Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 28, 1892, Page 3, Image 3

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    Hrästn Daron.
(4. Fortsetzung.)
.Ich habe ihn nie geliebt, deshalb
«itt er auch keinen Anspruch aus meine
Treue, mein Wort ich gab cs ihm
aus Gehorsam, ohne zu wissen, was ich
that. Ich fühle mich nicht gebunden.
Mein Gemissen spricht mich frei, und
-seit mein Herz die Liebe leimen lernte,
seitdem ist mir Henri zuwider geworden
mit seinein Drängen und Zwingen, sei
nem Eigensinn und seiner Herrschsucht.
Wenn Sie abcr nicht mein Verbündeter
sein wollen um einer guten Sache wil
len, so wcrdc ich allein bandeln. Ein
Weib wird dem arme» Verwundeten
>im Feindesland zu seinem Rechte vir-
Helsen."
„Wären Ihr« Vermuthungen be
gründet, Komtesse, so wäre ich der erste,
der den Deutschen befreien würde. Aber
aus den Armen des Todes kann ich ihn
nicht lösen."
„Leihcil Sie mir also Ihren Bei
stand, wenn ich ihm aus die Spur
komme?"
„Mein Ehrenwort, natürlich, wie aber
Wolleu Sie eS beginnen?"
„Ich weiß cs noch nicht, vor allem
gehc ich nach Millecroir."
„Was wollen Sie dort?"
„Henri sagt, er sei dort begra
ben. Ich will die Leiche ausgraben
lassen."
„ncein Gott, welch' einen schweren
Verdacht Wersen Sie dadurch öffentlich
auf den Grasen."
„Ich kann eS nicht ändern."
„Komtesse, besinnen Sie sich doch,
wenn Sie auch Verdacht hegen, so han
deln Sie wenigstcnS so, daß Sie nicht
die Ehre Ihres Verwandten verdächti
gen. Slcllen Sie Ihre Nachforschun
gen oder halt! Thun Sie nichts,
Frauen überlegen nicht und, Eecile.
Sie hassen und lieben. Nein, lassen
Sie mich statt Ihrer handeln."
„Wie? Sie wollten wirtlich?"
„Ja, ich will Nachsorschungen an
stellen, um Sie zu beruhigen.
„GcbcnSic mir Ihr Ehrenwort."
„Genügt Jhncn nicht mein Aus
spruch?
„Nein."
„Äl>o mein Ehrenwort."
Professor Etoile ging sehr bekümmert
von Eecile weg. Er sann nach, wie er
es beginnen sollte, ihre trankhaste Er
rcgung zu beruhige», und dann er
konnte sich selbst leine Rechenschaft ge
ben, aber er suhlte sich von ihrcm Zwei
fel angesteckt. Thionville war herrsch
süchtig und leidenschastlich in Eecile
verliebt, er erinnerte sich seiner rasen
den Eisersucht.
Wenn sie rccht hätte? Wo Hütte er
ihn hingebracht? Er müßte die Hälste
der Dicncrschast in Anspruch genom
men haben. Mit Geld läßt sich viel
machen, viel Schweigen erkaufen. Ob
er ihn in Millecroir verbogen hält?
Aber er würde dann doch nie d.'» Ort
genannt habcn: er hat ja noch andcrc
Besitzungen, die weiter entscrnt und
einsamer liegen."
Als er am nächsten Tag kam, um
Eecile wieder zu besuchen, hieß cs, die
Gräsin sei abgereist.
„Abgereist? wohin?" fragte er höchst
erstaunt.
„Ich weiß es nicht," erwiderte der
Portier.
„So sragcn Sie, ob die Gräsin kei
nen Bries an mich hinterließ."
„Nein, die Gräsin ist ohne jcde Be
gleitung aus den Bahnhof gefahren,
der Diener wurde mit dem Wagen wie
der zurückgeschickt, er weiß nicht, wohin
die Gräfin fuhr."
Kopfschüttelnd ging der Doctor zum
Haushosineistcr.
„Monsieur Granville, ich möchte
einige Worte mit Ihnen im Vertrauen
sprechen. Ich bin seit vielen Jahren
der Arzt der Familie. Wissen Sie,
wer niciiie Stelle während meiner Ab
wesenheit bei dem vcrwundcten deut
schen Ofsicicr vertreten, ich meine, wel
cher Arzt sür ihn geholt wurde?"
„Ich habe ihn nicht gekannt," ant
wortete Granville.
„War eS ein junger oder ein alter
Herr, ich ersuche Sie, ihn mir zu be
schreiben."
„Ich sah ihn nur einmal flüchtig,
aber Jeanette, welche die Pflege bei
dem Deutschen statt der Schwester Ma
ria-Mariha hatte, kann Ihnen genaue
Auskunft darüber geben."
„Warum pflegte ihn denn die Schwe
ster Maria-Martha nicht mehr?"
„Weil der Herr Graf wünschte, sie
solle zur Komtesse."
„Ach ja, ich vergaß, aber man hätte
doch eine andere Pflegerin haben kön
nen, Jeancttc kam mir in diesem Falle
immer ungeschickt vor."
„Wir waren so erschrocken über die
plötzliche Gefahr. in der die Komtesse
schwebte, daß man an nichts anderes
mehr dachte: deshalb hat auch der Herr
Graf verlangt, daß der Deutsche aus
dem Palais gebracht werden sollte."
„Der Gras hat es verlangt, ich dachte
dcr Deutsche selbst?"
„Kann auch sein. Ich weiß eS in
der That nicht, ich habe mich nicht dar
um gekümmert."
„Wie lange war der Hauptmann
Abensberg noch im Palais nach der Er
trankung dcr Gräfin?"
„Wie lange? —" Monsieur Gran
ville dachte nach, „ach ja, jetzt ent
sinne ich mich, cs mögcn ungefähr zwei
Tage gewesen sein'"
„Wie wurde er fortgebracht?"
„O, mit möglichster Sorgfalt," er
widerte Granville kühl, „mit einer
Sorgfalt, als wäre es ein französischer
Edelmann, statt so ein —"
„Sie mißverstehen mich. Monsieur
Granville, natürlich achtete man aus
die Bcguciulichkeit des Kranken, ein
Arzt, ein Krankenwärter war zuge
gen?"
„Jawohl, und ein Diener,' bestä
tigte Granville.
„Welcher Diener war «S, Louis, Ko
dier oder Gilbert?"
„Nein, keiner der unserigen, «S war,
glaube ich, einer deS Grafen."
„Ah. warum denn das?"
Monsieur Granville hob gleichgiltig
seine Achseln in die Höhe. „Herr Pro
fessor, cs ist nicht meine Sache, den
Herrn Grasen darüber zur Rechenschaft
zu ziehen."
Etoile ging, ohne ein Wort zu erwi
dern, zur Haushälterin. „Madame
Neige, haben Sie die Güte, mir Jea
nette zu rusen."
„Jeanette?" fragte erstaunt Ma
dame Neige, „die ist nicht mehr da."
„So. wo ist sie denn?"
„Ich glaube, sie ist zu ihrer Schwe>
ster."
„Wo wohnt die Schwester?"
„In Passy in der Nähe der Passage
de L'eau."
„Wissen Sie den Namen dieser
Schwester?"
„Jawohl, Antoinette Eherson, sie
kam österS zu Jeanette."
„Gut. können Sie mir Auskunft
geben über den Arzt, der während mei
ner Abwesenheit Monsieur Abensberg
behandelte? tannten Sie ihn? Kam
er oft?"
„Ich kannte ihn nicht, der Herr Gras
führte ih» zu dem Sterbenden, dieser
war sehr schlecht- daran. Jeanette be
hauptete —"
„Was?"
„Daß er. daß er sich verfärbte,
als er hörte, die Gräfin sei so krank,
und daraufhin sei er wie toll lange
Zeit gelegen, und sie glaubte, daß
er jcde Secunde aushören werde zu
athmen."
„Wurdc da dcr fremde Arzt ge
holt?"
„Ja, ich selbst bat den Grafen, denn
Jeanette war über den Anblick des
Deutschen ganz entsetzt, und Sie kön
nen sich deiilen, daß ich selbst von Zeit
zu Zeit bei Monsieur Abensberg nach
sah, ich wunderte mich, daß er nicht
schon langst seinen Geist ausgab. Der
Hcrr Doctor sagte uns auch, daß es
nicht mehr lange bei ihm währen
werde."
„Warum ließ ihn dann der Gras
nicht im Palais sterben?"
„Herr Professor, ich glaube, wir ha
ben großmüthig genug an dem Deut
schen gehandelt. Wir sahen nicht den
Feind in ihm, wir thaten, als wäre es
ein französischer Prinz."
Nachdem der Professor die Haushäl
terin verlassen, summte ihm das:ben
Gehörte im Kops herum. Seltsam,
de» Sterbende» fortzuschaffen und
noch seltsamer, einen sremden Arzt,
den Niemand kennt, rusen zu lassen.
Warum lam Doctor Autin oder Mi
colte nicht? Er gab seinem Kutscher
den Befehl, nach Passy zu fahren.
Dort fand er leicht das Häuschen, in
dem die Person wohnte.
Er stieg die steile Treppe hinauf und
fragte, ob Jeanette hier sei. Das Ge
sicht der Frau verdüsterte sich.
„Leider nein," antwortete sie, „das
tolle Mädchen verthut ihr Geld mit
ihrem Gelieblen, statt ein hübsches,
kleines Geschäft anznsangcn."
Etoile gab der Frau seine Karte und
sagte: „Ich bitte Ihre Schwester, zu
mir zu kommen, um zwöls Uhr bin ich
zu Hause, es wird ihr Schaden nicht
sein, ich habe nur ein paar Worte an
sie zu richten."
„Ah. der Herr Professor Etoile!"
rief die Frau, einen tiefen Knicks ma
chend, „und Sie bemühen sich selbst bis
zu uns herauf; welch' eine Ehre!
Meine Schwester wird pünktlich um
12 Uhr kommen."
Jeanette kam. Etoile war über das
Mädchen höchst überrascyt, denn sie war
in Sammt und Seide nach der neue
ste» Mode gelleidet und erröthete, als
sein Blick sic musterte.
„Wie kommt es," fragte er. „daß
Sie das Palais Doron verlassen ha
ben?"
„Ich habe das Dienen nicht mehr
nöthig."
„Wieso? haben Sie in der Lotterie
gewonnen oder eine Erbschaft ge
macht?"
„Nein, Herr Professor, aber ich habe
so viel Angst mit dem Deutschen aus
gestanden, uud dann, wissen Sie, ich
bekam einen tiefern Blick in die Ver
hältnisse, und deshalb hat der Herr
Gras mich sürstlich belohnt. —"
„Eben darum, meine gute Jeanette,
bat ich Sie, zu mir zu kommen. Er
stens möchte ich wissen, wie sich der
Deutsche befand, und dann nun
wissen Sic, mir. einem alten Freund
dcr Familie Daron, dürfe» Sic getrost
alles sagen, was Sie gesehen "und ge
hört haben. Oder hat Ihnen der Graf
verboten, darüber zu sprechen?"
.Bewahre, er weiß ja selbst nicht,
und ich habe mich gehütet, cs ihm zu
sagen, obwohl er sich seine Gedanken
darüber gemacht haben mag, sonst hätte
er mich nicht so fürstlich belohnt. Aber
was wollen Sie wissen, Herr Pro
sessor?"
„Wie ich Ihnen schon sagte, erstens,
wie der Deutsche sich befand, als er
fortgebracht wu.de; dann, ob er gern
ging, was der Doctor darüber sagte
und so weiter. Erzählen Sie mir die
ganze Geschichte vom Anfang bis zum
Ende."
Jeanette lachte verschmitzt. „Ma
dame Neige behauptete immer, ich sei
dumm." sing sie an, „aber so viel sah
die dumme Jeanette doch, daß, als sie
zum Deutschen mußte, nicht alles so
ganz in dcr Ordnung war. Natürlich
ivir alle erschralen nicht wenig, als un
sere Komtcsse so trank wurde. Schwe
ster Maria-Mavtha mußte zur Komtesse,
und Doctor Micotte kam alle Tage.
Ich mußte den Deutschen pflegen und
mußte nicht, wie ich es ansangen sollle,
hab' all mein Lebtag nichts dergleichen
gethan.
Also gut, ich ging zu ihm uud sagte:
„Mein Herr, was wünschen Sie?" Er
sah mich an. Ach. Herr Professor,
und da passirte eS mir wie just unserer
Gräsin. glaubt ich ein Stich ging
mir durch'S Herz hab nie so schi«.
traurige Augen gesehen. Und ob
wohl ich eine gute Patriotin bin und
die Deutschen hasse, ja gründlich hasse
ich hätte ihm nichts Böses thun kön
nen, dem armen sterbenden Menschen.
Ich sagte ihm, daß die Gräfin so schwer
erkrankt wäre, und da wurde er kreide
weiß wie ein Tod!«.-. Er siel zurück,
schloß die Augen und stöhnte. Na, ich
habe es wohl verstanden.
Es war nur natürlich, denn er war
in unsere Gräfin, trotz seiner Wunden,
rasend verliebt. Sie war ja auch im
mer nur bei ihm. Ich fürchtete mich
und lief zu Madame Neige, um ihr zu
sagen, daß der Deutsche eben sterbe,
diese berichtete es dem Grasen, und der
stieg in seinen Wagen und fuhr fort.—
Ich mußte wieder zu dem Sterbenden,
zum Glücke merkte ich. daß er noch ath
mete. Nach einer Stunde öffnete sich
die Thüre, und der Doctor kam."
.Welcher Doctor, Micolte oder Au
tin?"
„Nein, keiner von beiden, sondern
ein anderer."
„Kannten Sie ihn?"
.Nein, ich habe ihn nie gesehen.'
.Und was weiter?"
„Erst sprach er mit dem Deutschen,
und dann sagte er mir, was ich zu thun
halte, und das that ich auch »ach besten
Kräften. Am nächsten Morgen kam
der Doctor wieder und fragte den Deut
schen, ob er heim wolle. Der aber sagte,
er wünsche zu bleiben, darauf erwiderte
der Doctor, daß dies jetzt unmöglich
wäre, denn die Herrin des Hauses sei
schwer krank, sie ringe mit dem Tode,
und daß er fort müsse.
Der Doctor wollte ihn begleiten, der
Herr Graf werde Sorge tragen, daß er
gut untergebracht werde. Der Krank«
erwiderte, daß es ganz unnütz sei, wenn
man ihn frage, denn er wäre so elend,
daß er sich nicht gegen fremden Willen
wehren könne.
AIS der To.tor fort war, fragte mich
der Deutsche, wie es der Gräfin gehe,
und dann bat er mich, sie zu grüßen
und ihr in seinem Namen für alles zu
danken, was sie ihm gethan. Ach, mir
that er so leid! er war sehr traurig,
und ich wollte ihn trösten und sagte,
daß er vielleicht doch nicht sterbe» werde.
Er aber seufzte: der Tod ist besser als
das Leben.
Nach eiingcn Stunden kam der Arzt
und ein fremder Mann und der Die
ner. Sie trugen ihn hinunter in einen
Wagen. .Der Deutsche war so schwach,
so elend, daß ich glaube, er hat keine
Viertelstunde mehr gelebt. Ich sinde,
der Graf Hütte ihn in seinem Betle ster
ben lassen können, ja. Herr Professor,
zu Jhncn gesagt, das Fortschaffen war
sehr grauiam, ich möchte es nicht auf
meinem Gewissen haben.
W.is aber geht eS mich an. Ich war
noch im Zimmer und weinte über den
Deutschen, als der Graf hereinkam und
mir zurief: Sie sind entlassen, Sie ha
ben sich brav und ordentlich benommen.
Mit diesen Worten legte er mir fünf
hundert Francs in die Hand. Ich
glaubte zu träumen, war aber so ver
nünftig nichts zu sagen, zu Niemand;
denn so viel verstehe ich doch, daß der
Graf mir nicht umsonst das Geld gege
ben hat. Ich habe auch der Gräfin die
Grüße des Deutschen nicht überbracht,
sondern ging zu meiner Schwester."
„Wenn ich Ihnen das Bild des Arz
tes zeige, kennen Sie ihn dann?"
„Sicher," erwiderte sie.
„So seien Sie so gut und kommen
Sie in zwei Tagen um dieselbe Stunde
wieder zu mir."
Als Jeanette an dem bestimmten
Tage kam, legte ihr Etoile eine große
Zahl Photographien der Aerzte von
Paris vor; aber derjenige, welcher
Abensberg begleitet hatte, war nicht
darunter.
Jetzt will ich doch mit dem Grafen
selbst über die Sache sprechen, entschied
Etoile und fuhr nach dem Palais Thion
ville,
„Sie kommen wie gewünscht," rief
ihm Henri entgegen. „Sie waren ja
stets der Vertraute meiner Eousine,
können Sie mir sagen, wo sie sich ver
borgen hält?"
„)iein, aber ich verbinde die Reis«
der Gräsin mit dem räthselhasten Tode
des Hauptmanns Abensberg."
„Räthjclhast!" rief der Graf, „wie
so meinen Sie das?"
„Herr Graf. Sie wissen zur Genüge,
wclch einen Antheil Ihre Cous» 'an
dem Verwuiideicn nahm."
.Erinnern Sie mich lieber nicht dar
an," unterbrach ihn Henri sinster mit
grollender Stimme.
.Leider bin ich dazu gezwungen, ich
kann Ihre Gefühle nicht schonen. Di«
Gräfin hegt Zweisel. Herr Graf, Sie
hätten besser gethan, den Hauptmann
im Palais Daron sterben zu lassen.
Ich habe es bisher vermieden, mit Ih
nen darüber zu sprechen, aber als
Freund des Hauses bin ich nun wohl
gezwungen dazu. Haben Sie doch die
Güte, mir alles mitzutheilen, was nnd
wie eS sich wahrend meiner Abwesenhei'
zutrug."
„Sie machen ein so wichtiges Ge
sicht," höhnte Henri, „daß man meinen
könnte, Sie wären gesonnen, ein ern
stes Verhör anzustellen."
.Ich spreche in der Eigenschaft als
Freund," warf Etoile ein. „Bitte,
vergessen Sie das nicht."
„Gut, das will ich Ihnen ja auch
glauben, sonst sähe ich überhaupt kein«
Veranlassung, Jhncn in dieser Ange
legenheit zu antworten."
„Wie Sie wünschen," sprach Etoile,
verbeugte sich und wollte das Gemach
v,rl,isjen.
.Leien Sie nicht gleich so böse, alter
Freund, bleiben Sie, aber sagen Sie
vorerst, wer in aller Welt Sie veran
laßt, mir solche Fragen zu stellen."
„Ihre Cousine."
„Meine Braut?"
„Die Gräfin ist beunruhigt über das
Schicksal des Deutschen."
„Aber mein Gott! Da? geht doch
zu weit. Es übersteigt meine Geduld.
Als eecile krank würd«, wollte im den
Menschen entfernen. Ich dachte, ihn
in das Hotel Dieu schaffen zu lassen, er
Widerstrebte, dann schlug ich ihm vor,
ob er nicht auf's Land wünsche, und da
er damit einverstanden war, wollte ich
ihn dahin bringen lassen."
„Welcher Arzt hat ihn denn beglei
tet?"
Henri schwieg einen Moment, dann
sprach er: „Ein englischer, er war eben
in Paris, ich kenne ihn schon lange,
den bat ich, den Hauptmann zu beglei
ten/'
„Wie heißt er?"
„Aber, Herr Professor, wie Sie fra
gen, er heißt EarliSle."
.So, nnd wo lebt er?"
„Meist auf Reisen, so viel ich weiß."
.Ah, das ist seltsam, also eigentlich
<ein practizirender Arzt?"
„O ja doch, EarliSle besitzt Vermö
gen und ist Arzt, eigentlich mehr zum
Vergnüge». Er will eine Beschäfti
gung. und da er Talent z» die'em
Fache besitzt, so hat er es ergriffen. So
viel ich weiß, ist er mehr als die Hälste
des Jahres auf Reifen."
„Ein sonderbarer Arzt, dieser Ear
liSle; doch kommen wir zur Sache. Wo
und wie starb Abensberg? Und wer
war noch in seiner Begleitung?
„Ein Krankenwärter und zwei Die
ner."
„Wie heißen die beiden? Wo sind
sie?"
~O Du Allmächtiger!" rief gering
schätzig lachend dcr Graf, „ich bin kein
geheimer Beamter der Polizei."
~Das nicht, Herr Graf, aber da Sie
den Sterbenden fortschaffte», müssen
Sie doch auch wissen, mit wein Sie es
thaten."
~Jch habe es Jhncn ja soeben ge
sagt."
„Ja. aber die Namen und den
Wohnort möchte ich wissen."
~Das ist auch kein Geheimniß, mein
Bester. Den Krankenwärter kannte ich
nicht, Herr Earlisle sagte, daß er ihn
tmpsehlen könne. Ich hatte keine Ver
anlassung, ihm in dieser Hinsicht nicht
zu vertrauen. Wenn Sie mir heute
sagen, dieser oder jener ist ein guter
Krankenwärter, so werde ich Ihnen
aus's Wort glauben. Und der Die
ner, das war mein «igener, cs war
Jean."
„Wo sind jetzt diese Männer?"
„Weiß ich es F Der Krankenwärter,
glaube ich, ging mit Earlisle wieder
nach England, ich habe abcr, ich gestehe
es, nicht weiter darüber nachgedacht.
Und Jean, de» entließ ich; wo er sich
jetzt aushält, weiß ich nicht. Sind «sie
setzt endlich zusrieden?"
„Nein. Wo starb Abensberg?"
„Aus der Reise. Ich habe wirklich
nicht nach dem Orte gefragt, wo er
seine schöne Seele aushauchte, vielleicht
wußten eS selbst seine Begleiter nicht;
er kam todt in Millecroix an, da wurde
er auch beerdigt."
„Wissen Sie, daß die Gräfin im
Sinne hat, die Leiche ausgraben zu
lassen?"
Henri stampfte zornig mit dein Fußc.
„Das ist schändlich, mich derartig zu
beleidigen. Das ist eine Injurie, erst
muß sie mich anklagen, ehe sie die Leiche
ausgraben lassen kann."
„Gras Thionville, ich selbst bat die
Gräsin, vorsichtig zu sein, ich bitte Sie,
betrachten wir Männer doch die Sache
mit klaren Augen. Eecille nimmt ein
Interesse an dem Deutschen, das dem
Herzen entspringt, sie wird nicht eher
ruhen, bis sie weiß, wo er ist. Wenn
Sie ihr also Ausschluß gcbcn können,
so thun Sic es doch. Bedenken Sie,
ein solcher Nebenbuhler ist Ihnen aus
die Dauer nicht gefährlicher, er ist dein
Tode verfallen."
„Herr Professor. Ihre Jahre schütze«
Sie, sonst niüßtcn Sie mir Rechciifchast
geben für Ihren Zweisel. Sie beschul
digen mich, weil meine Braut eine
trankhaste Idee nährt. Ich erkläre
Ihne», daß ich über die Sache keine
Silbe mehr spreche. Mag Eecile oder
Sie, Herr Professor, hingehen und mich
als Mörder anklagen, dem Gerichte
werde ich antworten, Ihnen oder Cecile
nicht. Ich habe genug." Die Herren
verbeugten sich mit kühler Artigkeit ge
gcn einander.
Nach einigen Tagen fuhr Etoile wie
der vor das Palais Daron, um zu fra
gen, ob die Gräfin zurück sei.
„Die Gräfin ist fo.'ben aiis.e'ommen,"
hieß cs, „und hat bereits zu Ihnen,
Herr Professor, geschickt. Sie wird er
freut sein, Sie zu sehen."
„Gott sei Tank, daß Sie da sind,"
rief ihm Eecile entgegen. „Mein Herz
ist so voll, ich muß es Ihnen ausschüt
ten."
„Wo waren Sie denn, Komtesse?"
.Ich komme von Millecroix."
„Und was erfuhren Sie dort?"
„Eigentlich nichts. Ich stellte an
allen Ortschaften Nachforschungen an,
aber niemand konnte mir Auskunft ge
ben. Auf dem kleinen Friedhofe von
Millecroir ist allerdings ein schwarzes
hölzernes Kreuz, und dcr Küster er
zählte mir. daß da ein deutscher Offi
cier begraben liege. Man habe im
Schloß Zimmer für ihn in Bereitschaft
gesetzt, er sei aber unterwegs gestorben
und da begraben worden. Der Gras
habe den Befehl gegeben, das Kreuz
zu setzen, bis er ein Monument schicken
werde."
.Jetzt können Sie sich doch endlich
zufrieden gebe», Komtcsse."
.Ich? O nein, ich bin unruhiger
denn je. Sie werden mir nicht glau
ben, aber sehe» Sie, das da" sie
deutete aus ihre Brust „das lügt
nicht. Als ich vor dem Grabe stand
und zu beten versuchte, da kam mir ein
sicheres Gefühl, daß er nicht da unten
liege."
„Armes Kind, was wollen Sie denn
noch beginnen?"
„Ich weiß es selbst nicht, aber etwas
muß geschehen."
Etoile crzählle ihr nun, was er wäh
rend ihrer Abwesenheit gethan und
schloß mit dem Besuche bei Thionville.
„Und was hallen Sie jetzt davon?"
fragte ihn Eecile.
.Leider muß ich bekennen, daß auch
ich in Ungewißheit bin. Die Geschicht«
klappt nicht, der Graf sucht uns zu
täuschen, ich zerbreche mir vergeblich
den Kops, warum er ihn entsernt hat
und nun zu einer Lüge greift, uns den
Verwundeten zu verbergen, wenn dieser
wirklich noch leben sollte."
„Aus Bosheit, aus Rachsucht," fiel
ihm Eecile in's Wort.
„Versuchen Sic es einmal mit Bitten
bei ihm oder mit Versprechungen, viel
leicht daß er Jhncn dann die gewünscht«
Aufklärung gibt."
„Nein," sprach sie traurig, „er würd«
es nur dann thun, wenn ich ihm ver
spreche, sein W«ib zu werden, und das
kann ich nicht mehr, seit ich ihn ver
achte."
„Seit Sie einen Anderen lieben, Ce
cile. Abcr trotz unserer Zweisel muß
ich Ihnen nochmals ernstlich rathen.
Vorsicht zu gebrauchen. Ein Verdacht
ist leicht erregt, ein schlimmes Gerücht
schnell verbreitet. Am Ende thun wir
Ihrem Vetter doch Unrecht. In kei
nem Falle dürfen wir fremde Personen
zu Hilse nehmen. Auch ich will alles
ausbieten, um dem Krankenwärter oder
dem Diener aus die Spur zu kommen.
Können wir nur einer dieser Personen
habhaft werden, so haben wir alle Hoff
nung, dic Geschichte von dem Verschwin
den Ihres Schützlings zu ersahren.
Wenn die Sache nicht sauber ist. hat
Ihr Vetter jedenfalls schwer bezahlt,
die Zungen seiner HelserShelser z» bin
den. Sie müssen dann diese Zungen
mit einer »och höheren Summe lösen."
Etoile ersüllte getreulich sein Verspre
chen. Er war unermüdlich in seinen
geheimen Nachforschungen, dein eng
lische» Arzt auf die Spur zu komme»,
allein alles war vergeblich. Endlich
gelang eS ihm, eine Menge Photogra
phie» englischer Aerzte aufzutreiben.
Mit diefcn begab cr sich wieder zu Jea
nette und legte sie ihr vor. Zwei
Tutzeud hatte sie schon flüchtig ange
schaut uud stets den Kops dabei geschüt
telt.
„Der" rief sie, „der. Wie. lassen
Sie mich das Bild genau betrachten.
Ja, ja das ist er, aber ganz sicher kann
ich es doch nicht sagen. Die Nase ist
beinahe zu lang und dann, da bei den
Augen, glaube ich. sah er auch ctwas
anders aus. Aber dcr Bart ist ganz
genau so."
„Sie können also nicht darauf schwö
ren?" sragle Etoile.
„Schwören? o nein, das würde ich
nie."
„Und haben Sie Nichts mehr von
Jean gehört?"
„Gehört nicht, aber ich habe ihn ge
sehen."
„Ah! wo denn?"
„Er ging den Boulevard Malesher
des entlang, ich kannte ihn trotz seiner
blauen Brille. Auch hat er sich einen
Bart übcr die Lippen wachsen lassen,
er muß kein Diener mehr sein."
„Wenn Sie ihn abermals sehen, so
sragcn Sie ihn doch, wo er wohnl, ich
wcrdc Jhncn fünfzig Francs gcbcn, so
bald Sic mir seine Wohnung ermitteln
können."
.Ach, mein Herr, das ist gar nicht
nothwendig, ich wcrdc ihn ohnehin in
meinem Interesse nicht loslassen. Er
hat mir srüher den Hos gemacht und
versprochen, mich zu Heirathe», nun hat
er Geld, aber mich scheint der Hcrr Jean
vergessen zu habe»; doch ich werde mich
ihm in Erinnerung bringen.
Auf dcr Polizei kann man ihn nicht
erfragen, denn ich forschte schon nach
idm. Er wird sich irgendwo bei einem
Freunde verborgen halten, oder cr hat
einen anderen Namen angenommen, er
ist ja ein Schweizer. Sein Bruder lebt
in Zürich, so hat er mir nämlich er
zählt."
„So? Wissen Sie seinen Schreib
namen?"
„Natürlich, er heißt Burgeli."
Mit diesem Berichte ging dcr Pro
fessor wieder zur Gräfin.
„Ich fahre selbst nach Zürich." ent
schied sie, „habe ist erst seinen Bruder,
werde ich auch Jean finden können."
„Liebe Eccile, glauben Sie also
wirklich, daß Ihr Vetter ein Verbrechen
beging?"
„Gerade kein Verbrechen, abcr ein
Unrccht, cin schweres Unrecht, ich sürchle,
cr hält den Unglücklichen so lange in
sicherem Versteck, bis —"
„Bis er stirbt," fiel Etoile ein.
Sic nicklc. „Ich abcr möchte ihn
noch einmal fchcn. Ich fetzc alles dar
an, alles, ihn zu finden."
„Obschon auch ich meinen Zweifel
habe, kann ich Thionville doch nicht für
so boshaft halten."
„Sie kennen ihn eben nicht so gut,
wie ich."
Ungefähr acht Tage später schritt der
Professor über den Boulevard des Ita
liens, da sah er einen Mann, der ihn
an Jean erinnerte. Wären seine Ge
danken nicht eben ausschließlich mit
Jean beschäftigt gewesen, er hätte ihn
in dem eleganten Dandy nicht wieder
erkannt. Jeanette hatte Recht, er be
saß einen blonden, kleinen Schnurbart,
trug blaue Augengläser und war nach
d«r neuesten Mode gekleidet. Allein so
rasch Etoile sich auch gewendet, der ver
meintliche Jean war ihm im Gewüh!e
der Menschen und Wagen doch ent
schwunden.
Am selben Abend kam noch Jeanette
zu ihm und berichtete ihm. daß sie Jean
abermals gesehen und verfolgt habe,
und daß cr in das Palais Thionville
gegangen fei. Obwohl sie übcr zwei
Stunden vor dem Palais gewartet,
habe sie ihn doch nicht wieder herausge
heit sehen, weshalb sie glaube, daß er
noch im Dienste des Grasen sei.
Wieder begab sich Etoile zu Eecile.
„Liebe Komiesse", sprach cr. „ich
komme, um nieiiic» Rath zu wiederho
len. Versuchen Sie eS doch mit List,
schmeicheln Sic dcm Vetter das Geheim
niß ad, wen» wirklich eines obwaltet,
machen Sic ihm Versprechungen."
ries sie, „so wie ich
Henri kenne, würde eS auch nichts mehr
j i.lltzcn, überdies habe ich mich eriistlich
' »
mit ihm entzweit und «Snzlich von ihm
getrennt. Ich habe ihm mein Haus
verboten, so lange, bis ich ihn des Ver
dachtes entbinden kann. Alle Besitzun
gen Henris werde ich besuchen, um über
all so viel als möglich Nachforschungen
anzustellen. ES ist schrecklich, wie mich
die Unruhe martert! Schon um der
Qualen willen, die er mich leiden läßt,
hasse ich ihn."
Monate waren verschwunden, C«cile
kam nach längerer Abwesenheit wieder
tröst- und muthlos nach Paris zu
rück.
„Ich konnte ihn nicht finden," rief
sie Etoile entgegen, der sich nach ihr er
kundigte.
..Also noch immer nicht geheilt von
Ihrem Wahne, mein armes Kind."
..Haben Sie Ihre Ansicht geändert,
Herr Professor?"
ES war allerdings seltsam von Ih
rem Vetter, die Sache so geheimnißvoll
zu behandeln, das aber sage ich Ihnen,
daß Abensberg, selbst wenn er damals
noch am Leben gewesen sein sollte,
schon längst feinen Leiden erlegen ist
und in Frieden ruht. Ich beschwör«
Sie, suchen Sie ihn endlich zu verges
sen. Lassen Sie sich nicht von einem
Jrrwahne zu Grunde richten. Armes
Kind, wie ich?» Sie aus, so blaß,
kaum noch ein Schatten von dem, was
Sie waren."
..Habcn Sic Jeanette nicht mehr ge
sehen?"
~Jawohl, ich habe sie sogar in Dienst
genommen. Das leichtsinnige Mädchen
hal das Geld, welches sie von dem Gra
sen erhielt, vollständig verjubclt. Ein«
Zeit lang ging cs ihr recht schlecht, sie
kam elend zu mir und bat mich um
Hilse. Ich nahm sie eigentlich in Ih
rem Interesse zu mir, ja ich gab ihr so
gar den Austrag, zu spionircn, ob Jean
noch bei dem Grasen sei. Er ist nicht
mehr dort, denn sie kam mit des Grasen
Dienerfchaft zusammtn, und diese wußte
nichts von ihm.
„Mein Vetter ist schon lange nicht
mehr in Paris."
.Haben Sie Nachrichten von ihm?"
„Nein."
„Und was habcn Sie jetzt vor, Ee
cilc?"
„Ich will nach Zürich, um bci dem
Bruder Jeans Erlundigungcn einzu
ziehen, wo dieser sich aushält."
Die Reise Ceciles konnte nicht statt
finden, denn sie wurde abermals krank.
Wochenlang lag sie schwer leidend dar
nieder.
„Werde ich sterben?" fragt« sie den
Professor.
„Ich hoff«, daß Sie uns erhalten
bleiben."
„Und ich wäre doch so bereit zu ster
ben; ach! wenn ich nur wüßte, wo
Abensberg ist!"
„Theuerste Komtesse, selbst ich könnte
die Geduld verlieren. Immer und
immer wieder der Deutsche, haben Sie
denn wirklich sür nichts mehr Interesse
als für ihn? Wahrhaftig, ich kann es
Ihrem Vetter nicht verübeln, wenn er
böse wurde und im Zorn von Ihnen
schied."
„Ach! erinnern Sie mich nicht an den
Abschied von Henri. Wenn Sie ihn
gesehen hätten! Erst versuchte er cs
mit Bitten, er kniete vor mir nieder
und weinte nnd flehte wie ein Kind um
meine Einwilligung zur Heirath. Ich
sagte ihm, daß ich anßer Stande sei,
mich ohne Liebe zu vermählen. In
seinem maßlosen Eigendünkel aber
glaubte er mich zur Liebe zwingen zu
lönncn. Vielleicht verlangt er mich
mein Herz garnicht, wenn er nur im
Besitz meiner Person ist. Und dann,
als ich standhast blieb, da brauste er
auf, stampfte mit dem Fuße und fluchte
über Abensberg, daß ich mir die Ohren
zuhalten mußte. Es war eine abschcu
liche Scene."
„Sie haben Henri auf das Aeußerste
gereizt, bedenken Sie doch, daß Sie seit
Ihrer Kindheit seine Verlobte waren,
daß er Sie wirklich liebte, und Jhncn
treu blieb. Da kommt der Deutsche
und Sic werfen alle Versprechungen,
alle Treue über Bord. Sie widmen
sich nur mehr dem Hauptmann, und
das soll der Bräutigam so ruhig mit
ansehen? Zum guten Schluß lösen
Sie noch Ihr Verlöbniß. Liebe Kom
tesse, wenn Sie sich doch nur in die
Lage Henris hineindenken wollten."
„Wenn mein Geliebter mir zeigen
würde, daß seine Neigung nicht mehr
mir allein gehört, um keine Welt würde
ich mich ihm aufdrängen wollen."
„Ach Kind, wir glauben immer das
erringen zu können, was wir wünschen.
Ihr Frauen besonders habt darin eine
merkwürdige Ausdauer und Zähigkeit.
Aber Sie regen sich nur auf, und daß
muß vermieden werdcn. Ihre Krank
heit entspringt der beständigen Sorge,
in der Sie in der letzten Zeit waren.
Kaum genesen, wurden Sie hineingezo
gen. Arme Eecile, ist denn dieser
Deutsche eS werth, daß Sit Ihre Ge>
sundheit so zu Grunde richten?"
„Glauben Sie an die Vorsehung,
an eine Bestimmung, Herr Professor?"
„Pah. kommen Sie mir nicht mit
solchen Dingen, das ist ein Thema, das
kräftige und gesunde Menschen aufregt
und doch immer ein ungelöstes Räthsel
bleibt!"
„Doctor, hatten Sie nie Ahnun
gen?"
„Still, jetzt ist es genug, wenn Sie
mir. dem Arzte und Freunde, nicht ge
horchen wollen, so gehe ich."
Sie gab ihm lächelnd die Hand.
.Ich schweige aber ich habe Ahnun
gen und glaub? an eine Vorsehung."
„Also gut, das ist eben die Religion
des Weibes, ihr seid jedenfalls besser
>»aran als wir Ungläubigen."
(Fortsetzung solgt.)
.Guter Mond, du gehst
sostilleic." „Hör' 'mal, Max.
warum sagt man denn gerade, ein
Mann sei im Monde?" „Na, wenn
qinc Frau d rin wäre, könnte der gute
Mond nicht so stille geh'n!"
Hoffnung ist das B« st«,
wenn man sonst nichts hat.
»er «tnftuk de« «»schlecht« t« »«<
Erzt«hu«g<
Der Irrenarzt Sir JameS Crichtoa
Browne hat kürzlich in der „Medical
Society os London" einen Vortrag
„Ueber den Einfluß des Geschlechts in
der Erziehung" gehalten, welcher all«
Gründe der wissenschaftlichen Medicin
gegen eine geistige Ueberanstrengunz
der weiblichen Jugend zusammenfaßt
und die ernsten Bedenken, welche z. B.
die deutschen Aerzte gegen gewisse in
Aussicht genommene Aenderungen in
dcr Erziehung unserer weiblichen Ju
gend hegen, rechtfertigt. Die „Deutsch«
medicinische Wochenschrift" schreibt über
diesen Vortrag u. A. Folgendes:
„Erichton Browne hat Front gegen
die Tendenz gemacht, die Unterschied«
in der geistigen Befähigung der beiden
Geschlechter zu ignoriren, Mädchen in
ganz derselben Weise, wie Knaben zu
erziehen, und Männer und Frauen in
allen Beschästigungszweigen mit einan
der concurriren zu lassen. Brown«
folgt der Elafsificirung des englischen
Physiologen Michael Foster und erklärt
die Männer sür katabolisch, die Frauen
für anabolisch. Der Mann hat mehr
Willenskraft. Unternehmungsgeist, Lei
denschaft und Energie (KataböliSmus).
während die Frau rezeptiver, ruhiger,
liebevoller und beständiger ist (Anabo
lismus). Diesen intellektuellen Ver
schiedenheiten entsprechen Verschiedenhei
ten im Bau des Gehirns, und in dieser
Beziehung ist Browne, der sehr zahl
rerche Wägungen. Messungen und an
derweitige Untersuchungen des Gehirns
angestellt hat, eine bedeutende Autori
tät.
Diese Verschiedenheiten im Bau und
der Funktion des Gehirns, welche die
Geschlechter in jeder Lebensperiode von
einander trenne», haben eine besondere
pathologische Bedeutsamkeit während
der Entwicklungszeit, wo die Erziehung
mit der größten Energie betrieben wird.
Die Erziehung kann einen sicheren Weg
nur im Lichte dcr Physiologie dcs Ge
hirns einschlagen; leider wird dies aber
von denjenigen, welche mit den Erzie
hungspflichte» betraut sind, nur zu oft
unbeachtet gelassen, oder geradezu sür
falsch angesehen. Die sogenannten
Hochschulen sür das weibliche Geschlecht
in England wollen den Mädchcu unge
fähr dieselbe Erziehung geben, wie si«
bisher nur de» Knaben ertheilt wnrdt,
und Browne behauptet, daß dies ein
Unding sei nnd sich durch eine Ver
schlcHtcrung der weiblichen Gesundheit
räche. In einer solchen Schule saud er
z. 8., daß von 187 sonst sehr gut
situirten Mädchen 137 an Kopfweh
litten, 37 waren kurzsichtig und 4 litten
am Veitstanz. Diese Mädchen müssen
noch, nachdem die Schulstunden vor
über sind, am späten Nachmittag oder
Abend, wenn ihr Gehirn bereits er
schöpft ist, zwei bis drei Stunden zu
Hause arbeiten, und das Resultat ist,
daß eine beträchtliche Anzahl während
des Quartals krank wird und nicht
weiter kann. Solche Mädchen, die in
de» Hochschulen Überangestrengt worden
sind, tlagen, doß sie nicht mehr auf
merksam sei» können, viel länger bci
derselben Arbeit sitzen müssen als frü
her, daß sie das, was sie lesen, nicht
verstehen, daß sie vergessen, was sie ge
lernt haben; onß sie zuweilen gar nicht
wissen, wo sie sind und halb bewußtlos
werden; man sieht bei der Untersuchung,
daß sie schlaff, unentschlossen und reiz
bar sind.
Browne hat dann die einzelnen
Krankheitserscheinungen besprochen, di«
durch die seiner Ansicht nach verkehrt«
Erziehung der Mädchen befördert wer
den, und dabei u. A. betont, daß di«
Schwindsucht, die weit mehr Mädchen,
als Knabe» und Jünglinge im Alter
von 16 bis 20 Jahren dahinrafft, be
sonders durch geistige Ueberanstrengunz
dtr Mädchen in der Entwicklungszeit aa
Boden gewinnt."
<Serechts«rtigt»
„Sie woll«» ausziehen?"
„Ja, denn Ihr HauS ist ja so dau
sällig, daß «ch nicht 'mal meinen Gläu
bigern die Thüre gehörig vor der Nase
zuschlagen kann, ohne befürchten zu
müssen, daß es zusammenstürzt."
Frecher Lügner. Junge
Dame: „Denke Dir, Else, dieser elende
Mensch, diescr Schauspieler'. Erst hat
er mir einen Autrag gemacht, dann hat
er sich sünshundert Mark von Papa ge
liehen, und nun ist er verschwunden!"
Freundin: „Psui! und dabei ist
er noch Charakterdarsteller, wie unzu
verlässig müssen erst die andern sein."
Der Richtige. A.: „Ken
nen Sie jene» Herrn?" B.: „Ja
wohl, er ist ei» großer Redner, der
das ganze Land bereist und Vorträge
zur Bekämpsung der Frauenarbeit
hält." A.: „Wohl recht vermö
gend?" B.: „Seine Frau betreibt
einen schwungvollen Vlumenhandel»
j davon lebt er!" 3