Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 16, 1892, Page 2, Image 2

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    2 Vi« U«d««»e«.
Nach dem ersten September wird je
der Abonnent des „Kicker" ein 96Oua
dratzoll umfassendes Bild, unseren
Privatsriedhos bei Mondlicht darstellend,
zum Andenken erhalten. Besagter
Ariedhaf bildet einen schönen Grasplatz
mit Bäumen, Sträuchern und Blumen
im Ueberfluß und ist eingefaßt von
einem weiß angestrichenen Zaune. Die
Herstellung und Erhaltung der Anlage
hat uns bis jetzt etwa SlOOO gekostet.
Reisende, welche dieselbe besuchen, be
haupten. Nichts gesehen zu haben, was
sich mit dem Platze vergleichen ließe.
Wenn wir recht unterrichtet sind, befin
det sich in den ganzen Ber. Staaten
außer uns nur noch ein einziger Zei
tungsherauSgeber, welcher einen Pri
vatfriedhof besitzt. Der Mann soll ir
gendwo in Idaho wohnen, seine Anlage
aber nur drei Gräber umfassen, auch
soll er die in denselben liegenden Indi
viduen nicht mit dem Schießeisen um
gebracht, sondern dieselben, während sie
berauscht waren, mit einer Spitzhacke
erschlagen haben. Das Bild stellt den
Vollmond dar, wie er auf unseren Pri
vatfriedhof scheint und alles so deutlich
hervortreten läßt, wie in der Mittags
sonne. Ein Lichtschein umgibt jede»
Grabhügel, und die um die Gräber sich
liehenden Erdbeersträucher und blühen
den Veilchen rufen eine Weichheit des
Eindrucks hervor, welche direct zum
Herzen eines jeden Beschauers geht.
Die Rückseite des werthvollen Anden
kens enthält die Liste der auf unserem
Privatfriedhofe Beerdigten, welche wie
solgt lautet:
No. I. ErzHalunke Johnson von
Mantana. Derselbe hatte aus Princip
sich vorgenommen, einem Redacteur de»
Karaus zu machen.
No. 2. Unbekannter Kerl, der zwei
mal nach uns schoß, bevor wir ihn zu
Boden streckten. Die beiden Kugeln
des Tölpels flogen zu hoch.
No. 3. Nicht genau identificirt. ver
muthlich aber Sam White von Nevada.
Der Lump feuerte zwei Schüsse auf
unS ab, weil wir an einem windigen
Tage zufällig auf seine Stiefel gespuckt
hatten.
No. 4. Nicht bekannt gewordenes
Individuum, welches um Mitternacht
durch das Fenster unseres Schlafzim
mers einen großen Stein warf und ver
zückter Weise wartete, un, zu sehe», ob
wir auch hinaus kommen würden.
No. 5. Colone! Bill Hastings von
Scotts Valley, der unS aufgesucht
hatte, um die Zurücknahme einer Be
leidigung zu fordern. Er schoß aber
auf uns, bevor wir seinen Willen'zu
erfüllen vermochten.
No. 6. Cowboy Joe Davis von
Vlinch Valley. Der Halunke hatte un
gefähr drei Minuten von unserer Office
Besitz ergriffen. Wir litten an dem
Tage an einem wunden Finger und
waren in unseren Bewegungen ziemlich
langsam.
No. 7. Nicht identificirteS Indivi
duum von Scotts Valley, der um Mit
ternacht aus einem krummbeinigen
Maulesel in unsere Stadt gehaspelt
kam und in unser Schlafzimmer eine
Ladung Rehposten abfeuerte, welche
im BettstoUen über unserem Kopfe
stecken blieben. Während er draußen
auf ein Lebenszeichen von uns wartete,
siel er plötzlich von feiner Schundmäh«
herunter und starb.
No. 3. Der Montana - Schrecken.
Dieser war wahrscheinlich gemiethet,
uns das Lebenslicht auszublasen. Un
ser Schießeisen wollte an diesem Tage
uicht recht arbeite», und wir mußten,
um den Kugeln auszuweichen, uns
ducken und hüpfen, daß es nur so eine
Art hatte. Hätte der Kerl seine» Vor
theil verstanden, dann wären wir Nr. 8
geworden, 112 aber schoß er II Löcher in
die Lust, bis er seine Schießübungen
sür immer einstellte.
No. S. Ein aus Bill William?
Ereek Sektion stammender Unhold nach
altem Schrot und Korn, welcher meinte,
daß die Eivilisation in diesem Lande zu
rasch vorwärts schreite, und sich einer
Bekanntmachung im „Kicker" wider
setzte, in welcher gesagt war, daß diese
Stadt kein Platz für ihn sei, sich aus
jutummeln, schoß mit beiden Händen,
und wir waren vier Mal gestreift, be>
vor er von hinnen ging.
No. 10. Ein trübseliger Fremdling,
der stets die Ohren hängen ließ, und
den die Jungens nur das „Täubchen"
nannten. Es schien, als ob er nicht
den Muth einer Fliege hätte, doch als
wir ihm eines Nachmittags in väter
licher Weise die Sünde des Hernmbum
melnS vor Augen führten, eröffnete er
plötzlich Feuer auf uns. und er hatte
schon drei Schüsse auf uns abgegeben,
ehe wir ihn sür immer von feinem trä
gen Lebenswandel heilten. Seine
Identität ist nicht festgestellt worden,
doch erfuhren wir, daß er mit Vieh
>ieben von Gila City gekommen war
Boshaft. „... .Nachdem Sie
mich, Fräulein Amanda, denn durchaus
nicht erhören wollen, und ich Sie nicht
mehr wiedersehen soll, bitte ich Sie we
nigstens um. ein kleines Zeichen der
Erinnerung, besten Anblick Micha» dies«
Abschiedsstunde mahne» und mir Trost
gewahren soll ——" „Nun denn,
leihen Sie mir gefälligst Ihr Taschen
buch. (Macht einen Knoten hinein).
So, hier haben Sie ein Erinncrungs
zeichen."
Fatal. „Von Ihne» hab' ich
schöne Sachen gehört." ruft ein Com-
Ponist dritte» Range? auf der Straße
einem Bekannten zu. „Ich von
Ihnen nicht," antwortete der Schlag,
fertige spöttisch.
Originelle Klage. Rich
ter: „Ihr habt dem Waftl eine Ohr
feige gegeben und verklagt ihn nun
jwegen Schadenersatz!? Kläger:
.Freili'! I' hab' mir ja d'Hand dabei
!jo verstaucht, daß i' vierzehn Tag' nix
O»b' arbeit n könn»'!"
Lbeid» Werd«««.
Die Sonne neigte sich zum Unter
gange und goß feuriges Gold über die
Wüste wie über ihre Grenze, einen mei
lenlangen, dunkeln, steile» Lavawall,
der nur durch einzeln« schluchtartige
Einschnitte zugänglich schien. Oben
am Eingange der tiessten Schlucht stand
nn Beduine und hielt scharfen Auslug.
Grade als die rothe Scheide zu versin
ken anfing, entdeckte er fern im Süden
eine» einzelnen Reiter. Er hob die
Flinte und feuerte einen Signalschuß in
die Lust. Tann lud er sein Gewehr und
spähte weiter, diesmal gegen Osten.
Und nicht lange dauerte es. so erkannte
er auch dort die Gestalt eines Berittenen.
Er begrüßte sie mit einem zweiten blin
den Schuß und setzte sich wie ein Mann,
der seine nächste Wächterpflicht erfüll»
hat.
Drinnen, wo die Schlucht sich zum
geräumigen Thaltessel erweitert, hatte
ein Stamm sein Lager ausgeschlagen.
Unter dem breiten Zeltdach des Scheichs
saßen noch einige seiner täglichen Be
sucher bei Kaffee und Pfeife, in wenig
flüssigem Gespräch. Aber die meisten
der Leute begannen schon sich zur Abend
mahlzeit zurückzuziehen; auch die Wei
ber im Frauenzelt des Scheichs hatten
ihre Thüröffnung schon zugezogen. Und
als der erste Schuß von der Schlucht
herüberkrachte, vielfaches Echo und
hundertstimmigeS Hundegebell weckend,
da erhoben sich die Gäste, warfen dem
Scheich einen verstäudnißvollen Blick
zu und verabschiedeten sich von ihm.
Scheich Nedjib blieb allein, ein wür
dig verschmitzter Herr, und strich sich in
behaglichem Nachdenken den Bart. Alt
der zweite Schuß knallte, flog ein Zug
von doppelter Schlauheit über feiu
Antlitz er sah in dem Augenblick
etwa aus wie ein Diplomat, der aus
Pfänder leiht und er murmelte
wohlgefällig: Sie kommen richtig zu
sammen, da werden sie sich gegenseitig
überbieten.
Bald tönte leichter Hufschlag auf
dem Lavasande, ein junger Reiter im
gestreisten arabischen Mantel stieg ab
und schritt aus den Scheich zu, sich
höflich verneigend. Sei gegrüßt, Ned
jib, ich bin dein Schutzbefohlener.
Sei willkommen, Kassim, antwortete
jener und winkte ihm, sich niederzulas
sen. Beide nahmen aus dem Filztep
pich Platz, der unter dem Zeltdach lag.
Nedjib rief einen leisen Befehl in'S In
nere des Zeltes. Ein Bursche trat
herzu, brachte Pfeifen, Kohle», Kaffee
und kleine Tasten; beide tranken und
rauchte», ohne viel zu sagen. Eben
als Kassim die dritte Tasse absetzte, er
tönte zum zweiten Mal der Husschlag
eines Pferdes: Nedjib konnte ein leises
Zucken der Mundwinkel nicht unter
drücken, als sich bei dem Klang ein
deutlicher Ausdruck des Mißvergnügens
im Gesichte seines Besuchers einprägte.
Der zweite Ankömmling war gleich
falls jung und kräftig, aber mit Prunk
gekleidet. Er trug ein rothseideneS
Ehrengewand, wie es wohl als Festge
scheiik an hochstehende Führer verab
reicht wird, und der Handgriff seiner
Gürtelpistole blitzte wie vo» silbernem
Beschlag. Er wurde begrüßt und be
wirthet wie sein Vorgänger, und dar
über verstrich wieder eine gewisse Zeit,
sodaß die Dämmerung dem Mondschein
gewichen war. als er die dritte Tasse
absetzte. Dann wurde ein niedriger,
runder Tisch von getriebenem Metall
zwischen die Männer gestellt und der
Dieuer beschickte ihn mit Esse»! sie tha
ten dem Mahl Ehre an und sättigten
sich-
Nach dem Abräumen, als Tabak und
Kaffee zum zweiten Mal geböte» war
strich Scheich Nedjib recht langsam über
seinen Bart und begann:
Meine Freunde, ich weiß, weshalb
ihr lomnit, und ihr wißt es gegenseitig.
ES wäre Thorheit, hier noch Geheim
uißkrämerei zu treiben. Eure Absicht
ist hell und heiß wie ein Licht, wer sie
verdecken wollte, würde sich verbrennen.
Also spreche» wir offen. Ihr Beide
wollt meine Tochter zur Frau, und
Beide habt ihr schon mit mir verhan
delt. Ich kann sie nur einem geben,
und da ist es mir ganz lieb, daß ihr
zusammentrefft: so kann jeder von euch
köre», was der andere zu kielen hat,
und jeder kann sich überzeugen, daß er
mir nicht zürnen darf, wenn ich das
Angebot des andern vorziehen muß.
Tu. Kassim bist «in reicher Mann in
deinem Stamme, du. Kerem. bist der
Sohn eine- mächtigen Freundes: sagt
hier beide, was ihr zu versprechen uiid
zu vergeben habt.
Kaisim wart einen schrägen Blick
aus seinen Nebenbuhler, dann sah er
dem Alten sest in s Gesicht und sprach
Ja. ich will deine Tochter, und du
weißt mein Besiy ist nicht gering Ich
habe Antbeil an den vierhunder« Ka
meelen meine? Stammes, und ich be.
sitze für mich eine Herde, am die mich
mancher beneidet: zwölf Kameele. zwei
hundert Schafe, drei Pserde von schnel
ler Art. Es wird deiner Tochter nicht
an Milch fehlen und nicht an Brot »der
Kaffee, noch auch an silbernen Span
gen zum Putz.
Und was gibst Du mir alt Kauf
preis? sragte der Scheich.
Ich hatte drei Kameete und dreißig
Schase geboten, ich will n-ch zehn
Schase zulegen.
Und wie steht's mit baar-m Gelde?
fuhr der Scheich in leiserem Tone sort.
Gleichsalls leise antwortete Kaisim:
Wir können uns »och darüber einige»!
du weißt, wa, ich dir schon geboten
habe.
Wohl. Jetzt rede du. Kerem.
Ich bin nicht so reich wie jener,
sprach der Angeredete, aber du weißt,
mein Vater ist der Schnch eines mäch
tige» Stammes. Er besitzt sür sich
nicht viel Vieh und nicht viel Silber,
denn sein Tiich saßt viele Gäste, und
was er hat, geHort feinem Volke. Aber
ich bin der Sohn feines Ansehens und
seiner Lieder, mit denen die Männe»
unseres Lande! sich am Lagerfeuer be
geistern. Er hat mir sei« Ehrenkleid
vererbt, und so wird er mir die Führer
schaft vererben. Deine Tochter ist schön
und zart wie die Gazelle, die aus dem
Schoße der Fürstin ruhen darf, und sie
soll ruhen wie diese, sie soll die erste
sein in meinem Frauenzelt und später
in meinem Stamme.
Und was bietest du mir?
Ich hatte dreißig Schafe geboten,
doch sage ich vierzig! Männer meines
Volkes werden sie ausbringen. Und
dazu gebe ich dir die Hülste von dem.
was ich selbst besitze, ein Viertel eines
Rosses von edelster Abkunft.
Ist das alles?
Nein, das wichtigste krmmt zuletzt:
unsere BundeSgenossenschast. Dein
Stamm ist wohlhabend, aber klein an
Zahl, und wenn die Sommerdürre
dräut, wenn der Krieg um die Brunnen
anhebt, dann mag es euch schwer wer
den. euren Platz zu behaupten und
euren Besitz zu schützen. Gib mir deine
Tochter, und haltet euch zu unS! ein
guter, starker Freund wiegt tausend Ka
mele auf.
Scheich Nedjib strich sich wieder nach
denklich über den Bart: er wußte längst,
wen er bevorzugen wollte, aber durch
kein Manöver war eS ihm gelungen,
den Preis der Braut um ein namhaftes
in die Höhe zu treiben, und mit milder
Schlauheit hob er an: Freunde, ihr
macht mir die Wahl schwer, das müßt
ihr selbst bemerken. Ihr wißr, Söhne
geben Macht. Töchter Reichthum, und
ich als Bater muß erwägen, was
ich vorzuziehen habe, deine reiche
Gabe, Kassim. oder dein Bündniß,
Kerem. Daß keiner mir zürne, wenn
ich dem andern mein Jawort gebe, ihr
seht ja...
Er suhr fast ein wenig zusammen,
denn im diesem Augenblick krachte vom
Eingang der Schlucht her ein dritter
Schuß, den er ebensowenig erwartet
hatte wie seine Gäste.
Die Verhandlung war unterbrochen:
mit unmuthiger Spannung blickten die
Männer nach der Richtung hin, aus
welcher der neue Besucher zu erwarten
war. und in der That, nach ganz kurzer
Zeit tauchte aus dem Dunkel etwas
Großes aus. Es war ein Kameel, und
von dessen Rücken sprang ein Mann
herab, hager, sehnig, schäbig, noch dunk
ler von Haut und Auge als die drei, die
vor dem Zelte saßen.
Sei gegrüßt, Scheich, sprach der
Ankömmling, ich bin dein Schutzbefoh
lener.
Sei willkommen, antwortete Nedjib
und winkte ihm, sich niederzulassen.
Er that's und wurde bewirthet wie
die anderen. Nachdem er die dritte
Tasse getrunken, die vierte abgelehnt
hatte, richtete der Alte an ihn die Frage:
Was sührt dich her, o Gast, und was
willst du von mir?
Es schoß wie ein Blitz aus den Au
gen des Fremden, als er antwortete:
Scheich, ich will deine Tochter zur Frau.
Kassim ließ ein leises Hohnlachen
hören, Kerem machte eine Handbewe
gung nach seinem Gürtel hin. Nedjib
aber erwiderte ruhig: Es ist gut, sage,
was du bist und was dn bietest.
Der Fremde erhob sich, und als er
stand, legte sein Kameel im Hinter
grund? sich aus die Knie. Fast leise
begann er, aber allmählich klang seine
Stimme wie halber Gesang, und wäre
die Ausmerksamkeit der Männer nicht
ausschließlich aus ihn gerichtet gewesen,
so hätten sie bemerken können, daß der
Spalt in der Oessr.ung des
tes sich geräuschlos erweiterte.
Ich heiße Obeid, sprach er, und mein
Stamm sind die Beni-Übußet. Mein
Lolk geht'den Weg, den kein Mann und
kein Thier vom andern Stamme be
schreiten kann, und ich bin der stärkste
meines Voltes. Ich und mein Kanieel
hcngst. wir wandern, wo der Himmel
drückt wie mit bleierner Wucht, wo die
Sonne mit glühendem Munde den letz
ten Tropsen des Leben» saugt. Wir
gehen drei Tage, und das treueste, das
zäheste Roß bleibt verschmachtend hinter
uns zurück. Wir gehen fünf Tage,
und die Söhne vom andern Stamme
sinken mit ihren Kameelen neben uns
zusammen, kraftlos vor Hunger, er
blindet vor vermehrendem Durst. Wir
gehen sechs.Tage, unddieKinder meiner
eigenen Ahnen sterbe» an unserm Wege,
und unlere Lippen werden schwarz vom
grausigen Kusse des Wüstenwindes.
Und am siebenten Tage, wenn des Me
hadi zitternde Schenkel mich nicht mehr
tragen, dann steige ich ab uud schnüre
den Riemen enger um meinen Bauch
und um den seinigen, und wir keuchen
nebeneinander dahin: wir straucheln und
Wanten, aber wir erheben uns wieder,
wir keuchen weiter über das schwärzliche
Gekieiel und über den 'odesgrauen
Staub, wir keuchen weiter, und wir
kommen ans Ziel. Denn ich bin der
Sobn der Geduld und mein Kameel
hengst ist mein brauner Bruder. Wir
sind die starten, die die Oual ertragen
und das Ziel ertragen und das Zie'
erreichen.
Er schwieg! der Alte fragte lauernd:
Und was bietest du?
Mich und me'/n Thier, dazu ein we
nig Silber: das ist alles, aber es ist
etwa». Ich will ein Mann deines
Stammes werden, wenn mir deine
Tochter gibst.
Das ist nichl wenig, tagte der Scheich,
und dnn Angebot ist ehrenvoll. Ader
du bist ein einzelner Mann, und ich
muß das Wohl meines Stammes be
denken. Ich habe überlegt und bin
zum Entschluß gekommen. Zürne mir
keine: von denen, deren Wunsch ich
nichl erfüllen kann. Kerem. ich wähle
dich und gedenke das nähere mit deinem
Vater zu besprechen. Noch einmal,
zürnt nicht, ihr andern, und laßt euch
noch eine Tasse Kaffee m gastlicher
Freundschaft gcsalle».
Kassim murmelte eine leise Berwün»
schung, aber er blieb sitzen. Der
Fremde neigte sich und trat aus dem
Mondlicht znrück in den Schatten. Ehe
die Männer wußten, was er woll», saß
>r am seinem Tbier. e«k»s L<h. wandte l
sich und war mit wenigen raschen
Schritten im Dunkel verschwunden.
> Im Augenblick, wo er ausstieg, zuckte
der Vorhang des Frauenzeltes und
schloß sich dann völlig. Die beiden
jungen Leute tranken höflich ibren
Kaffee aus und verabschiedete» sich
Kassim überlegte, ob 'er mit seinem
glückgeschmellte» Nebenbuhler anbinden
sollte: aber der Gedanke an die Blut
rache hielt ihn zurück: am Ausgang der
Schlucht trennten sie sich ohne Streit
und ritten ihres Weges.
Der Scheich schöpfte tief Athem, als
sie fort waren, trank zu seiner Beruhi
gung noch ein Täßchen und gab seinem
Diener einen Austrag: Sage dem Wach
ter. daß er gut ausschaut. Er soll
scharf laden und nichts Verdächtiges
hinaus- noch weniger hereinlassen. Der
Bursche ging, und nun legie sich auch
Nedjib zu Bett.
Der Wächter erhielt die Botschaft,
als er sich eben ain obern Räude der
Schlucht niedergelassen hatte, um ein
wenig einzunicken, und erhob sich zu
verschärslem Auslug. Bor ihm lag
im silberweißen Mondlicht die weite
Wüste, fernhin verlor sich'S in endlosem,
dusligem Glanz: noch unterschied er
die beiden heimkehrende» Reiter als ne
belhaste Gestalten, doch bald waren sie
im großen Meer des Schimmers ver
schwommen. Er kehrte sich um; eisen
grau glänzte hinter ihm die Lava, mit
unförmlichen Trümmern und grotes
ken. tiesschwarzen Schlagschatten über
säet. Daher kann niemand kommen,
dachte er, und wandte seine Ausmerk
samkeit nach unle», auf den Ein
gang der Schlucht und dessen Umge
bung. So stand er lange; der Mond
glitt nach Westen, die Sterne schienen
Heller, als ob sie sich näher zur Erde
herabfenkten, ein Schakal klagte, er
achtete dessen nicht. Endlich warf er
einen Blick nach dem Großen Bären
und dachte: Mitternacht ist feit einer
Stunde vorüber, in drei Stunden
kommt die Morgendämmerung. Er
fetzte sich wieder.
Mit einem Mal hörte er dicht hinter
sich ein Schnausen, sprang aus und
, kehrte sich um. Da sah er, fast senk
> recht über sich, eine Arvße Nachterschei-
ming. wie ein riesiges Kameel! ehe er
! zur Besinnung kam, bog sich erne dunkle
Gestalt vom Rücken desselben herab
und ergriff den Lauf seiner Flinte.
Ein Ruck, und das Gewehr war dem
Ueberraschten entrissen. Gespenstisch
ruhig schritt das Gebilde an ihm vor
bei, gespenstisch sicher ging es über de»
Rand des steilen, wildseisigen Abhangs
hinab verschwunden war es. Von
unten heraus tönte es einmal wie Ge
kicher einer Frauenstimme, dann wie
das Schurren von Sleinbrocken. Er
warf sich aufs Gesicht und murmelte
eine alte Beschwörung. Dann, als
alles ruhig blieb, lies er hastig den Fuß
pfad hinab zum Lager.
Ein Dtchinn war es, ries er, als er
den Scheich geweckt und ihm keuchend
Bericht erstattet hatte, ich habe fe.ne
Kinderstimme lachen hören, hoch wi«
ein Berg war das Kameel. und über die
Fellen geht kein sterbliches Thier ohne
zu stürzen: die beschreitet nur der Gei>
fterzug der Wüste.
Oder der Mehadi des Obeid, ant
wortete der Scheich, von einer böse»
Ahnung ergriffen.
Eilig lief er an die Thür des Frauen
zelteS und fand seine Befürchtung be
stätigt: seine schöne Tochter sehlte. In
seiner Wuth riß er dem Wächter ein
Stück des Bartes aus. von seinem
Schelten wurden die Hunde unruhig
und heulte», bald erklang das ganz«
Lager von ihrem Lärmen, die Männer
wurden wach und kamen heran. Aus!
In die Sättel', sangt den Räuber! rie
seu sie.
Aber Scheich Nedjib wiegte bedenklich
das Haupt: Den sängt keiner von euch,
sprach er. legt euch schlafen.
Noch einmal stieg ein bittersüßes
Bild mit empörender Deutlichkeit vor
seinem Geiste auf: vierzig Hämmel mil
prachtvollen Fettfchwänzen! und er
riß dem Wächt.'r noch eine Handvoll
Haare aus. Dann faßte er sich und
sagte ihm: Sattle die beiden besten
Rennkamccle und belade ein drittes,
sobald es tagt, reite ich aus. die Beni-
Übußet zu suchen; wehe dir. wenn ich
kein Bündniß bei ihnen sinde'
Wer. vor altenZeitenin
Leipzig Luruskieidcr tragen wollte,
mußte'sich —so lesen wir im „Deut
schen Soldatenhort"—mit dem Schnei
der Über den Preis sür Macherlohn ei
nigen. denn sür die gewöhnlichen Klei
dungsstücke gab es eine gesetzliche Taxe,
so sür eine Reiter-Winterkleidung, be
stehend aus Hosen, Wamms und Rock,
Alles gefüttert, Kappe. Handschuhe und
Steuftinge. nicht mehr als lö Groschen.
Ein weiter langer Rock, wie ihn
die Gelehrten trugen, wurde sür 12
Groschen, ein gewöhnlicher Bürgerrock
für 3 Groschen angefertigt. Bei den
LuruSkleidern kamen aber auch außer
ordentliche Anforderungen zur Sprache,
wie denn zur Anfertigung von einein
Paar Pluderhosen, wegen der vielen
künstlichen Falten und Schlitze, ost an
150 Ellen Zeug erforderlich waren.
ES wird erzählt, daß, als ein Verbot
gegen diese übermäßigen Pluderhosen
erschien, man einen Studenten in sol
chen aus der Straße antras und zur
Bestrasung vor den Richter suhrte.
Hier erklarte der Student, er trage
seine Pluderhosen nicht aus Uebermuth
und Eitelkeit, sondern sie dienten ihm
zur Verwahrung seiner von „diebischen
Nachbarn" (vermuthlich meint? er seine
Gläubiger) bedrohten Habseligkeiten.
Zur Steuer der Wahrheit entnahm der
Student vor den Augen des Richters
seiner Pluderhose ein Deckbett, sechs
Hemden, zwei Paar Strümpse, einen
Wamms, einen engen Rock, einen
Kamm, ein Paar alte Schuhe, ein
neues Testament, einen „Cornelius
Nepos" und eine Gabel. Taschen
tücher kannte man damals noch nicht.
ES wird nicht überliefert, ob der Studio
ungestraft davon gekommen »st
Da» «tr«Mpfd»»d.
Ja. es gibt noch Jünglinge wie der
Predigtaintscandldat Johannes Meyer,
es gibt solche, trop des Zeitalters der
Don Juans, der Lovelace und der Gi
gerln!
Freilich, nur selten und vereinzelt
kommen sie im Leben vor, öster »ur in
Lustspiel »iid Posse als Zielscheibe fri
volen Spotts, aber mein Herr Eandi
dat gehörte zu den wenigen, wirklich
lebenden Originale», und ich schale
mich glücklich, dem Leser eine» Helden
vorzuführen, der so vortheilhast absticht
von den Dandygestalien des modernen
Lebens und Romans.
Gott, was war das für ein bescheide
ner, schüchterner, keuscher und sroinmer
Herr! Seine unbeschreibliche Schüch
ternheit und Scheu trat, wie moa sich
denken kann, besonders dem zarten Ge
schlecht gegenüber hervor. Er konnte
keiner, einigermaßen jnngen und hüb
schen Frauensperson in'S Angesicht
sehe», ohne sosort die Fastung, die
Sprache, die natürliche Gesichtsfarbe
und noch vieles Andere zu verlieren.
In Damengefellschasten war er über
haupt ein verlorener Mann. Seine
Schamhastigkeit war geradezu sprich
wörtlich geworden. (Ja. es gibt noch
solche deutsche Jünglinge und Dein
Thomasgesicht. liebe Leserin, schafft sie
nicht aus der Welt..
Herr Kandidat Meyer bereitete sich
zur Uebernahme der örtlichen Pfarre
vor, wo er zur Zeit die Dienste eines
Adjunkts bei dem aus dem Amt fclM
dende» altersschwachen Prediger versah.
Tckglich ging er nach dem schönen schat
tigen Lindenpark, welcher sich zwischen
dem Psarrhause und einem benachbar
ten Rittergut ausdehnte, um über neue
Predigten nachzugrübeln und die so
sehr geliebte Einsamkeit z» genieße».
In den Laubgängen des Parkes tauchte
nun von Zeit zu Zeit eine lichte, gra
ziöse Mädchengestalt auf, die gleich dem
Herrn Eandidaten träumerisches, ein
sames Lustwandeln zu lieben schien; es
war Fräulein von Schaumbach, die
Tochter des Besitzers vom benachbarten
Gut. Selbstredend wich der schüchterne
Theologe, trotzdem er ihr erst kürzlich
vorgestellt worden war, der jungen,
schönen Dame aus, wie und wo er's
»ur unauffällig konnte, es kam so
gar vor, daß er sich im Busch versteckte,
um ihr nicht zu begegnen
Da geschah eines Tages etwas noch
Schrecklicheres, als das bloße Begegne»,
etwas, woran Herr Johannes Meyer
wohl auf feinem Sterbebett noch scham
erröthend denken wird. Wie er so, in
tiefes Sinnen verloren, auf seinen lan
gen biegsamen Gehwerkzeugen dahin
stelzt, das Denkerhaupt geneigt, de»
Blick zu Boden gerichtet da leuchtet
ihm im gelben Kies etwas Tiesblaue
entgegen. Er hebt es auf. besieht es—
was war's? Ein Damcnstrumpsband!
Ei» blaues Strumpfband mit einein
funkelnden Edelstein daran. Herr
Meyer erröthet, errathet tief „ein
Strumpfband!" lispeln seine Lippen
und er erröthet noch tieser....
Wie er dann das schamhafte Auge er
hebt und die Allee hinabblickt rich
tig, da schwebt sie hin, die graziös«
Madchengestalt, langsam und träume
risch: sie hat keine Ahnung von
ihrem Verlust, keine Ahnung von de,
tödtlichen Verlegenheit, in welche si<
einen unschuldigen keuschen Jüngling
gebracht! Denn was soll Herr Eandi
dat Johannes Meyer mit einem gesun
d'iien Mädchenstrumpfband beginnen?
Der Verliererin nachlaufen und ihr den
Fund einhändigen? Eine grausam«
Zumuthung! Muß sein phänomenal
entwickeltes Zartgefühl sich nicht sagen,
daß er damit die junge Dame in eine
»och tödtlichere Verlegenheit setze»
würde, als diejenige, die sich seiner
beim bloßen Finden des diskreteste» al
ler weiblichen Toilettengegenstände be
mächtigt hatte? Die Sache liegenlassen
oder einfach unterschlagen? Dagegen
sträubte sich sein frommes Gewissen.
ES blieb ihm vorläufig nichts anderes
übrig, als das lstrumpfband mit sich
nach Hause zu nehmen und eine Idee
auszuhecken, in welcher Form eine Aus
lieferung desselben möglich wäre. In
seiner Zartsinnigkeit verwars Herr
Meyer auch das einfachste uud be
quemste Mittel da» der Uebersen
dung durch einen Boten. Nein, das
arme Mädchen sollte keine Ahnung be
kommen. daß ein Mann ihr Strumps
band gesunden, noch viel weniger der
zukünftige Pastor des Ortes....!
Nach tagelangein Grübeln durchzuckte
ihn plötzlich ein Genieblitz. Er b.tam
eine Idee durch und durch originell
und zugleich zweckentsprechend. Er
staunte über seinen Einsall selber. Vom
Herrn von Schaumbach war nämlich
an den alten Prediger und dessen Fa
milie, sowie an ihn selber eine brief
liche Einladung erfolgt zur Theilnahme
am G.burlslagsscst seiner Tochter, wel
cher am kommende» Sonntag stattsin
den sollte. Also Fräulein Doras Ge
burtstag! Herr Mener suhr sosort zur
Stadt und bestellte einen prachtvollen
Präsentkuchen. Dabei händigte er dem
Bäcker ein in weißes Papier dicht und
sest eingewickeltes Ding ei» mit der
Weisung, dasselbe in den Kuchen ein
hacken zu lassen. Letzterer sollte dann
dem Fräulein von Schaumbach zuge
sandt werden streng anonimi, wie
denn der Bäcker sich auch verpflichten
mußte, den Besteller nie und Nieman
dem zu nennen.
Gut. Der Geburtstag kam heran
und auch Herr Meyer besand sich unter
de» erschienenen Gaste». Wer beschreibt
aber de» Schreck des Armen, als das
Geburtstagskind, bezaubernd schön und
liebenswürdig, ihn mit den Worten
empsing: „Ich danke Ihnen, Herr
Candidat, sür den wunderschönen Fest
kuchen!"
„Wie?" stotterte Herr Meyer, „einen
Festtuchen von niir? Ich weiß
von nichts."
.Na. na. Herr Meyer." ktchelte da»
Fräulein schalkhaft, „sollte es denn Ge
heimniß bleiben?"
.Ich ich habe aber doch dem
Backer strengstens "
Fräulein Tora lachte hell auf. „Da
verrathen Sie sich ja selbst!
fand ich den wahrscheinlich vergessene»
Backcrzettel init Ihrem Namen am Ku
chen hangen. Bedanke mich also noch
mals recht schön!"
Doch sprach sie kein Wort vom
Strumpsband. Herr Meyer ver
wünschte den nachlässigen Bäcker un!
Besand sied in steigender Unruhe. j<
näher die Kaffeezeit heranrückte. Wie.
wenn sein Kuchen da ausgeschnitten
würde! Daran hatte er vorhin gai
nicht gedacht. Es hätte auch wenige,
geschadet, wenn er als Spender unbe
kannt geblieben wäre. Aber nun!....
Er hielt schon die Kaffeetasse in der
Hand und big auch ein Stück Kuchen,
welches ihm das Geburtstagskind prä
sentirt, aber sein Geist beschäftigte sich
immer mit der bloßen Furcht vor dem
„Geschehentönnenden", ohne daß er lii
seiner Zerstreutheit daraus Acht gab,
was bereits geschah.
Die zahlreiche Gesellschaft saß im klei
nen Balkonzimmer recht eng beisam
inen. Da stieg der Herr Kandidat
plötzlich einen Schrei aus. Aus dem
schmerzhast verzogenen Munde hing ihm
etwas heraus, etwas, woran der jung«
Mann mit Gaumen und Zähnen ver
zweifelt hernmlvürgte. Sei» Gesicht
hatte einen Ausdruck des Entsetzens an
genommen.
„Um Gottes Willen, was haben Sil
da im Munde, Herr Meyer!" rief ej
ängstlich bon allen Seite».
„Nichts, nichts," gurgelte der Un
glückliche und suchte mit aller Mach!
den unbekannten Körper vor den Blicken
der ihn Umringenden verschwinden zu
lassen. Doch nun erfolgte ein heftiges
Hustenansall und in weitem Boge»
flog das Ding, das dem armen Kandi
daten beinahe den Erstickungstod ge
bracht hätte, durch die Luft und siel zu
Boden.
„Mein verlorene? Strumpsband!"
ries gleich darauf Fräulein Doras Sil
berstimme! sie hatte die Papierhülle ge
öffnet und hielt das diskrete Object ver
wundert iu Häuden.
„Wie kommt denn das Strumpsbant
mc.ner Tochter unter Ihre Zähne, Her,
Kandidat?"
Diese trockene Frage des Hausherr«
entfesselte einen Sturm von Heiterkeit.
Eine neue Lachsalve folgte, als Herl
Meyer, ganz zerknickt, mehr todt aU
lebend, nur die zwei Worte zu stammeln
vermochte:
„Ge funden der bal
len!"
Aberglaube.
Eine That empörender Grausamkeit
müßte man es nennen,—so schreibt da?
„N. Wien. Tagbl."—wäre es nicht d><
abergläubische That zweier jungen, all
zu sehr verliebten Mädchen, Wege» dei
Beide vor dem Oltakringer Bezirksge
richte als Angeklagte standen. Beide,
kaum sechszelmjährige Dinger, Haber
bereits ihre Geliebten. Johanna einen
Kadetten, wie sie erröthend gestand,
Poldi. bescheidener, nurcinen Corporal,
aber einen zu Pserde. Ob die beiden
Mädchen schon schlimme Erfahrungen
über Männertreue gemacht, oder solchen
vorbeugen wollten, genug, sie beschlos
sen. sich der Treue ihrer Anbeter aus
ewig zu versichern und gingen dabei
nach dem Rathschläge de? „unfehlbaren
Zauber- und Wunschbüchleins, so in
allen Nöthen kräftiglich zu Helsen" ver
spricht, vor. Dieses ehrwürdige Büch
lein, das im Jahre 1706 gedruckt er
schien, räth eisersüchtigen oder miß
trauischen „Frawen und Jungsrawen"
wörtlich:
Soll Dein Buhle treu Dir sein.
Gib ihm Katcraugen ein.
So Du selbsten ausgestochen
Einem Kater von zwölf Wochen
Und verbrannt zu Pulver fein.
Um Mitternacht bei Bollmondschein
Schütt' das Pulver ihm in Wem,
Mußt dabei noch nüchtern sein
Und sprich also: Kater, Kateraugen
Darfst sür keine And re taugen,
Bleib' mein Buhle ganz allem
Wird er ewig treu Dir sein.
Genau nach diesem Recepte habendi«
beiden verliebten Backsische der junger
Katze einer Frau Helm bei lebendem
Leibe die Augen ausgestochen und das
Liebespulver bereitet. Frau Helm hat
aber die Anzeige erstattet und die Mäd
chen wurden wegen boshafter Beschädi
gung sremden Eigenthums angeklagt
und zu je 24 Stunden Arrest verur
theilt. Wie dem Herrn Kadetten und
dem Reitercorporal das Pulver belom
'neu, weiß man nicht.
In einer Schule zu Mün
ster zeichnete sich ein Knabe, der Sohn
eines Freigeistes, durch seine Begabung
aus. die sich indessen allen religiösen
Eindrücken verschloß. Einst bemüht!
sich der den Religionsunterricht erthei
lende Kaplan, ihm die göttliche Bor
sehung Harz» machen, und es entspann
sich folgendes Gespräch: Kaplan :
„Wenn Tu aus dem Ueberwasierlirch
thurm bist, sällst hinunter und b!e>b't
unbeschädigt, was ist das?" Knade:
„Dos ist Glück." Der Kaplan schüt
telte den Kopf und fragte weiter:
„Wenn Du aber wieder hinausgehst,
wieder hinuntenällst und wieder heil
bleibst, was ist das ? „Das ist Zu
fall." entgegnete der kleine Kexer. Der
Herr Kaplan fing an. erregt zu wer
den. Bezwang sich aber und fragte mit
Geduld weiter : „Wenn Du oder wie
der binaussteigen und in Deiner Ver
messenheit Gottes Langmutb au» die
Probe stellen willst. Dich hinunterstür
zest und unbeschädigt aus dem Ueber
wasserplatz ankommst, was ist des dann,
mein Sohn ?" Jetzt dacht, er. muh er
doch aus d e richtige Antwort k-mmen.
Aber sröhlich erwiderte der kleine Ver
standesmensch : ,D-S ist schai-. mehr
Uebung!"
Ein Roman au» dem Leben.
„Meine Schwester so wird dem
„Berliner Tagbl." von einem ihrer
Abonnenten mitgetheilt hatte be
schlösse». die diesjährigen Eommer
serien an der See zu verleben, und
zwar war ihr R. vorgeschlagen und S.
auf diesen von ihr gewählt worden.
Durch Vermittelung des dortige» Bä
detommisjars sand sie bei ihrer Ankunst
eine Wohnung bereit und war in An
betracht des mäßigen Preises freudig
überrotcht. ein allerliebst gelegenes,
freundliches Heines villeiiartigcS HauZ
mit Veranda als ihr Ferien-Heim an
sehe» zu diirsen. Von einer hoben
schlanken Frauengestalt empfange» und
in ihr Stubchen geleitet, fühlte meine
Schwester sich sosort heimisch in dem»
sclbei» und um so mehr, als alle die
vielfachen Kleinigkeiten nicht fehlten,
die eine Dame in ihrem eigenen Heim
für sich aufzusammeln pflegt. Dabei
waren die schlanken seinen weißen
Hände mit den rosigen Nägeln der »och
jungen Frau so emsig beschäftigt, dem
Gaste bei der ersten Einrichtung be
hilflich zu fein, und der dargebotene
und gern angenommene Thee wurde
mit soviel Chic und freundlicher Lie
benswürdigkeit kredenzt, daß meine
Schwester aus dem Erstaunen garnicht
herauskam. Am folgenden Morgen
sah sie den Hausherrn; eine Hünenge
stalt mit reiche», blonden, krausen
Haar, dessen große dunkelblaue Augen
in scheuer Verlegenheit fast immer den
Boden zu suchen schiene» und sich nur
belebten, wenn sie auf feinem Weibe
hafteten. Dabei war eZ fast rührend
mit anzusehen, wie er mit den großen
abgearbeitete» Händen seiner Frau in
der Wirthschaft zur Seite stand. Die
Frau war eine Dame, ohne Zweifel,
der Mann ein braver ehrlicher Kerl,
der seine Frau vergötterte!
Vor Jahren lebte und wirkte in einer
miltcldcutschenßcsidenzstadtei» berühm
ter Geograph. Professor P.. mit seiner
aus Frau und zwei Töchtern bestehen
den Familie. Der Profefjor starb, die
Familie blieb in geordneten, pekuniär
nicht ungünstigen' Verhältnissen zurück
und zog »ach der Heimath der Mutter,
einer rheinischen Universitätsstadt. Alle
feingebildeten und vornehmen Kreise
öffneten sich der liebenswürdigen Dame
mit de» herrliche», stolzen Töchtern,
welche bald zum Mittelpunkt der Ge
sellschaft wurde», und nach wenig über
Jahresfrist führte ein Rittmeister des
dort garnisonirenden Cavallerieregi
ments die älteste Tochter als Gallin
heim. Im nächsten Jahr fing die Mut
ter an zu kränkeln und besuchte auf
ärztlichen Ralh mit der jüngste» Toch
ter den Badeort S. auf R., in dem
einlachen Häuschen des Stadtvogtes
Wohnung nehmend. Die Mutter er
holte sich in der herrlichen Seeluft sehr
bald, während das Töchterlein auf gar
merkwürdige Gedanken gekommen war.
Und die Mutter erstarrte in sprachlosem
Entsetzen, als kurz vor der festgesetzten
Abreise die Tochter erklärte, sie liebe den
Sohn des Strandvogtcs. den blonden
Recken mit den großen blauen Augen,
der oftmals mit ihr weit hinaus in das
Meer gefahren war, und sie werde ihn
heirathen mit oder ohne Genehini
gung der Familie!
Und sie blieb dabei, die stolze, viel
umworbene deutsche Prosessorcutochtcr,
uud kein Flehe» der Mutter, kein Aui
brausen des zu Hilfe gerufene» rittmei
stcrltchcn Schwagers, kein Zurede» der
sansten geliebten Schwester vermochten
sie von ihrem Entschluß abzubringen;
und sie war majorenn! Die Mutter
reiste ab; die Tochter quartirte sich bei
einer oiidcrc» einfache» Familie in S.
ei» und lernte hier nähen und kochen
und flicken und waschen und Alles, was.
zur Führung eines einlachen kleinen
Haushalts gehört, und nach Ablauf
eines halbe» lahreS führte ber Sohn
des Strandvogtes den bräutlich ge
schmückten. vor Glück strahlenden ehe
maligcn Stern jener rheinischen Uni»
versitats- und Garnisonstadt als Frau
in das kleine Häuschen des Vaters ein.
Von dem der jungen Frau ausgezahl
ten Vermögen wurde dann vor drei
Jahren die kleine, mit Veranda ge
schmückte Villa am Meercsstrand« er
baut. und jetzt, nachdem meine Schwe
ster de» ihr lieb gewordene» trauten
Ausentbalt verlassen, wird die Mutter
zum erste» Mal die Tochler besuchen,
um einen halbjährigen der
mit großen blaut» Augen sorsch in die
Welt blickt, aus den großmutterlichen
Knieen zu schaukeln. Die Liebe Hort
nimmer aus! "
Wie ick, »ich liebe:
Ich liebe dich wie mein Augenlicht,
Drum thut es mir so wehe.
Wenn ich nach dem, was blendet und
Was glänzt, dich schielen sehe.
Wie mein eigen Leben lieb' ich dich,
Traus lerne es ersassen.
Daß ich. wie iehr du mich auch quälst.
Doch nichl vo» dir kann lassen.
Ich liebe dich wie mein Seelenheil,
Das glaube sonder Zweifel.
Sonst hätt' ich dich, du falsches Ding.
Schon längst gejagt zum Leusel.
Machl der Gewohnheit.
Jurist (der zum ersten Male eine Ver
theidigungirede halt, nachdem er sehr
lange aus der Hochichule erster Char
zirter eines Corps gewesens: Un»
lasse ich alle diese Umstände zusammen:
die Jugend des Angesagten, sein gutes
Lorleben, seine auirichtige Reue, so
inöchte ich die Herren Geschworenen bit
ten—(ein Tintensaß ergreifend» aus da»
Kohl des Angeklagten einen urkrasligcü
Salamander zu reiben.
„Ei, ei, j etzt hab ich gar
meinen Bteisti't verloren.... Ta muk
ich mir aber gleich »otiren, daß ich mir
einen anderen kaufe!"
Me > stens dient der Fächer
schönen Frauen dazu, sich dahinter ji»
verstecken, wenn sie gesehen fein wol
len