Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 28, 1892, Page 7, Image 7

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    »»«tscht Lo«al»achrichten.
Provinz Brandenburg.
Ein Zeichen der Zeit ist es. daß sie
ben Fainilie» mit Hinterlassung von
Schulden aus dem Kreise Nauen an
ein und demselben Tage mit Sack und
Pack abgezogen sind uud nunmehr po
lizeilich gesucht werden. —Während die
Familien des Seminars und die Semi
naristen in Ncuzelle Sedan feierten,
brach im Sommersaat des Seminar
anscheinend an oder in der Orgel ein
Feuer aus. welches das ganze Seminar,
bekanntlich die Raume eines noch gut
erhaltenen, ehemaligen Zisterzienser-
KlosterS. einäscherte. —Die Handwebe
rei, welche zur Zeit den Haupterwerbs
zweig Strausbergs bildet, geht von
Jahr zu Jahr schlechter und wird so
gering bezahlt, daß auch der fleißigste
Arbeiter kaum im Stande ist. den Un
terhalt sür sich und sein« Familie zu
erwerben.
Provinz Westpreußen.
Der seit dem Jahre 1836 bestehende
„Deutsche Schulverein zur Erhaltung
des Deutschthums im Auslande" hat
trotz seines kurzen Bestehens schon 850 t)
Mark Unterstützungen an bedürftige
Gemeinden in Oesterreich-Ungarn durch
Vermittelung der Central-Leitung in
Berlin gesandt. Der Berein hat drei
Gruppen. Die Ortsgruppe in Königs
berg ist die größte; sie zählte bei ihrer
Gründung 1886 nur 92 Mitglieder
und eine Corporation, jetzt dagegen
iiber 890 Mitglieder und sünf Eorpo
rationen. DaS von dieser Gruppe
jüngst aus Anlaß des Eintritts des
tauiendsten Mitgliedes veranstaltete
Gartenfest erzielte einen Reingewinn
von mehr aIH 1000 Mk. Ein Theil
des Gerüstes, welches im Königsberger
Schlosse wegen vorzunehmenden Repa
raturen angebracht war, stürzte ein.
12 Personen wurden dabei verschüttet. 4
noch lebend hervorgezogen: einer ver
starb jedoch aus dem Transport nach
dem Krankenhaus. Die übrigen 8
Verschütteten waren sosort todt. Vor
Kurzem wurde die „Till" Allg. Ztg."
auf Verfügung der Staatsanwalt>chaft
mit Beschlag belegt. Grund zu der
Beschlagnahme soll ein die Eholerage
sahr betreffender Artikel gegeben haben,
in welchem hervorgehoben wurde, daß
der Tilsiter Arzt Dr. Brotzelt „ei i un
fehlbares Mittel zur Erzielung völliger
Gesundung bei etwa eintretender „Eho
lera-Erkranluiig" besitze, weshalbKran
ken empfohlen wurde, sich sosort an Dr.
Brozelt zu wenden. Die Beschlag
nahme wurde wegen groben UnjugS
bewirkt.
Provinz Hannover.
Der Hüttemann Schwabe aus Zeller
feld war zur Hochzeit seines Sohnes
nach Hamburg gereist, kehrte zurück
und hatte, um seine Anwesenheit in
Hamburg zu verheimlichen, ein Billet
bis HildeSheim und nach der Untersu
chung dort ein weiteres nach hier ge
nommen. Am nächsten Tage erkrankte
er, in der Pacht war er todt; die bac
tenologische Untersuchung ergab asiati
sche Eholera. Das Hans ist sofort aus
Wochen gesperrt, sämmtliche Borräthe
des darin wohnenden Schlächters wur
den vernichtet; die durchgreifendste
Desinsi.'irung ist ausgeführt. Jede
Volksversammlung in Elauslhal-
Zellerseld wurde verboten, selbst die
nächsten Wochenmärkte. Im Moritz
bergc bei HildeSheim ist ein zweiter
Eholcrasall vorgekommen. Es ist dort
der 14jährig5 Bäckerlehrling Wulf ver
storben. Die „Ouellendurg" bei Os
nabrück ist durch Feuer vollständig in
einen Trümmerhaufen verwandelt wor
den. Von dem früheren Schreiber
Rudolf German, der seit einigen Mo
naten in Amerika weilt, ist die Nach
richt in Verden eingetroffen, daß der
frühere Sparkassen-Direktor 80ß in
bürstigen Verhältnissen in New Port
lebe und erst nach vieler Mühe Beschäs
tigung in einem Weißwaarengeschiste
als Buchhalter mit wöchentlich 6 Dollar
Salär gefunden habe.
Königreich Sachsen^
112 Ein alter Achtundvierziger, der
vormalige Landtagsabgeordnete Rechts
anwalt Dr. Meischner. Der auf ca.
10,000 Quadratmeter Flächenraum,
im Osten der Altstadt, an Marschall-,
Ziegel- und Lothringerstraße gelegene,
seit 1890 im Bau begriffene riesige
Amtsgerichts-Neubau in Dresden ist
im Laufe des September in allen fei
nen Theilen fertiggestellt worden. Be
reits gegen Ende März statteten diesem
Riesenbau, der über drei Millionen
Mark kostet, die Landtagsabgeordneten
einen Besuch ab. Die drei Straßen
fronten sind zusammen etwa 325 Me
ter lang. Drei Höse werden durch die
drei Haupt- und drei Zwischenflügel
umfchlofftn. Hunderte von Dienst- und
Aufbewahriings- (Archiv), sowie Wohn
räume, Arresträume nicht ausgeschlos
sen. werden durch Granittreppen ver
bunden. Das Ganze mit seinen hohen,
thurmartigen Eckbauten nnd seiner
massiven Sandsteinarbeit gewährt ei
nen imposanten Anblick. —Das fes
selnde Schauspiel eines althistorischen
Bergaufzuges vollzog sich gelegentlich
des bekannten Bergfestes der Alienber
ger und Zinnwalder Bergknappfchaft.
In Gegenwart mehrerer Hunderte aus
der ganzm Gegend bewegte sich der
schöne, aus 14 Abtheilungen gebildete
Zug vom Factoreigebände nach der
Kirche. Zwei Bergmusikchöre, von At
tenberg und von Zinnwald, waren im
Zuge vertreten. Alle an der Berg
parade betheiligten Beamte», Häuer
und Knappen, nahmen sich in ihrer
Paradetracht sehr schmuck aus. Nach
dem BerggotteSdienste löste sich aus dem
Markte der Zug auf. Während die
Zinnwalder am Abend den Heimweg
antraten, vergnügten sich die Alten
berger Bergleute an den veranstalteten
Bällen.—ln Bautzen brach in Thrä
ne's Restauration auf dem Holzmarkt,
angeblich durch Blitzschlag, Feuer aus,
welches außer diesem Gebäude noch acht
Wohngebäude und eine Scheune io
Asche legte. Soviel ermittelt worden
ist, sind 44 Familien obdachlos gewor
den.— In Großröhrsdorf ist das dem
Aaumeiiicr Th. Nitfche gehörige, aus
fünf Gebäuden bestehende Bauergut
vollständig niedergebrannt. Als Ent
stehuiigsursache wird Brandstiftung
angenommen. In Buchholz hat sich
der Bahnhofs - Jnfpector E. aus bis
jetzt noch unbekannten Gründen durch
Erhängen entleibt. In erschreckender
Weife nehmen im Erzgebirge die
Feuersbrünste zu. Kaum war kürzlich
die Ortsfpritze von Burkersdorf von
einem in Kirchberg stattgehabten Scha
denfeuer zurückgekehrt, als dieselbe auch
im Orte selbst wieder in volle Thätig
keit hat gesetzt werden müssen. Neben
Mädlcr's Restauration brach in einem
Gut Feuer aus, das durch Holz und
Stroh reichliche Nahrung fand und das
Gebäude einäscherte.
Thüringische Staaten.
Eine Feuersbrunst zerstörte in Alten
ourg das Hotel Löwen, die Mohren
apothete uud vier Wohnhäuser nebst
Hintergebäuden in der Nähe des Rath
hauses. Andere Gebäude wurden be
schädigt. Die Handschuhfabrik Fra
kenfeld und Teckert in Arnstadt hat ihre
Zahlungen eingestellt. An Passiven
sind 230,000 Mk. vorhanden; die Ak
tiven sind nur gering. s In Mönch
röden der Schultheiß und Landtagsab
geordnete Joh. Nik. Dusch. Wäh
rend eines dieser Tage vom Krieger
verein in Greiz veranstalteten Eoncerts
wurde ein Hoch aus Deutschland aus
gebracht. Ein mit anwesender einge
ladener junger Franzose, der in einem
dortigen Wollwaarengeschäft als Vo
lontär thätig ist, blieb bei dem Hoch
demonstrativ sitzen. Diese Unhöflich
keit brachte einige Mitglieder des Ver
eins derart in Zorn, daß sie den jun
gen Mann an die Luft setzten. Jetzt
ist der Schaden des Hagelwetters, das
am 31. Juli in der Flur Dreißigacker
300 Morgen Ernte total vernichtet hat,
abgeschätzt worden. Der Schaden be
trägt 150,000 Mk. Bahnhosin
spector Rudolf in Neustadt a. d. Orla
feierte in aller stille sein 25jähriges
Amtsjubilänm. Die Pößnecker
Brieftaube» haben eine außerordentlich
schwierige Aufgabe gelöst. Nachdem
sie 30 Tage lang in dem Taubenschlag
der Festung Königsberg cingeschlossc»
waren, setzte man sie am 31. Juli
trüh 5 Uhr in Freiheit. Die erste
kehrte am 3. August, Abends 6 Uhr
25 Mi»., die zweite am nächsten Mor
gen nach Pößneck zurück. Der zurück
gelegte Weg beträgt 775 Kilometer.
Steindrncker P. 0.. in Saalfeld a.
S. wurde todt ausgefunden; neben ihm
befanden sich die Reste des Gifttrank »
mit welchem er seinem Leben ein Ende
gemacht. Man geht wohl nicht fehl,
wenn man annimmt, daß dem fleißig«:!
und ordentlichen Manne die Katastrophe
der Bercinsbank, deren Mitglied er
war, den Giftbecher in die Hand ge
drückt. Ein:n plötzlichen Tod starb
Pahnhofsrestaurateur Leukert in
Schleiz. Derselbe hatte bis gegen halb
11 Uhr Nachts seine Gäste bedient und
war um 11 Uhr zu Bette gegangen.
Königreich Bayern.
Ein Gewinn von 7,000 Gulden
wurde mit einem Pappenheimer Sie
benguldenloose bei der letzten Ziehung
von einem Metzgermeister in Augsburg
gemacht. Der hoch in den 50er ste
hende Kiuderiihrenfabrikant Winter von
Fürth wurde Abends am Ludwigs
bahuhof in Nürnberg von einem ein
fahrende» Zug überfahre» und sosort
getödtet. In einem Stadel zu Eggen
wurde die Fabrikarbeiterin Josefa Eich
mann ermordet aufgefunden. Der
Mörder Leopold hatte die Frechheit,
wenige Tage darauf bei feinem frühe
ren Dienstherr,! Hold, in dessen Hause
die blutige That geschah, in aller Ge
müthsruhe, als ob nichts geschehen
wäre, einzukehren und dort eine von
ihm zurückgelassene Joppe zu holen.
Als später Gendarmerie kam, war der
Verbrecher, der wohlbcwaffnet sein soll,
wieder verschwunden. Fast kein Jihr
vergeht, ohne daß nicht in irgend einer
Dorfgemeinde Oberbayerns ein H iber
feldtreiben stattgesunden hätte. Die
selben fallen gewöhnlich zu Herbstan
fang. wenn die Erntearbeiten in der
Hauptsache erledigt sind. Diesmal be
gann die „Saison" in Egmating bei
Glam. Von dort wird gemeldet, daß
ocim dortigen Pfarrer, dem Wirth nnd
einem Sattler tüchtig gehadert worden
sei. Wie bei allen derartigen Fällen
ist es der Polizeibehörde nicht gelungen,
irgend eines der Betheiligten habhaft
zu werden, ja nicht einmal den N.imen
-ines der Hadernden zu erfahren. Auch
aus dem Tegernsee! Gebiet kommt die
Kunde, daß etwas wie Gewitterschwüle
über dem dortigen alten Hab-rseldwin
kel lagere. Ein Forstmeister hat sich
nämlich die bäuerliche Ungnade dadurch
<uge;ogen. indem er eine Beschwerde
fache bei einem Prinzen nicht mit dem
erwünschten Ersolg begutachtet hatte.
Sollten die Haberer nun gar noch mit
den Jägern anbinden wollen, so kann
es leicht sein, daß sie mit blu
tigen Köpfen heimgeschickt werden.
Der Privatier Baumann in Schillings
fürst, der Schwiegervater bes tgl. För
sters Ehrhardt in Wettlingen, der sich
bei dein großen Brande mittels «ines
Sprunges aus dem zweiten Stock des
i brennende» Forfthaiises rettete, ist an
den erhaltenen Brandwunden gestorben.
, —Tas Denkmal zur Erinnerung an
die vor 150 Jahren bei der Belagerung
von Straubing durch die Oesterreicher
gesallentn Straubingcr Bürger ist jetzt
sertiggestellt. Die Enthüllung wird
in kurzer Zeit statt'^den. —In Bolkach
a. M. fand in feierlicher Weife die
> Einweihung der neuen Mainbrücke
statt. Die ersten Bestrebungen um
den Brückenbau greisen auf das Jahr
1876 zurück. Die Brücke ist binnen
anderthalb Jahren ausgesührt von der
Firma Büchner in Würzburg, welche
damit ihre sünste Mainbrücke herstellte.
- Die Gesanimtkosten find mit Anfahrts
damm 260,000 Mk.. wo«u der Kreis
8000 Mk., der Staat 545.000 Mk.
und der District einen mehrjährigen
Jahreszuschuß von je 800 Mk. ge
währte.—lhren 100. Geburtstag lei
erte in Waging die Hirschbauerswittwe
Rosa Moosmüller. Dieselbe geht noch
tägl ch in voller Rüstigkeit zur Kirche
und befindet sich in diese tn höchst selte
nen hohen Alter ganz wohl.—Di«
Nürnberger Strafkammer hat den
Thierarzt FrZr. Roth in Wimpfen we
gen verleumderischer Beleidigungen
und falscher Anschuldigungen zu neun
Monatcn Gefängniß verurtheilt und
ihm die Ehrenrechte auf die Dauer von
sünf Jahren aberkannt Roth
als er in Altdors wohnte, an das Ju
stizministerium. das Oberlandesgericht
in München, das protestantische Konsi
storium in Ansbach, den Obersten
Schulrath anonyme Pamphlete mil
grundlosen Verdächtigungen des Amts
richters Schwarz in Lauf, Seminar
lehrers Landtagsabgeordneter Böhm
und der Lehrer Weiß und Ettmeyer in
Altd»rf gerichtet. s Infolge wieder
holter Schlaganfälle Domkapitular Dr
Johannes Renninger.
Großherzogthum Baden.
Von einem harten Schickfalsschlage
wurde die Familie des Stadtrechners
Mock in Enge» betroffen. Dessen älte
rer, 27jähriger Sohn, ist während einer
zwölstägigen Rerserveübung in Zorbirg
bei Halle am Herzschlag gestorben. Mit
dem hoffnungsvollen Sohne begraben
die Eltern das sechste von sieben Kin
dern. Der in sehr guten Verhältnis
sen lebende Mehlhändler Rettig in
Ettingen hat sich einer schmerzhaften
Krankheit wegen erhingt. Der dritte
im Bunde der in letzter Zeit mit ver
untreuten Geldern flüchtig gegangenen
Socialistenführer (Häusler-Mannheim,
Bcycrle-Ichönau) ist der bekannte So
cialdemotrat Joseph Wehrle von Frei
burg. Er hatte in feiner Heimaths
gemeinde Schwärzenbach Abonnenten
für das hier erscheinende Socialisten
blatt gesammelt, hatte sich das Abo»ne
mentsgeld gleich vorausbezahlen lassen,
später aber keine Zeitungen gesandt.
Als er nun w.'gen Unterschlagung in
Anklagezustaud versetzt wurde, zog er
es vor, zu verschwinden. —s Der älteste
Mann Heidelbergs, der 101 Jahre 5
Monate alte Michael Schuck, im Volks
miind nur der „Schucke-Michel" ge
nannt. Zwei fleißige, achtbare Fa
milienväter. PhilippStrobel und Ma
urermeister Oesingcr von Klengen fuh
ren auf einem Wägelchen mit einem
jungen feurigen Pferde von Ueberauchen
gegen die Station Klengen, während
gerade der Zug vou Nillingen daher
brauste. Das Pferd durchbrach die
Barriere, riß unmittelbar vor der Ma
schine aus und entkam unbeschädigt,
während das Wägelchen zertrümmert
und die beiden Unglücklichen sofort ge
tödtet wurden. Die Kunstausstel
lung im Konziliums-Äaal zu Konstanz
wurde feierlich eröffnet. Die über 200
Nummern zählende Ausstellung weist
eine bedeutende Zahl künstlerisch her
vorragender Gemälde auf. Wegen
Betruges wurde der Eouvertfabrikant
August Ruf in Konstanz zu drei Jah
ren Gefängniß verurtheilt. Der zweite
Angeklagte, Director Hämmerli der
Papierfabriken in Landquart (Grau
bünden), hatte sich zur Verhandlung
nicht eingestellt. Die Kaution von
20,000 Mark i't somit der badischcn
Staatskasse ve> fallen. Die Betroge
nen sind die hiesige» Kaufleute August
Aittman» (Verlust 170,000 Mk.) i>n)
Christ. Friede. Hauch (Verlust 60,000
Mk.) s In Konstanz: Wittwe Kath.
Knecht, geb. Gratwohl; Frau Therese
Merk, geb. Zelter; Frl. Karline Eng
esser: Frau Lina Müller, geb. Schul
leS; Privatiersehefrau Julie Walser,
geb. Wimmer: Eoiffeur Franz Joseph
Mayer: Landwirlhswittwe Sophie
Mundhaas. geb. Bock. —> Der' 26 Jahre
alte Sohn des Tapetenfabrikankcn Hä
berle, Kaufmann Anton Häberle, ist
auf einer Geschäftsreise in Berlin un
erwartet rasch einem gastrischen Fieber
-rlegcn.
Elsaß-Lothringen.
Der in Sulzmatt wohnende Güter-
Händler Dreysus und seine Frau wur
den ermordet aufgefunden. Die
Schränke waren aufgebrochen, das
Geld und die Werthsachen gestohlen.
Tie Betten waren unberührt und das
Nachteijen stand noch auf dem Herde.
Tie Ermordeten fand man im Stalle,
der Mann war mit Futter zugedeckt,
die Frau lag unter der Thüre. Beide
hatten schwere Wunden am Kopfe. Die
beiden waren über 80 Jahre alt und
lebten sehr zurückgezogen. Die Hey
landt'sche Spinnerei in Urbeis ist abge
brannt. Sämmtliche Maschinen sind
zerstört. Der bisherige Oberstlieute
nant im 140. Jnsanterie-Regiment,
Lademann, ist. unter Beförderung zun«
Obersten, zum Kommandeur des in
Weißenberg garnisonirenden Jusante
rie-Regimciits Markgras Karl (7.
brandenburgischeS) No. 60 ernannt
worden. Er ist der einzige altive
Osfizier in der preußischen Armee, der
aus dem Stande der Gemeinen hervor
gegangen. Beim Sturm auf Düppel
war es, wo der damalige Pionier im
dritten brandenburgifchen Pionierba
taillone. Lademann, im heftigsten
feindlichen Kugelregen Pulverfäcke
füllte, welche bestimmt waren, an den
Pallisaden entzündet zu werden, um
diese zu zerstören. Er war ein Kame
rad des Pionier Klinke, der mit dem
gefüllte» Puloerfack auf dem Rücken,
den Kameraden zurufend: „Sorgt für
Frau und Kinder!" an die Pallisaden
lief, den Pulversack entzündete nnd da
bei den Heltentod starb. Für die stür
menden preußischen Truppen war der
Weg freigemacht. Herr Lademann hat
später als Major im 61. Regiment in
Thorn in Garnison gestanden. Der
Bahnwart in Eckartsweiler wurde von
seinem Sohne mir einem Messer er
stochen. In der Scheune, wo beide
arbeiteten, war wegen der vom Sohne
beabsichtigen Heirath ein Streit ausge
brochen. der zu der unglüeslichen That
führte. Der Thäter eilte auf den
Speicher und nahm sich dort durch einen
Revolverschuß das Leben. Der hoch
betagte Pensionär B. in Forbach wollte
seine um acht Jahre ältere Frau, nach
dem er sich mit derselbe» in seiner Küche
eingeschlossen hatte, erschießen. Die
Frau war aber rascher wie er, de»»
als er sie beim Hals griff und ihr de»
Revolver aus die Brust setzte, riß sie
ihn herum, sodaß zwei Schüsse durch
das Fenster drangen und ein dritter
Schuß ihn selbst traf, der ihn jedoch
nur ungefährlich verletzte. Momen
tane Geistesstörung soll die Urjache des
Attentats gewesen sein.
Braun schweig.
Der jüngste, das vorige Jahr um>!
fassende Bericht der Handelskammer
jfür das Herzogthum kann ein erfreut
liches Gesammtbild nicht entwerfen:
Die Kaufkraft ließ nach, die Eoncurfe
nahmen fast um ein Viertel (gegen
189(1) zu, die Ernte war schlechi, die
Preise stiegen, der Hagelschlag fügte
dem Lande einen Schaden von ru»d3j
Millionen Mark zu, die Industrie ar
beitete ohne Gewinn, der Absatz stockte,
das Eapital hielt sich zurück. Die
Hauptstadt zählt jetzt etwa 106,009
Einwohner gegen 100,300 bei der letz
ten allgemeinen Zählung und gegen
78,000 vor zwanzig Jahren. Seit
dem Anfange dieses Jahrhunderts hat
sich die Einwohnerzahl Braunschweigs
vervierfacht. Dementsprechend hat sich
auch die Zahl der Wohnhäuser erheb
lich vermehrt. Wir haben jetzt in der
Stadt etwa 6400 Wohnhäuser gegen
3900 vor zwanzig Jahren. 112 Geh.
Medicinalrath Pros. Dr. Theodor
Engelbrecht in Braunschweig. Ueber
das Vermögen der Handelsfirma Karl
HelmS in Braunschweig ist derEoiicurs
eröffnet worden.
A n h a t t.
Ueber das Vermögen der Firma
Otto Abelmann in Eöthen ist der ge
richtliche Concurs eröffnet worden.
Der in Nienburg a. S. verschwundene
Eominercienrath Jacoby, Theilhaber
der sehr bedeutenden Mühlenfirma Th.
Schmidt »k Eo., ist in der Nähe von
Taiigermünde als Leiche von der Elbe
an s Ufer gespielt worden. —ln einem
Walde bei Herrnskrelt'chen am Ein
gange der „Böhmiichni Schweiz" wurde
ei» durch einen Schuß in den Kopf
schwerverletzter Mann und die Leiche
einer etwa 40jährigen Frau aufgefun
den, die eine tödliche Kopfwunde hatte.
Rebe» dem Manne lag die Pistole und
ein Kistchen mit Patronen. Der Mann
wurde in das Aussiger Krankenhaus
gebracht, wo er starb, ohne eine Angabe
über feine Person gemacht zu haben.
Wie die Nachforschungen ergaben, wa
ren die srciwillig aus dem Leben Ge
schiedenen der 54jährige Webermeister
Rößler von Roßlau und dessen 41
Jahre alte Ehefrau. Rösler hatte eine
auf feinem Grundstück hastende Hypo
thekenschiild nicht bezahlen können und
aus Verzweiflung darüber war das
Ehepaar gemeinsam in den Tod gegan
gen.
Mecklenburg.
112 Die Diakonissin Friederika Wag--
,ier vom Stift Bethlehem in Ludwigs
lust in Boizenburg, wohin sie zur Pflege
der dortige» Elwlerakrankcn geeilt war.
als Opfer ihres barmherzigen Dienstes.
s Reltor Ehlers in Ludwigslust.
Im Dorfe Werder war der Erbpächter
Karl Prüßing auf dem Felde b.'im Ha
fermähen beschäftigt, als er vom Hitz
schlag betroffen wurde und verstarb.
Der Schuhmachergesclle Ludwig Draube
aus Malchin, der in Mirow seinen
Meister Träger, bei dem er mehrere
Jahre in Arbeit gestanden, sowie dessen
Frau und drei Kinder auf schändliche
Weise ermordete, hat sich dem Arme der
strafenden Gerechtigkeit durch Selbst
mord entzogen. Gastwirth Karbe aus
Berlin fand beim Angeln im Glam
becker See die Leiche. Fritz Reuters
Standbild, zu welchem seit Jahren von
den Deutschen in- und außerhalb des
Reiches Beiträge zusammengebracht
sind, ist jetzt vollendet und wird im
October in Neubrandenburg ausgestellt
und voraussichtlich am 10. October ent
hüllt werden. ES besteht in einer
bronzenen Statue in Ueberlebensgröße
aus granitenem Sockel. Die Ernte
statistik des Großhcrzogthums Mecklen
burg-Strelitz für das Ewtsjahr 1891
bis 1892 weist folgende Ernte-Erträge
»ach: Es wurde» geerntet 17.481 Ton
nen Weizen, 32,530 T. Roggen, 6812
T. Gerste. 22.079 T. Hafer, 270 T.
Buchweizen. 2583 T. Erbsen, 1736 T.
Bohnen. 372 T. Wicken. 1762 T. Lu
pinen. 73,981 T. Kartoffeln, 3120 T.
Raps und Rübsen. Unter den Kar
toffeln waren 14 p?t. kranke. Aus
unserem Großherzogthum sind im zwei
ten Quartal d. I. 76 Personen nach
den Ver. Staaten ausgewandert.
Schweiz.
Jüngst ertrank in der Zihl der
SchneidermeisterFlückiger in Madretsch.
Sein Leichnam wurde oberhalb der Ei
senbahnbrücke zu Brügg ausgefuuden.
Letzthin verunglückte eine Magd in
Worblaufen, indem sie beim Feiieran
machen aus einer Blechflasche Petroleum
in das Feuer goß. bei welchem, schon so
ost vorgekommenen Anlasse, die Flasche
cxplodirte. Die Kleider der Unglückli
chen geriethen sosort in Brand und
wurde dieselbe drart verbrannt, daß sie
ihren Leisen erlegen ist. s In Zü
rich in Folge Hirnschlages der treffliche
Primarlehrer I. Schneider. s In
Turbenthal Theodor Beer, Lehrer, wel
cher seit 1875 an der dortigen Primar
schule wirkte. 112 In Bern Herr I.
Hasler, Adjunk der Oberdirektion.
Major der Feldpost uud gew. Eentral
kassier des Allgem. Schweizer Steno
graphen-Vereins. s In Lern Herr
Bundesweibel I. Ziegler. s In
Flums Herr PH. A. Blcß. 20 Jahre
hindurch der treue, zuverläfsigeVcrwal
ter der Spar- und Leihkasse in Wallen»
ftadt. —Färber I. Wildhaber in Flu«»
rettete bei einem Brande mit eigener
Llbtngefahr aus dem obersten Stock
des Hauses noch zwei Kinder, ansonsten
dieselben unretbar verloren gewesen.—
Am 5. Okt. hat Kirchheim den ersten
Jahresmarkk innerhalb seiner Mauern
gesehen. Als Platz für den Jahnnarlt
war derjenige ausersehen, wie für die
ViehauZstellung derjenige vor der
Scheune zum „Adler". In Gähwil
wurde der älteste Bürger der Gemeinde
Kilchberg. Herr Jos. Seb. Baiinwart,
beerdigt. Er wurde gebore» im März
'lBOO und starb somit im 93. Lebens
jahre. Die Spar- und Leihkasse in
St. Immer erleidet durch die Treulo
sigkeit des Berwalters Blattner einen
Schaden von 90,000 Fr., von denen
durch Bürgschast 14,000 Fr. gedeckt
sind. Blattner hat 51,000 Fr. unter
schlagen, 30,000 Fr. sollen durch leicht
fertige Kreditgewährung verloren ge
hen. — In Aarau wurde im Schachen
die Leiche eines Lithograph Studer aui
Trimbach, an einem Baum gelehnt,
erschossen ansgesunden. Die Schiit
zengesellschast Baden trägt sich mit dein
Gedanken der Uebernahme des nächsten
Kantonal - Schützenfestes. —ln Rei
nach brach am 20. September in dem
Jakob Haller, Landwirth, gehörenden
Hause Feuer aus. welchem dasselbe
sowie das danebenstehende Gebäude des
Johann Haller, Fuhrmann, gänzlich
zum Opser sielen. —s In Zosingen
der langjährige Forstkassirer von Zo
singen. Herr Fritz Lehmann. In
Zofingen Hr. R. Leupold-Wirth, früher
Fabrikant, im Alter von 74 Jahren.—
Zur Verhaftung des Frl. Dr. med.
Farner in Zürich wird gemeldet: Die
Farner war feit Jahren Hausfreundin
in der begüterten Züricher Familie
Pfrunder. Als solche üble sie in der
Familie einen unbegreiflichen Einfluß
aus, besonders auf die Fräulein
Pfrunder. Oberrichter Wittelsbach in
Zürich ist Vormund über zwei ihm
nahe verwandle Kinder, denen aus der
Psrundcr'schen Hinterlassenschast ein
Erbtheil zufiel. Wittelsbach mußte die
Ueberzeugung gewinnen, man habe sei
ne» Mündel» einen Theil der Erb
quote vorenthalten durch Erbschleiche
rei, als deren Urheberin er die Farner
ansah. Gestützt auf das Zürcherische
Vormundschastsrecht, führte Wittels
bach seit einiger Zeit gegen die Docto
rinFaruer einen Administrativproceß.
Im Verlaufe desselben entschlossen sich
die Behörden, gegen die Farner straf
rechtlich vorzugehen, zu welchem Zwecke
sie verhaftet wurde. Besteht ein Nach
laß aus Werthtiteln, so ist es gar nicht
schwer, Erbschleicherei zu üben. Ueber
aus schwer sällt es jedoch jeweilen de»
Erbberechtigten. Fälle von Erbschlei
cherei im Eivilproeeß dem Richter nach
zuweisen. Zumal mit der Doctorin
hatte Vormund Wittelsbach einen
schwierigen Stand. Die Verhaftung
der Farner und die nachher vorgenom
mene Haussuchung ist nicht ohne Er
folg geblieben: wie bereits telegraphisch
gemeldet, fand man in der Wohnung
der Farner Werthpapiere im Betrag«
von 300,000 Francs. Sie selbst hal
bis jetzt nur ein Gesammtvermögeii
von 25,000 Francs versteuert. Dil
Farner soll eine geldgierige und geizige
Person sein. Ihr liegt nun ob. übe,
die Herkunst des großen Vermögen?
Auskunst zu geben.
In Kairo. Konstantino
pel und in anderen E-tädten des Orients
gibt es, wie der französische Aegyplo
loge Lenormaiid mittheilte, eine «änder
bare berufsmäßige Einrichtung. Unter
dem Vorsitze eines hohen nnd mächtigen
Herrn, der der „Scheich der Diebe"
genannt wird, waltet dort regelmäßig
ein Spitzbuben-Syndikat feines Amtes,
Der Scheich wird von der Polizei als
Ehef der Körperschaft der Pick-Pockets,
die sich in die von ihm geführten Listen
eintragen lassen und sich verpflichten,
ihn von allen Diebstählen, der sie aus
geführt, in Kenntniß zu fetzen, bestä
tigt; es ist selbstverständlich, daß die
vom Scheich geführten Bücher nicht zur
Basis einer Verfolgung der Diebe die
nen dürfen. Jeder friedliche Bürger,
der beraubt worden ist und dem mehr
daran liegt, wieder in den Besitz des
geraubte» Gegenstandes zu gelangen,
als den Dieb bestraft zu wissen, braucht
sich nur zum Scheich zu begeben uud
ihm den vierten Theil des Werthes der
ihm gestohlenen Objecte zu zahlen. 24
Stunden später befindet er sich bereits
wieder im Besitz des Seinigen, und
der Diebstahl, der als nicht geschehen
betrachtet wird, ist nicht mehr strasbar,
zumal auch Niemand erfährt, wer ihn
eigentlich begangen hatte. Diodorus
der Siculer berichtet, daß die geschil
derte „praktische Einrichtung" schon zur
Zeit der Pharaonen bestanden habe;
Lenormand gibt den „guten" Rath, sie
auch in den europäischen Hauptstädten
'inzusühren.
Der Moskauer Ober
polizcimeislcr Wtajsowstlihat ani 14.j2.
September folgenden sehr charakteristi
schen Tagesbefehl an die ihm unter
stellten Polizeibeamten veröffentlicht:
„Es wird beständig bemerkt, daß so
wohl in Bier- und Schnapsbuden, als
auch in besseren Kneipen die männlichen
Brücher derselben sich herausnehmen,
bedeckten Hauptes dazusitzen, wodurch
sie eine vollständige Abwesenheit aller
Ehrfurcht vor den in diesen Lokalen
befindlichen Heiligenbildern an dm
Tag lege» und außerdem bei dem nen
hinzukominendtn Publikum Unzufrie
denheit erwecken, was wiederum z»
Streitigkeiten und zu Störung der
öffentlichen Ordnung Anlaß gibt. Um
diese dem 'Anstand und der Schicklich
keit widersprechende Gewohnheit aus
der Hauvtstadt auszurotten, besehle ich
den Stadtthcilsauffehcrii, die Inhaber
von Trinkanstalten zu verpflichten, in
ihren Lokalen an einer Allen sichtbaren
Stelle eine schriftliche Betaiintniachuiig
des Inhalts anzubringen, daß jeder
Gast beim Eintritt seine Kopfbedeckung
abzunehmen hat. Ueber die stritte Er
füllung dieser Aufforderung seitens des
Publikums hat der Znnkhalleninhaber
»u wachen."
In ei »er Skizze llbcrda-
Studium der Medicin in England
schildert Dr. Straßmann die Einrich
tungen, welchcfür den medicinilchcn Un
terricht der Frauen jenseits des Eauals
blicklich 107 Mebicinerinnen. darunter
auch ein Hindumädchen. AIS Bedin
gung für die Zulassung zum Studium
ist für die Studentinnen, die übrigens
das achtzehnte Lebensjahr vollendet ha
ben müssen, das gleiche Examen, wie
bei ihre» männlichen Eollegen, erfor
derlich. Die Docenten sind zum größ
ten Theil nach Männer: doch werden
einzelne Fächer, wie innere Medicin.
Gynäkologie, gerichtliche Medicin und
demonstrative Anatomie, von Frauen
gelesen, die auch das Dekanat. Secre
tariat u. s. w. übernommen haben.
Die ärztlichen Stellen im lioz'-U frs«
Heirat, in welchem die Schule ihren
Sitz hat, sind an Männer vergeben.
Sonst sind in London den Stu
dentinnen nur je ein Hospital
für Kinder-, Augen-, Fieber-, Zahn
uud Hüftkrankheiten man fpeciali
firt in England noch viel mehr als
auf dem Eontinent geöffnet, abge
sehen allerdings von den Entbindungs
anstalten, die ihnen zumeist zugänglich
sind. Außerdem besteht noch zur be
sonderen Ausbildung für den Dienst in
Krankenanstalten das „Neue Hospital
sür Frauen", an welchem nnr Aerztin
nen wirken, und zwar besonders solche,
die später nach Indien gehen und sich
eine vorbereitende Hospitalschulung er
werben wollen. Dr. Straßmann rühmt
die Einrichtungen dieses Krankenhau
ses, in welchem ihm besonders die außer
ordentliche Sauberkeit augenehm aus
gefallen ist. Die Zahl der in England
approbirten Aerztinnen ist in den letz
ten Jahren stetig gestiegen; 1889 wa
ren 72. 1890 87 und 1891 schon 113
in das medicinische Register eingetra
gen. Bon diesen hatten sich 30 in
London, 19 in den Provinzen und 3 in
Edinburg niedergelassen. Die Mehr
zahl von ihnen, besonders in London,
ist an Krankenhäusern angestellt, zu
meist in Frauen- und Kinderkliniken.
In London und Manchester hat auch
die Post sür ihre weiblichen Beamten
eine Aerztin angenommen. 26 sind
nach Indien, 3 nach China gegangen,
sast ausnahmslos im Misfionsdicnste
der englischen oder schottischen Kirche.
Ueber die Erkrankung
des Prinzen Karl Radziwill werden
noch einige Einzelheiten bekannt. Es
scheint, daß der Ausbruch der geistigen
Störung bei dem Prinzen durch einen
Streit veranlaßt worden ist. den der
Prinz am Tage seiner Erkrankung auf
dem Bahnhof in Lodz mit einem War
schauer Architekten L. gehabt hat. Anf
dem Lodzcr Bahnhof, wo der Prinz,
von einem Jagdausflug zurückkehrend,
längere Zeit auf feine Equipage war
tete, ist es zu diesem Streit gekommen,
und zwar, wie von Freunden der Rad
ziwill'schcn Familie behauptet wird,
durch Provokation des Architekten, der
schließlich den Prinzen gefordert hat.
Dieser verweigerte die verlangte Genug
thuung und begab sich in das ~Graiid
Hotel", mit dessen Wirth Herrn
Schwarz der Prinz sich längere Zeit
unterhielt, ohne das sein Wesen Anf
fäuizcs verrieth. Bald darauf erschien
L. im Hotel, überreichte dem Prinzen
seine Visitenkarte und verlangte noch
mals Satisfaction, die ihm abermals
verweigert wurde. Nachdem er sein
Abendessen eingenommen hatte, begab
sich der Prinz nach feine»! im ersten
Stockwerk belegenen Zimmer und hier
wurde er zum zweiten Male von dem
Archiiccten L. ausgesucht. Die Aerzte
sind der Ansicht, daß diese Auftritte mit
dem Prinzen, der bereits zweimal im
Jahre 1870 nnd 1872 irrsinnig ge
wesen ist, dieWahnvorstcllung, daß er be
obachtet und verfolgt werde, erzeugt und
schnell bis zum Irrsinn gesteigert
haben. Die ersten Anzeichen der aus
brechenden Tobsucht bestanden darin,
»aß der Fürst ohne scheinbare Veran
lassung ein anderes Zimmer verlangte
und als er keins angewiesen erhalten
konnte, da das Hotel vollkommen be
setzt war, eine Zimmerthüre demolirte
uud den elektrischen Signalapparat zer
trümmerte. Gleich darauf sing ver
Prinz an zu feuern nnd hat im Gan
zen nicht weniger als 60 Schüsse abge
geben. Bon den Leuten, welche der
Prinz verwundet hat, befindet sich der
ille Hausknecht des Hotels, dem eine
ftugel aus der einen Seite des Körpers
oberhalb der Hüfte in den Leib gedrun
gen und auf der anderen Seite wieder
herausgegangen ist, noch immer in Le
bensgeiahr. Prinz Radziwill ist in die
Nervenheilanstalt von Dr. Kohlkaul
>n Görlitz überfuhrt worden.
Die historischen Ueber
lieferungen und Nichtübcrlicserungen
der Muhamedaner in Bosnien bereiten
den österreichischen Beamten viel Kopf
zerbrechen. So erschien jüngst vor der
Krundbuchscomniission in Eazin eine
Frau, und zwischen ihr und dem fuuctio
nirenden Beamten entspann sich fol
gende Unterhaltung: »Wie heißt Tu?"
„Wer?" „Du! Wie ist Dein
Name?" „Wessen Name? Der
meine?" „Ja, der Deine!"
„Gleich, Herr, ich muß zuerst den Muk
lar fragen!" Der Muktar wird ge
rufen und befragt, weiß aber kein«
Auskunft zu geben, wohnt er doch vier
Stunden von dem Dorfe des WeibeS
entfernt. Da erinnert er sich, daß der
Gatte der klugen Frau neben ihr steht
und die Scene neugierig betrachtet.
„Wie heißt Deine Frau?-
n»m (Ich weiß nicht,
Herr.) Er strengte sein Hirn mächtig
an. der Angstschweiß perlt ihm auf der
Stirne, aber auf den Namen feiner
Frau kann er sich doch nicht besinnen.
Endlich erscheint ein Nachbar des selt
samen Ehepaares, der zu erzählen in
der Lage ist, das merkwürdige Weib
heiße Gjutfa Kovacsevis „vo n,»tsn",
d. h. ihre Mutter habe so geheißen.
Nun war die Eommission genau s»
klug, wie früher.
Die E Holerae pidemie
in Hamburg scheint glücklicher Weise
ihrem Erlösche» entgegenzugehen: ho
seutlich verschwindet nun auch allmäh
lich die Angstcpidemie in den deutsche»
Gauen, die an einzelne» Orten in hellen
Wahnsinn ausgeartet ist. So wird de
richtet, daß ein Privatgelehrter am 28
August Hamburg verlassen hat, zunächst
Unterkunft in Cleve fand, dann aber
sich in einem Orle in der Nähe dieser
Stadt auf vier Woche» eine Wohnung
miethete. Unbehelligt hatte der Herr
dort vier Tage gewohnt, als es ruchbar
wurde, daß er ein Ha»ibi»gcr sei.
Drohend umstanden die Ortseingeses
senen das Logis und der Ortsvorstant»
ordnete ein peinliches Gericht an. So
viel stand von vornherein sest, der
Delinquent mußte gründlich deSinficirt
werden. Nun waren aber in diesen
Erdenwinlel moderne DesinfcctionS
mittel noch nicht gedrungen uud zu der
Frage, swie die Reinigung vorzuneh
men sei. entstanden Schwierigkeiten.
JinLrte befand sich auch
vater eines Weinbergbesitzers. Jener,
aus Dithmarschen gebürtig, erinnerte
sich, daß man dort im Herbst vorder
Ausstattung das Bich, um es von aller-
Hand Hospitanten zu reinigen, mit Ar
senik abwäscht. Dem biederen Dith
marschen schien cs bewiesen, daß das.
was gut für Ungeziefer, gewiß auch den
Eholerabacill vernichten müsse, und er
schlug deshalb vor, den Gelehrten mit
einer Arsenillösung, die er anzufertigen
sich erbot, gründlich abzuwaschen. Ter
Vorschlag fand Anklang und man
schickte sofort eine» Bote» nach der Apo
theke, um die Ingredienzien zu der Rei
nigung zu holen. Glücklicherweise ist
im Rheinland«: das Vichwafchcn nicht
modc und die Apotheker sind dort nicht,
wie dieses in Schleswig-Holstein üblich
ist, daran gewöhnt, Arsenik pfundweise
zu verkaufen. Deshalb forschte der
Apotheker nach und sandte, als er das
beabsichtigte unsinnige Vorhaben er
fuhr, sosort einen Arzt an Ort und
Stelle, welcher das arme Opfer von
der Arsenikwäsche und deren gefähr
lichen Folgen rettete.
Einen Wunderknabcn
und Wundergreis hat, falls ein sonst
ernsteres Fachblatt, der müi
t-lirs nicht flunkert, die französische
Armee gezüchtet und noch aufzuweisen.
Das Blatt behauptet, daß sich im Grei
senhospital zn Lyon ein Invalide be
fände. der in derselben Stadt am 28.
Juli 1786 geboren ist, also das hnn-
dertiechste Lebensjahr bereits überschrit
ten hat. Ter alle Herr behauptet, sehr
frühzeitig an den Kriegsthaten Na
poleons Theil genommen zu haben.
Er will schon mit dem General Bona
parte in Egypten ein Zwölfjähriger
alio gewesen, dann mit ihm über
den Großen Sanct-Bernhard gezogen
uud in Mailand eingerückt sei». Spä
ter focht er in Spanien, machte den
Feldzug von 1812 in Rußland mit
uud wurde an der Berefina durch fünf
Kugeln verwundet, von denen er eine
noch bei sich trägt. Schließlich nahm
er unter Eainbronne in der Kaisergarde
an der Schlacht bei Waterloo Theil.
Er hat also die ganze napoleonrsche Le
gende dichten helfen und überlebt.
Ausgeschlossen ist sreilich nicht, daß er
seine eigenen Märchen erzählt oder das;
man dem militärischen Fachblatt eine
Fabel aufgebuudent hat. Der ?r»x-i«s
militmi-s bezieht sich sreilich ans ein
amtliches Zeugniß, in dem er weiter be
richtet. Bei einem Besuch, welchen vor
kurzem der Präfect des Rhone-Departe
ments dem Hospize abstattete, antwor
tete auf des Beamten Frage nach feinem
Befinden der alte Soldat, daß er über
haupt nie krank gewefeu sei, keine Be
schwerde des Alters fühle und noch fünf
zig Jahre zu leben hoffe!
Man berichtet au! Pe
tersburg: Der russische Finanzmiilister
a. D. Wyfchiiegraski hat in einem der
vornehmsten Stadttheile eine Wohnung
gemiethet, welche zu einem eine eigen
thümliche Vorgeschichte besitzenden Haufe
gehört. Der palastartige Bau wurde
ursprünglich von einem reichen Vrannt
weinSpächter Utin für drei Millionen
Rubel aufgeführt. Als der Utin'sche
Glanz bald darauf über Nacht ver
schwand, gelangte das Haus iu den Be
st» des Unternehmers Owsjänikow.
Dieser Mann spielte lange Zeit in der
Newaresidenz durch seinen sürstlichen
Reichthum eine bedeutende Rolle. Seine-
Feste waren die prächtigsten Peters
burgs und wurden von aller Welt be
sucht. Schließlich zündete Owsjänikow
eines Tages seine hoch versicherter«
Dampfmühlen an, wofür er freie
Reise nach Sibirien erhielt. Dort soll
er sich inzwischen wieder herausgearbei
tet haben. Nach Owsjänikow laufte
der bekannte Bankier Baron Günzburg
das Haus, dessen Reichthum ist nun
mittlerweile auch den Weg alles Flei
sches gegangen. .Jetzt ist der Finanz
man» Wyschnegradsli i» dieselbe Woh
nung gezogen, welche den Sturz so
vieler Finanzgrößen bereits gesehen hat.
InNea pel geriethen, wie
der „Magdbg. Zeitg." von dort geschrie
ben wird, aus offener Straße zwei
Zündholzverkäufer in Streit. Der
eine, ein zerlumpter, graubärtiger
Mensch von augenscheinlich hohem
Aller, geriet!) dabei so in Wuth, daß er
ein Messer zog uud seinen jüngeren
Eollegen niederzustechen versuchte. Aber
er kam nicht dazu. Ein Polizist schritt
ein und führte den alten Messerhelden
nach der Wache. „Wie hcißt Du?"
fragte man ihn dort. „Guifeppo Eap--
piello". „Wie alt?" Rechnen Sie
selber nach. Ich bin Neunzig geboren.-
Und so war es. Der Verhaftete war
im Jahre 1790 geboren, zählte also 102
Jahre. Als dieser Umstand nach
einigen Stunden zweifellos festgestellt
war, ließ man den Alten laufen.
Vor Gericht wird er freilich noch er
scheinen müssen, aber der Richter
wird wohl gegen den heißblütigen
Greis die möglichste Milde walken las
sen. 7