Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 30, 1892, Page 6, Image 6

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    6 M»»t»«rpsticht«» und KindeSda«».
Ein nicht geringer Theil all' der Sor
gen uud Mühen, die aus den Schultern
einer Hanssrau und Mutter lasten,
entfällt aus die Kleidung der Kinder.
Und diese Sorgen und Mühen sind
naturgemäß um so größer, je beschränk
ter die finanziellen Verhältnisse.
Es liegt in der Natur der Sache, daß
«ue jede Frau bemüht sein wird, sich
und die Ihrigen im Punkte der äuße
ren Erscheinung so weit auf der Höhe
der Zeit und der Herrichende» Mode zu
halten, als ihre Kasse eS irgend gestat
tet. Indessen wird hierin allzu leich'
d«S Guten zuviel gethan.
Gedankenlos folgt man den Einge
dungen des Augenblicks, den vermeint
lichen Anforderungen der Gegenwart
nnd bedenkt nicht, welch' eine wichtige
Rolle gerade das „Wie" der Kleidung
in der Erziehung der Kinder spielt
wie sehr also das künftige Wohlergehen
derselben davon abhängt. Indem
ich mir vorbehalte, aus de» ebenfalls
wichtigen Punkt einer vernünftigen
Physischen Abhärtung in der Kleidung
vielleicht gelegentlich zurückzukommen,
will ich für heute nur des Kindes spä
trre sittliche Wohlfahrt, die Hcranbil
.dung seines Charakters in Betrach'
ziehen.
Selbst da, wo die pekuniären Ver
hältnisse es erlaube», daß dem Ge
schmack. der Mode, der Concurrenz mit
Änderen die weitgehendsten Concessio
nen gemacht werden könnten, gibt eS
»och immer Gründe genug, die eine
gewissenhaste Mutter davon abhalten
sollten, ein Kind an Dinge zu gewöh
nen. die es füglich entbehre» kau».
Der allernächste Grund ist natürlich
die Ungewißheit seiner späteren Lebens
stellung und einstigen VermögenS
verhältnisse. Bietet auch etwaiger
Wohlstand, ja Reichthum der Eltern
«ine scheinbare Garantie, daß eS den
Hindern dereinst an Nichts sehle»
werde was ist sicher in dieser Welt
lind in diesem Lande, wo heute am
Boden liegt, der gestern noch stolz aus
-recht stand? Können sie sich später den
gewünschten Luxus erlauben tsin
znivux! Der Schritt von der Einsach
heN zu Letzterem wird ihnen jedenfalls
leichter werden, als der umgekehrte, und
aus diesem Gebiete wird ganz unglaub
lich gesündigt, selbst in Familien, wo
nicht einmal Wohlhabenheit als Ent
schuldigling gelten kann.
Die Eitelkeit der Mutter und das
Urtheil Anderer, das sind die Haupt-
die bewirken, daß aus den
Widern geschmacklose Zierpuppen ge
nia« werden. Man unterwirft sich
Sklaserei der Mode, ohne
auch nur zu prüsen, ob das Kind in
einein der extrem modischen Kostüme
niedlich oder grotesk, wie maskirt aus
sieht. Wer hätte nicht schon solch' ein
armes Ding bedauert, das iu irgend
einen derartigen Anzug geschraubt war!
Und wie entzückt die eitle Mutter dann
noch aus ihr Opfer schaut! „Wie sich
die Nachbarin ärgern wird, die doch
Wunder denkt, wie ..stylisch" ihr
Kleinstes angezogen ist!"
Werden die Kinder größer, so Hilst
Zein Weinen und Sträube» wp die
schwache Mutter sonst nichts zu erzwin
gen vermag hier setzt sie ihren Wil
len durch: Der Junge muß lange Lot
ten und womöglich einen der samosen
„Lord Fanntleroy"-Anzüge tragen.
Der Mutter gefallen sie. die Nachbarin
ärgert sich und die und die hat sür
ihren Knaben auch einen lauter ge
wichtige Gründe. Der Knabe muß sich
von seiiien robusten Altersgenossen, die
eine vernünstig: Mutter haben, ausla
che» und Spottnamen nachrusen lassen,
ohne sich wehren zu können. Ob das
wohl den Charakter recht bildet? Wie
viele Mütter giebt es, die nie müde
werden, ihr Entzücken über das rei
zende Aussehen ihrer Sprößlinge aus
zudrücken. Jedermann wird förmlich
gepreßt zur Bewundervng, und das
Mutlerherz ist tief verwundet, wen»
diese nicht genug ausfällt. Glückli-
Herweife aber ist wenigstens bei den
Knaben von einem gewissen Alter än
der Modesucht der Mutter eine sehr
enge Grenze gesteckt. Dafür hält sie
sich nun an den Mädchen doppelt schad
los.
Wer hätte nicht schon Bemerkungen
gehört, wie die folgenden: „Zeig' mal
der Tante Dein neneS Kleid!" ~WaS
sür cinen Hut hat Ella W.? Doch nicht
hübscher wie der Deine?" ~Wie, Anna
S. hat den guten Mantel schon zur
E<hule an? Na, denn trag' Du nur
Deinen auch, Du sollst doch nicht hin
ter Der zurückstehen!" ..Also Frau M.
hat gar nichts über Deinen Anzug ge
sagt? Xvvsr mincl, das ist dann nur
der Neid!" Wie sehr auf diese Art
Mütter zum Glück ihrer Kiuder beitra
gen, deweist folgende felbsterlebt?
Episode.
Hi» kleines Mädchen kam einst in Be
gleitung einer erwachsenen Cousine, um
Meine Kinder zu besuchen. Die Letz
teren holten ihre Puppen und sonstigen
Spielsachen herbei. Ich bewirthete die
Besuchenden mit Allem, was Höflichkeit
nnd Gastfreundschaft gebieten, man er
götzte sich an reisem Obst im Garten
und nahm »och eine Düte voll mit sich
kurzum, ich dachte, die Kleine, sonst
«in liebes Kind, gehe hochbefriedig'
«ach Hause.
Als ich aber bei einer späteren Gele
genheit ihre MaMa einlud, doch bald
«nt dem Töchterchen zu uns zu kom
me«. da meinte diese mit süß-sauerem
Lächeln: „Ja, Tilly wird Wohl nicht
lammen wollen.sie hat bestimmt erklärt,
nie wieder zu Ihnen zu gehen, sie kam
ganz unglücklich neulich nach Hanse."
Natürlich großes Erstaunen meinerseits.
hat ihr etwa- gethan?" „Ach. es
»K weiter nichts. Aber weder Sie
noch die Kindcr haben ihren neuen An
zug bewundert und deshalb war sie doch
«igentlich hingelommen." (!!) Leider
konnte ich der beleidigten Mama das
-Gestandniß »ich: erfpare». daß ich
wirllich gar nicht wisse, was Tilly an-
und daß es meinen Kinder»
strenge untersagt sei, von solchen Din>
gen mehr als vorübergehend Notiz zu
nehmen, oder gar eine Bemerkung zv
machen.
Wem thut nun ein solches Kind »ich!
leid? Zu Haus- hieß es natürlich!
„Gib Acht, Tant» wird vor Staunen
gar nicht wissen, was sie sagen soll zu
Deinem prachtvollen Klei»! Und wie
werden die Kinder Dich bewundern und
beneiden!" Und drum durchlebte das
arme Ding einen halben Tag voll bir
terer Enttäuschung, wo ein anderes
Kind sich fröhlich amüsirt und zufrie
den den Heimweg angetreten hätte.
Solche Mütter erschweren auch unZ
indirect unser Werk. Hat man seine
Kinder einsach und nett gekleidet zur
Schule geschickt, so heißt es dort:
I N'oulcl'nt <ic> it!" u. f. w. Man
muß wirklich schon einen recht soliden
Grund gelegt haben, wenn unsere Kin
der sich über all'die ewigen Prahlereien,
Sticheleien und das Sich - Ueberbielen
im Punkt der Garderobe erhaben füh
len und nicht unzufrieden werden sol
len. Betrachten doch Viele die Kirche
oder Schule als geeigneten Platz, ihr
Licht leuchten zu lassen und über An
dere zu triumphiren!
Und dann tritt das junge Mädchen
in s Leben ein. Wohl ihr. wenn sie,
durch der Mutter feste Hand geleitet,
die Mode nicht als ihren höchsten Gott,
ihre Borschristen nicht als Evangelium
ansieht! Wenn sie ihr nicht die Frei
heit des individuellen Geschmacks, nicht
den gesunden Menschenverstand zu
opfern gelernt hat! Um wie viel un
getrübter werden alsdann ihre Freu
den, wie so viel reiner ihre Genüsse in
gesellschaftlicher Beziehung sein! Wie
viel Haß, Neid. Mißgunst. Unzusrie
denheit und Enttäuschung kommt nicht
auf Kosten der Garderobe! Wie ost
wird einem jungen Mädchen ein Ver
gnügen verleidet, weil sie sich von An
deren übertrumpft sieht und nicht
Seelenstärle genug besitzt, sich darüber
hinwegzusetzen. Ja, sie entsagt lieber
mancher Geselligkeit, bleibt fort, wo sie
einige recht schöne Stunde» hätte ver
lebe» köiiiien, weil sie sich nicht ebenso
kostbar kleiden kann, wie die und die,
und weil ihr Kleid von letzter Saison
her übergearbeitet ist und die und di
es erkennen möchte.
Ja, die Mütter solcher Mädchen ha
ben eS vielleicht an der eigenen Garde
robe. wenn nicht gar an der Ernährung
der Familie abgespart, um sie stets aus
der Höhe der Mode zu halten, haben
Tag und Nacht genäht und gesonnen,
wie sie das Töchterchcn recht „stylisch"
kleiden aber haben sie glückliche, zu
friedene Wefen geschaffen? Und wenn
die Verhältnisse des Vaters und später
des Gatten den angewöhnten Luxus
nicht erlauben, wo ist da der Friede,
das Glück der Familie? Wird solch'eine
Tochter der Mutter Dank zollen sür
Mühe?....
Man kleide ein Kind vor allen Din
gen passend, d. h. in Uebereinstimmung
mit seiner ganzen Umgebung und sei
nen Gewohnheiten; man ziehe Lebens
stellung. Vermögens- und häusliche
Verhältnisse der Eltern in Betracht.
Ich bin wahrlich die Letzte, die sich
Standesuntcrschicden odcr dem Geld
sacke beugt trotzdem geb-eten diese
Dinge hier und da Berücksichtigung
Eines schickt sich nicht für Akke!
Auch Wuchs, Haltung, Gang, Alter
der Kinder sind in Erwägung zu ziehen.
ES giebt z. B. Anzüge, die ganz ent
schieden ein intelligentes Aussehen,
Haltung, schlanken Wuchs und tadello
sen Gang erfordern. Werden nun
solche Dinge einem kurzen dicken Kinde
mit einwärts gerichteten Füßchen und
ausdruckslosen Gesichtszügen angehängt,
paßt der Hut nicht zur Haanracht oder
Physiognomie, so erreicht die eitle Mut
ter nur. daß ihr Liebling überall mil
einem Lächeln des Spottes und (bei
besseren Naturen) des Mitleids betrach
tet wird.
Deshalb geht man am sichersten, Kin
dcr ein sür allemal schlicht, einfach, in
gediegenen Stoffen und doch der herr
schenden Mode gemäß zu kleiden, so
daß es so wenig wie möglich auffüllt.
Durch gewissenhaftes Prüfen dessen,
was für dieselben paßt, durch sorgfäl
tiges Aussondern aller extravaganten
Modethorheiten läutert und bildet man
den Geschmack eines Kindes.
Man enthalte sich gänzlich des Lö
bens und BcmundernZ und erwarte es
noch weniger von Anderen! Ein ein
faches, beifälliges Urtheil genügt. Man
wähle nicht die Mode und die Kritik
von anderer Garderobe zum Thema der
häuslichen Converfation.
Die Schulkleider namentlich seien
einfach nnd unauffällig, geschmackvoll
und accurat gearbeitet und gehalten,
um nicht berechtigte Kritik herauszu
fordern aber frei von unnützem
Schleifen- und Bänderzierrath; ebenso
gestatte man absolut keine Schmuck
stücke. Denn all' diese Dinge sind nur
dazu da, die eigene und Anderer Aus
merksamkeit vom Untenicht abzulenken
und Vergleiche herauszufordern, die
natürlich nach irgend einer Seite hin
ungünstig ausfallen müssen und das
gute Einvernehmen in der Classe ge
fährden.
Man frage Kinder niemals, was An
dere angehabt haben und gestatte ihnen
auch keine freiwilligen detaillirten Schil
derungen. Sie sollen weder bewun
dernd aus-, noch absprechend herabsehen
auf Anderer Toilette. Man präge
ihnen früh ein, daß es bemerkenswe»
there Dinge gibt als diese, und daß sie
zumal mit dem Werthe des Menschen
absolut nichts zu thun haben daß
dem Mädchen in kostbarem Anzüge vor
dem mit dem Kattunkleidchen kein Vor
zug gegeben Mde falls es sich die
se» nicht anderweitig verdient.
Hält man ganz consequent zu diesen
Anschauungen, hört und sieht das Kind
weiter nichts im Elternhause, s,, ist
ihm das. wen» eS heranwächst, so in
Fleisch und Blnt übergegangen, daß es
in einfach geschmackvoller Toilette sich
mit größter Seelenruhe auch zwischen
den luxuriöser Gekleideten bewegt.
Mit würdevollem, liebenswürdigem
Auftreten und völliger Indifferenz ge
genüber der Anderen Anstrengungen
bringt ein derartig erzogenes Mädchen
allen Triumph zum Schweigen. Ist
ihr Anzug bei aller Einfachheit tadel
los, wie ihr Benehmen, so beugt man
sich zuletzt doch dem Seelenadel, der eS
aufnimmt mit der Flachheit. Sie
wird amüsirt die krankhaften Anstren
gungen ihrer Freundinnen belächeln
und mit einem Gefühl inniger Dank
barkeit für die Mutter wird sie denken:
„Da bin ich denn doch glücklicher wie
Ihr!"
Wie noch außerdem dieser Gegenstand
mit der immer brennender werdende»
FrauenerwerbS- undHeirathssrage ver
knüpft ist davon ein andermal.
E. vom Berg.
Einsiedl«» und Klugkünstl«r.
Unt?r den schier unzähligen Erfin
dern und Grüblern, welche sich damit
beschäftigt haben oder noch beschäftigen,
dem Menschen das Reich der Lüfte „ge
läufig" zu machen, nimmt nicht de»
letzten Rang der Deulichamerikaner
Bernard Creßler in West - Virginien
ein.
Selbiger hat schon lauge einen be
deutenden localen Ruf als Astronom
und Gelehrter im Allgemeinen. Seit
einigen Jahren führte er ein völliges
Einsiedlerleben an der Quelle des schö
nen CheatflusseS oben im Gebirge, und
neuerdings verbreiteten sich beim Volk
drunten im Thal allerhand unheimliche
Gerüchte darüber, was Creßler in sei
ner einsame» Hütte mitten in der Wild
niß treibe. Er reitet indeß keineswegs
auf einem Besen Nachts nach dem
Herenberg, obwohl er mehr, als ein
Steckenpferd reitet. Sein Hauptstecken
pferd aber ist die Erfindung einer un
fehlbaren und bequemen Flugvorrich
tung; um ihretwillen auch hat er sich
ganz in die Einsamkeit zurückgezogen.
Eine „Flugmaschine" kann man die
Ereßler'sche Borrichtung eigentlich nicht
nennen. Sie steht dafür in zu inniger
Verbindung mit dem Körper des Flie
genden und beruht auf unmittelbarer
Ausnützung der vorhandenen Natur
kräfte; sie würde, wenn sie sich bewäh
ren sollte, eine neüe Bestätigung des
alten Satzes sein, daß das Genialste zu
gleich das Einfachste ist.
Wie der Erfinder erklärt, kommt der
gewöhnlichen Spieldrachen des Schul
jungen. dem Ideal einer Flugvorrich
tung näher, als alle verwickelten, müh
samen und kostspielige Entwürfe von
Tausende feiner Mitstreber. Creßler
ist nebenbei ein sehr erfahrener Thier-
Ausstopfer und hat in seiner Hütte
mehrere Dutzend ausgebälgter Falken
in allen möglichen Stellungen und
Haltungen, die sie beim Fluge einneh
men. Manche dieser Posituren sehe»
für das Auge eines Laien sehr unbehol
fen aus, haben aber gerade für den
Kundigen besonders Interesse. Creßler
hat ein ungemeili scharses Auge für die
Natur, und die Beobachtungen an der
Vogelwelt habe ihm, wie er versichert,
besonders werthvolle Winke gegeben.
ls>
llrehler als Mugkiinstler.
Die Creßler'fche Vorrichtung wird
wie ein gewöhnlicher Anzug getragen
und legt sich so innig an, wie ein Hand
schuh, nur daß sie sich ganz wunderbar
entfalten kann. Hat man sie einmal
angelegt und setzt sie in Bewegung, so
wird sie ganz unwillkürlich so angewen
det, als ob sie ein Theil deSKör
perS wäre; jeder in Betracht kom
mende Muskel der Arme, der Beine
und des Rumpfes bringt sich im richtig
sten Augenblick zur Geltung. Der
Fliegende steigt erst senkrecht in die
Lust und dann breitet er die Flügel,
deren Gestalt etwas an eine Fleder
maus erinnert, völlig aus und fliegt in
beliebiger Richtung, ohne etwa, wie der
Fallschirmkünstler, von selbst herabzu
sinken. Geht aber gerade ein Wind,
so erhebt sich der menschliche Vogel mit
diesem; er macht keine Anstrengung, die
Lustströmnng zu bekämpfen, sondern
richtet nach ihr seinen Flug und die
Stellung seiner Flügel ein.
' Im Allgemeinen läßt er sich mehr
tragen, als er „fliegt", wenigstens wie
man das Wort bisher gewöhnlich ver
standen hat, nämlich im Sinne eines
energischen durch die Lüste StrebenS.
Damit würde auch einer der wichtig
ste» Einwände erschüttert werde», den
man bisher gegen de» praktische» Werth
aller Flugoorrichtunqen geltend gemacht
hat. nämlich: daß die zur Bewegung
der Flügel dienenden Muskeln beim
Menschen im Verhältniß zum Gewicht
des Körpers zu schwach seien und auf
längere Dauer die nach allgemeinen
Begriffen nothwendige Anstrengung
nicht aushalten könnten.
Die Ereßler'schen Flügel sind ziem
lich groß, dabei abcr so leicht, wie ir
gend möglich. Näheres über ihre Zu
sammensetzung verschweigt der Erfinder
einstweilen. Was er aber im Allge
meinen zur Begründung seiner Idee
sagt, klingt für den gewöhnliche» Laien
verstand sehr überzeugend. Vielleicht
erfahren wir bis zur Weltausstellung
etwas mehr von diesem westvirginifchen
DädaluS und seinen Flügeln.
Weihnacht««.
Und wieder kam das Fest der Weih
nacht !
Und wieder stand in seiner bunten
Pracht
Der Tannenbaum als trauter Gast in>
«Zimmer;
An seiner vielen Lichter Hellem Schini'
mer.
An seiner Gaben goldigem Geflimmer
Erfreuten königlich sich Jung und Alt.
U»d war es draußen i» der Welt auch
kalt.
In allen Herzen war es wonnig warm.
Und keine Mcnschenseele war so aim,
Daß ihr's nicht heute kam wie Him
melsahnung,
Wie hoch von oben eine hehre Mah
nung:
Laß ab, laß ab von schaler Erdenlust!
Sei ed ler, schöner Ziele Dir bewußt—
Und Ehre sei dem Herrgott in dei
Höhe!
Und wieder kam das Fest der Weihe
nacht!
Vom Himmel hoch ein Stern hernieder
lacht
Und füllt das Herz mit Strahlen,
freundlich milden;
Er scheucht die wüsten Nebel all', die
wilden.
Und zeigt den Weg zu seligen Gefilden,
Wo keine Losung tönt zu Kampf und
Streit,
Wo Ruhe herrschet und Glückseligkeit.
Und jener Stern mit überird'schein
Licht
In seinem Himmelsglanze zu Dir
spricht:
O laß erfüllen und erhellen
Mit meines Lichte» milden Strahlen-
Wellen!
Der Liebe gönne Einkehr ohne Laß.
Doch nie und nimmermehr dem finst'ren
Haß
Und Friede, Friede. Friede sei aus
Erden!
Und wieder kam das Fest der Weihe
nächt !
Heut' sei der ganzen Menschheit Heil
gebracht.
Die oben stolz in hohen Schlössern thro
nen,
Die Tag um Tag in harter Arbeit
srohnen.
Und deren Leben gleicht dem heit'ren
Tanz.
Sie spüren heut' des einen Festes
Glanz.
Für Alle kam ein Heiland heul' zur
Welt.
Der fest an seine Brust geschlossen hält
Mit gleicher Lieb' die Reichen und du
Armen.
Für alle Sünder hat er ein Erbarmen;
Für Alle, die des Lebens Leid umtost.
Hat er mit gleicher Huld denselben
Trost
Und allen Mensche» heut' sei Wohl
gefallen !
Hardert Harderts.
Die neueste Bervoltkommung in
Automaten.
I.
Der Liebesautomat.
Gebrauchsanweisung. Der
liebeSbedürftige junge Mann wirst
einen Nickel iu den „Slot", und sosort
wird er von weichen und warmen Ar
men umschlungen und erhält ein wohl
gezähltes Dutzend heißer Küsse aus d'
Mund.
11.
Der Ohrfeigenantlmat.
Gebrauchsanweisung. Man
lockt Denjenigen, an welchem man
seine Rache kühlen will, unter irgend
einem Vorwande in die Nähe des gänz
lich hgrmloS aussehenden Automaten.
Ist das ahnungslose Opfer in geeigne
ter Nähe, so wirst man einen Nickel in
den „Slot", und sofort streckt sich eine
riesige Faust he,vor, welche dem Misse
thäter mit Blitzesschnelle eine vollwich
tige Ohrfeige ertheilt, daß ihm Höre»
und Sehen vergeht.
Entgegenkommend. Er:
„Verzeih , liebe Emilie, ich muß Dir
gestehen, daß ich in der letzten Zeit grö
ßere Verluste gehabt habe und ich
möchte Dich daher bitten. Dich in Dei
ner Toilette etwas einzuschränken. .Ich
bin sest überzeugt, daß einsachere Klei
der Dir ebenso gut stehen werden !"
Sie : „Gewiß, liebes Männchen, ich
werde mir sogleich ein Paar solche be'
stellen !"
Aus einer Bittschrift.
Es naht sich Euerer königlichen Maje
stät eine von Ehrfurcht und Alters»
schwäche gleich tiefgebeugte Wittwe.
Zwei ««schichten von Heinrich
H«in«.
Philibert Audebrand referirt in sei
nem soeben in Paris erschicnnien Auche
über seine Begegnung mit Heine im
Jahre 1845, sowie über den Verkehr,
der sich daran knüpfte, und theilt zwei
bisher unbekannt gebliebene Skizzen
des Dichters mit. die dieser einer Dame
in'S Album geschrieben. Die beiden
Eapriccios lauten nach einem Bericht in
der Neuen Freien Presse:
Der Advocat.
Ich stand am Fenster und betrachtete
die Kommenden und Gehenden aus der
Straße. Plötzlich ging ein Advocat
vorbei, den der Unsinn der letzten Er
eignisse zum Minister gemacht hatte.
Er ging mit großer Würde. Was
merkwürdig war. sejn Talar klebte an
seiner Haut, blähte sich manchmal zu
beiden Seiten auf und bildete ein Paar
schwarze Flügel wie die Flügel einer
Fledermaus oder eines Truthahns.
Wenn ich jetzt darüber nachdenke,
fällt mir ein, daß es wohl Truthahn
fliigel gewesen sein mögen. Was auch
zur Betrachtung Anlaß gab, war ein
großes rothes Band, das voi» Hals«
bis aus den Bauch herunterhing, ganz
so wie man dies bei dem Vogel sehen
kann, mit dem uns die Jesuiten be
schenkt haben.
Ich sagte also, der Mann ging mi!
Würde und Langsamkeit. Wenn ei
einen ehemaligen Kollegen traf, grüßt,
er ihn verlegen und sagte:
„Da sehen Sie! Das ist doch du
Politik, die mich so hergerichtet hat!"
Geschichte einer Blattlaus.
Der Ruhm! Der Ruhm! Ich sag«
Euch, daß er nicht die Asche einer Drei-
Pscnnig-(!igalre werth ist.
Ein Strich im Sende, eine Furch»
auf dem Wasjer, das ist das Lebe», daj
ist der Ruhm.
Der Mensch ist ein Erdenwurrn, unt
er hält sich sür einen Gott. Er hat
Marmorpaläste, um darin zu wohnen,
Armeen, die ihn bewachen, Völker, du
sich zur Erde beugen, um seine Launen
zu erfüllen. Man hört ihn fageni
.Ich bin der Herr!" Du bist nur der
Herr Deiner Suppe, wenn Du sie im
Magen hast, und selbst die mußt Du
von Dir geben!
Eine Maienblume erscheint, er nimmt
sie; ein junges Mädchen erblüht, er
pflückt es. Er hat den besten Wein.
Nichts widersteht ihm. „Warte nur,
in einer Minute wirst du die Zehnte
deines Stolzes zahlen."
Ganz niche bei der Bude eines Sch uh
slickers ist ein kleines Scheusal zur Welt
gekommen. Das ist so groß wie der
Kopf einer Stecknadel. Das hat den
Kops einer Schlange, einen Krokodils
schwanz, Löwenkrallen. Das ist eine
amerikanische Blattlaus, von einen«
Schisse mitgebracht und in Gestalt
eines Eies im Unrath, den ein Malrose
in irgend einem Mauerwinkel gelassen,
deponirt. Dieses Ungethüm, was
treibt es empor? Man weiß es nicht.
„Wer da?" schreit die Wache des Pa
lastes. „Man pafsirt nicht!"
„Man pajsirt!" antwortet die Blatt
laus. „Da bin ich schon im Thron
saal."
Zehntausend Soldaten haben gezit
tert; die Kammerherren haben den
Stücken gewendet, aus dem ein goldener
Schlüssel zu sehen ist; die Priester ha
ben erorcisirt. die Courtisanen haben
die Fächer gerührt, der Narr hat seine
Schellen geschüttelt. Bergebene Müh'l
Ein Liedche» trällernd aus irgend einer
komischen Oper des Fliegenreiches,
schreitet die Blattlaus vorwärts: sie
sticht den König mitten aus die Stirn,
dort, wo die Krone sitzt, Se. Majestät
ist todt.
„Jetzt habe ich mein Amt vollendet,"
sagte die Blattlaus, und sie geht ster
bend auf den Mist, dem sie entstammt.
Sei eitel, wenn Du willst, aber ge
denke der Blattlaus!
Gut so.
Student (zur Gastwirthstochter):
„Wsnn ich in Ihre Augen blicke. Aenn
chen, so kann ich mich gar nicht sattfe
hen!"
Anna: „Das würde Papa auch sehr
unangenehm sein."
„Was wollen Sie hier'
—„lch bitt', Herr Gefängnißverwalter
ich hab' wegen Jagdfrevels vier Wochen
abzusitzen die möcht' ich halt jetzt
verbüßen!" „Wo haben Sie Ihren
StrasantrittSbesehl?" „Den hab'ich
leider verloren!" „Was? Und da ich
Sie annehmen? Marsch hinaus. Sie
unverschämter Mensch! Da könnt' ja
jeder Lump daherkommen und einge
sperrt werden wollen!"
Mißverstanden. Lie»'».
aant (zu seinem neuen Burschen):
„Hör' 'mal, es scheint mir. Du verstehst
mich nicht recht: Wenn ich im Dienst
bin, nennst Du mich Herr Lieutenant,
bin ich aber in Gesellschaft, nicht „Herr
Lieutenant", sondern lieber „Herr
Gras"! Wie nennst Du mich also in
Gesellschaft?" Bursche: „Lieber Herr
Graf!"
vom Spare«.
«»» Wti»nach>«dell«ch>u»».
Weihnachten ist wieder ins Lund ge
kommen. Weihnachten, das Fest der
Freude und der Liebe. Fast allent
halben verstummen, und sei es auch
nur sür eine kurze Spanne Zeit,
Schmerz und Klage. Weihnachten,
das Fest des Gebens! Wenn auch das
ganze Jahr über mit Ausgaben ge
zögert worden, jetzt in der Weihnachts
zeit wandelt sich das Zaudern zu frei
gebigem Anschaffen von allerhand Ga
ben für liebe Angehörige und Nahe
stehende. Freilich, um all die großen
oder kleinen Geschenke gewähren zu
können, bedarf es des prosaischen, nüch
ternen und kalten „Geldes".
Die verschiedenen Ansorderungen,
die an diesem Fest an den Einzelnen
herantreten, sind so vielseitig uudman
nigsaltig. daß der weitaus größte Theil
der Menschen nicht aus dem, was der
Tag bringt, denselben gerecht werden
kann. Weshalb verdüstert sich im Ge
gensatz zu der sonst regierenden Licht
fülle sür so manches Haus der Glanz
dieses Festes, und weshalb wohnt Un
zufriedenheit gerade in diesen Tagen in
so vieler Brust? Sie haben nicht ver
standen. zur Heit zu sparen, sie haben
'es nicht vermocht, sich im Laufe des
iJahreS kleine Wünsche zu versagen, um
jetzt größere erfülln, zu können und sich
mit zu freuen, wo die meisten der Mit
menschen von Herzen fröhlich sind.
Gerade je beller die ganze Straßenreihe
crlcnchtet in. »m so mehr sällt das eine
Haus auf. das einsam und düster in
den sluthenden Lichtcrglanz hineinragt.
Während der sparsame Hausvater
Gabe aus Gabe häu't und dainit Son
nenschein in seinem Heim verbreitet, der
Zusriedenheit, dem köstlichsten HauS
sreund der Familie, die Thür wett offen
hält, vom Feste selbst neue Krast und
Freudigkeit sür die Arbeit des Lebens
sich sammelt, bleibt es im Hanse dessen,
der nicht sparsam gewaltet, leer und
dunkel, die Unzufriedenheit greift Platz,
und je Heller aus anderen Augen das
Glück strahlt, um so verbitterter wird
es in feinem Gemüth, verbittert kehrt
er aus dem Weihnachtsfest zur Arbeit
zurück, und in das Grau der Alltäg
lichkeit füllt kein Festesschimmer. Das
Wcihnachlsfest wird so zu einem Ab
rechnungstag mit der wirthschastlichen
Hauptfrage: Hast Du bei Zeiten ge
spart?
So einfach diese Frage lautet, so
nefgriifeud, ja fundamental ist sie sür
das gesummte wirthschaftliche Gedeihen
des Einzelnen mit der Gesammtheit,
lind wenn dem Einzelnen wie der Ge
sammtheit weiter nichts vom Weih
nachtsfest her praktisch nahe gelegt und
»»geprägt würde, als diese Lehre, so
so wäre dies schon des FesteSsegenS ge
nug. Ja die Sparsamkeit jist die un
versiegbare Quelle innerer Zufrieden
heit, geordneter Verhältnisse und äuße
rer Wohlhabenheit. Es wäre interes
sant, mit Ziffern belegen zu können,
wie viele wohlangeiehene, hochstehende
Familien sich lediglich durch Sparsam
keit ihre heutige Position errungen ha
ben. Ich kenne ein Bureau einer gro
ßen Fabrik; darin hängt noch zum
Mahnzeichen sür kommende Geschlechter
der Korb, in dem einst der Begründer
die felbstgefertigten Waaren von HauS
zu Haus getragen; und ich kenne weiter
ein für seine Kreise bedeutendes Bank
haus, bei dem ein alter unscheinbarer
Zlechkasten in pietätvoller Erinnerung
aufbewahrt wird: es ist die Sparkasse,
in welcher der Begründer des Hauses
seine ersten kleinen Ersparnisse ange
sammelt. Ich kenne aber auch Familie»
und Häuser wir brauchen deren ge
rade an diesem Weihnachtssest nicht zu
weit zu suchen—die von Wohlhabenheit
und Luxus i» kurzer Zeit meist herab
sinken in Armuth uud Dürftigkeit.
Abgesehen von der Gunst oder der Un
gunst der Verhältniße, die sich Niemand
selbst gestalten, die aber Jeder weise
benutzen oder bekämpfen kann, ist es
Sparsamkeit oder Verschwendung ge
wesen, die hier die Wege nach aus
wärts geebnet, dort den Sturz vorbe
reitet hat.
Und was sich bei dem Einzelnen zeigt,
wiederholt sich im Gesanimtlebeii der
Völker. Unser? jüngste Zeit hat hand
greifliche Beispiele gezeitigt, wie ein »n-.
iiiinigeS überhastetes, maßloses Regime
»n Wirtschaftsleben ein Volk bis in
seinen innersten Kern erschüttern und
in seinem Bestände bedrohen kann.
Wenn schon im kleinen Haushalt
Sparsamkeit die goldene Regel ist, die
sich nie ungestraft verachten laßt, so
gilt dies in noch weit höherem Maße
sür den großen Haushalt des Staates.
So möge denn die Aufmunterung
zur Sparsamkeit auf's Neue am und
sür das Weihuachtsfest gelehrt und be
herzigt werden. Wir sagen: für dieses
Weihuachtsfest selbst. Nur zu leicht
läßt sich auch der sonst Sparsame in
der Weihnachtszeit zu Ausgaben verlei
ten. die über seine Kräfte und Vermö
gen hinausgehe»! das Fest ist kaum zu
Ende, da treten auch schon die Folgen
dieses NichtmaßhaltenS zu Tage. Und
dann: man nennt unsere Zeit eine kri
tische und schwere. Wohl ruht der
Kamps der Waffen, tiefer Friede herrscht
auf dem politischen Gebiete, aber andere
innere, tiefgehend» Kämpfe beweg, n
unser öffentliches, wirthschaftliches uno
geistiges Leben. Ein Bild des Strei
tens ist's, das unsere Zeit allenthalben
gewährt. Tief klaffende Gegensätze
durchsitzen die Gesellschaft der Gegen
wart. trotz aller Bemühungen w»llen
sich dieselben nicht ll überbrücken
lasse«. Es wird noch harte Kämpse
losten, ehe der neue Most, der allent
halben mächtig gährt und größtentheilS
die alten Schläuche zersprengt, neue
Schleuche gesunden hat. Daß aber
diese Kämpse zum Wohle sür die Ge
sammtheit durchgeführt werde» können,
dazu bedarf es sicherer, äußerer wirth
jchaftlicher Fundirung des Einzelnen
wie des ganzen Staates, und diese
Fundirung beruht hauptsächlich aus
der zu beherzigenden Weihnachtsmah-
nung: Sparsamkeit im Kleinen wie im
Großen! U. I.
Unser« »l«in«n.
Das liebe Weihnachtsfest spukt schon
gar mächtig in den Köpschen unserer
Lieblinge: all ihr Sinnen und Trach
ten ist daraus gerichtet. Laß: Euch er
zählen. was ich neulich erlauscht:
Eurtche», der HauptpfisfikuS unser»
Straße, hatte alle seine kleinen Spiel
kameraden im Garten versammelt.
Großpapas Rosenbeete wurden des
schlitzenden Tannenreisigs beraubt, je
des Kind erhielt ein Christbäumchen,
man ordnete sich zum Zug, und nun
sdng das kleine Bolk andächtig all die
schönen WeihnachtSliedchcn, wie! „Alle
Jahre wieder". „Heilige Nacht! still«
Nacht!" u. f. w.
Als die kleinen Kehlen müde gesun
gen, lam/nelte Eurt all die Tannen
ziveige wieder ein und etablirle sich nun
als Ehristbaumverkäuser. Lieschen,
seine erste kleine Kundin, schalt ihn
aber einen viel zu theuren Mann.
Fünf Thaler koste sonst nirgendwo ein
Baum, mit fünf Groschen sei er reiche
lich bezahlt. So mußte sich der kleine
Handelsmann zu geringeren Preisen
versteh», bis mit dem letzten Baum
das letzte Spiel ein Ende fand.
Nun wurden Geschichten erzählt-,
hatte doch Lieschen neulich das Christ
kindchen mit eigenen Augen gesehen.
„Als ich neulich mit Mama spazieren
ging." erzählte sie. ..fuhr Ehristkind
chen. ein wunderschönes Fräulein im
langen Mantel, ein weißes Kapotbüt
ck'«!i mit lang herabfallend-m Schleier
aus dem Kopf, in einem wunderschönen
Wagen, dessen Pserde ganz goldig ge
zäumt waren. Um sie herum waren
lauter große Packete ausgcstapelt, auf
dem Bock aber saß Knecht Ruprechi
mit einer großen Pelzmütze." ..Knecht
Ruprecht ist das wohl nicht gewesen."
zweifelte der kleine Paul, ..denn der
geht meist zu Fuß, hat einen langen
Pelz und Wasserstiefeln cn. trägt einen
großen Sack und hält eine Ruthe in
der Hand.
Das weiß ich ganz genaue war
ooch St. Nicolaus bei uns. Ich spielte
gegen Abend gerade mit meinen Ge
schwistern. als es plötzlich furchtbar au
die Kuiderstubenthür pochte und eine
tiefe Stimme fragte: „Sind die kleinen
Kinder auch artig gewesen?" In unse
rer Angst krochen wir geschwind unter
Stühle, Tisch und Sopha, Mama aber
öffnele mit einem freundlichen' „Nur
herein!" die Thür. Gott sei Dank
schien die Mama alle unsere kleinen
Sünden vergessen zu haben und berich
tete dem eintretenden Ruprecht, daß wir
immer artig gewesen. Nun schmiinzelte
er freundlich, machte feinen Sack auf
und eröffnete ein Bombardement mit
Aepfeln, Nüssen und Pfefferkuchen. Da
waren wir natürlich rasch bei der Hand
und knupperten und schmausten nach
Herzeuslust, so daß ich am anderen
Tage selbst meine Lieblingsspeise stehen
lassen mußte."
Die Geschichte fand allgemeinen Bei
fall und die Kleinen sannen darüber
nach, was nun das Christkindchen wohl
erst alles Schönes bringen werde.
„Ja," ließ sich nun die kleine Trude
hören, „das wird dieses Jahr nicht so
viel werden. Papa sagt, der Zollan
schluß habe Alles so vertheuert. „Ha!
Ha! Ha !" lachte Curt, „dann hat Dein
Papa Dich nur geneckt. Ich weiß auch
ganz bestimmt, daß Christkindchen die
Sache» gleich aus dem Himmel mit
bringt und beim lieben Gott wird
nicht verzollt!"
Die heimkehrendeSchuljugend mahnt«
die kleine Gesellschaft an's Miltagsbrot.
und im Nu stob sie nach allen vier Win
den auseinander. Möchte mich der
sreundliche Leser nun auch in den Fa
milienkreis begleiten.
Papa und Mama sind eifrigst mit
Festvorbereitungen beschäftigt, und ha
ben die Kinder unter Tante Helene's
bewährtem Schutz gelassen. Fritzchen
hat das gute Weihnachtszeugniß nicht
nureinen Besuch des KindertheaterS ein
getragen, sondern er dars sich auch zum
zweiten Feiertage seine besten Freunde
zur Chocolade einladen. So finden
wir de» kleinen Mann eifrig bemüht,
auS Papa'S Papierkorb alte Einla
dungskarte» wieder hervorzuholen, und
es schreibt der kleine Gernegroß nun
nach bewährtem Muster etwa! „Fritz
N. gibt sich die Ehre" oder „Fritz N.
macht sich das Vergnügen" u. s. w.
Jetzt kommt Gretchen mit ihrer
Schiefertafel angerückt: Fritz soll Hel
sen, einen Wunschzettel schreiben.
„Nmi, was möchtest Du denn gerne?"
fragt er gnädig. „Ein Puppenbaby!"
entgegnet sie strahlend. „Was thust
Du mit einem langweiligen Puppen
baby!"' meint er geringschätzig. „Ein
richtiges lebendiges mußt Du Dir
wünschen!" „Ja. aber der Storch ist
doch iin Winler im Süden", sagt
Grete! kleinlaut. „Auf Bestellung
kommt er aber", ist die zuversichtliche
Antwort.
Inzwischen hat Lottchen Tante He
lenes Schooß erobert und sagt mit rei
fender Geheimnißthuerei: „Tante He
ine. ich sag' Dir c-b r nicht, daß Du
zu Weihnachten eine Nähmaschine be
tommst!"
Selbst im Bett kann sich die klein«
Schaar noch nicht beruhigen; laut«t
doch Hänschens Abendgebet dieses Mal:
„Ich bin klein, mein Herz ist rein,
drinnen wohnt ganz allein der
Spielwaarenhändler Runge."
Mögen den Kleinen alle ihre Her
zentwüniche erfüllt werden und mozen
sie noch manches jröhliche WeihnachiS»
sest stiern!
Zerstreut. Eine Dame bittet
den berühmten, aber im höchnen Grade
zerstreuten Prosessor N. brieflich um
ein Autograph und empfängt am näch
sten Tage solgende Autwort: „Ge
ehrte Dame! Da ich in ganz uner
hörter Weise fast täglich um meine
Handschrist angegangen werde, so habe
ich mich entschlossen, Niemandem mehr
ein Autograph ui geben !"