enthalten ist. Aus
die Karte kann man die zu befördernde
Botschaft schreiben, zu welchem Zwecke
ein kleines «schreibpult beim Heraus
ziehen des besagten Couverts vom Brief
kasten herabsällt. Gleichzeitig giebt
eine elektrische Glocke im zunächst gele
genen Postbureau das Signal, daß ein
Bote gewünscht wird. Wird die Be
förderung eines Packeis durch einen Ex
preßboten gewünscht, so muß der Sen
der die Ankunft des Boten abwarten,
um ihm das Packet zu übergeben, aber
ein Brief kann in den für sofort besor
gende Botschaften hergerichteten Behäl
ter geworsen werden. Die nöthige Ge
bühr muß in das äußere Couvert ge
legt werden, das Namen und Adreffe
des Absenders als Aufschrist tragen
muß, und wo die Gebühr sich als un
genügend erweist, muß der Absender
das Fehlende nachzahlen. Die Gebühr,
einschließlich Benutzung der Eisenbahn
oder des Omnibusses, beträgt drei
Pence per englische Meile. Falls die
Benützung einer Droschke zur Besörde
ruug der Botschaft gewünscht wird,
muß das ersorderliche Droschkengeld
kdensalls in das äußere Couvert gelegt
werden und dieses den Vermerk „v?
(per Droschke) tragen. Sollte
sich dieser Versuch bewähren, so werden
auch viele andere Mittelpunkte der
Stadt und des Landes mit dieser Vor
richtung versehen werden.
Als die Königi n-R egen>
tin in Madrid an einem der letzten
Tage eine svaziersahrt unternahm,
stellte sich auf dem ColumbuSplatz«
ihrem Wagen die etwa 70jährige Tage
löhnerin Gertrudis BaScuena entgegen
und versuchte, ihr ein Bittgesuch zu
überreichen. Die vier Pferde des könig
lichen Wagens wurden jedoch plötzlich
scheu, rissen die alte Frau zu Bode»,
gingen über sie hinweg und zerstamps
ien mit den Husen den Körper der un
glücklichen Greisin in einer graßliche»
Weise. Die Königi» stieg so:oit aus.
legte mit Hilfe ihre» Kamnierherrn und
des zusällig vorübergehenden Gouver
neurs von Madrid, Sr. Aguilera, die
übersahrene Frau auf die Polstersitze
des Hofwagens und ließ sie nach einein
in der Nähe liegenden Krankenhause
schaffen. Eine Stunde später stattete
die Regentin der Schwerverwundetcn,
deren Zustand zu ernsten Besorgnissen
Anlaß gibt, einen längeren Besuch ab
und überreicht« ihr 4000 Silberrealen
,'l6OO Mark) als vorläufiges Schmer
zensgeld.
Bor eintgerZeit wurde
gemeldet, daß der russische General
Baranak iu Taschkend unter so räth
selhaften Umständen gestorben sei, daß
der Verdacht einer Vergiftung laut
wurde. Und zwar soll er von Personen
vergiftet worden sein, die alle Ursache
hatten, ihn an der Einführung von
Vcrwaltungsreformen zu hindern, die
er in Turkcstan beginnen wollte. Jetzt
wird dem Reuter'schen Bureau über
diese Affaire weiter gemeldet: General
Baranak war in einer höchst delikaten
Mission von einer hohen Persönlichkeit
dorthin geschickt worden. Er sollte über
das Betragen und die Führung des
Großfürsten NikolauH Kouftantinowijfch
sich informiren und Bericht erstatten.
Dieser Großfürst, ein Cousin des jetzi
gen Zaren, lebt seit etwa zwanzig
Jahren, seit jenem berüchtigten Dia
mantendiebstahl, in der Verbannung
in Centralasien. Die Lebensweise des
Großfürsten ist höchst excentrisch und
sonderbar, und zwar in einem so hohen
Grade, daß Viele glauben, derselbe sei
entweder nicht recht bei Sinnen, oder
zu sehr spirituösen Getränken ergeben.
Diejenigen, die das Unglück haben, in
seiner Nähx weilen zu müssen, fühlen
sein tyrannisches Betragen. Der Groß
fürst ließ jüngst einen prächtigen Palast
in Tashkend erbauen, aber er zieht es
vor. in einer alten, armseligen Hütte
mit seiner Frau zu wohnen. Letztere,
die er in einem Anfall von schlechtem
Humor geheirathet, hat zweifellos die
Strenge und den Zorn ihres Herrn und
Meisters zu fühlen und wird oft von
ihm geschlagen. Eine viel harmlosere
Excentricität deS Großfürsten besteht
darin, in einer Art von Schlafrock, der
nicht sehr sauber ist, tinherzugehen.
Dieser Schlafrock stellt den „Chalat",
d. h. die Kleidung dar, welche die Ein
geborenen tragen. Zwanzig Kofacken
vom Ural stehen ihm zur Verfügung
und sind ihm in blindem Gehorsam
ergeben. Mehr als einmal haben jene
unglücklichen Menschen, von denen der
Fürst Beleidigungen empfangen zu ha
ben glaubt, feine Rache gefühlt. Er
ließ sie ergreisen, bis zum Halse iu
Sand eingraben, und daraus wurden
sie mit bloßem Haupte den brennenden
Strahlen der Sonne ausgesetzt. Ein
Arzt, welcher eine solche schändliche Be
handlung zu ertragen hatte, verlor
darüber seinen Verstand. Es ist daher
nicht zu verwundern, daß bittere Kla
gen in St. Petersburg über das grau
same Betragen des Großfürsten einlie
fen, und in Folge dieser Klagen wurde
General Baranak nacy Turtestau ge
sandt, um sich über den Geisteszustand
des Großfürsten zu informiren. Wie
schon bemerkt, fand der General inmit
ten seiner Mission ein srühes Grab.
Buddeso in Sardinien
ist eine Gemeinde, welcher die Fraktion
von Salti einverleibt ist, eine Ortschait
mit 1200 Einwohnern, bestehend aus
28 Häusergruppen, die 40 Kilometer
von Buddeso entfernt sind. Da die
Ortschaft Salti gänzlich vernachlässigt
wurde, so petitiouirten die Einwohner
bei der italienischen Regierung um Er
richtung einer eigenen Gemeinde. Der
dahin aus Rom abgesandte Regierungs
kommissär veröffentlicht über seinen Be
such folgenden interesianten Bericht:
„Die Fraktion von Salti hat weder
Municipalbeamte, noch Carabiniere,
keinen Geistlichen, keinen Arzt. Es
eristirt daselbst kein Postamt, keine
Kirche, keine Schule, kein Standesamt.
Aus der Landkarte ist der Ort, trotzdem
er 1200 Einwohner zählt und eiiieu
Flächenrauin von 24,000 Quadratme
tern umfaßt, nicht verzeichnet. Dessen
ungeachtet zieht der Staat von den Be
wohnern Steuern ein, sendet jedoch kei
nen Steuereinnehmer dahin, sonder»
jeder Bürger von Salti ist gezwungen,
zweimonatlich sechzig Kilometer Wegs
zurückzulegen, um seine Steuern zu be
zahlen. Während der Maiseste werden
alle im abgelaufenen Jahre geborenen
Kinder gemeinsam in Buddeso getauft.
Die Todten werden auf die primitivste
Art und ohne religiösen Beistand be
stattet. Ebenso steht es mit den Ver
ehelichungeu. Auch diese sind->i zumeist
ohne jegliche Ceremonie statt und wer
den erst spater gelegentlich dem Muni
zipium und det Psarrei von Buddeso
gemeldet, oftmals, wenn schon Kinder
da sind. Die Jmpsung, die Medizin
sind in Salti blos dem Hörensagen nach
bekannt. Die Kinder wachsen ohne
Schulunterricht aus, denn der Ort be
steht aus ganz armen Familien, die zur
Nothdurft ihr Dasein fristen." So
lautet der offizielle Bericht, der that
sächlich wie ein Märchen klingt.
Vor einigen Tagen fügte
es der Zufall, daß drei Fahrgäste, die
sich auf der Strecke Berlin-Dresden in
einem Wagen-Abtheil zusammengefun
den und zu einem Skat vereinigt hat
ten. sämmtlich den Nam.'U Meyer
führten, was unter jubelnder Heiterkeit
durch die Vorweisung der Reiseleziti
mationen festgestellt wurde. Das
Meyer - Kleeblatt gehört nämlich der
„merkantilischen Gesandtschaft" an,
der eine dieser Reiseonkel arbeitet in
Chocolade, während die beiden andern
die Wäschesabrikation aus ihrer Mis
sion vertreten. Alle drei sind überdies
geborene Berliner und stehen in den
zwanziger Jahren. Im Laufe der
Fahrzeit schloffen die durch dcn Zufall
zusammengeirehten Herren ein „Drei-
Meyer - Bünduiß" und verabredeten,
am Ersten eines jeden Monats sich im
.Prälaten" in Berlin zu einer „Skat-
Partie" zusammenzufinden. Gleichzei
tig verpflichteten sich die Reisen sür de»
Fall, daß der eine oder der andere des
Dreibundes an jenem Tage gerade aus
der Tour sei, einen „Ersatz-M eyer'zu
stellen. In Dresden wurde das Bünd
niß gehörig „begossen" und Duzbrüder
schaft gemacht. Der .Chocoladen-
Meyer" hielt dabei eine lange Rede,
welche mit einem Hoch auf das Riefen-
gefchlrcht der Meyer mit «y—ei—ai und
! ay ohne Unterschied des Standes und
der Consession wirkungsvoll abschloß,
> in das seine beiden Mit-Meyer jubelnd
! einstimmten.
Wie oft übertrifft an
grausigem Weh die Wirklichkeit den
thränenreichsten Gesühlsroman! Der
junge Dichter William Watson in Lon
don ward in's Irrenhaus gesperrt.
„Der richtige Platz für das Genie,-
werden die Anhänger Lombrosos sagen
t?nd den Fall kalt in ihre Tabellen ein
tragen. Indessen das verrückt gewor
dene Genie erklärt Watsons Schicksal
nicht. Ein Genie war er vielleicht;
die zwei Bändchen Gedichte, die er ver
öffentlicht, empfahlen ihn als den zu-
Klagelied beim Tode des Lord Tenny
ten die Empsehlung. Kurzum, eines
Morgens befand er sich auf der schwin
delnden Höhe des Ruhmes; er ward
trotz seiner Jugend der Königin zu
einem Jahresgehalt aus der Civ'illiste
vorgeschlagen, und da dies scheiterte,
wirkte ihm Gladstone thatsächlich 2(X>
L. aus dem königlichen WohlthätigkeitS-
Fonds aus. Die Anerkennung, die
ihm gleichsam den Stempel des natio
nalen Zukunstsdichters auf die Stirn
drückte, überstieg den Werth der Summe
um das Tausendsache, überstieg leider
auch die Widerstandskraft seiner Ge
fühle. Verschiedene überschwengliche
Telegramme, die er an Freunde in
Amerika über sein Glück gerichtet, ver
riethen schon einen bedenklichen Riß in
seinem Denken. Sein Bruder, miß
trauisch geworden, suchte ihn in Wind
sor auf, von wo er seine Walliahrt
nach dem zehn Meilen entfernten Grade
des Dichters und Kritikers Mathew
Arnold machen wollte. Auf dem Wege
fuhr ihnen ein königlicher Wagen mit
dem Herzog, der Herzogin und der
Prinzessin von Edinburg entgegen;
plötzlich fiel der Dichter den Pferden in
die Zügel und wurde festgenommen und
verhört. Und da sprudelte denn der
Wahnwitz heraus: er sei der wieder
geborene Milton, der seinerseits der
fleischgewordene Simson gewesen. Blitze
hätten ihm in der vorhergehenden Nacht
Botfchaft gebracht und Detila habe ihn,
obzwar vergeblich, versucht; wichtiges
müsse er melden und Verhandlungen
habe er angeknüpft mit Gönnern in
Indien und Asrika, mit dem Sohne
des Erzbischoss von Canterbury und>
Herrn Stead, dem Herausgeber der Re
view of Reviews Und bald schlössen sich
hinter ihm die Thore des Irrenhauses,
ein Narr des Glücks, das ihr. um den
Verstand gebracht. Vor zwöls Jahren
hätte ihm die Liebe fast einen ähnlichen
Streich gespielt: er begann mit dem
Selbstmorde zu liebäugein, bis ihn eine
Reise nach Algerien wieder herstellte.
Nachträglich wollen die Analytiker sei
ner Gedichte daraus die kommende Ka
tastrophe herauswittern: weil er darin
von seinem Doppelgänger oder einem
Scheinbilde seiner selbst spricht. „Nur
wenig Freunde besitze ich, obgleich man
cher Wicht, der einem Scheinbilde be
gegnet, das sich für mich ausgibt und
mein Gesicht und meinen Namen trägt,
diesen Betrüger, dessen Betrug ich still
übersehe, sür mich hält."
Die Insel Caprerako
stete Garibaldi ursprünglich 20,000
Lire, ja es gibt Stimmen, die behaup
ten, der Kaufschilling sei noch viel nie
driger gewesen. Die Transactionen
und Processe, welche diesbezüglich zwi
schen dem italienischen Staate und den
Erben im Gange sind, schrauben den
Preis des historischen Felseneilandes zu
ungeahnter Höhe. Die italienische Re
gierung beschloß, wie man der Frank
furter Zeitung aus Livorno meldet,
das interessante Stück Erde vermöge
seiner zweckdienlichen Beschaffenheit zu
Fortificationszwecken zu erwerben und
bot den Erben Garibaldis dreimalhun
derltaufend Francs dafür. Dieser An
trag wurde angenommen und der
Kauf-Contract von General Canzio,
dem Gemahl Teresita Garibaldis, auch
unterfertigt. Heute erklärt Teresita
Garibaldi, daß ihre Unterschrist aus
dem Documeute fehle und der Abschluß
uugiltig sei, als ihr Gemahl ohne Ein
willigung von ihrer Seite gehandelt
und sie sich mit dem vou der Regierung
gebotenen Preise nicht einverstanden er
klaren könne. Dadurch ist es abermals
zu einem Processe gekommen, dessen
Ausgang das Gericht in Tempio auf
Sardinien zu entscheiden haben wird.
Der Advocat der Regierung hält auf
recht, daß es sich lediglich um einen ad
ministrativen Act bei der Unterserti
gung des fraglichen Schriftstückes ge
handelt habe und ein solcher durch die
Unterschrift des Mannes allein als
rechtsgiltig betrachtet werde, da nach
italienischem Gesetz das Vermögen der
Frau in der Ehe auf den Mann über
gehe, falls der Heirathscontract kein
gegentheiligeS Uebereinkommen stipu
lire. Man ist in Italien auf den Aus
gang sehr gespannt.
Auf der Strecke Novara-
Turin fuhren zwei Herren in einer Ab
theilung erster Klasse. Sie kannten
sich nicht und saßen stillschweigend neben
einander. Plötzlich fühlte einer der
Herren einen Druck an der Stelle, wo
er sein vortrefflich ausgerüstetes Porte
feuille trug. Er griff zu und zog die
Hand seines Reisegefährten nebst dem
Portefeuille aus der Tasche. Der An
gefallene war krästiger, als der Dieb,
und er versprach diesem, ihn so lauge
mit seinen muskulösen Händen nieder
zuhalten, bis er ihn auf der nächsten
Station den Karabinieri ausliefern
könne. Der Dieb legte sich auf's Bit
ten; er stellte dem Anderen vor, daß er
ja nicht geschädigt sei, und daß er als»
auch gar kein Interesse daran habe,
einen armen Teusel in s Loch zu brin
gen. Doch der Andere wollte davon
nichts hören. Da entschloß sich der
Dieb zu folgendem Ultimatum: er bot
seinem Gegner 50 Lire Entschädigung
sür die Unbequemlichkeit, die er ihm
verursachte. Und damit hatte er den
gewünschten Ersolg: der beinahe Be
raubte nahm die 50 Lire und ließ den
Anderen auf der nächsten Station ruhiK
lausen. 7