Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 18, 1892, Page 7, Image 7

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    7 Seath Valley und seine Bewohner.
Vielleicht eine der ödesten nnd trost
losesten Landstriche ist die tiefe Eimrn
tung, welche mitten in der großen Mo
jave-Wüste genau zwischen dem südliche»
Ealisornien und Nevada belegen ist,
und welche den bezeichnenden Namen
„Death Valley' führt. Begrenzt wird
dieser Landstrich anf einer Seite durch
die Bergkette der Funeral Mountains,
welche zu einer Höhe von livVO Fuß inii
schwindelerregender Steilheit fast un
mittelbar aus der Ebene emporsteigen,
und auf der andern Seite durch di«
kahlen nnd öden Felsgipfel der Pana
mint-Kette, welche sogar eine durch
schnittliche Höhe von Iv,OOV Fust errei
chen. Die dazwischen liegende Mulde
—eben unser Death Valley bietet die
nur an wenigen Punkten der Erde sich
wiederholende Erscheinung einer Sen
kung unter dem Wasserspiegel des Mee
res. In allen solchen Fällen hat man
es mit ausgetrockneten MeereSbecken zu
thun, und so auch hier. Auf viel«
Quadratmeilen hin glänzt der Boden
in blendender Meiste, wie ein winterli
ches Schneefeld. ES ist das Salz, wel
ches in Krystallen ansgewittcrt ist und
weithin den Boden bedeckt. Auch Borar
tritt massenweise in reinen Krystallen
zu Tage. Von Regen oder selbst Thau
ist in diesen Breiten niemals die Rede;
es istsast ein Wunder zu nennen, daß
in diesem Gürtel absoluter Trockenheit
noch eine dürftige und spärliche Vege
tation überhaupt fortkommt. Und doch
findet man hier das dornige Mesquit-
Gestrüpp, den harzigen Greafe - Busch
und die Kreosot-Pflanze.
Die steilen Bergwälle auf beiden
Längsseiten hindern das Eindringen
frischer Luftströmungen. Wochen und
Monate lang strahlt d>e Sonne ihre
Gluthen von dem ungetrübten Blau
des Himmels herab, und da keine Ab
kühlung während der Nacht stattfindet,
haust sich der Hitzvorrcith dieses Gluth
osens von Tag zu Tag in beängstigen
der Höhe. >s?o erreicht das Ouccksilber
auf der Fahreuheit'fche Scala im Hoch
sommer eine Temperatur von 120 bis
Grad im Schatten. Die Trocken
heit der Luft erreicht sogar unter ganz
besonders günstigen Umständen den
Stand des absoluten Nullpunkts, d. h.
es ist der Atmosphäre auch nicht ein
Moni Wasserdampf beigemischt. Unter
normalen Berhältnissen zeigt die Lust
im Death Valley während des Som
mers wenigstens einen Proccntsatz von
fünf Procent, wozu man zum Ver
gleich erwägen mag, dast in unserer ge
mäßigten Zone der Feuchtigkeitsgehalt
7<) Proccnt betrügt. Wir verdanken
diese Angaben den soeben gedruckten
und veröffentlichten Reiseerlebnissen
der von unserem Ackerbaumiuister Rusk
ausgerüsteten Expedition, deren botani
sches Mitglied, Frederick Vernon
Eoville, sich der Redaction der gemach
ten Aufzeichnungen unterzogen hat.
ch- Ii l K
i ' ' X/
P anainlnt-Indianer.
Ontfetzl ich und verheerend sind die
glühenden Staubstürme dieser Gegend,
nur den Versen genden und blendenden
Samum der Wüste Sahara in Afrika
einigermaßen vergleichbar. Menschen
und Thiere, die von ihnen ereilt wer
den, sind einem sicheren Untergänge ge
weiht. Gluth und Trockenheit steigen
während drS Staubsturines zu taum
glaublicher Höhe.
Nach dem Vorstehenden scheint diese
Region des Todes, die sich die Phan
tasie eines Tante leicht als würdigen
Vorhos der Hölle au-malen könnte, als
Wohnort menschlicher Wesen geradezu
unmöglich zu sein. Und doch entdeckten
Eoville und seine Begleiter hier einen
Jndiancrstanini, die Panamiut-India
ner, welche hier schon seit undenklichen
Zeiten Hausen und ihrem Aussehen und
ihrer Lebensweise nach keineswegs zu
den erbärmlichsten und ain tiefsten
stehenden Familien der weitverbreite
ten kiipscrrothen Rasse gehören. Die
Pefcherähs an der Südspitze des Erd
theils, die Botokuden in Brasilien, die
Utes in Nordamerika stehen in jeder
Beziehung unter den Panamints —ein
Beweis sür die bewunderungswüidige
Anpassungsfähigkeit des Menschen selbst
an die ungünstigsten Existenzbedingun
gen.
Dieser Stamm ist allerdings so be
deutend zusammengeschmolzen, daß
man von einem Volksstamm der Pana
mints taum noch reden tann. Eoville
hat nur sünfuudzwanzig Exemplare zu
Geficht bekommen, obwohl damit nicht
gesagt ist, daß in den Schluchten und
.Seitenthälern der beiden Gebirgsketten
nicht noch mehr Familien sich aushal
ten. Daß gerade diese Indianer sich
diesen öden Gluthosen, Death Valley
genannt, zum Wohnsitz erkoren haben,
erklärt sich leicht. Verfolgungen und
schlechte Ernten, auch Uedrrvdlkerung
und Verdrängung durch mächtige Nach
barn sind die Ursachen, welche die Be
siedelung öder, rauher und kalter Land
striche veranlassen. So wurden die
Polarländerund Alpengürtel einerseits,
so die Fieber- und Sninpfgegeiiden der
tropischen Zone andererseits coloiüsirt.
sMB?
Doch wie machen es diese Panamink-
Jitdianer möglich, im Death Valley zu
leben und ihren Lebensunterhalt zu er
werben? Nun, einmal üben sie dort,
wo Eovillesie antraf, die nützliche Kunst
ver Berieselung. Man nimmt an, dast
diese bei ihnen sehr jungen Datums ist,
und dast sie dieselbe von einem ver
sprengten Mormonen gelernt haben.
Unsere Regierung hat sie dabei nicht
durch Subventionen unterstützt. Ruhig
und friedliebend,wie sie sind, haben sich
die Panamint nicht, wie die skalpiren
den Chippewahs oder die pferdestehlen
den Komantfches, jbei den Meisten in
Respekt zu setzen gewustt, und man hat
ihnen deshalb auch keine fette Reserva
tion abgetreten. Trotz der Unwirth
lichkeit der umgebenden Natur haben
es die Panamints verstanden, durch
kluges Haushalten mit der spärlichen
Feuchtigkeit der tiefen Gebirgsschluchten
einen Theil der Einöde in einen blühen
den Garten zu verwandeln. Kartof
feln, Bohnen, Erbsen und Wassermelo
nen gedeihen vortrefflich.
In den Bergen gibt es wildes Geflü
gel, namentlich Ptarmigan, in Masse.
Auch das scheue Bergschaf, dessen Jagd
für weihe Jäger meist zu mühsam ist,
fällt dem ausdauernden und schlauen
Indianer häufig zur Beute. Aus den
Nüssen der Zirbelkiefer, den Körner»
des Bündelgrases und den fleischigen
Stengeln gewisser Eacteen verstehen die
Panamints nahrhafte und gut sctzmek
kende Kost zu bereiten.
vieiscndc
Althorpe: Also glücksich wieder zu
rück, alter Junge, von deinen langen
Reisen! Du mnstt aber auch viel gese
hen und viel erlebt haben!
Newlands: Und mitgebracht noch
mehr, Freundchen! Der ganze Schrank
hier ist voll davon! Hier hast Dil ein
vaar Goldsransen. die ich von Kaiser
Wilhelms Thronst siel im Berliner
Schlosse abgeschnitten habe da ist
eine bronzene Thürklinke, abgebrochen
von einer Flügelthür im Vatikan
Ai ein Ohr aus weistem Marmor, das
ich heimlich einer Athene auf der Akro
polis abgeknipst habe hier ein L?tück
Pergament, abgerissen von einem Ma
nuskript im Klosier San Juste in
Spanien! Und Alles umsonst, mein
Junge!
Der Ehemann aIS Probierstein
Praktische Ehefrau (zn ihrer sie
um Rath fragenden Freundin): Wie
ich da» mache, um gute Dienstmädchen
zu bekommen? Nichts einfacher, liebe
Freundin! Wenn sich ein neues Mäd
chen bei mir meldet, rufe ich allemal
in-iucn Mann. Gefällt ihn das Mäd
chen. so schicke ich sie augenblicklich fort.
Die ihm nicht gefällt, behalte ich!
Der spanische General
Morillo begann seine kriegerische Lauf
bahn als gemeiner Soldat. Bei der
Erhebung gegen die Franzosen war er
nichts als Sergeant bei der Marine.
Bald darauf wurde er wegen seines
braven Verhaltens Alferes (Fähnrichs,
als solcher brachte er eine Menge be
waffneter Bauern zusammen, mit denen
er Vigo angriff. Nachdem er die Fran
zosen geschlagen nnd sie in die Stadt
„i'-iickgetrieben hatte, forderte er sie auf,
sich zu ergeben. Der französische Kom
mandaul weigerte sich, dies zu thun,
einzig aus der Ursache, weil er gehört
habe, da« bei dem Feinde kein Offizier
von hinlänglich bedeutenden Range sei,
mit dem er unterhandeln könne. Mo
rillo eninnnte sich daher selbst zum
Oberstlieutenant und liest den Fran
zosen wissen, Oberstlieutenant Morillo
werde seine Kapitulation annehmen,
worauf auch der Platz übergeben ward.
Als die Regierung von der Eroberung
und der Art, wie diese sich vollzogen
hatte, ersuhr, ertheilte sie Morillo nicht
nur die verdienten Lobsprüche, sondern
ermächtigte ihn auch, den Rang, den er
»ch selbst beigelegt hatte, ferner zu be
! halten.
Der Fall Luna.
Liebt ein Mann seine Frau Heist und
innig, nnd erfährt er, dast sie ihn hi»-
tergangen hat, so wirkt diese Thatsache
wie der zuckende Blitz. Gelähmt, ge
blendet fühlt er, wie die versengende
Flamme in sein Innerstes dringt und
dort das stolze Gebäude seines Glückes
vernichtet. Nichts bleibt als ein trau
riges Häuschen Asche. Unter dieser
aber glimmt ein Funke ein ganz
kleiner Funke, der letzte Rest seiner
Liede. Wäre dem nicht so, wie wäre
es dann möglich, dast betrogene Män
ner im Stande sind, ihren Franen zn
verzeihen, ja in die Wiederaufnahme
des ehelichen Lebens mit der Fran zu
willigen? Freilich der Gniiidpsciler der
Ehe, das Vertrauen, ist dem furchtba
ren Blitzstrahl zum Raube geworden.
A» dem kleine» Funken dort in dem
armen leer gebrannte» Herze» aber ver
mag wohl die Fran durch ein konse
quentes hingabevolles Leben das Ver
traue» auss Neue anzufachen, die Fackel
des ehelichen Glücks aufs Neue zu ent
flammen.
Die Fälle sind selten, aber sie kom
men vor und brauchen nicht durch
äustere Rücksichten, wie die auf die Kin
der, den Skandal, bestimmt zu sein.
Auch ist der RehabililirungSprocest der
Frau ein langwieriger, schwieriger,
aber er ist nicht unmöglich. Aber wehe,
wenn das Opfer persönlicher Wurde,
welches der Mann hat bringen wollen,
ein vergebliches gewesen, wenn die Frau
die Verzeihung verschmäht. Riesen
haft, gigantisch schlägt dann von dein
Altar der Liebe, auf dem dieses Opfer
gebracht wurde, die Flamme des Hasses
uud der Rache sür die doppelt erlittene
Schmach aus. Nur wenn man sich
diese Reflexionen macht, kann man sich
das surchtbare Verbrechen erklären,
welches der in den weitesten Kreisen be
kannte Maler begangen hat, über
das wir bereits kurz berichtet haben,
und das augenblicklich ganz Paris be
schäftigt.
Herr Luna ist ein in Belloc (Philip
pinen) geborener Mestize, der einen sehr
charakteristischen Malayen-TypuS hat.
Seit seiner Jugend zeigte er seinen Ge
schmack und eine große Begabung sür
die Malerei, so dast die Stadtgemeindc
von Manilla ihm ein Stipendium aus
warf und ihn zu feiner Ausbildung
nach Madrid schickte.' Hier protegirten
ihn Ramon Rodnguez Corrca und der
frühere Staalsmiuister Manuel Sil
vela. Die Madrider Akademie sandte
ihn nach vollendeter Lehre in der spa
nischen Hauptstadt auf die Hochschule
der Kunst nach Rom. Dort oben auf
dem JaniculnS malte er, am Ende sei
ner Studienzeit angekommen, im Wett
bewerk mit den Kameraden sein !>»«,-
liariuin, mit welchem er de» ersten
Preis errang, und den die Provinzial-
Depntation von Barcelona sür die
stattliche Summe von Frcs.
ankanste. Herr Luua hat serner ein
anderes ossicielles Bild, das der
Schlacht von Lepanto, für den spani
schen Senat gemalt.
Was ich hier von seine» Werken in
den verschiedenen Salons gesehen habe,
trägt einen schwermiuhigen Eharakler.
In seinen letzten Bildern beschäftigten
ihn die vom Glück Vernachlässigten, die
Armen, wenn er sich nicht an die schau
rigen Darstellungen der Arena hielt.
Wo er aber eiiimal seinem Hiimor die
Zügel schießen liest, da war dieser ein
bitterer und beißender. Auch sein Ko
lorit war, wenn ich mich recht >r nnere,
ei» trübes, dunkles, leicht in s Bläu
liche gehendes.
Unwillkürlich kam Einem aus den
Bildern der Gedanke, daß der Mann
starte Eindrücke von derNoth des Lehens
empfangen haben müsse. Das Talent
V?S jugendlichen, erst 3üjährigen
Meisters ist ein h.rvorragcndes, allge
mein ancrtannteS. In Paris lernte
Luna vor etwa sechs Jahren die spa
nische Familie Pardo de Tavera kennen
und heirathete die einzige Tochter. Die
Heirath war >ine NeigungSheirath.
Das junge Müdchm hatte keine eigent
liche Mitgift, obwohl die Fainilie Ta
vera, die kreolischen Ursprungs ist und
ebenfalls von den Philippinen stammt,
sehr wohlhabend ist. Die Mutter,
welche die Tochter zärtlich liebte, hatte
das jungt Paar in das einzige HauS ge
nommen, nnd dort fehlte es ihnen um
so weniger an Allem, was das Leben
schmückt, als nicht nur der junge Künst
ler seine Bilder gut bezahlt bclam.
sondern auch die Mutter jedeu Wunsch
ihrer Tochter zn erfüllen bestrebt war.
Die ersten Jahre der Ehe verflossen
in ungetrübtem Glück. An Scenen hat
es wohl, wie in so vielen Hansständcn.
später nicht gefehlt, und daß sie heftiger
als anderwärts, war weniger die
Schuld des Ernstes der Differenzen als
des in den Adern dieser Südländer Hei
ster rollenden Blutes. Zwei Kinder
wurden ihnen geboren, ein Knabe, der
heute süns Jahre ist, und der, während
der schrecklichen That sür das Leben der
Mama stehend, die Hände zu dem ra
senden Vater emporstreckte, und ein »ei
nes Mädchen, welches vor einigen Mo
naten gestorben ist.
Im Monat Jiili klagte der Knabe
über Brustschmerzen, und Madame
Luna ging mit deni Kinde aus den
Rath des Arztes und uuter Zustim
mung ihres Mannes nach Mont Dore,
woliin sie eine englische Gouvernante
Mist Baley begleitete. Herr Luna er
hielt nach einiger Zeit von dort
anonyme Briese, die ihn von der Un
treue seiner Frau be»t,chrichtigen. Er
telegraphirte ihr sosort »ach Paris
zuruckzukeliren, was geschah. Bald
nach der Rücktehr verliest die Gouver
nante das Haus und trat in eine andere
Stellung.
Es scheint, dast sie das Benehmen
der Mutter ihres kleinen kranlcn Pflege
befohlenen empört hat. die sie allabend
lich im Hotel allein und ost bis ties in
die Nacht hinein auf ihre Rückkehr war
ten liest. Luna klagte fein Leid seinen
Schwägern, die beide Mediziner sind.
Es scheint, dast Beide Partei sür ihn
ergriffen nnd ihrer Schwester die ein
dringlichste» Vorstellungen machten.
Diese leugnete jede unerlauble Bezie
hung mit Herrn Dussacq, das war der
Name des angeblichen Verführers. Der
selbe, ein hochangeschener Kaufmann,
dessen Bruder Inhaber eines der ersten
Bordeaux-Häuser, während er selbst
Präsident der Handelskammer der Ha
vanna und Ritter der Ehrenlegion, ver
heiralhet und Vater mehrerer Kinder
ist, hat das stattliche Alter von 45 Jah
ren. Frau Luna erklärte, ihr Verkehr
mit diesem Herrn sei kein anderer gewe
sen, als ihn jede Danie im Bade mit
dort angeknüpsten Bekanntschaften zu
üben pflegt. Die Annäherung hatte
dadurch stattgefunden, dast HerrDuffac,'
vortrefflich spanisch spricht.
Herr Lnna hatte sich schon mit den
Erklärungen seiner Fran zufrieden ge
geben. ja er hatte Herrn Dussacq in
seinem Hanse empsangen, und es wa
ren sogar srcuudschaftliche Beziehungen
zwischen beiden Männern entstanden,
so dast der neue Haussreund. nachdem
er Lnna den hygienischen Sport des
ZweiradS gtrühmt hatte, diesem ein
elegantes Bicycle zum Geschenk machen
tonnte. Da erhielt der unglückliche
Gatte eines Tages einen neuen anony
men Brief, worin ihm mitgetheilt
wurde, daß Herr Dussacq mit seiner
Frau Hii einem Hause der Rue du
Mout-L,hubor heimlich zusammcnlresse.
Vor etwa vierzehn Tagen folgte Luna
feiner Frau nud sah sie thatsächlich im
gedachten Hause verschwinden, er kam
aber zu spät, um ermitteln zu können,
in welche Etage sie gegangen ivar.
Der Portier zeigte sich gegen jede Re
cherche widerspenstig, und schon wollte
Luna, ohne ein positives Ergebnist er
langt zu Habens das Haus wieder ver
lasse», als ihm Herr Dussacq von de'
Straße ciilgegcnkam.
„Als ich in den Hansflur trat," so
erzählte Herr Dnssacq, „sah ich Luna
bleich, mit verstörtem Gesicht uud flie
gendem Athem auf mich zukommen."
„Wie kommen Sie de»» hierher?"
fragte ich ihn. ihm die Hand reichend.
„Ich wollte Sie aussuchen, ich glaubte
Sie wolmten hier."
„Wie denn? Sie wissen doch, dast ich
Avenue Kleber wohne. Ich selbst
wollte einen hier wohnenden Freund
besuchen."
„Nun! ich will Ihnen die Wahrheit
sagen," siel- inir Luna in'S Wort. „Ich
bin meiner Frau nachgegangen und
habe geglaubt, sie hier eintreten zu
sehen, habe sie jedoch nicht mehr ge
funden."
„Ich weist natürlich nicht, ob Fran
Luua hier in das Haus gegangen ist,
aber ich kann Sie versichern, dast ich si?
nicht gesehen habe."
„Ich reichte Luna die Hand, der sich
eilig entfernte, ich selbst trat bei meinem
dori wohnenden Freunde Fremy, ei
nem Junggesellen, ein. Sechs Tage
xergingen, ehe ich wieder von Herrn
Luna hörte, als ich den Besuch der Dok
toren Felix und Trinidad di Tavera,
der Schwäger Lunas. erhielt, welche er
klärten, dast sie als Zeugen desselben
kämen. Luna behauptete, ich hatte
galante Beziehungen zn seiner Frau
unterhalten, uud verlange Genugthu
ung mit den Waffen. Ich begriff nicht
recht, was man von mir wollte, den
noch beauftragte ich zwei meiner
Freuilde, den eben in der Nne du
Mont-Zhabor wohnenden Paul Fremy
und einen Herrn Eloszenton, mit den
Verhandlungen. Meine Zeugen er
klärten nach meiner Jnstriution den
Zeugen LunaS turz uud bündig, dast
ich teinerlei unerlaubte Beziehungen zu
Frau Luna unterhalten habe, und dast
mein Berkehr mit ihr kein anderer ge
wesen sei als der, welcher sich zwischen
einem Herrn und einer Dame, die sich
täglich an einem Badeorte sehen,
herausbildet. Auf die Fragen der
Zeugen Lunas, ob ich eine bezügliche
Erklärung unterzeichnen würde, willigte
ich anch darein und liest Herrn Felix
und Trinidad Pardo Tavera folgende?
Schriftstück überreichen:
„Herr Dnssacq erklärt auf Ehren
wort, dast er mit Frau Luna weder in
Korrespondenz gestanden, noch irgend
welche Rendezvous gehabt hat. Er
wurde dieser Dame im Monat Juli im
Mont-Dore vorgestellt."
Meine Zeuge», die auf meine münd
liche Erklärung hin sich geweigert hat
ten, mich aus das Terrain zn begleiten,
legten, nachdem ich dieses Documeut
niedergeschrieben, nnd die gegnerische
Partei keinerlei Beweise des Gegen
theils beigebracht hatte, ihr Mandat in
meine Hände zurück. Seit jenem Tage
habe ich nichts wieder von der Familie
Lima gehört bis vorgestern, wo ich das
schreckliche Drama aus de« Zeituugei'
ersuhr."
Der eine der Zeugen, Herr Fremy.
der Bewohner des Hauses Mont-Tha
bor, ivar bei diesem Berichte, den Herrn
Dussacq einem Mitarbeiter der Temps
erstattet hat, zugegen und bestätigte di<
Richtigkeit der Angaben.
Wir erlauben uns dennoch, dieselbe
anzuzweifeln, da Madame Luna nach
den Aeustcrungen ihrer Brüder ihrem
Manne selber gestanden hat, dast sie
mehrfach mit Herrn Duffacq in der Nne
du Mout Thabor Zusammenkünstc ge
habt hat. Herr Dussacq hat —und das
ist begreiflich—um die Ehre der Frav
Luna zu retten, gelogen.
Trotz alledem vergab der Mann sei
ner reuige» Frau! Die Familie Luna
beschlost, Paris zu verlasse» und »ach
Vigo zu gehen. Das Verzeihen schliestt
aber leider nicht ein Vergessen, nicht ein
Heilen der geschlageneu Wunde ein.
Bei der geringsten Berührung schmerzt
dieselbe wieder auf das Heftigste, uud
dieser Schmerz ruft wilde Aeusjerniigen
hervor. Vielleicht hat Frau Luna die
Schwere ihres Unrechts »ach Art der
Südländerinnen nicht in ihrem ganzen
Umsange empsunden, vielleicht ist die
verwöhnte Frau und Tochter nicht de
müthig genug während der Borberei
tungen zur Reise ausgetreten, vielleicht
hat der Gedankr. Paris und die Mutter
verlasse«, um mit dem mit Recht
mißtrauisch gewordenen Manne fern
von der glänzenden Metropole, fern
von ihren nalürlichen Freunde» uud
Beschützer» zu leben, eine gewisse Em
pörnng in ihr erzeugt. Gcnng, wäh
rend der Vorbereitungen znr Abreise
kam es zn den kcstigstcn Scenen zwi
schen Fran »nd Mann, die i» Thätlich
keiten ausarteten. Am Freitag vor
acht Tagen sollte die Abreise der Fa
milie stattfinde». Am Abend vorher
entstand abermals ein heftiger Konflikt,
und am Morgen äusterte Frau Luna
zu ihrer Mutter: „Du sollst sehen, er
bringt mich »och um."
Diese, die ihre Tochter vergötterte,
veranlastte ihre Söhne, niinmchr die
Vertheidigung ihrer Schwester zu über
nehmen. Die Brüder telegraphirte»
a» eine» Hausfreund, einen i» London
doniizilirten spanischen Advocaten Re
gidor Jurada, damit er ihnen bei der
von der Familie Pardo nunmehr beab
sichtigten Trennung der Gatten bei
stehe.
Jiuado kam und ward Zeuge de«
Dramas. Wir folgen seinem Bericht
über dasselbe, obwohl ivir uns der An
sicht nicht verschliesten köniim, dast der
kluge Jurist schon heute Stimmung
gegen Luna machen will, ein Beginnen,
welches dein hochherzigen nnd gerade»
Charakter der Gebrüder Plado geradezu
widerspricht, die »och gestern ihren juri
stischen Freund beschworen, Luna nicht
Fremden gegenüber übermästig zu' be
lasten. Es gälte im Gegentheil jetzt,
wo so viel Unheil über die Familie her
eingebrochen, wenigstens den Kops des
unglückliche» Luna zu retten, der,
ahnend, dast man die Galtin und daS
Kind von ihm trennen wolle, die schreck
liche That offenbar in einem Anfall"
von Wahnsinn begangen habe.
Ueber das Drama felber erzählt Herr
Regidor Jurado Folgendes: „Ich bin
gestern (am 22. September) angekom
men, um die Bedingungen der Tren
nung zu regeln, n»d begab mich sosort
zum Doltor Trinidad, den ich nicht zu
Hause tras. Ich ging darauf zur Villa
Dnpont, Ivo mich Herr Luua empfing.
Wir sprachen über allerhand, aber lein
Wort von der Scheidung. Felix, sagte
er mir schliestlich, ist oben bei dem Kua- l
den, der an einer leichte» Lniigencon- 5
gestio» leidet. In demsclbe» Augen
blick trat der Dr. Trinidad in das!
Zimmer uud fragte kurz: „Was ist!
hier eigentlich im Haufe los?", worauf
ihm fein Schivager antwvrtete: „Was -
soll denn los sein? Das Kind ist nicht
wohl, Felix ist bei ihm." Der Doltor!
Trinidad stieg in das Krantenzimmer!
hinauf und kehrte bald daraus mit sei-!
»ein Bruder zurück. Dann brachen I
wir aus, um über die Trennnug in j
aller Ruhe z» verhandeln, über deren ,
Gründe ich noch nichts wnstte. Der
Doltor Trinidad hatte einem der Mäd-
che» den Auftrag ertheilt, uns, sobald !
Luna irgend etwas gegen seine Fran
oder gegen deren Mntter u»ler»ähnie,
aus dem benachbarten Ease herbeizuru
fe». Unsere hatte ihn
offenbar erbittert, da er sich sage»
»ittstlc, dast jede Aussöhnung mil seine''
Iran nunmehr nninöglich sei.
Kaum batteu wir in dem Ease Platz
genommen, als das Mädchen wie eine
Wahnsinnige schon von Weilern uns
zuries: „Kommen Sie, so schnell Sie
Ihre Füße tragen, der Herr will Ma
dame um6riugcn." Wir stürzten uns!
auf das Haus, von dem uns der Hilfe
ruf der beiden Frauen cnlgcgentönte.
Die Villa, ia der Herr Luna wohnte,
liegt gegen die anderen etwas zurück,
und ein schmaler Gang führt zu der
selben. Jünger und schneller als ich,
hatten die beiden Brüder den Gang zu-!
erst betreten, als ihnen die beiden
Frauen, von denen Frau Luua ihr
Kind auf dein Arme halte, zuriefen:
„Geht nicht weiter, er hat einen Revol
ver in der Hand." In der That be
merkte» wir an einem Fenster der erstcu
Etage Luna mit einen, Revolver, der
uns andonnerte: „Steht, oder ich
schieße!" Da er keine Autwort erhielt,
und seine Schwäger auf die Eingang-»
thür losstürzten, so schoß er. Die
Kugel traf den Doktor Felix über der
rechten Brnst. Er fuhr mit der Hand
»ach der verletzten Stelle und brach mit
den Worten: „O, ich bin verwundet!''
zusammen.
In demselben Augenblick erreichte ich
die Thür, die den schmalen Gang von !
der breiten Allee trennt, ich öffnete und
wir konnten den Verwundeten in ei»
Nachbarhaus tragen und ihm die erste
Pflege angeoeiheu lassen. Inzwischen
hatte Luna, der in diesen wilden Zorn
erst durch die Weigerung seiner Frau
versetzt worden war, ihm die Thür zum
Schlafzimmer zu öffnen, i» das sie sich
mit ihrer Mutter eingeschlossen hatte,
die Thür eingeschlagen, die Frauen
hatten sich darauf in das Badezimmer
geflüchtet nnd auch dieses hinter sich
verschlossen. Aber auch diese Thür
widerstand nicht der durch die wahn
sinnige Aufregung verdoppelten Kraft
Lunas. Sie flog in Trümmer und
nun schoß er ans die beiden Frauen in !
unmittelbarer Nähe zwei Schüsse ab.
von denen der eine Frau Pardo tödtete
und Frau Luna tödttich verwundete.
Ich lies, um Polizei herbeizuholen,
sand anch einen Schutzmann, der aber,
als er Herrn Luna mit der Waffe in
der Hand sah, erklärte, er wolle erst
einen Eollegcn hinzurufeu. Endlich
erschienen zwei Polizisten und bemäch
tigten sich LuiiaS. der keinen Widcr>
stand leistete.
Vor den Polizeicommisiär geführt,
trat nun die Reaction aus den Wuth
ansall ein. Erschöpst brach der drei
fache Mörder zusammen, und ein
Weinkrauips löste den entsetzlichen Zu
stand. Man hat auch gestern Luua
noch nicht verhört, da er noch immer in
vollständiger Theilnahmlosigkeii gegen
die äußere Umgebung dasitzt, wobei
ihm die Thränen über die Wangen
fließen."
Der Zustand der Frau Luna ist.
obwohl die KugA nicht in'S Gehirn ge
drungen ist, bis jetzt hossnuugsloS. sie
soll unsagbare Schmerzen leiden und
denrlsch vielleicht.nicht so gewaltige,
wie sie ihr Mann erdui'Bste, bis ihm
der Wahnsinn den Revolver in die
Hand drückte. Man hofft, dm Doctor
Felix Pardo zu retten.
Nicht Eifersucht war es, die den
Mann zur verzweiselten Zhat getrie
ben, sonder» die verichniähte Verzei
hung. der doppelte Schlag gegen seine
Würde als Mann.
Ktuscr und Tytere.
„Ich kann es gar nicht begreifen, wie
> eS möglich ist. dast eine erwachsene Per
son von einem Thier, wie etwa einer
> Maus, einem Wurm, einer Spinne
oder dergleichen, Furcht haben kann.
Das liegt aber nur au der Erziehung!
Würden die Menschen als Kinder schon
daran gewöhnt, derartige Thiere zu
sehen oder aufzufassen, so würden sie
auch später keine Scheu davor haben.
Zum guten Theil aus diesem Grunde
gehe ich' alle Jahre ein paar Wochen
aufs Land, damit meine Kinder dort
Gelegenheit haben, etwas von der Na
tur kenne» zu lernen, denn hier, mitten
in der Groststadt. ist so etwas doch
nicht möglich!" —. So hörte ich eines
Tages einen Herrn sprechen, und die>
Ansicht, die er da äusterte, schien mir
eine ganz vernünftige zu sei».
Ein Zufall wollte es, dast ich einige
Zeit darauf wiederum mit dein Herrn
zusammentraf es war dies i» einem
idyllisch gelegenen Dorfe—und ich hatte
dort Gelegenheit, zu beobachten, wie
der Herr feine Theorie in die Praxis
übertrug. Ich traf den Herrn, als er
in Begleitung feiner Gattin und feiner
beiden Kinder den schmale» Fußsteig
über die sastig grüne Wiese dahinschntt,
dem nicht allzu fernen Vorwerk zu.
Ich folgte der Aufforderung des Herrn,
mich auzuschlicßeii, um so lieber, als
die ganze Familie im besten Zn e war,
Naturstudicii auf ihre Art zu treiben—
auf ihre Art, das heistt: Elise und
Benno, die beiden Kinder, anf der
Wiese umherlaufend, das Mädchen
Blumen pflückend nnd wieder wcgmer-
send, der Junge mit einem Schmetter
> lingsnetz bewassnet. alles fangend, was
ihm gerade in den Weg kam: Schmet
terlinge, Käfer, Heuschrecken n. s. w.,
! und damit seine Botanisirtrommel, in
der sich bereits einige Eidechsen besan
> den, füllend! der Vater hielt Umschau
Illach weitere» Thiere», auf die er feine»
l hoffnnngSvollen Spröstling aufmertfam
I iiiacheu konnte, und Frau Ludmilla,
! die Mutter, hielt krampfhaft mit beiden
! Händen ihr Kleid geschürzt, von Zeit
! zn Zeit, wenn, ein Käser vorüber lief
oder ein Wurm über den Weg kroch,
eine» Schreckensruf ausstostend uud
! einen kleinen Luftsprung machend —sie
„hatte eben keine richtige Erziehung ge-
d. h, sie wir als Kind nicht
mit den Schöpsnngen der Natur genü
gend vertraut gemacht worden
Benno hatte sich eben wieder einen
goldglänzende» Laufkäfer gefangen,
und brachte ihn triumphirend seinem
Baler. Fran Ludmilla wandte sich,
fröstelnd beim Anblick des mit ängstli- !
eher Hast seine Beine bewegenden Kä- l
sers ab, während der Vater die Gelegen- >
heit wahrnahm, mich von dem Werth '
seiner Erziehungsmethode zu überzen-!
gen. „Wieviel Beine hat der Käser?" !
examinirte er den Jungen. „Sechs,"
antwortete Jung-Bcuno prompt und rist >
dem Thiere, um zu zeige», daß seiue!
Angabe richtig sei, alle sechs Beine
! nach einander aus.
„Sehen Sie", wandte sich dann der
Vaier triumphirend an mich, „so lernt
der Junge svielend die Thierwelt ken
nen, und Furcht kennt er nicht."
Nein, Furcht tannte er nicht, davon
hatte ich mich überzeugt. Er wars den
aus so grausame Weise verstümmelten
Käser weg nnd ich machte deu Leiden
des gequälten Geschöpfes durch einen
Fnsttritt ein Ende, war allerdings dar
nach lange Zeit noch im Zweifel, ob
der kräftige Tritt au die einzig richtige
Adresse gelangt war.
Aus dem Vorwerk konnten die weib
lichen Glieder der Familie, Frau Lud
milla und Schön-Elfa, bethätigen, dast
auch sie ein nicht geringes Interesse an
der Thierwelt nahmen. Dort watschel
ten nämlich kleine, taum mehr als acht
Tage alte Gänschen ans dein Hos her
um. Die drolligen gelben Dingerchen
mit ihren noch etwas unbeholfenen Be
wegungen sahen mir allerdings aller
liebst aus liud rechtfertigten die ver
schiedenen Ausrufe des Entzückens und
liesten auch den Wunsch Elsens, so ein
niedliches Geschöpfchen zn besitzen, be
greiflich finden. Die Mutter unter
stützte ElsenS Bitten, der Vater war
nicht abgeneigt, dem Mädchen den
Wunsch zu crsüllen, und nur der Bauer
schüttelte bedenklich den Kopf. „Das
Gänschen geht drauf, wenn wir'S von
den Altea nehmen und wcnn's keine
richtige Pflege hat." sagte er, allein ein
blanke» Martslück verscheuchte foins Be
deuten und Else ward somit gluckliche
Besitzerin eines lleinen Gänschens.
Benno mußte die Insassen seiner
Botanisirbüchse an die Lust setzen, und
an ihrer Stelle ward das gelbe Ge
schöpfchen hinein gebettet. ' Daheim
räumte dann Elfe ihren Puppenwagen
für ihr lebendiges Spielzeug ein, was
an Backwerk nnd sonstigen Süßigkeiten
aufgetrieben >verdcil>lonntc, ward dem
kleinen Pflegling vorgesetzt, nnd als
dann am Abend Elfe ihr Bettchen aus
suchte, nahm sie dos Gän-Zchen mit zu
sich. Am nächstm Morgen aber gab's
reichlich Thräne»,: Schoa-Else hatte im
Schlase ihr lebendiges Spielzeug er
drückt.
Ja „lebendiges Spielzeug", das
ist wohl der richtige Ausdruck dafür,
wenn Kindern Thiere in die Hände ge
geben werden. Und Scenen, wie di«
eben geschilderten, stehen durchaus nicht
vereinzelt da, sondern wiederholen sich
leider gar zn oft. Und auch wenn das
Bejchäsligen mit Thieren anscheinend
geschieht, um den Kindern wirkliche:-
Verstä>jd»ist für die Natur und ihr ge
heimnisvolles Walten beizubringen,
dann läuft es. es ohne ein»
sachgemäße Anleitung ui:V ohne stetes
Uebnwacheil vor sich geht, auf nichts
weiter hinaus als auf Spielen mit Ge
schöpfen, die für Schmerz ebcvfo em
pfänglich sind wie wir Menschen.
„Aber eine Schmetterlings- oder Kä
fersammlung darf sich doch mein Ittngi
anlegen!" höre ich da Diesen und Jenen
ausrufen. Aber auch hier tann und
darf die Antwort nur lauten: nur dann,
wenn die Sammlung vernünftig, unter
Anleitung eines Erwachsenen, der von
der Sache etwas versteht, am besten
etwa niiter Aufsicht des Lehrers vor
genommen wird. Wie viele Taufende
uudAbertaufende von Schmetterlingen,
Käfern nnd anderen Thieren werden
alljährlich aus grausame Weise zu Tode
gequält von Kindern, die angeblich ihre
naturgeschichtlichen Kenntnisse durch
Anlegen von Sammlnngen bereichern
wollen. Da tomint es zumeist nicht
darauf an. von den verschiedenen Arten
je ein Exemplar z» besitzen, sondern von
einer Art möglich viele.
Und wenn auch eine Sammlung
nach einem guten Buche oder unter
sachgemäster Anleitung angelegt wird,
hat sie denn wirklich sür den Knaben
eine» so große» Werth, dast sie das
mitunter recht grausame Tödten so
vieler Insekten rechtfertigt? In der
Schule, beim llnterricht ist jede Samm
lung am Platze, fönst aber hat sie einen
zumeist nur eingebildeten Werth. Von
viel grösterer Bedeutung ist es für die
Kenntnist der Natur, dieselbe drausten
im Freien, gewissermaßen an der
Quelle zu studiren. Daß dies aber
nicht in einer Weise zu geschehen hat.
wie es oben geschildert wurde, liegt auf
der Hand. Um dem Knabe» zu bewei
sen. dast ein Käfer sechs Beine
brauche» dieselben noch lange nicht ein
zeln ausgerissen -zn werden. Jener
oben erwähnte Vater gestattete ja aller
nm zu beweisen, daß sein Junge keine
Furcht vor Thieren kenne. Allein auch
in der Furchtlosigkeit ist Maß zu hal
ten, denn allzu große Dreistigkeit kann
gar zu leicht auch Schaden bringen.
So gilt ein Junge surchtloS eine
Blindschleiche oder etwa eine Ringel
natter greift, ebenso furchtlos wird er
auch jedes andcre Reptil sassen, uiid
kann z. B. bei einer Kreuzotter recht
schlimm ablaufen.
Auch der Einwand kann gemacht
werden, daß sich unter den Tausenden
von Insekten, die alljährlich durch
sammelwüthige Kinder zu Grunde
gehen, ein gut Theil schädlicher Thiere
besindet. Ganz recht, aber wir haben
ja im Haushalt der Natur ein grosteS
Heer von Mitarbeitern an der Ver
tilgung schädlicher Insekten aufzuwei
sen, die der Unterstützung durch Kin
der in ihrem Vernichtungskriege durch
aus nicht bedürfen. Und dast sich unter
den vielen Tausenden gelödteter Infek
te» auch eine ganz erkleckliche Anzahl
recht nützlicher, von Forst- und Land
wirthen hochgeschätzter Exemplare be
findet. fällt doch auch mit ins Gewicht.
Ja, wenn die schädlichen Insekten we
nigstens noch schnell gelödlet würden!
So aber werden sie nieist langsam zu
Tode gequält, und das ist eine Er
scheinung. die auf das Gemüth eines
Kindes eine Wirkung ausüben must, '
die von den schlimmsten Folgen be
gleitet sein kann. Ein Knabe, der
sich keine Gedanken darüber macht, ein
kleines Geschöpf langsam z» Tode zu
martern, quält kalte» Blutes Hun!»
und Katze, und ist ein Gemüth erst
einmal soweit verhärtet und gegen jeg
liche weiche Regung abgcstiimpst. dann
macht die Verrohung leistende Fort
schritte und sührt zum schlimmsten
D e r L o nd o n er P o l ize?i».
inspector Shannon hat einen großar
tigen Gedanken gehabt, Personen, di»
während einer Theatervorstellung.ein
schlafen, in Polizeistrase zu nehmen.
Als er jüngst in Begleitung eines Po--
lizeiagentcn das Alhambra-Theater be»
suchte, »m pslichtgemäst einen Rund
gang zu »lachen, bemerkte er ans der
Galerie drei Männer, die, ohne sich um
die Vorgänge auf der Bühne zu tüm
mcrn, den Schlaf der. Gerechten schlie
fen. Für den amtseifrigen Polizeiin
spector stand es sofort fest, da st solche
unausmcrksame Individuen betrunken
sein müssen; er erklärte sie also sür vcr
hastet und sührte sie am nächsten Mor
gen dem Polizcirichler vor, der sie indes
sen sosort cntlicst. Die Künstler der
Alhambra müssen sich durch die hohe
Meinnng, die der Jnspector Shannon
von ihnen hegt, ungemein geschmeichelt
suhlen. Aber wenn der Schlaf ein
Verbrechen wird, sobald man sich ihm
im Theater hingibt was soll aus den
armen Theaierdirectoren werden?! E»
gibt eine Menge Leute, die nach einem
guten Diner es lieben, in einem Orche
sterfauteuil oder in einer Loge ihr
Schläfchen zu halten. Sollen sie nun
jetzt sämmtlich sestgenommen und vor
den Polizeuneister gesührt werden? Und »
wenn man gar erst in einer Kirche wäh
rend der Predigt einschläft, wie es so
viele Engländer beim Sonntag - Nach
niittags-Gvttesdienst thun, —z» welchen
furchtbaren Strafen wird man diese
Sunde»! verurtheilen? Denn man fällt
nicht immer is die Hände eines so mil
den, einsichtsvollen Polizeimeisters, wie
es d:r von Malborough Street ist, und
die Shan»»ns gehören im Lande durch
aus nicht zu den Au»nabme».
Ei. nzig er Ausweg. Nnva
hat von ihrem Bräutigam, der prakti
sicher Arzt ist, den ersten Bries erhallen
und rhu hochtlopsenden Herzens geöff
net. Beim Anblick der unentziffirba
ren Hieroglyphen aber steht sie rathloS.
„Komin'", tröstet sie ihre kleine Schwe
ster, .gehen wir zum Apotheker de»
liest ihn Dir vor!"
Ein Muthige». .Also
wirklich, Herr Major, Sie wollen mich
heiratheii?"—„O gewist. Gnädigste, ich
kann'S wagen, bin ja aus allen
lügen heil zurückgekommen!-