Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 30, 1892, Page 3, Image 3

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    Das VrrhiiiMiß.
(5. Fortsetzung.)
War es wirklich nnr in der Ueber
eilung geschehen? Nein. nein, die Er
bitterung gegea seine Mutter blieb die
selbe. trotzdem er mit so traurigem
Tone gesagt: „Sie ist meine Mutter."
ja gerade deshalb haßte sie diese Frau
um so leidenschaftlicher. Wie hart
mußte sie sein, daß die edle Leidensge
stall des Sohnes ohne jeden mildern
den Einfluß aus ihren Eharatter ge
blieben war! Fühlte doch Ange täg
lich. stündlich in ihrem Beisammensein,
was sie feinem Einfluß zu danken hatte.
Wie eine wilde Blume, die dem Wind
und Wetter entzogen, sich zur edlen
Blüthe entfaltet, wenn sie in guten
Boden verpflanzt wird, so war sür sie
der tägliche Bertehr mit dem Grasen
dieser gule Boden geworden. Obgleich
Gras Leonce nie direct aus sie einzu
wirken suchte, so wirkte er schon erzie
herisch durch seine ganze Persönlichkeit,
durch die gleichmäßige Rulie und Hei
terkeit, mii der er sein Gebrechen, seine
Blindheit trug.
So wie Ange war. so liebte er ste,
so sollte sie bleiben; nur ihre zeitweise«
Schroffheiten suchte er mit leiser Hand
zu glätten, wie man von einer köstli
chen Blume das kleine Ungeziefer streist,
das sie zu verunstalten droht.
„Störe ich? Hast Du Zeit sür
mich?" Es war Gräsin Mary, welche
schüchtern die Frage stellte, als sie nach
beendigtem Spiel durch das Palmen
haus in der offenen Thür seines Zun
nierS erschien.
„Gewiß, liebe Schwägerin, habe ich
Zeit sür Dich," kam Gras Leonce ihr
entgegen, ohne daß man seiner Stimme
die Erregung angehört, welche jeden
Nerv seiner Seele in Bewegung ge
bracht hatte und diesen Besuch als
Störung empfinden ließ.
„Aber ich unterbreche Deine Lec
türe."
„Durchaus nicht, wir können sie zu
jeder anderen Zeit wieder ausnehmen."
Ange verließ das Zimmer, und Graf
Leonce war mit seiner Schwägerin al
lein. Diese besand sich in tiefer Er
regung. Sie hatte seit dem Tode ih
res Kindes schwer unter dem despoti
schen Charakter ihres Gatte» gelitten,
jetzt wollte sie sich scheiden lassen und
in den Schooß ihrer Kirche zurückkeh
ren. Graf Leonce sollte ihr zur Lö
sung ihrer Ehe behilflich sein, ihre
Gründe, ihre Herzens- uud Glaubens
kämpse sowie die>en Entschluß ihrem
Galten übermitteln, nachdem fieTan -
ner würde verlassen haben.
Das war der Zweck ihres heutigen
Besuchs, den sie ihm stockend, nach
Athem ringend, mit>heilte, nachdem sie
seiner Aufforderung gesolgt und auf
dem Eckdivan neben ihm Platz ge
noinmen hatte.
Graf Leonce folgte tief erschüttert
der unlogischen Darlegung ihrer Ge
danken uud Absichten uud gelangte zu
der traurigen Ueberzeugung, daß sei
ner Schwägerin Geist doch wohl ge
litten -haben mußte. Er wollte ihre
Ausregung beschwichtigen, sie wie ein
krankes Kind mit sanftem Zuspruch
beruhigen, sie ließ ihn aber dazu nicht
kommen: der lang eingeengte Strom
ihrer Gedanken durchbrach den Damm
und schwoll zu einer Fluth an, sür die
es kein Halten gab.
„Siehst Tu," fubr sie athemlos fort,
„wie man die Sünde liebt, so liebte
und fürchtete ich Alfons; wie man dem
Teufel seine Seligkeit verschreibt, so
opferte ich unsere Vereinigung dem
Glauben meiner Kindheit. Deshalb
strafte mich Gott und nahm mir mein
Kind! Ich kann ihn nur versöhnen,
wenn ich mich von Atsons trenne.
Es will an Gottes Strafgericht nicht
glauben und nennt mich ein schwaches,
verwirrtes Weib; auch der Kaplan,
Deine Mutter nennen mich so, aber ich
bin es nicht. Wenn ich verwirrt
würde, so tragen sie die Schuld daran.
Du glaubst es mir nicht, aber cS ist
doch so."
Und ihre Hände, welche bei ihren
Worten das seine Battisttnch in nervö
ser Unruhe zerrissen, faßten nach den
seinen und klammerten sich furchtsam,
haltsuchend an ihn sest.
Er strich beruhigend über ihre kalten,
zitternden Hände.
„Meine arme Mary," sagte er, end
lich zu Worte gekommen, schmerzlich
ergriffen, „weshalb läßt Du Dich ver
wirren, weshalb quälst Tu Dich und
Alfons mit Borsiellungen von einem
Strafgericht, die nur eine Ausgeburt
Deiner erregte» Phantasie sein können?
Bist Tu nur Gott in Deinem Herzen
treu geblieben, so wird er Dir nicht
zürnen, daß Du in Deiner Schwäche
eine andere Form der Anbetung ge
wählt hast. In welchem Tempel Du
auch Deine Stimme im Gebet erheben
magst, immer wird der Begriff Gottes
in Deinem Herzen sein, sobald Dn die
Lehre Ehristi befolgst. Keine Kirche
dars sich rühmen, allein den Weg hierzu
weisen zu können, wie kein Priester die
Macht hat, Dich zu entsündigen oder
zu verdammen. Gehe den Weg der
Pflicht, welchen Dir Deine ans Liebe
geschlossene Ehe mit einfach natürlicher
Klarheit vorzeichnet. Trage den Ver
lust Deines Kindes nicht als Strafe,
sondern als Prüfung, überwinde
Schwäche und Furcht und fnche Alfons
durch Deinen reichen Schatz an Liebe
zu beglücken, und in welchem Dome Tu
auch zu Gott beten, welcher Confefsion
Du auch angebören, bei welchem Prie
ster Tu Dein bekümmertes Herz durch
die Beichte von feiner Last befreien
magst, ja wenn Du dies durch Dein
Gebet in Deiner Kammer thust, denn
Golt ist überall, die Form ist nicht der
Geist, der Geist aber allein ist Gott."
„Aber der Böse," wandte Gräsin
Mary ein, ..der Kaplan schildert ihn so
schrecklich, daß ich an Gott zweifeln
möchte, der solch furchtbares Wesen n«'
den sich diild?!."
.Die höchste Vollkommenheit, Gott,
konnte niemals das Böse, den Teufel
zeugen," erklärte Graf Leonce ernst,
.ebensowenig wie die Wahrheit die
Lüge, die Liebe den Haß. Gott schuf
den Menschen und mit ihm den Kampf
der Sinne gegen den Geist. Daß der
Geist in duseln Kampfe nicht unter
liege. vielmehr im ehrliche» Streit mit
Begierden und Leidenschaste» als ge
kräftigter Geist geläutert hervorgehe,
dys ist die hohe Bestimmung des
Menschen.
Gras Leonce hatte in dieser Erklä
ru»g den Weg enthüllt, den er selbst
Schritt tür Schritt gegangen. Seiner
milden Berediiamteil gelang eS, Maro
zu beruhigen und zu trösten.
VI. .
Da? beabsichtigte Fest fand zur Ein
tänschung der jungen Comtesje nicht
statt. Unerwartete Geschäfte halten
Graf Alfons »ach Münster gernsen,
und Gräfin Mary war an einem leich
ten nervösen Fieber erkrankt. Wieder
Geist sein Gleichgewicht wieder bei ihr
gesunden und alles Unklare ausgesto
ßen, so verlangte auch der Körper sich
von der Ueberreizung zu besreien, in
die ihn der kranke Geist gebracht, um
auch hier eine Krisis zum Besseren
herbeizuführen.
In der jungen Gräfin Boudoir wa
ren die blaßroihen Vorhänge herab
gelassen. Ein mattrs Licht lagerte
aus der steisen, altmodischen, wenn
auch kostbaren Ausstattung des Ge
machs. In dem weißfeidenen Him
melbett. in einem Reichthum von Bat
tist und Spitzen lag das zarte Gesicht
der Gräfin Mary, in dem die großen
Kinderaugen sich sehnsüchtig nach den
lerhangene» Fenstern richteien.
„Hariet!"
„Fran Gräsin wünschen?" Und daZ
Kammermädchen, welches mit einem
Strickzeug in bescheidener Entfernung
im Hintergrunde des ZimmerS faß,
erhob sich und näherte sich der jungen
Frau.
„Bitte, ziehen Sie die Fenstervor
hänge zurück.
Hariet befolgte den Befehl. Eine
Flnth goldenen Sonnenlichts des hel
len OctobertageS strahlte herein. Grä
fin Mary lächelte beglückt. „Wie das
wohl thut!" sagte sie aufathmend.
„Hat Sie der lange Schlaf erquickt,
gnädige Frau?"
„Habe ich lange geschlafen?" fragte
diese erstaunt.
„Ja, volle vierundzwanzig Stun
den, nachdem das Fieber nachgelassen
hatte."
„So wurde der Schlaf mein Retter.
Ich könnte aufstehen, so wohl fühle ich
mich. Ist mein Mann zurückgekehrt?"
„Ja, der Herr Graf kam gestern
an."
„War er bei mir?"
„Nein, die gnädigste Frau Schwie
germutter wünschten es nicht."
Die junge Frau spielte nervös mit
de» Spitzen ihres Plumcans und
fragte nicht weiter. Hariet zog sich
wieder in den Hintergrund zurück.
Wenn sie doch mit Alfons Tanner
verlassen könne! Neben ihrer Schwie
germutter war ihr die Anbahnung
eines besseren Verständnisses mit ih
rem Gatten unmöglich gemacht. Ihr
Muth entsank, müde schloß sie wieder
die Augen. Wie sie so dalag in ih
rem duftig weißen, mit echten Balen
cier Spitzen besetzten Nachtgewand,
die blonden, goldigen Haare zu beiden
Seiten in schwere Flechten zusammen
genommen. das weiche Gesicht mit dem
feinen schmalen Oval in den Kissen
vergraben, hätte man sie eher sür ein
siebzehnjähriges Mädchen, als sür eine
Ausgangs der Zwanzig stehende Frav
halten können.
Es wurde an die Thür geklopft. Die
lnnge Gräfin hob den Kopf empor.
Die Jungfer ging zu öffnen. Graf
Alfons trat ein.
Ter Mann mit der eisernen Maske,
wie ihn Marguerite in ihrem Ueber
mnth nicht unrichtig gekennzeichnet,
hatte sich deniaskirt und zeigte ein be
kümmertes uud erregtes Gesicht. Sie
streckte ihm zum Willkomm beide Hände
entgegen. Er führte sie an seine Lip-
Pen.
„Ich wußte gar nicht, daß Du krank
bist, sonst hätte ich meine Geschäfte in
Münster beschleunigt: meine Mutter
schrieb mir nichts davon," entschuldigte
er sich, „durch Leonce ersuhr ich erst,
daß Du krank. Er holte mich von der
Station ab."
Dabei rollte er sich eineiySessel an
ihre Seite und beschied die Jungser,
daß er init feiner Frau ungestört blei
ben möchte.
„Du sahst Leonce?" sagte sie leb
haft. als Hariet das Zimmer verlassen
hatte.
~Ja," sagte er und sah sie durch'
? dringend an.
Das Blut schoß ihr in's Gesicht, sie
schlug die Augen nieder nnd sagte
. furchtsam: „Du weißt alles?"
„Ja, und ich beklage es ties, daß Du
mehr Vertrauen zn ihm als zu inir ae
- habt hast "
Sie barg ihr Antlitz in ihre Hände,
als erwarte sie einen Zorncsausbrnch,
aber er kam nicht. Was auch in sei
ner Seele vorgehen, ihn zur Heftigkeit,
zum Zorn herausfordern mochte. Reue
und Sorge behaupteten die Oberhand.
Die ernste Unterredung mit seinem
Bruder hatte ihn gewallig erschüttert,
ihn wider Willen zur Einkehr in sich
gezwungen, ihm die gefährliche Trag
weite feiner Schroffheit und llnduld-
famkeit feinem Weibe gegenüber ge
! >eigt. das mehr als jedes andere der
Stütze, de» liebevollen Zuspruchs de
durne.
> Statt den Seelenzustand seiner Frau
zu schollt», aus ihre Glaubenskämpfe
gleichwie Graf Leonce klärend und be
lehrend einzugehen, hatte er sich ihr
durch diese cntsremdet und sieden Hän
den des Kaplans und seiner vorur
theilsvollen, strengen Mutter über
lassen.
I „Mein Bruder bat mir alles gesagt,"
fuhr Graf Alfon» fort, .ich that Un
recht, von Dir das Opser Deines
Glaubens zu verlangen. Das sei aber
zu meiner Rechtfertigung gesagt: hätte
ich eine Ahnung gehabt, wie schwer —"
Sie faltete bittend die Hände. „ES
ist das alles alles meine Schuld, ich
weiß es. Ich Halle mir meinen Ueber
tritt leichter und es mir so schön ge
dacht, mit Dir in einem Tempel zu
beten. Wenn Du mich darin besser
verstanden^mir mehr Liebe gezeigt Hit
test. so wären diese Kämpft, ich bin
sest davon überzeugt, gar nicht gekom
men."
„So bin ich eS immer allein, den
der Vorwurf trifft." sagte Graf Alfons
bitter.
„Ja nein." stammelte sie, „auch
meine Schwachheit- Aber das soll an
ders werden, ich verspreche eS Dir.
Leonce hat mich über meinen Uebertritt
damit beruhigt, daß es gleich sei, in
welchem Tempel ich mein Gebet ver
richte, welcher Priester über u»S den
Segen spricht, sobald ich nur den rich
tigen Begriff von Gott habe und meine
zunächst liegenden Pflichten ersiille."
Eine dunkle Wolke verfinsterte des
Grafen Stirn. Ihre Antwort, fo
erfüllt von dem freigebigsten Einfluß
seines Bruders, weckte in ihm sehr wi
derstreitende Empfindungen. Er hatte
nach der Unterredung mit Leonce ge
geglaubt, für solche Anschauungen ge
wonnen zu sein, der Schlange der
Eisersucht den Kopf zertreten zu haben,
und nnn regte sie sich doch und brachte
die herbe Aniwort auf die Lippe.
„Der Einfluß Leonces auf Dich muß
ein großer sein, daß diese einzige Aus
sprache genügt, um Dir diese Beruhi
gung zu geben."
Ihr entging sein Argwohn, nicht
aber seine Gereiztheit. Sie war so
gewohnt, durch ihre Bemerkung solche
hervorzuruien. daß sie immer darauf
gefaßt war.
„Ach, Alfons. Leonce wußte so klar,
so überzeugend zu sprechen! Er ist so
edel, so gut!"
Diese offene, unkluge Bewunderung
verfinsterte die Wolke auf des Grafen
Stirn noch mehr.
„Wirklich!" höhnteer.
Sie fuhr zusammen. Eine jähe
Röthe stieg wieder in ihr blasses Ant
litz. Er las darin Schuldbewußtsein.
„Mary" er umspannte in auslo
dernder Heftigkeit ihr Handgelenk, „ge
stehe es, sage es nur. Du liebst diesen
edlen, guten Leonce!"
Bei dieser rücksichtslosen Frage, ver
bunden mit dein eisernen Druck feiner
Hand, schrie sie leise auf und rief au
ßer sich:
.Das glaubst Du das kannst Du
glauben, der Du iveißt, welche Opfer
mir Dein Besitz, unsere Liebe gekostet!
wissen mußt, wie Du selbst an unserem
Hochzeitstage die Bitte an mich gestellt,
ich möchte Deinem unglücklichen Bru
der Leonce eine gute Schwester werden,
da Enre Familie ihm viel an geraub
tem Glück schulde?"
„Ja," sagte er. immer noch nicht
überzeugt, „und der Schritt vom Mit
leid zur Liebe ist schnell gethan."
Ihre Hände drückten sich krampfhaft
über ihre Brust zusammen.
„Alfons, sei gerecht, sei nicht so
grausam, Tu versündigst Dich an mir
und an Leonce!"
„Leonce! Jmmrr und immer wie
der Leonce!" stieß Graf Alfons in
seiner leidenschaftlichen Verblendung
zornig heraus.
Einen Augenblick schien eS. als hätte
seiu ungerechter Zorn ihr jeden Muth
zum Widerstand genommen. Aber sie
hatte Leonce getobt, sich mit ihrem
Mann zu versöhnen, offen und furcht
los mit ihm zu sprechen. Seiner
Ueberzeugung war eS gelungen, sie mit
ihren Kämpfen in Ruhe zu bringen.
Sollte dies, wenn sie in Sanftmuth
und Geduld seinem Beispiele folgte,
nicht auch bei ihrem Mann gelingen ?
„Alfons," hob sie leise, beschwörend
an, .Du weißt, wie ich Dich geliebt,
wie der Verlust unseres Kindes mir
fast das Leben gekostet. Trotzdem lie
ßest Du mich in stumpfer Resignation
neben Dir bahin leben, sprachst nie
mals Deinen eigenen Kummer über
den Verlust unseres Kindes aus, der
uns dann sicherlich näher geführt, statt,
wie es leider geschah, entfremdet hat."
Diese Anklage traf zu, und die Er
innerung an sein Kind berührte eine
Saite, welche Zorn und Eifersucht ent
waffnete. Er ergriff ihre zarte Hand
und drückte sie.
Ja, er hatte gefehlt, schwer gefehlt
durch feine Verschlossenheit und Härte,
er durste sie nicht anklagen, wenn sie
Trost und Beruhigung wo anders als
bei ihm gesucht, der sie ihr zu geben sich
nie bemüht hatte. Sein Händedruck
ermuthigte sie, fortzufahren:
„Ich weiß, wie ich durch meinen
Trnbnnn, meine Schüchternheit Deine
Geduld ermüdet, aber Deine Kälte und
Ungeduld verbesserte daran nichts. Ich
mochte sie verdienen, aber sie machten
die Angst meines Herzens noch schlim
mer. Ich hatte Niemand, zu dem ich
flüchten, mit dem ich mich aussprechen
konnte. Deine Mutter, der Kaplan,
ja selbst Marguerite und Fred behan
delten mich wie eine Geisteskranke und
vermchrttn dadurch meine Unsicherheit
und Furcht. Wenn Du mir doch end
lich Helsen wolltest, diese zu überwin
den! Gewiß, ich würde nicht bei Leonce
Rath und Stütze suchen, sondern Dir
allein mein Vertrauen schenken. Bitte,
versuche es. habe Geduld mit mir und
habe mich lieb!"
Er war bezwungen.
„Bedarsst Tu wirklich meiner, liebe
Mary," fragte er und zog sie in seine
Arme.
„Sehr, o sehr!" und sie hob die
sansten, sehnsüchtigen Augen zu ihm
empor.
„Und Du bereust es nicht, mein
Weib geworden zu sein? Zuweilen
glaubte ich eS, und das machte mich fo
unzugänglich."
.Ob ich es bereue?" Sie drückt»
den Kopf fest an seine«Brust. .Nein,
jetzt nicht!"
„Jetzt nicht? Welche Antwort!"
„Muß. foll ich nicht wahr fein?
Willst Du an meiner Liebe zweifeln,
wenn ich gestehe, daß es Stunden ge-.
geben, wo ich mich weit, weit von Dir
gesehnt, weil Du mich so hilf- und
rathlos Deiner stolzen, strengen Mut
ter überlassen?"
„Solche Stunden sollen nicht wieder
kehren, ich nehme Dich auf längere Zeit
fort von hier."
„Das willst Du?!"
Sie jubelte beseeligt auf. Fort von
den kalte», strengen Augen ihrer stol
zen Schwiegermutter! Jetzt durste sie
an Glück noch glauben.
Harriet erschien und meldete, daß
die gnädigste Frau Gräfin den Herrn
Grase» ersuche, in den Salon zu kom
men, sie habe eine wichtige Angelegen
heit mit ihm zu besprechen.
„Gut. sagen Sie Frau Gräsin, ich
werde sofort erscheinen."
Seine Frau erfaßte bittend seine
Hände.
„Alfons, vergiß nicht, was Du mir
versprochen."
„Beruhige Dich, ich halte mein Ver
sprechen."
„Auch dann, wenn Deine Mutter
dagegen ist?" fragte sie beklommen.
„Auch dann!" lächelte er. „Ich
habe eine seste Willenskraft."
„Ist es wahr," hielt sie ihn »och zu
rück. „daß Deine Mutter bereits iiber
MargueriteS Hand verfügt hat; sie ist
noch so jung."
„Das ist sie und sehr eigenwillig
und deshalb zu ollen möglichen Un
übcrlegtbeilen geneigt. Mit ihrem
Uebcrmuth sie nur in Gefahr,
entweder in die Hände eines routinirten
Glücksritters zn fallen oder gegen den
Willen meiner Mutter sich in irgend
eine» obskure» Landjunker zu-verlie
ben. Dem will uieiue Mutter durch
ihre Verlobung mit unserem Vetter
Moor vorbeugen. Er ist ein vollende
ter Eavalier und wird gewiß Carriere
machen."
„Und Du stimmst dieser Wahl bei?"
„In Sachen, bei denen meiner Mut
ter die Hauptstimme zusällt, enthalte
ich mich, wie Du weißt, schon aus
Klugheit jeder Einmischung: sie würde
boch nur mit einer Niederlage enden."
Gras Alsons suchte jetzt seine Mut
ter auf.
„Du hast Dir Zeit genommen, mei
ner Aufforderung zu folge»," rügte die
alte Gräfin, welche vor ihrem Schreib
tisch saß und einen Bries kouvertirte.
„Verzeih', Du weißt, ich war bei
meiner Frau."
Sie sah überrascht auf.
„Ich dächte, das wäre kein Grund,
mich warten zu lassen. Im Uebrigen,
da wir bei Deiner Frau find: ich hielt
eS für gerathen, Doktor Langfeld zn
konfultiren. Ich habe soeben an ihn
geschrieben."
„Doktor Lang:eld. welcher die Anstalt
für Nervenkranke hat?" fragte Graf
Alfons mit zusammengezogenenßrauen.
„Und für meine Frau?"
„Ganz richtig, für Deine Frau. Ich
halte es für da» Beste, sie einige Zeit
dort hinzugeben."
Die Adern auf feiner Stirn schwol
len an.
„Du mußt sehr auf meine Bereit
willigkeit, mich von meiner Frau zu
trennen, gerechnet haben, liebe Mut
ter, daß Du, ohne Dir vortrst meine
Zustimmung zu sichern, diese Bestimm
mung getroffen."
„Du vergißt, mein Sohn, daß Du
verreist warst, als Marys Zustand sich
verschlimmerte, und meine Pflicht als
Mutter gebot mir, zu handeln. Der
Brief ist jedoch noch nicht abgeschickt,
denn ich wünschie, Dich vorher mit
meiner Bestimmung bekannt zu ma
chen."
„Ich danke Dir sür diese Rücksicht,"
sagte Graf Alfons kühl höflich, „die
Abiendung kann mithin unterbleiben.
Ich freue mich, daß meine Frau dieser
mütterlichen Fürsorge nicht bedars.
Ich finde sie bei weitem wohlcr und
auch heiter, so daß ich ihr d'n Vor
schlag gemacht, mit ihr eine länge«
Reise anzutreten."
Der Gräfin Hand sank schwer auf
die Tischplatte. Sie sah ihren Sohn
an. als habe sie ihn nicht recht ver
standen.
„Du Du wjllst mit Deiner Frau
eine längere Reise unternehmen, und
davon ersahre ich jetzt erst?"
„Liebe Matter, dieser Entschluß ist
mir selbst überraschend trotzdem
steht er fest."
Mutter und Sohn maßen sich mit
einem langen, langen Blick. Graf
Alfons war kein zu unterschätzender
Gegner. Was sollte sie thun?
„In Sachen, bei denen meiner Mut
ter die Hauptstimme zufällt, enthalte
ich mich schon aus Klugheit jeder Ein
mischung," hatte vor wenigen Minuten
Gras AlsonS zu seiner Frau gesagt,
.sie würde dach nur mit einer Nieder'
läge endigen."
Wie der Sohn, so dachte auch jetzt
die alte Gräfin. Mit fester Hand zer
riß sie den Brief.
„So wäre dieser überflüssig," sagte
sie kurz.
„Das ist er." gab Graf Alfons zu.
„Ich bedaure nur. liebe Mama, daß
Du in Deiner allzu großen Fürsorge
bereits an Dr. Laffeld geschrieben.
Ich danke Dir."
Er ergriff ihre Hand und küßte sie.
Bei aller ritterlichen Galanterie ihres
Sohnes hatte sie doch ihren Meister ge
sunden.
VII.
Der Herbst hatte sein Ende erreicht.
Ans der Haide war die dustige Erika
längst abgeblüht und im wilden Spiel
jageen sich die unfreundlichen Novem--
berstürme.
Die Tage wurden kürzer und kürzer.
Der Winter hielt frühzeitig feinen Ein
zug. Draußen fiel der Schnee und
legte sich auf die nackten Zweige der
Bäume, die unter der schweren Last zu
brechen drohten.
Ange stand am Fenster von Graf
Leonces Zimmer, welcher mit seiner
Mutter und Marguerite über Land
gefahren war, »m ein'n Besuch zu ma
chen. Sie hatte aus alter Gewohnheit
zur Zeit ihrer Lesestunde sich in fein
Zimmer begeben und blickte gedanken
verloren hinaus in die winterliche
Schneelandschast. den Tanz der Flok
ken. Eine wohlthuende Wärme durch
strömte das Gemach. In dem offenen
Kamin von weißem Marmor knisterten
und knackten die großen Buchenfcheite
und eine klösterliche Stille herrschte in
ganzen Schloß.
Ihr war seltsam bange zu Muthe.
Sie fühlte sich als ein verlorenes Blatt,
vom Sturme hinweggetragen. Sollte
sie da deu einzigen Freund, der diesem
verwehten Blatt ein Heimathsgefühl
gegeben, verlassen, weil sie unter den
kalten, strengen Augen seiner Mutter
nicht melir srei zu athnien können
glaubte und in steter Furcht lebte, sie
möchte rücksichtslos das Band der
der Freundschaft zerschneiden, das sich
leise, unlösbar zwischen ihnen ge>
wunden.
Unter dieser Freundschaft verlor sich
mehr und mehr die quälende Erinne
rung an das schreckliche Verhängniß,
an die kurze Blüthezeit einer Liebe, die
ihr zu viel Enttäuschung und Demü
thigung gebracht, um sie uicht empfäng
lich sür die Neigung eines Mannes zu
machen, der ihr Selbstgefühl hob und
aus dem entweihten Tempel ihres Her
zens alles auswies, was demselben sei
nen Frieden zu raube» gedroht hatte.
Es war damit ihre alte Fröhlichkeit
zurückgekehrt, die sie ost übermüthig
machte und ihr zuweilen einen erstaun
ten Blick Margnerites eintrug, die den
Winter ans Tanncr entsetzlich öde fand.
Alle srohen Erwartungen aus eine lu
stige Karnevalszeit in Münster hatte
im Herbst ein Schlaganfall ihrer
Großmutter, deren rechte Seite ge
lähmt. ein Ende gemacht, und wenn
sich die Grafin auch wieder so weit er
holt hatte, um am Krückstock mit ge
wohnter Energie vorwärts zu schreiten,
so waren doch immerhin ihre Kräste
einer längeren Reise nnd gesellschaft
lichen Strapazen niche gewachsen.
Was Marguerite eine bittere Ent
täuschung war, konnie für Ange nur
erfreulich fein, da sie ja die Ausfüh
rung der geplanten Reise nach Münster
von ihrem gütigen Beschützer, dem
Grasen Leonce, getrennt Hütte. Und
doch konnie sie sich mit dem Gedanken
beschäftigen. Tanner zn Verlaffen?
Sie preßte die heiße Stirn gegen die
kalten Scheiben und Thräne» traten
ihr in die Augen. Niedergeschlagen
wandte sie sich von dem winterlichen
Bilde ab und ließ sich in einen Sessel
am Kamin fallen: sie vergrub das Ge
sicht in die Hände und gab sich ihren
Befürchtungen hin.
Weshalb überkam sie jetzt ost in sei
ner Nähe ein so seltsames Bangen,
weshalb fühlte sie es fast wie ei» Gebot
der Pflicht, Tanner zu verlassen uud
damit sich und ihn gegen eine ausstei
gende Gesahr zu schützen?
„Aber ach, der Weg der Pflicht ist so
rauh und hat keinen anderen Horizont
als den Tod," klagte sie. „Wenn nur
aus diesem beschwerlichen Weg ein
grüner Pfad gezeigt wird, sollen wir
ihn nicht betreten und diese leichte,
liebliche Wanderung, die wohlthätige
Ruhe, welche ivir hierbei empsinden.
uns nicht gewähren. Ich gehöre mir
allein an, Niemand macht sich mit mir
zu schaffen: ich habe weder Vater noch
Mutter, da führt mich das Schicksal
mit einen! Mann zusammen, dessen
Freundschaft mir alles, alles gegeben,
was Vater, Mutter. Bruder hätte» ge
be» können und ich soll ihn fliehen?
Blos weil die Furcht vor einem Uner
klärlichen in Gegenwart der Gräfin
mich nm alle Ueberlegtheit und Beson
nenheit bringt.
Mit welchen spitzen Worten hatte sie
nicht Gras Leonces Bitte, sie heute von
der Partie sein zu lassen, zurückgewie
sen?
„Man pflegt bei einem Besuche seine
Frennde nicht mit seiner Gesellschaf
terin zu belastigen," hatte sie erklärt,
und er hatte dazu geschwiegen. Tie
Tlnänen drängten sich zwischen den
Fingern durch.
Da suhlte sie sich leicht an's Knie ge
stoßen. Hektor war es, der vor dem
Kamin gelegen. Sie schlang ihre
Arme um seinen zottigtn Hals, drückte
ihre Wange a» sein Fell und weinte
bitterlich.
Plötzlich machte sich Hektor mit einem
Ruck frei und bellte freudig auf. Ange
erhob sich und trocknete sich die Augen.
Schritte näherten sich. War es mög
lich, kam er schon zurück? Der Huud
stürzte ibr voran der Thür zu. Sie
eilte zu öffnen.
Ja, da stand die hohe Gestalt des
Grasen in seinem Fuchspelz, über und
iiber mit Schneeflocken besäet. Sie
jauchzte ans wie ein großes Kind und
hätte sich beinahe in seine Arme gewor
fen, wenn sie nicht den Diener bemerlt
hätte, der ihm den Pelz abnahm. Graf
Leonce trat ein und reichte ihr beide
Hände entgegen, indeß Hektar ihn um
kreiste.
„Nicht wahr, so früh hat man mich
nicht erwartet?"
„Nein," gestand Ange. seine kalten
Hände mit ihren kleinen warmen an
sich drückend. „Haben Sie Döllens
nicht zu Hause getroffen?"
„Ja, ich habe meine Mutter und
Marguerite nur hin begleitet. Es
war gar nicht meine Absicht, bort zu
bleiben."
„Das ist herrlich ach, wenn Sie
wüßten—"
Sie brach ab.
„Nun, Angelie, was soll ich wissen?"
ermuthigte er sie lächelnd.
„Ach, es. ist besser, ich sage das
nicht!"
Aber da kam sie schlecht an. Ihr
freudiges Willkommen, die Winterlust.
welche ihn erfrischt und belebt, das
traulich durchwärmte Gemach, die Ge
wißheit, ungestört zu sein, alles wirkte
zusammen, jede Ueberlegung und Zu
rückhaltung über den Haufen zu wer
fen. Er erfaßte von Neuem ihre
Hand, die sie ihm leise entzogen und
scherte:
„So entkommen Sie mir nicht, eS
mußgebeichtet werden! Slill. Hektor,"
als dieser sich eifersüchtig zwischen ihn
und Ange drängen wollte, „geh' auf
deinen Platz!"
Der Huud gehorchte.
Ange versuchte, ihre Hand zu de»
freien, aber er hielt sie sest.
„Soll ich einmal wieder Gedanken
leser sein?" suhr er fort, als sie
schwieg. „Ange, werden Sie sich nie
mals an meiner Mutter Härte gewöh
nen? Habe ich Ihnen nicht oft erklärt
daß sie eine alte Frau ist, die in den
Vorurtheilen ihres Standes groy ge
worden, welche sich in ihrem Alter
schwer bekämpfen lassen?"
.Ich weiß das aber —"
.Ange. Sie b ginnen immer Sätz»
und vollenden sie nicht. Vergessen
Sie nicht, daß dieses für eine» Blin
den, der sie nicht durch Blicke ergänzen
kann, besonders hart ist."
„O. Sie sind ja ein so guter Gedan
kenleser!" wandte sie ein, „und ach.
wie oft täuschen, uns Blicke!"
„Nicht bei Ihnen, Auge. Ich bin
überzeugt, daß sie bei Ihnen kein
Werkzeug der Koketterie sind. Wenn
ich in Ihren Augen lesen könnte, ich
würde viel eher den Muth zu einer
Frage finden, die sich lange, lange
schon auf meine Lippen gedrängt
würde Ihnen gestehen, daß ich alle
Vorzüge meiner Geburt, alle Borur
theile meines Standes "freudig der
Hoffnung opfern würde, Ihr Herz,
Ihre Liebe zu gewinnen!"
Das war es, was sie sich kaum ein
zugestehen wagte. Er warb um ihre
Liebe er, von dem sie die uuüber
steigliche Schranke adelsstolzer Borur
theile trennte, er. der Sohn jener
stolzen Frau, an deren kalte Augen sie
nur mit einem leisen Schauder denken
tonnte. Der aufquellende Jubel, wel
cher sich bei seinem Geständniß ans ihre
Lippen drangen wollte, erstarrte bei
diesem Gedanken.
.Und Ihre Mutter vergessen Sic
Ihre MuUer?" ries sie in hervorbre
chender Herzensangst und entzog ihm
ihre zitternden Hände.
.Meine Mntter!" wiederholte er und
ließ Hand und Stimme sinken. „Sie
hat viel, viel an mir gut zu machen.
Sie wissen, ihr Familienstolz entriß
mir die Geliebte meiner Jugend, zwang
uns zum Entsage». Sie nahm den
Schleier, mich aber packte die Verzweif
lung. Ich wollte nicht leben, ich
stürzte mich in den See ich wurde
gerettet, um mein Leben Hinsort als
Blinder von Neuem zu beginnen! Alle
stolzen Pläne meiner Mutter mit mir
wurden dadurch für immer vernichtet,
und wenn nicht, so wird sie nach jenem
Vorgang es kaum wagen, mit rauher
Hand noch einmal in mein Schicksal
einzugreisen, wenn Sie einwilligen,
des armen Blinden Weib zu werden."
Ein Schauer des Entzückens durch
rieselte Auge. Er, der Edle, begehrte
sie zu seinem Weibe!
„O, Graf Leonce," stammelte sie
fassungslos, „vergessen Sie denn, an
wen Sie Ihre Werbung richten?"
.Nein. Ange, das vergesse ich nicht!"
erwiederte er. sest. innig. „Ich richte
sie an das Wcib, welches ich liebe, das
mir über alles theuer geworden ist,
und verlange nichts als Gegenliebe
jene Liebe, die bereit ist. alle Unschuld
uud Rechtschaffeuheit alles sür mich zu
opfern, die sich an mich bindet in Wohl
nnd Weh, im Leben uud im Tod.
Diese Gabe gebe ich und diese wünsche
.ch als Gegengabe."
Ange preßte die Hände gegen das
Herz. O, wie anders klang dieses Be
kenntniß. als die Liebeswerbung Kelk
heims. Er hatte sich in seiner Liebe
nur berauschen wollen, weiter nichts;
an ihre Seele hatte er nicht gedacht, sie
mochte dabei zu Grunde gehen.
.Sie schweigen, Ange." sagte er be
unruhigt, traurig. „Wie habe ich Ihr
Verstummen zu deuten? Fürchten Sie
das Opser, welches das Leben an der
Seite eines Blinden von Ihnen for
dert?"
Das ging nun doch über ihre Kräfte.
.Nein, nein," rief sie leidenschastlich,
fürchte ich nicht!"
„So sürchten Sie den Widerstand
meiner Mutter?"
Sie schwieg: beiier, er glaubte das
Eine als das Andere.
.Geben ohne Kampf meint Liebe
auf?'
Ohne jeden Kamps? O, wenn er
ahnte, wie dieser ihre Seele zerriß.
„Nein," rief sie außer sich. „Ihre
Liebe gebe ich nicht aus. Ich will sie
hüten wie einen köstlichen Talisman,
und Sie sollen mir bleiben, was Sie
mir diese ganzen Monate iiber gewesen:
mein einziger, meia bester, theuerster
Freund!" ,
Und wenn Marguerite heirathet,
wenn man Ihrer aus Tanner nicht
mehr bedarf? Dieser Zeitstunlt liegt
nicht so fern!" ,
.Weshalb sollte ich nicht als Ihre
Vorleserin aus Tanncr bleiben tonnen?
Wenn Sie mich als solche zu behalten
wünschen, würde sicherlich Ihre Mutter
nichts dagegen haben."
(Sortierung folgt.)
—K a s ern en ha fbl ü t he. lln
terofficier: „Sie. Meier, auf Sie
paßt auch, was der selige Lessing in
seinem „Wallenftein" sagt: Und so
ein Roß sah mau niemals wieder!"
Schlagfertig. Er: „Mein
Fräulein, ich liebeSie wahnsinnig!"—
Sie: .Bitte, sprechen Sie mit mei
nem Papa, der ist—lrrenarzt !"
Vorgebeugt. A.: „Oeffnet
Ihre Frau Ihre Briese?" B.:
.Nein, denn ich habe es ihr erlaubt."
Aha! ?l.: „Nun. wie ist Ihr
erster Ausritt verlausen?" B.' .Im
Sand!"
»a» Murpyy-Vro».
Wohl selten hat ein Amerikaner in»
Auslande so schnell bei Alt und Jungt
und unter allen Klassen der Bevölke
rung sich Ruf und Bekanntschaft er
worben, als Herr Murphy. Vielleicht
hört sogar mancher seiner Landsleute
von dem Manne bei dieser Gelegenheit
zum ersten Male, und sragt erstaunt?
„Aber wer in aller Welt ist denn dieser
Murphy? Von den« Manne habe ick»
ja noch gar nichts gehört!"
LiinbcScommissZr Murphy.
Mit dieser Verwunderung käme er
aber bei der Berliner Hökerfrau in der
Centralmarkthalle da unten im Mittel«
p inkte des brausenden Berkehrs, am
Bahnhos Alcxanderplatz, dort wo di:
Neue Friedrichstraße mit der KöMA»
straße zusammentreffen, schön aiu
„Wat, Männeken? Sir sind woll
nich von hier? Det Murrvieh-Brod
is Ihnen lauter böhmsche Dörfer ? Na.
da hört doch Allens uf! Det kennt ja
mein Jüngster schon so genau, det er
immer noch eene Stulle will, wo er von
det olle preußische Brod blos eene ge
prepelt hatte! Na. über Ihnen aber
ooch ! Det Murrvieh-Brod hat ja
aber ooch so jroße Oojen, wie so'n
richtiger Schweizerkäse. aber det ausn
Effeff!" Und da wendet sich unsere
Freundin schon mit ihrem süßesten
Lächeln zu einer vorbeipassirende«
Dame, welche mit kritischen Blicke?
ihren Kram mustert:
„Man immer ran, schönstet Ma
damken ! Sie wer'n mir doch nich
vorbeijehn ? Det könnt ick ja bei Leibe
nich verknusen, und dieJören zu Hause
schreien nach Brod! Kieken Sie doch
man her, wie schön det Gemüse is l
Blumenkohl eene wahre Pracht!"
In demselben Augenblick erschallt
eine jugendlich Helle Stimme: „Ach,
Mutter Patzken, orejen «e sich man
nich so us! Se thun ja wahrhaftig s»
bramsig, wie Großkohtz aus Kleen-
Pankow! Oder hab'n Se vielleicht
den Mann mit'n Kohks geheirathet?
Jratulire!" und der Bäckerjunge
denn ein solcher mar es. und noch dazu
einer, der auch Murphy-Brod aus
trägt macht sich lachend rechtzeitig
aus dem Staube, ehe ihn das Wurf
geschoß aus der Hand der tiesgekränkten
Hallendame in Gestalt einer handsestei»
Kartoffel erreichen kann.
»Nf dem Spazierwege.
Lieutenant: „Gnädiges Fräulein
behandeln mich auffallend kühl. Bin
ich langweiliq geworden?"
Junge Dame (zum Regen drohen
den Himmel blickend!: „Ach auf
richtig gesagt, mein Herz sehnt sich für
den Augniblick nach einem Civilisten
mit Schirm!"
Aufrichtig. Gast (zum Hau
firer): .Wie kommt e», daß Sie jedem
hier anwesenden Herrn Ihre „echten
Meerschaum - Eigarrenspitzen" angebo
ten haben, nur mir nicht? Ich sehe,
Ihnen wohl zn gering aus?"
firer: „Zu gecing nicht, lieber Her«»
aber zu gliche.dt!" 3