Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 18, 1892, Page 2, Image 2

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    2 D«r Bär im Adlerhorst.
„Wie? Ein Bär im Adlerhorst? Und
wollen Sie selbst gesehen und ge
schossen haben?!"
„Eigenhändig!" entgegnete der Gras
mit aller Geniiithsruhe. „Die Ge
schichte klingt allerdings unglaublich,
ober sie ist wahr und darum die Erklä
rung sehr einfach!"
Allen stand der Verstand stille, aber
der Graf erzählte mit ernster Miene
weiter:
„Der alte Adler sieht drei junge Bä
ren, die in einem unbewachten Moment
sich auf einer baumfreien Lichtung her
umtummeln. Alle drei zugleich zu
soffen und mit in die Lüfte zu nehmen,
jst ihm unmöglich. Er packt also den
jüngsten beim Fell und bringt ihn sei
nen Jungen zum Adlerhorst. Statt
ihn aber zu tödten, setzt er ihn lebendig
in s Nest und fliegt rasch wieder fort,
um den zweiten Bären zu holen. Der
junge Bär, nachdem er sich vom ersten
Schrecken erholt, benutzt die Abwesen
heit des alten Adlers, um den jungen
Adlern zu imponiren, indem er einen
derselben frißt.
Wie er den alten Adler, diesmal
ohne Beute, wiederkommen sieht, ver
steckt der junge Bär sich'in eine Fclfen
spalte; dcr alte Adler aber meint, seine
Jungen hätten mittlerweile den Bären
gefressen und wuikdert sich nur, daß sie
noch Hunger haben. Da er nicht bis
sünf zählen kannst, entging ihm der
Verlust des einen Adlers, den der Bär
gefressen hatte, uud alsbald machte er
sich wieder auf, um Beute zu holen.
Natürlich ließ sich auch diese wieder der
iunge Bär vortrefflich schmecken, und so
tam es, daß er jeden Tag stärker und
größer wurde, während die jungen Ad
ler, über deren Appetit sich der Alte
nicht genug wundern konnte, in der
Entwickelung sehr zurückblieben. Die
jungen Adler fürchteten sich, von dem
Bären gefressen zu werden, und dulde
ten ihn darum in ihrem Neste, ohne
ihn dem Alten zu verrathen; der Bär
aber sah wohl ein, daß für ihn ein
Entrinnen aus dem Fclfenneste un
möglich sei und daß, wenn er die jun
gen Adler einen um den andern ver
speisen wollte, der Alte es merken und
leine Nahrung mehr zutragen würde.
Darum entstand zwischen dem Bären
und den jungen Adlern eine Art
Freundschaftsbund, dcr so lange währte,
bis ich eines Tages, nachdem ich den al
ten Adler mit einer sicheren Kugcl ge
tödtet, das Nest ausnehmen will uud bei
den ziemlich mageren Adlerjungen den
setten Bärcn im Horste fand und er
legte Sehen Sie, meine Herren,
so kann es gehen!""
SluS der gute» alten Zeit.
Der Hansjörge hat dicWache vordem
Neuthor. Die gestrenge Wachordnuug,
die nur mehr in einem zerfetzten un
leserlichen Exemplar vorhanden ist,
schreibt bei „Drei Tage hatten!" vor.
daß Niemand auf Posten sprechen, noch
einem Passanten auf eine Frage zu
antworten habe. Heute fühlt sich der
Hansjörge auf Posten doppelt unglück
lich, denn fcin Geburtstag ist gerade
und die alte Mutter daheim hat heut
gewiß zum Kaffee zwei Bohnen mehr
genommen und einen Napfkuchen dazu
gebacken.
Aber gerade, wie er über sein trübes
Verhängnis; nachdenkt, erscheint ein
altes Mütterchen mit einem umsangrci
chen Korbe auf der Bildfläche, bei dessen
Anblick Hansjörges Herz beginnt,
ahnungsvoll und fröhlich zu puppern.
Denn längst hat sein Soldatcnange in
der wackligen Alten die Fran Mutter
erkannt, uud nun weiß er, daß er um
seinen Geburtstagskaffee uud -Kuchen
doch nicht herum kommt. Mit schuldi
gem Dank läßt er sich Kafscctopf und
Napfkuchen in das Schilderhaus stellen,
hört die freundlichen Mahnungen, den
Kaffee ja nicht kalt werden uud von
dem Kuchen ja nichts übrig zu lassen,
mit schmunzelnder Miene an, und ver
abschiedet sich von der „liabn Frau
Muatta" auf das Herzlichste.
Heiliger Gott! da fällt fein Blick
auf die mit hastigem Schritt und zornig
schlenkernden Armen heraneilende runde
Gestalt des gestrengen Herrn Haupt
manns. Kein Zweifel, er hat gesehen,
wie er mit der Mutter sich unterhielt
und mit zagendem Gemüth denkt der
l>ute Hansjörg an die„drei Tage Latten"
die ihm nun sicher sind. Da ist auch
der Hauptmann schon heran: „Er Sa
kramenter, weiß Er nimmer, daß's
Reden auf Posten verboten ist? Was
wollt' die Frau?"
In seiner Bestürzung fährt es aus
unserm Hansjörg heraus: —„Die Alte
hat g'sagt, eben wird beim Glocken
wirth a frisches Faß'l ang schlagen!"
„A frisches Faß'l?", schreit der
Hauptznann „Sakerlot, da muß i
hin!" Wenn i nur nit schon zu spät
komm! Schön Dank für die Meldung,
SoldatHansjörgc!" Spricht's und läßt
den nun an seinem Kaffee sich labenden
vergnügten Hansjörg allein.
Spielet nicht mit Schieß
gewehr. nicht 'mal mit dem Säbel! In
einem Tanzsaal zu Böhl (in der baye
rischen Pfalz) ist jetzt nach der Manö
verzeit folgende Bekanntmachung zu le
sen: „Tanzbedingung. Alle diejenigen
Mädchen, welche sich mit den Unteroffi
cieren und anderen Soldaten abgegeben
haben und die Helme aufgesetzt un»
mit Säbeln gespielt haben,, zu gleicher
Zeit die Böhler Bursche» verachtet ha
ben, werden von diesem Tanzvergnü
gen ausgeschlossen. Die Bähler Bur
schen."
Anders gemeini. Frau
„Sage mal aufrichtig, Arthur, bin ich
Dir noch ebenso theuer wie früh»-?"
„Ach, noch viel mehr, Rosa!" Arau:
„So, wirklich? Seit wann denn?"
„Seitdem Du Deine Robeu in Parit
machen läßt."
Di« letzt«» Tag« d«r Erd« «ach
Camille Alammariou.
B°n «.
Wir leben in einer Zeit des gespann
ten Wartens „der Dinge, die da kom
men solle»". Die Menschheit öffnet
ihre Augeu dem grenzenlose» Jammer,
de» sie selbst i» sich angestistct hat. Die
Armen und Elenden, schreien laut aus
ihrem Elend heraus; der Arbeiter for
dert seinen Lohn; die Frau schüttelt
ihre Fessel». Es soll und muß besser
werden. Taufend und abertausend
Hände greisen begeistert oder verzwei
felt in die Speichen des großen Rades
alles Menschenseins, um es rascher dem
besseren Lande zuzurollen; tausend und
abertausend Stimmen rufen den Arbei
tenden Beifall und Ermuthigung z»'
Vorwärts! Vorwäils!
Und wen» wir vorwärts gekommen
sind, einen so großen Schritt, wie un
sere Schwungkraft uns erlaubt; weun
die nächste Generation auch ihr Vor
wärts gerufen und vollbracht hat;
wen» immer rastloser, mit stets ver
mehrten Hilfsmitteln ein Menschenge
schlecht nach dem anderen lebt und
ändert: was wird das Ende, der höchste,
der schließlich erreichte Zustand sein?
Wie werden die letzten Menschen auf
Erden leben? Wie werden sie aufhören,
zu sein?
Nur die Phantasie des Menschen
weiß eine Antwort daraus zu geben.
Der Amerikaner Bellamy entwirft uns
in seinen» allbekannten „Rückblick" das
Bild der Menschheit im Jahre 20O>.
Der Franzose Flamniarion geht weiter,
indem er uns „die letzte» Tage der
Erde" schildert.
Ganz ernst will geistreiche Pari
ser Prosessor seinen Artikel in der
„Contemporary Review" wohl nicht als
Antwort auf eine so große Frage gel
ten lassen. In dem eleganten Gefährt
feiner Phantasie führt er uns eine Hy
pothese über das Ende der Erde vor,
die dem Astronomen aTmehmbar erschei
nen mag: und Hintenauf steht der Sar
kasmus, mit der Geißel französischer
Schärfe die Rosse anzutreiben. Kein
Wunder, daß der Artikel uns vom er
ste» bis zum letzten Worte in Span
nuug erhält.
Nach Flammarion wird unsere Erde
einmal vereisen. 22 Millionen Jahre
wird sie bewohnt gewesen sein, doch
nicht die ganze Zeit von Menschen;
denn der Versasser theilt die Geschichte
unseres Globus in sechs Perioden ein,
von denen die ersten vier die der unter
geordneten Bildungen in der organi
schen Welt sind, während nur die beiden
letzten Menschen hervorbringen.
„Das primitive menschliche Zeital
ter, die Zeit der Trennung nach Natio
nen, des Barbarismus und des Mili
tärsystems hatte ungesähr LW.VVi)
Jahre ausgefüllt; und das sechste Zeit
aller, das der intelligenten Menschheit,
hatte während nahezu zwei Millionen
Jahre geherrscht."
Dann naht das Ende, der Unter
gang der Erde in Kälte uud Eis. wel
chen Flammarion folgendermaßen be
gründet:
„Durch die lange Reihenfolge von
Jahrhunderten hindurch war die Erde
älter uud die Sonne käller geworden.
Im Beginn der Zeiten war die Erdku
gel gänzlich mit Meereswasser bedeckt
gewesen. Hebungen ließen zuerst In
seln, dann weite Kontinente hervortau
chen; die Vsrdunstungsfläche vermin
derte sich: die Atmosphäre wnrde mit
weniger Dunst gesättigt und konnte die
von der Sonne empfangene Wärme
nicht so gut bewahren, so daß eine all»
mähliche Abnahme der Temperatur vo'
sich ging.
Während des ersten menschlichen Zeit
alters war noch Dreiviertel der Erd
kugel mit Wasser bedeckt, und die Tem
peratur blieb eine hohe. Aber von
Jahrhundert zu Jahrhandert drang ein
Theil des RegenwasjerS in die Uesen
Felsen und kehrte nicht wieder zum
Meere zurück, die Wasserinenge vermin
derte sich, die Oberfläche des Meeres
wurde niedriger, und der schützende
Schleier almosphärischen Dunstes ge
währte der nächtlichen Ausstrahlung
nur einen ungenügenden Schutz. Das
Resultat hiervon war langsame, jahr
hunderllange Abnahme der Tempera
tur und darauf das Umsichgreifen des
Eises, das anjangS nur die hohen Berge
und die kalle Zone bedeckte, nach uud
»ach aber in die gemäßigten Zonen ein
drang und die Region des ewiger
Schnees unmerklich herabdrückte.
Da andererseits die Sonne, die
Quelle alles Lichtes und aller Wärme,
fortwährend, ohne einen Augenblick des
Stillstandes im Mittelpunkte des kal
ten, finstere» und leeren Raumes
strahlte, verlor sie die Wärmckraft,
welche die Erde belebte.... Ihre Farbe
wurde gelber, ja sogar röthlich. als sie
ihren Wasserstoff verzehrte, sich oridirte,
mclallisirlc. Diese langsame Berwand
lung ihrer Lichtflache, die Vermehrung
ihrer Flecke, die Verminderung der
Ausbruch, in Protuberanzen brachten
eine entfpicchcnde Abnahme in der
Wärmeausstrahlung hervor.
In Folge dieser verschiedene» Ursa
chen war die Temperatur der Erde von
Jahrhundert zu Jahrhundert niedriger
geworden.
Das ist der Stand der Dinge. in
den der Verfasser uns einsührt. um das
Jahr 2.2W.0W ». (ihr. Die Erde
istsast ganz in Frost erstarrt. Die
Eis- und Schncennldniß unserer jctzi
ge» hat die gemäßigten Zo
nen verschlungen und nähert sich mehr
und mehr dem Acquatorialgürtet. Die
srüher heiße Zone ist aus die milden
Verhältnisse unserer gemäßigten Brei
ten heruntergebracht, und dort allein,
in einem Gürtel zu Seiten des Aequa
tors, durch Ccntralafrika, Südamerika
Hinduich. die Südspitzeu Asiens strei
fend, lebt der Rest der Menschheit.
Europa ist längst in Schnee begrabe»!
c» verschwand unter den Gletschern, die
mit eisiger Mach! vom Nordpol«. von
Sibirien und Lappland einerseits, von
den Alpe», vom KaulaluZ und de» Vu-
renäen andererseits herabsteige». IVO,»
000 Jahre sind es schon her, seit Pa
ris, London, Wien, New in Eis
zn Grunde gegangen sind. Ihre Stätte
kannte man noch vor Menschenaltern;
denn es wurden Expeditionen unter
nommen, die R»inen aus ihrer tödtli
chcu Hülle zu schälen uud daraus den
Zustand längst vergangener Menschen
geschlechter ke'-.ne» zu lerne».
Und was ist die Menschheit auf
einer solchen Erde?
Hier bricht Flammarion's Satire
durch. Wir Menschen von heute suh
len den Stachel, ivenn er sie uns zeigt,
in Zahl zusammengeschrumpft, den letz
ten Brennpunkt menschlicher Civilisa
tion im äquatorialen Afrika gründend,
in der prächtigen „Sonnenstadt" ein
Leben raffinirten Genusses führend.
Durch Jahrhunderte hindurch sich ver
vollkommnend, hat das Menschenge
schlecht die höchste Schönheit erreicht,
und die Harmonie der Formen ist dcr
Ausdruck ir r Gesinnung. Denn wil
Brüder leben die Erdenbewohner zu
sammen. nicht länger durch die barba
rischen Vorstellungen von Nationalitat,
Feindschaft, Krieg getrennt, eine
Sprache sprechend, durch Einrichtiin
gen, von denen unser Telegraph, Pho
nograph. Telephon schwache Vorläuser
sein mögen, durch jede Entfernung hin
durch mit einander verkehrend.
„Sie arbeiten nicht mehr materiell.
Ein Netz von Elektricität überspannte
die Erdkugel und brachte auf Wunsch
alles hervor, was nöthig war.... Die
Hauptstadt.... hatte sich mit Leib und
Seele in die ausgesuchtesten Rassine
mcnts des Vergnügens und des Ge
nusses gestürzt; und die Resultate des
Fortschrittes, die Erzeugnisse dcr Wis
scnschast, d-r Kunst, des Gewerbcs wa
ren mehrere Jahrhundert lang dazu an
gewandt worden, alle Freude» zur höch
ste» Intensität hi»a»sz»schraube».
Elektricität. Parfums, Musik erhielte»
die Sinne in einein Zustande derUcber
rcizung, in dem glänzenden Lichlc be
zaubernder Nächte, wie unter den ver
schleierten Schatten des Tages tonnte
das Nervensystem keinen Augenblick
mehr Riihe finden, und ungefähr in
ihrem 26. Jahre sanken Männer und
Frauen vor totaler Ermattung todt
hin".
-Doch hinter all den Freuden stehi
oas Gespenst des nahenden Endes. Die
Mcuschen wissen, daß die stets zuneh
mende Källe ihncn Vernichtung droht,
sie leben rasch und leben »ur für sich-
Für die Zukunft uud folgende Ge
fchlechter sorgen sie nicht. Eine dop
pelte Unfruchtbarkeit macht die Aussicht
auf lange sortblühende Generationen
zu uichte! die des Bodens, der in Afrika
aufhörte, Wcizcn und Wcintrauben
hervorzubringen, in de» andere» Ein
theilen selbst Weiden »nd Heerde»; und
schlimmer, dic des Menschengeschlechts.
Es werden kaum noch Kinder geboren.
De» Grund giebt dcr Verfasser als
eine» zweifache» a»! cinerscils vermin
dert sich die Lebenskraft des Menschen
geschlechts. wie dic des mütterliche» Bo
de»s, wovon die langsame Abnahme
dcr Geburten, die zunehmende Kürze
und Schwache des Durchjchnittlcbens,
das seltene Vorkommen von Familie»
mit viele» Kindern sichere Anzeichen
sind. 'Andererseits wolle» die Frauen
nicht mehr Mutter sein. Wie die
Männer, stürzen auch sie sich blind in
den Genuß des Vergnügens, nehmen
die Mühsale der Mutterschaft nicht
mehr ans sich und „herrschen in all dem
Glänze ihrer fleckenlosen Schönheit".
Hier hält dcr Leser vor Erstaunen an,
nicht wahr? Er muß nicht vergessen,
daß der Verfasser uns aus unseren
„barbarischen" Zeiten, in denen die
Frau nicht das Recht über ihre eigene
Person hat, der Mann, wie das Thier,
seinem Instinkte solgt, herausführt, in
das „intellektuelle" Zeitalter, Ivo die
Männer „aufgehört hatten, ihre
Stärke anzuwenden: Gefühl, Ver
nunft, Intelligenz, freie Wahl ent
schied imm<r".
Als die Bewohner dcr Sonnenstadr
so weit gekommen sind, daß kein Kind,
nur ein junger Mann noch nnkerihnen
lebt, ergreift sie plötzliches Entsetzen.
Sie sehen, daß sie dem Aussterben nahe
sind; Kummer und Rcuc, Anklagen
und BerzweislnnHist das Erwachen aus
dem jahrelangen Traum selbstsüchtigen
Genießens. Ein Gesetz bietet das ganze
Vermögen der Republik der ersten
Frau, die ein Kind zur Welt bringen
wird umsonst. Weshalb aber diese
Verzweiflung über das Verlöschen eines
Geschlechtes, das doch die stets unfrucht
barer werdende Erde nicht lange mehr
ernähren könnte? Sie können den
Gedanken der Vernichtung so wenig er
tragen. wie des l!>. Jahr
hunderls; sie hoffen auf ein Wunder
der Rettung, wie ein jegliches unterge--
hende Wesen in seinem letzten Augen
blicke. Wer weiß, ob die Sonne nicht
wieder starker scheint, ob die Erde nicht
noch einmal Blumen und Früchte und
Thiere erzeugt? Ließe sich nur dem
Menschen Fortpflauzungsiraft eiiiha»-
che», so mochte noch Alles gut werde».
Ei» Congreß tritt zusammen, be
räth. streitet, es kommt selbst zn dem
unerhörten Ereignisse eines Duells mit
Schwertern—doch Alles vergebens. Da
tritt der Jüngling, Ome.za, mit dem
Plane hervor, aus dem neuesten elek
trischen Luftfchiffe eine Expedition über
die ganze äquatoriale Zone zu unter
nehme» und zu sehen, od es noch ir
gendwie Menschen gibt. Der Vor
schlag wird mit Begeisterung anfge
nominen. und die Luftfchiffer fliege»
a«s i» der Suche «ach lebensfähigen
Menschen. Was sehen sie?
Wehe! die ganze Erde war unter
Schnee und Eis verschwunden. Ucberall
Wüste, überall Einsamleil, überall
Schweige», Schnee folgte auf Schnee,
Rauhsroft auf Rauhfrost. Ein unge
heures Leichentuch bedeckte Land und
Mccr. Manchmal ragte ei» einsamer
Gipset über den gesrorcncn Ocean her
vor; manchmal bezeichnete eine verfal
lene Ruine, ein Thurm, eine Spitze
die Stelle einer versunkenen Stadt.
Selbst Gräber nnd Kirchhöfe unter
schied man nicht mehr; die Ruinen
selbst waren zerstört. Ueberall Nichts,
Eis, Stille. Tin Tag folgte dem an
deren, und jeden Abend ging die rothe
Sonnenscheibe hinter der wcißcn Fläche
unter, die in jeder Dämmerung lang
sam die violette Färbung des Todes
annahm."
Die wenigen während der kalten
Lustfahrt dem Tode Entronnenen ge
wahren endlich mit Entzücken in Ame
rika, am Amazonenstrome einc unge
heure Stadt in Ruinen und darin eine
Gruppe menschlicher Wesen. Mit un
beschreiblicher Frende werden sie von
den Auf- uud Abwandelnden begrüßt,
die sich für die letzten Bewohner der
Erde hielten. Freilich müssen sie an
ein früheres Ende denken, als die Ein
wohner dcr Sonnenstadt in ihrer Hei
math. Schon bringt die Erde ihnen
keine Pflanzen, kein Fleisch mehr her
vor, sie nähren sich von den Fischen des
Stromes, der schmal und langsam
zwischen Eis dahinschleicht; sie sind in
Rennthicrselle gekleidet und haben Fener
anzuzünden, um sich mit ihrcn G.isten
niedersetzen zu können. Der Führer
dcr Gesellschaft, ein aller, alter Man»,
erzählt, welche Verändernngen er in
seinem Leben gesehen, von was für er
staunlichen Dingen dcr Vcrgangcnhcit
er in sciner Jugend in der Weltgeschichte
gelernt hat.
In seinen Mund legt Flammarion
seinen Spott über viele unserer harten,
thörichten Einrichtungen, gemildert
durch die Wehmuth, mit welcher dcr
Greis von den holden Zeiten spricht,
wo das Meer tief, der Regcn häufig
war, wo dic Strahlen einer wohlthäti
gen Lonne dic Erde in ihrer Jugend
lichkeit befruchteten und überall Blu
men und Früchte, Nester nnd Liebe er
zeugten. Unbegreiflich erscheinen ihm
sociale Einrichtungen wie Kriegsührniig.
wo die Menschen „zum Klange der
Musik einander tödteten," und Hinrich
tungen. dic er auf eine Stufe mit der
noch älteren Folter stellt. Die Folge
dieser Zerstörungswuth war, daß die
Staate» Europas sich gegenseitig ver
nichteten und dic Civilisation ihren
Sitz in Amerika nahm, von wo sie zu
Zeiten des Sprechers nach Asrika hin
überging: Daß die Erde zu Zeiten je
ner Barbaren untergegangen wäre,
scheint ihm laum bedaucruSwerth, aber
jetzt, wo die Menschheit so viel vollkom
mener geworden ward! Und doch muß
es dazu lonimcn, denn die Natur bringt
keine Nahrung mehr hervor außer Fi»
scheu und eS sind seit lange.keine Kin
der mehr geboren, keine Frau lebl un
ter ihnen.
Bei dieser Nachricht entehrt den Be
fuchern ein Ausruf des Schreckens.
Keine Frau mehr! So war ihre Freude
beim Anblick von Menschen verfrüht
gewesen! Ihr Vorschlag, mit ihnen in
die Sonnenstadt, in doch günstigere
Verhällnifse zu sahreii, wird von den
letzte» Sohne» Amerikas nicyt ange
nommen, diese wünschen über den
Gräbern ihrer Väter einzuschlummern.
So nehmen die Rettenden ihre Fahrt
wieder auf und gelange», immer übn
den Acguator »ach Westen segelnd, da
hin. wo sich einst die Gebiete des seit ei
nem Jahrh in' ert,' vergessene» AsienZ
ausgedchni haben. Siam, Java, Ma
lakka liegen im ewig'.n Winicr begraben.
Doch in Ceylon, durch das Zurücktreten
des Meeres keine Insel mehr, lebl der
letzte Rest der asiatischen Menjchenwelt.
Hier treffen die Reisenden das gerade
Gegentheil von dem. was sie in Amerika
gefunden haben, eine Gr»ppe Frauen
in Trauerkleidern und keinen einzigen
Man.,.
„In einem Augenblicke, ehe sie Zeil
hatten, sich von ihrem Erstaunen zu er
holen, lagen die HimmelSreisenven zu
ihren Füßen. Zu anderen Zeiten, als
das Recht der Stärke die Menschheit be
herrschte, wären diese fünf Töchter Evas
wohl rauh ergriffen und in aller Eile
fortgeschleppt worden."
Allein fo handeln die intellektuellen
Söhne vorgeschrittener Jahrtausende
nicht.
„Sie erzählen ihnen den Zweck ihrer
Entdeckungssahrt und saude» es nicht
schwierig, die schöne» Asiatinnen zu
überredei'. Ihre Verzweiflung, die
ewig geschienen hatte, verschwand wie
ein Nebel; ihre Mienen klärten sich ans,
ihre Lippen lächelten, und wenig Stun
de» »ach der Ankunft der Liiitfegler
waren die fünf Nonnen in Trauer
kleidern in höchst elegante Frauen um
gewandelt."
Wie kommt es, daß ein Geschlecht
nur von Frauen hier lebte?- Der Ver
faffer entwirft uns ein köstliches Bild
eines Landes, in dem die Frauen die
Männer behandeln, wie die Männer
die Frauen in gegenwärtigen Zeiten.
Seit lange sind sie von dem Stande
der Gleichheit natürlicherweise zu. dem
der Ueberlcgenhcit fortgeschritten: ihre
Bedeutung in der Politik und der all
gemeinen Leitung der Gefchaftsangc
legenheite» ist eine unbestrittene That
sache geworden.
„Sie halten allmählich die verweich
lichten und erschlafften Männer als
Abgeordnete, Juristen, Aerzte und im
Allgemeinen in der größeren Zahl der
socialen Aemter, in Handel und Ge
werbe, Kunst und Wissenschaft, ab
strakter u»a angewandter Philosophie
ersetzt. Die Erziehung der Knaben war
mehr und mehr vernachlässigt worden,
und schließlich fanden sich unter den
Männern nicht einmal mehr tüchtige
Gärtner und Laudivirthe. Was die
Frauen in Bezug auf Gewerbe nicht
direct mit ihren eigene» Hände» tha
ten, wnrde dnrch genial zusammen
gesetzte und unermüdliche Maschinen
vollbracht."
Di, wie schon heutzutage, mchrMäd
chen als Knaben geboren wurden, starb
das schwache Männergeschlccht aus. uud
an dem Zeitpunkte, wo die srauen
suchende» Männer aus Afrika anlang
len. wäre» von zwölf »ur »och sun>
am Leben, gleich der amerikanischen
Gruppe i» tiefe Trauer getaucht, ange
sichts des nahen Unterganges. 'Nun.
wenn die Külte auch noch nicht solche
Verwüstungen angerichtet hat, wie am
Amazonenstrome, so ist doch die einst
herrliche Hauptstadt ein Opser der ein
dringenden Vegetation, einer Vegeta
tion der kalten Zone, Moos und Flech
ten, Lärvchen nnd Taimen, in denen
Schnecvögcl und Büren ihr Wesen
treiben.
Durch die Vernichtung der telegra
phische» Verbindung von de» übrigen
letzten Gliedern der großen, einst so
innig verkehrenden menschlichen Fa
milie abgeschnitten, halten anch sie sich
für die einzigen Ueberlebenden und le
ben melancholisch und energielcs gleich
giltige Tage. Das Erschsinen dcr
Männer bringt ncues Leben. Soll
das Menschengeschlecht noch einmal in
der milden Sonnenstadt ausblühen,
ssllen Omega, der junge Führer der
Erpedition, und die 18Mrige Eva, die
jüngste der Frauen, die sich beide v»m
ersten Angenbiicke in Liebe zu einander
hingezogen fühlen, die Eltern eines
neuen glücklichen Geschlechtes werden?
Jubel, Hoffnung erfüllt alle He.z-u.
Und welche Seligkeit wird ihre Rückteh'
in dcr Sonnenstadt verursachen!
Aber ach! —Sic kommen zu spät'.
Dcr Tod hat während ihrer Abwesen
heit seine Ernte gehalten. Ein furcht
barer Schneesturm ist in jene bisher
verschonten Regionen eingedrungen,
hat jegliche Vegetation und einen Theil
der Gebäudc zerstört. Die Ueherleben
den haben sich in das Regierungsge
bäude geflüchtet, wo sie nach einander
an einer Epidemie gestorben sind. Die
Leichname ihrer Lieben erblicken die
entsetzten Wanderer bei ihrer Rückkehr,
als sie, erschreckt durch die Oede der
Stadt, in das Innere des Palastes
dringen. Nicht lange, uud auch s>t
sind der furchtbaren, täglich zuneh
inenden Kälte zum Opfer gefallen.
„Am Ende blieben Omega und Eva
allein übrig, sie sahen ohne Illusion
das Schicksal, das ihrer wartete, und
wußten wohl, daß kein Lenz je wieder
auf Erde» blühen würoe".
Ein sonniger, stnrmlofer Tag jedoch
lächelt noch einmal auf die sterbende
Erde herab; und das junge Paar be
steigt sein Lustschiff, um die letzten Ver
wüstungen des Schnees zu betrachten
und vielleicht eine Oase zu sindcn!
Großartig ist der Schlnßgedanke
Flamniarion-, daß die letzten Menschen
in Egypten, am Fnße dcr Pyramide
des Cheops sterben, Anfang und
menschlicher Bildung verknüpfend.
„Dieses erste Denkmal der Mensch
heit, dieses Zeugniß des Alters der Ci
vilisation stand noch. Seine geomet
rische Stabilität hatte es gerettet. Es
war vielleicht die einzige menschliche
Idee, die ihre» Zweck erreicht hatte.
Bon Cheops geschaffen, um feine könig
liche Mumie ewig zu schützen, halte dies
Grab die Umwälzungen überdauert, die
alles Andere zerstört hatten. Dcr letzte
Mensch kam, um sich dem erste» Könige
zuzugcsellcn und unter seinem Leichen
tuche ein Obdach zu suchen".
Ein feiner, pnlverartiger Schnee be
ginnt zn fallen, bedeckt die ganze Erde,
tödtet die letzten Menschen. Mit zar
ter Hand hat uns der Verfasser iu
ihnen zwei Liebende gezeichnet, läßt er
in der Todesstunde der Menschheit wah
res, selbstloses Gefühl aufsprudeln, das
i» dem egoistische» Treiben der letzten
Jahrhunderte erstickt schien. Als schon
Todesschwere Eva umsängt, Todesmü
dlgteit sie niederzieht, klagt sie weniger
um ihr eigene» Leben als um das, dein
sie hätte Ursprung geben können. Und
als sie schon die Augen zum ewigeu
Schlas geschlossen hat, flüstert er der
schönen Ge'tall in seiiicn Armen noch
»ach! „Schlaft, ich wache über Dich!"
Daun erstirbt iei» letzter Athemzug in
dem Schuccwind, dcr um die Pyramide
stöhnt. Ein rührender Zug vervoll
ständigt das bewegende Bild: Omegas
Hund hat ihn durch Schnee und Eis
ausgesucht und endlich gesunden; mit
seiiicm letzte» Kraftauswaiide stößt er
ei» sreiidiges Belle» a»s, leckt dcr Tod
te» Hände und Gesicht und sucht sie zu
erwärmen. „Doch sie erwachen nicht."
„Und der Schnee siel immerfort als
feines Pulver auf die Oberfläche der
Erde.
Und die Erde dreht sich.immerfort
Tag und Nacht um ihre Are und
schiffte durch den unermeßliche» Raum.
Und die Son»e schien immerfort,
doch mit cintiii röthlichen. fahle» Lichte.
Aber »ach langer Zeit erlosch sie gänz
lich. und der finstere irdische Kirchhof
drehte sich immer noch in der Nacht uni
die migcheuere, unsichtbare, dunkle
Kugel.
Und die Sterne funkelten immer
fort in der Unermeßlichkeit der Him
mc!."
Und das unendliche Weltall existirte
immerfort mit feinen Billionen von
Sonne» und seine» Billionen von le
benden oder erloschenen Planeten. Und
in all' den mit den Freude» des Lebens
bevölkerten Wellen blühle die Liebe
immerfort unler dem lächelnden Blicke
'»eS Ewigen."
Vom deutschen Fische
reitag'in Friedrichshaftn am Bodensee
erzählt man nachträglich den „Münch.
N. N.": Eine württembergische Frau
Prinzessin ließ sich diejenigen Regie
rungsräthe und Lberamtmänner be
sonders vorstellen, welche auf dem Ge
biete der künstlichen Fischzucht sich her
vorgethan haben. Nachdem die hohe
Frau mit einem Obcramtmann, den
sie persönlich längst kannte, auch über
dessen Familienangehörige sich unter
hatte» hatte, wnrde ihr vom Hofmar
schall ein anderer Obcramlmann vor
gestellt. Tiefe» fragte die Prinzessin!
.Sind Sie auch verheiratbet?" „Lei
der! Königliche Hoheit, sogar sehr!"
war die laute Antwort. Mit allseitig
wahrnehmbarer Entrüstung wandle die
Prinzessin sich ab. Hinterher ersolgte
die Aufklärung dahin, daß der Ober
amtmann schwerhörig war. Er hatte
veistande»! „Sind Sie (Ihr Bezirk)
auch verhagelt?" und Sarau» seine
Auskunft ertheilt.
DaS Haarwuchsmittel.
Ja, die Haare, die Haare!
Wenn sie noch in stolzer Lockenfülle
unseren Scheitel zieren und sich von
Kamm und Bürste kaum bewältigen
lassen, dann erscheint uns diese Ueber
fülle lästig. Aber wenn der Mond
schein erst langsam, dann mit iminer
schrecklicherer Schnelle dein „Vollniouds
grade" zustrebt, und wenn man da»»
obendrei» noch ei» juiiges »nd hübsches
Weib sich gewinnen möchte, dann schreit
man lauter noch als Lear, der feine
Töchter bekanntlich nicht zu erziehen
verstand: „Ein Königreich für ein—
Haarwuchsmittel!"
Alsred Toll befand sich in dieser
schrecklichen Situation. Sein Auge
war aus ein junges Mädchen gefallen,
das einzige Töchterchen einer wohlha
benden Familie. Aber sich ihr »aHern
mit dein stark gelichteten Scheitel
würde er keinen Korb davontragen.
Sein Friseur befreite ihn aus der
Verlegenheit. Zunächst fertigte er ihm
ein famoses Toupet, das den Haar
mangel täuschend verdeckte, sodann
übergab er ihm ein Flüschchen mit dein
berühmten Haarwuchsmittel des Pro
fessors Debardee.
Alfred Doll warb, ward von Anny
uud ihren Eltern erhört und die Hoch
zeit fand bald darauf statt. In seine
Seligkeit mischte nur ein Gedanke einen
WermuthSlropscn, der Gedanke an sein
Toupet!
Und Anny schwärmte für feine Haare.
Sein Schwiegervater bewunderte sie
umfomehr, als bei ihm selbst es hell,
sehr hell auf dem Scheitel geworden
war. Uud feine Schwiegermutter erst!
Wenu sich's für eine Schwiegermutter
geschickt lMe, da hätte sie ihu um ein«
Locke gebeten.
Als das junge Paar im Courierzuge
der Residenz zufauste, um dort die Flit
terwochen zu verbringen, hielt Alfred
Doll eS nicht länger aus fein Toupe!
brannte ihm auf dem Gewissen. Schüch
tern, bänglich wagte er endlich davon
zu spreche«.
Ach Gott —" rief Anny „Tu ei»
Toupet, um Gotteswillen, wie wirst Du
nur aussehen?"
Und kaum minder ängstlich, als seine
ihm erst vor wenigen Stunden ange
traute Frau ließ er es geschehen, daß sie
das falsche Haupthaar entferne.
„Ach, Anny!" stammelte er.
„Nun, —es geht ja »och!" kam
sie tröstliche Antwort zurück. „Ja
weißt Du es ist ja gar nicht so
schlimm! Papa hat viel weniger
Haare und wenn ich s recht über
lege, solch ei» bischen „sreie Stirn" steht
Dir gar nicht übel, es sieht so, so welt
männisch aus. Also verbannen wir
das Toupet!"
In der Freude seines Herzens zog
Alsred von seinem schrecklichsten Geheim
niß befreit, sein junges Weibchen an sich
und bedeckte ihre schwellenden Lippen
mit Küssen.
„Ach Anny, wie glücklich bin ich!
llnd dann noch eins, ich habe ein wun
dervolles Haarwuchsmittel das will
ich von morgen an gebrauche». Viel
leicht Hilsts, auf alle Fälle —"
„fchadct's nichts, wenn die erwar
teten Haare auch ausbleiben!" unter
brach ihn refolnt sein Weibchen.
Alfred Doll aber begann schon am
nächste» Morgen mit Prosessor Debar
dee S berühmte» Haarwuchsmittel sein
Haupt da, allwo es kahl war. Einzu
reiben, und träumte siegesgewiß von
einem neuen Locken-Urwald, der nun
ja unausbleiblich wäre und ihm die
Liebe seiner reizende» Anny bis ins
fernste Aller sichern sollte.
Während das junge Paar in jener
Wonne schwebte, welche den Inbegriff
aller Flitterwochen bilden, waren bei
Alsreds Schwiegereltern ein paar Gc
witterwochen ciiigelretc». Anny's
Mut er hatte Besuch von ihrem Bru
der. eineui behäbigen Weinhändler, er
hallen. der zum Unglück sür Anny's
Papa noch über'einige Haarsülle zu ge
bieten hatte.
Seit dem Augenblick waren für
Alfred's Schwiegerpapa böse Slunden
angebrochen.
Frau Weinlig, Anny's Mama,
nachdem sie einen Schwiegersohn mit
vollem Haar Dank dem Toupet!
erhalten und ihren Bruder ebenfalls
noch mit einer anständigen Haarpartie
geschmückt gesehen, mit allerhand An
spielungen von Jugendsünden. aus
schweisendem Lebenswandel tt., dem
armen Herrn Weinlig übel mitgespielt.
Aber gab's den» gar nichts, was die
Quelle dieser eheweiblichen schlimmen
Anzapfungen hatte verstopfen können?
Als er eines schöne» Morgens sein Ber
liner Blatt las, bliebe« seine Augen
auf einer Annonce hasten, die ein
Mannesbildniß mit vollständigem
Glatzkopf.und ein ebensolches mil einer
Mähne -i lk Anna Czillag zierten und
darüber stand:
Unübertrefflich —ProfcyorTcbardccs
Haarbaljam!
Ter gute Herr Weinlig überlegte
nicht lange. Tic „Tausende vo» Dank
schreiben'. die du in der Annonce er
wähnt waren, mußten ja der beste Be
weis sür die absolute Zuverlafstgkeit
des Mittels fein..
So—jetzt konnte er seineMinnazum
Schweige» bringen, jedes iinzelne aus
der glatten Flache seines Kopses neu
emporblühende Haar sollte ihr ein
„taaeai" entgegenrusen.
Ein Hurrah sur Professor debardee,
den edlen Wohlthäter sür die kopflose—
Pardon— köpf haarlose Meuschheii.
Und so flog denn noch in derselben
Stunde ein Brief gen Berlin, und der
iaulete:
Lieber Schwiegersohn!
H)ciut schönen Haare machen mir hier
oaS Leben schwer meiner Minna we
gen, die mir jedes einzelne ausgegan
gene Haar vorwirst. Der Debardee»
sche Haardalsani soll ja wahrhasl wun
derbar sein—schicke mir doch sofort ein
paar FU'chch.n! Uebrigens viel Amüse
ment! - Weinlig.
„Lt tu, Ijnits!" dachte Alfred Doli,
als er den Brief erhielt, und besorgte
sosort den schwiegerväterliche» Austrag.
Als er die Flaschen abschickte, dachte er
daran, daß er ja noch nicht einmal ge
prüft hatte, ob das tägliche Waschen
mit den, wunderbaren Balsam auch bei
ihm schon gute Früchte, d. h. zarten
Haarflaum gezeitigt habe. Hm! Da
von konnte er nichts entdecken, aber der
Haarlnmm, den er durchstrich, zeigte
auffallend viel ausgehende Haare.
Nun, kein Mittel wirkt augenblicklich,
tröstete er sich und schmierte sich Pro»
sessor Debardee'S Haarbalsam weiter
auf's Haupt.
Dasselbe that Papa Weinlig, aber
/e mehr er schmierte, desto weniger ward
es-sein Haar nämlich. Auch nicht das
aller!lcinste Härchen wollte sich zeigen.
„Mehr nehmen!" lautete sein endlicher
Entschluß und noch zwei Sendungen
Debardce'fche» Wunderbalsams kamen
in Weinligs Hände, der mit täglich
mehr anwachsender Wuth feine Platte
einrieb, daß es nur so eine Art hatte.
Alsred Doli und sein Weibchen
schwebten in den Flitterwochen so in
allen Ehchimmcln, daß sie ein vorzei
tiges Abbrechen derselben sür ein Ver
brechen erklärten. Die Verhältnisse er
laubten ihnen ja eine kleine Extrava
ganz und so unterrichtete den» ein
Telegramm zum Briefschreibcn ha
be» Neuvermählte ja nur selten Lust
die' Eltern davon, daß sie noch auf
r'nige Wochen in die Schweiz reisen
würden.
Eines Frühmorgens in Jnlcrlaken
war's, als Alfred Doll jnst Toilette
machte, da sagte fein Weibchen:
„Du, hör mal, Alfred täusche ich
.»ich oder was ist denn das mit Deinen
Haaren es werden weniger statt
mehr, weißt Tu was wirf Deinen
Haarbalsam ans dem Fenster —das
Zeug macht Tich am Ende noch ganz
haarlos daß es Dir anch nicht einen
Atom von einem neuen Haar verschafft,
steht bombcnscst!"
„Tu magst Recht haben" sagte
Alfred entschlossen, „fort mit dem
trügerische» Haarwuchsmiltkl. Aber,
was unser Papa "
„Was ist's mit Papa?"
„Nichts!" sagte Alfred Aoll rasch
„ich dachte nur au was!"
Weinlig war daheim in einer wah
ren Arseiutlaune. Er hätte alles vc»
gisten können vor Wuth am ersten
den Professor Debardee. Denn seit
dem Gebrauche dieses Wundermittels
war anch der schmale Haartranz, der
seinen Schläfen wenigstens noch einen
spärlichen Rest von einer Haarzierde
verlieh, verschwunden.
Minna Wciiilig war immer spitzer
und anzüglicher geworden mit ihren
Haarjchwnnd-Bemcrkungen. und heute
würde eS gar nicht auszuhalten sein,
denn heute tam ja der hnupthaarge
schmückte Schwiegersohn zurück.
Im Salon war alles sestlich ar
rangirt. Man hatte ein paar Freunde
Alsreds eingeladen, den» der erste Tag
im neuen Heim sollte sestlich begangen
werden. Da rollte der Wage» heran,
Papa Weinlig richtete sich aus, um mit
ein paar Bcgrüßungsworten die Kin
der zu empfangen. Da rauschten die
Portieren zur Seite uud herein trat
Alsred mit Anny aber keine wohlge
setzte Rede, sondern ein doppeltes: „Ach
Dn lieber Gott!" von Herrn »no Frau
Weinlig ausgestoßen, empsiug sie
dcnii Alfreds Platte gab an Ausdeh
nung der des Schwiegervaters nur noch
ein weniges nach.
Dann folgten die Aufklärungen, aber
erst beim Sekt vermochte Frau Minna
Weinlig ihren Schwiegersohn wieder
anzusehen.
Ten vielen Vivals wurde ei» Pereat
angereiht. Wem es galt, kann der
Leser leicht errathen. Es galt dem Er
sindcr des untrüglichen Haarbal
sams.
„Er kennt fcinePappen
heimer!" Die Brenier Bark „Betty",
auf der Ausreise »ach New Port begrif
fen, hat so erzählt man »ns in
der Nordsee einen schweren X^'.-Sturm
zu bestehen, wodurch das Schiff stark
leck springt. Ter Kapitän glaubt mit
tels der Pumpen das Wasser bewälti
gen zu können n»d fetzt nach überstan
denem Sturm die Reise fort. Für die
Matrose» heißt eS jetzt! tapfer pumpen.
Dies geht auch ohnc größeres Murren
eijie Zeitlang in der gewünschlen Weist
vor sich. Schließlich bekommt Jan
maat aber die „Geschichte dick" und die
Leute erklären dem ersten Steuermann:
„Wi pumpt >ctzt nichmehr".Alle» Zure
den und Trohe» seitens des Steu
ermanns ist ohne Erfolg. Die
ser begibt sich darauf zum Kapi
tän mit der Meldung: „Kaptein,
de Lüd willt »ich mehr pumpen "
«Joa." sagt der Alle, „denn tont
set jo ook loaten." Der Kapitan brennt
sich die lange Pfeife an. legt sich auf
das Sopha und lieft die Zeitung.
Jan-mall ist »un sehr gespannt, was
infolge der Arbeitsverweigerung wohl
geschehen wird. AIS nach einer Weile
der Sleward an Deck tomml, stürmt
Jan-maal auf ihn ein mit der Frage:
„Wat moali de Ol?" „Joa, de Ol
liggt in de Ka>üt Uppen Sopha und
roott de lange Piep." „Wal! de
verdammte Kirl will uns hier woll ver
supen loaten!" So kommt es den Ma
trosen wie aus einem Muude, und
ohne weiteres Murren geht es wieder an
die Pumpen mit dem erhebenden Ge
fühl, „dat de Ol sinen Willen doch nich
Heppen schull", bis New 'Zork glucklich
erreich! ist.
—PietSt 5 v o l l. „Ah. Frau
Nachbarin. Sie sind auch in der Kon
dilorci?" „Ja. wissen S', heut' ist
der Namenstag von meiner seligen
Großtante: da kauf' ich mir immer
eine» Käsekuchen den hat sie so gern
gegessen!"
Die Wahrheit ist wie ein
Goldplällche». das man nur zart mit
Watte austrage» darf.
Wer viel spricht, hat wt»
nig Zeit zu denken.