Die gnädige Frau. (2. Fortsetzung.) Unser jüngerer Bekannter schien von diesen Zeichen einer ungenirteu Ver traulichkeit unangeuehm berührt, mit unter überkam ihn etwas wie ein Ge fühl von Beschämung, wenn er einen jüdischen Ladenjüugling krummbucklig auf seiner Rosinante bei dem Wagen der beiden Schönen vorbeicourbeitireu und mit diesen in aller Cordialität Grüße und Scherzreden tauschend ge wahrte. „Wie kommt denn Der zu dieser Be kanntschast?" hörte er einen Spazier gänger fein:» Begleiter fragen. „Der? Das ist keine große Kunst. Er stiehlt seinem Prinzipal seidene Kleider nnd ondcre schöne Himmelsgabcn und intro duzirt sich damit bei feiner Eircc. Sie noch cine Weite auf Ihrer Station bei dem Untersuchungsrichter arbeiten, so haben Sie vielleicht eines Morgens das Vergnügen, ihn unberitten mit einem wohlkonditionirtcnHast;ctlcl aus der Jsolirzelle antreten zu sehen." Ter Baron hatte genug gehört, um nach Mehreren» begierig zu sein. Sein älterer Begleiter hatte theilnahmlos in das.Gewühl um ihn gestarrt, ohne auf die Rcd.'n um ihn ber zu achten. Mit einem raschen Entschlüsse wandte sich der Jüngere an ihn und riß ihn mit der plötzlichen Frage aus seinen Träume reien : „Haben Sie ein Engagement für die sen Abend?" Und als dieser, über die uuerwartete Frage stutzend, mit der Antwort zögerte: „Wollen Sie sich mei ner Obhut anvertrauen? Ich glaube Jhncu versprechen zu können, daß Sie mit mir zusriede» sein werden." Ter Aeltere zögerte einige Augen blicke; dann aber, wie von einem raschen Entschlüsse bestimmt, erwiderte er: „Es sei. obschoii ich nicht glaube, daß Jyre Weissagung sich in jeden, Sinne t'NÜllt." Er nahm des Barons Arm, der von der Hanpt-Atlce in einen wenig betrete nen Seitenweg einbog. „Und wie weit sind denn, wenn man fragen dars. die Präliminarien ehe lichen Verbindung mit der gc. streichen Tochter des LegationSrathS gediehen?" „Ich bitte Sie um Himmelswillen, hören Sie auf dvvou. Ich wüßte nicht, wer mir vou der ganzen illustren Familie am Widerwärtigsten wäre: Ter schäbige Vater, die Komödiantin von Mutter oder die verzerrte Natnr des „Kindes", das aus dem besten Wege ist, eine kompletie Närrin zu werden und dessen Verse die gesündesten Zähne stumpf machen können —" „So, so!" entgegnete der Andere be dächtig. „Ihre Anschauungen haben «ine schnelle Wandlung erfahren, denn Ihre Tante, das Stistsfräulein, be zeichnete mir noch vor Kurzem die Ver bindung als nahe bevoOstehciid." „Ich glaube nicht, daß ich mich über haupt verheirathe. Ich bin schwerlich Aon dem Holze, aus dem inan Ehe männer schnitzt. Doch genug dieser Unerquicklichen Erörterungen hier ist ein Wagen ich mache von meinem Rechte Gebrauch, und entführe Sie ohne Weiteres." In der Dämmerung des nämlichen Herbsttages begegnen wir den beiden Freunden wieder, wenn wir dem Ver hältniß der beiden, an Lebensalter und Gesinnung so verschiedenen Männer diese Bezeichnung geben dürfen. Der junge Freil>err, einer- altadeligen aber finanziell herabgekommenen Familie «ngchöreiid, stand in entfernter ver wandtschaftlicher Beziehung zu unse rem älteren Bekannten, der, verwitt wet und kinderlos, an dem lebhaften und offenen Wesen des jnngen Mannes freundlichen Antheil zu nehmen ge wohnt war. Freilich konnte er nicht ohne Mißbehagen wahrnehmen, iu welch' wunderlichen uud abspringenden Wegen dieser seinem Lebcnsberuf nach ging, aber er war erfahren genug, ein zusehen, das; hier ein Mentor vergeblich eine Rolle spielen würde. Außerdem glaubte er schon deshalb keinen bestimmenden Einfluß auf den jungen Mann ausübeu zu dürfen, weil er eine derartige Autorität nicht durch die Aussicht einer dcreiiistigeu Bverdung stützen iomlte. Ei» ansehnlicher Grund besitz ge vährtc dem Generallandschasts rath dies Amt, das einzige, beklei dete er mit Eifer uud Hingebung eine reichliche Rente. Der größere Theil derselben wurde jedoch für die Melioration der Wirthschaft und zur Unterstützung armer Seitenverwandten verausgabt. Das Besitzthum selbst ging als Majorat an andere Verwandte über. Ter junge Mann hatte in seiner Art großen Respekt vor dem Charakter und der Erfahrung des LandschastS rathes; aber er fand ihn in vielen Sa chen hinter einer freieren Auffassung der Lebensverhältnisse zurückgeblieben, und obgleich er in der Theorie vor den Ansichten des älteren Freundes eine große Achtung bezeugte, so half er sich doch über die Augelegeuhcit, diesem Ge fühle eine praktische Folge geben zu müssen, dadurch hinweg, daß er den Standpunkt desselben für einen über wundenen, altmodischen erklärte. Vor de.» hellcrlcuchtcten Circus staute sich die Menge. Wagen und Fußgän ger, elegante Equipagen und gewöhn liche Troschten. Gardeossiciere uud Pro letarier, ein Trupp «oldatcn mit Frei billets und Familienväter mit einer Anzahl kleiner Jungen, die vor Span nung Muud und Augen schon jetzt weit aussperren, stramme Handwerksgesellen mit ihren Liebsten alles bunt durch einander strömt zur Eingangspforte hinein. Unsere Freunde mii ihnen. „Wie toninit es, daß Sie tein Billet lösen?" fragte der Landichaftsralh. „Wir haben eine Loge, sie ist immer f'ir mich reservirt." .So fleißig besuchen Sie diese Schau- Stellungen? Ich erinnere mich, Si« mehr als einmal über diese Neigunß unserer Kavallcrie-Ossiciere spotten ge hört zu haben! Sie wissen, daß ich auch ein Stück Pferdezüchter bin. auch als solcher große Freude an schönen Pferden und an Pferde-Dressur-habe— indessen, allabendlich den Productionen von Pferden, Equilibristen, Jongleurs und Kunstreitern zuzusehen, das muß ja schrecklich sein. Nebenbei, Lothar. einen Menschen ein» Schande —!" Der Baron hatte nicht übel Lust, ge gen die kurzgefaßte Strafpredigt zu repliziren. Ader sei es, daß die Her bigkeit des Vorwurfs durch die Anrede bei dem Vornamen des Getadelten dem Tadel selbst die Herbigkeit nahm, oder daß der Beginn der Vorstellung jede weitere Explikation abschnitt, er kam zu keiner Entgegnung. Trompetengeschmetter, Tusch von schlecht zusammenklingenden Blasin strumenten, Clowns in tzhantasti'schem Costüm mit Jndianergeheul iu die Arena stürzend, jauchzender Zuruf der Galleric, Produktionen von Kindern, Kunstreitern und Kunstreiterinnen, — in dieser tausendfach wiederholten Folge baute sich auch die Vorstellung dieses Abends aus. Unsere beiden Freunde nahmen an allen diesenKuustleistungen nur mäßigen Antheil, bis eine gewisse Bewegung im Zuschauerraum und im Eingang der Manege etwas Ungewöhn liches anzukündigen schien. Die Bleche auf dem Orchester setzten schärfen, wenn auch nicht wohltönender ein, das ganze nicht beschäftigte Personal bildete zu beiden Seiten des Eingangs Spalier und an der Hand des Directors hüpfte, im Kostüm einer Sylphide, mit kurzem, leicht und lustig flatterndem Röckchen „Mademoiselle Melanie" herein, von lebhaftem Applaus der Habitues be grüßt, am lebhaftesten von unserem jungen Barvn. „Sehen Sie nur", flüsterte er erregt dem Landfchaftsrath zu, „ist das nicht ein Phänomen lohnt es nicht, dieses Anblick» wegen jeden Abend hierher zu gehen? Haben Sie je so etwas ge sehen?" „Erlauben Sie mir Ihr Glas," er widerte der Rath ruhig, und nachdem er die Sylphide aufmerksam betrachtet: „Ja, ich erinnere mich ihrer." „Wie das?" fragte der Baron er staunt, „>i-ic kennen Mademoiselle Me lanie?" „Als solche freilich nicht; ihre Ange hörigen riefen sie damals bei dem weni ger wohltlingcuden.Namen „Male —" „Ader wo in aller Welt können Sie mit ihr zusammengetroffen sein?" „Sehr einfach, auf der Straße —" „Ja. aber um's Himmelswillen, Sie scheinen doch nähere Kenntniß von ihr uno ihrer Familie zu haben, obgleich mir Melanie sagte d. h. obgleich man von ihr sagt, sie stamme aus Frankreich und aus dem Elsaß —" „Es passiren allerdings viel wunder bare Dinge, indessen müßte es mehr als wunderbar sein, wenn diese Mademoiselle Melanie nicht dasselbe Mädchen wäre, welches ich vor einer Reihe von Jahren in dem abscheulich sten Wetter bettelnd auf der Straße ge troffen und ihren Angehörigen wieder zngesührt habe. In einer jener Re gungen, die Ihre sarkastische Ader zu reizen pflegen, machte ich den Versuch, ob sich mit einer Handvoll Geld etwas für die Rettung des Mädchens aus schlimmster Verwahrlosung thun ließe. Schon damals verrieth sie eine lebhafte Neigung für ihre jetzige Laufbahn. Tie Angehörigen versprachen mir, auf jede Art durch Beispiel und Lehre dagegen zu wirken, in welcher Weise und mit welchem Erfolge, sehen Sie. Der wür dige Pflegevater Melaine'S war der Ci garrenhändler im Thiergarten." Ter Baron vernahm diese Mitthei lungen mit einem Gefühle von Pein, welches ihn zu keiner Gegenbemerkung kommen ließ. Mit lebhafter Beschä mung vergegenwärtigte sich seine schnelle Phantasie die prosaischen Bilder alltäg licher Misere, unter denen der Gegenstand seiner leidenschastlichcn Neiguug aufge wachsen war. Das Gemeine ihrer ehe maligen Umgebung, das Elend ihrer frühere» Jugend, hatten etwas schreck hast Abstoßendes für seine Empfindung. Aber deunoch, wie sie jetzt aus flüchn gem Renner an ihm vorbeischwebte, ihre schöne Gestalt in den mannigfach sten Stellungen, den wunderbar ge schmeidigen Körper mit feinen vollende ten Formen -edeSmal in neuem Reiz erscheine» U.„ ihr Auge das seinige mit eine», helfen Blicke traf, ihre frisch erblühten Lippe» ihm voll zärtlicher Berheißung zulächelten, verschwanden alle Bilder von Niedrigkeit und Elend, die seine Stimmung verdüstert hatten, und feine Leidenschaft legte sich das, was eine minder starke Neiguug abge schreckt hätte, als einen neuen romanti scheu Reiz zurecht. „Und ist es nicht wunderbar, wie aus solchen Verhältnissen diese Anmuth und Poesie der Erscheinung emporwach sen konnte? Gestehen Sie, daß dari? ein großer Zauber liegt!" Ter ältere Freund fühlte sich nicht aufgelegt, auf eine derartige Erörte rung näher einzugehen. Er sah, wie weit die Sachen bereits gediehen waren, und da er von seinen Abmachungen keiuen Ersolg erwarten konnte, so wollte er sich auch nicht im Entferntesten dazu hergeben, der Leidenschaft des thörich ten Anbeters zu schmeicheln. Er er widerte daher: „Sie reitet schlecht, hat keine gründ liche Schule gemacht. Ich glaube nicht, daß sie in ihrem Metier jemals etwas Besonderes leisten wird." Das Publi-kum, namentlich der männliche Theil desselben, schien jedoch diese Ansicht nicht zu theilen, denn es überschüttete Mademoiselle Melanie mit rauschendem Beifall, als sie nach Been digung ihrer Produktion die Manege verließ. An dem weiteren Verlause der Vorstellung nahm der Verehrer der Sylphide keinen erheblichen Antbeilj nur als gegen den Schluß die Schön« abermals auftrat, diesmal als Partne rin einer Quadrille von acht Reitern und Reiterinnen, belebte sich fein In teresse wieder, und er mochte es sich nicht versagen, dem Gegenstande seiner Huldigungen ein kostbares Bouquet, welches ihm inzwischen durch den Logen schließer besorgt worden war, zum Ab schiede zuzuwerfen. Das Schicksal, in Gestalt eines Clowns von ausgeprägtem orientali schem Typhus, meinte es aber nicht gut mit der zarten Blumenspende, denn in dem Augenblicke, als das duftige Bou quet zu Boden fiel und die Sylphide sich anschickte, eS aufzunehmen, lrat der schwere Fuß des Bajazzo darauf uud drückte es tief in den Sand. Den Baron mit einem Blicke heraus fordernden Hohnes messend, verließ er mit einer Reihe Salto mortale's die Arena. Die Freunde verließen schweigend den Cirkus nnd gingen eine Weile stumm neben einander her. Endlich sammelte sich der Baron zu der entschlossenen Frage an seinen Begleiter, der gleich falls nicht aufgelegt schien, das Schwei gen zu brechen: „Würde es Sie interessiren, das Mädchen einmal ohne den Flitkrprunk des EirkusaufputzeS zu sehen?" „Und wie soll das geschehen?" ent gegne der Gefragte. „Macht sie ein Haus, in das Sie mich einführen wol len?" Der Baron lachte gezwungen. „Das ist nicht zu verlangen." „Ich bin weit entfernt, es zu verlan gen," schaltete Jener ein. „Sie soupirt mit ihrer.älteren Freun din, welche Sie heute als Parsorce-Rei terin gesehen haben, bei Ni.; dort kön nen wir mit ihnen ohne irgendwelche Jnkonvenienzen zusammentreffen." „Derartige „Jnkonvenienzen", ent gegnete der Landschaftsrath, sind für mich bei Weitein ungefährlicher, als für Sie. Ich habe nach der Meinung der Welt wenig zu fragen. Uebrigens glaube ich für mich einstehen zu können. Können >s?ie ein Gleiches von sich sa gen?" l)isu cls Dis»! Was Sie gcneigt sind, die Sachen »u nehmen! Derlei hat sich alle Tage begeben und wird geschehen, so lange die Welt steht und ohne daß sie davon zu Grunde geht. Ich sage mit Egmont—" „Sagen Sie nichts mit Egmont," Unteribach ihn der Rath, „das ist ein schlechter Gewährsmann, sowohl der historische wie der poetische, er hat seine Theorie von der „freundlichen Gewohn heit des Daseins" auf dem Schaffst be siegelt. Und wenn ich auch nicht be haupten will, daß sein System gerade immer mit diesem tragischen Klimax abschließen muß: zur Kopflosigkeit iu eincm anderen Sinne führt diese Gat tung von Lebensphilofophie in den meisten Fällen. Doch genug dieser unsruchtbaren Discussion. Ich bin bereit, mit Ihnen zu soupiren, jedoch unter einer Bedingung: Sie verspre chen mir, ehe wir uns trennen (dcnn ich reise morgen srüh), mich zehn Minu ten ruhig anzuhören, und zwar mit dem ernsten Willen, unbefangen zu würdigen, was ich Ihnen aus redlichster Ueberzeugung zu sagen haben werde. Wollen Sie das?" Der Baron schlug in die dargebotene Rechte zustimmend ein, aber erwiderte nichts. Schweigend durchschritten sie wieder eine Reihe von Straßen, bis sie vor dem Hanse des bezeichneten Traiteurs anlangten. Der Kellner schien ans die Ankunft des Barons vorbereitet zu sein, dcnn cr führte diesen und feincnßeglei ter in ein besonderes, zierlich detorirtes Zimmer und cntsernte sich wieder, nach dem er einige leise ertheilte Ordres des Barons entgegengenommen hatte. Bald daraus geleiteie cr zwei Dainen herein, die Sylphide und die uns gleichfalls be kannte Parforce-Rciterin, die Teil nehmerin der Spazierfahrt im Thier garten. Die Kleine sah in ihrer Sa lontracht nicht minder reizend ans. wie im bunten Flitterstaat der Kunstreite rin. Mit zwangloser Lebhaftigkeit be grüßte sie den Baron und rief diesem schon in der Thür entgegen: „Wissen Sic das Allcrncueste? Ich habe taiiui balischcn Hnnger". „Tein ist teicht abzuhelfen", erwiderte der Baron. „Erlauben Sie mir jedoch zunächst, Ihnen einen Freund vorzu stellen —" „Ach, das ist reizend!" rief die Di' ana des Louvre, ohne die weiteren Förmlichkeiten der Vorstellung abzu warten, „wir wollen rccht lustig sein; die altcp Herren sind immer so uett.die jungen Leuie ärgern einen noch zu To de. Was habe ich mit diesem Scheu sal von Isidore eben sür Spektakel ge habt! Nicht nur, daß das Ungeheuer ihr schönes Bouquet zertreten hat, chikanirt er mich noch aus alle Weife." „Dagegen wollen wir Rath schaf fen," versetzte der Baron mit einer lebhaften Röthe im Gesicht, „ich werde mit dem Direktor sprechen, daß er den impertinenten Bursche» im Zaume hält, oder fortschickt." »iiii," das thun Sie ja nicht, das würde gerade die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen. Monsieur Isidore ist ei» >watan von einem Men schen, wenn cr sich etwas in den Kops gesetzt hat, und fortschicken kann ihn der Tirc.tor nicht, cr kaun ihn nicht entbehren." „Diese Rarität von eincm Clown wäre doch wohl noch zu ersetze»." „Glaub.n Sie das nicht," siel ihm die Parforce - Reiterin ernsthaft in die Rede, „der Mensch ist nicht der lie benswürdigste Kamerad, das ist wahr, aber man iunß gerecht sein, er arbeitet ausgezeichnet, und ist in jedem Fache zu Hause. Er reitet brillant und dressirt die Pferde iu der Hälfte der Zeit, die der Direktor braucht." Der Faden veS Gesprächs wurde durch das des Kellners unterbrochen, welcher das Souper sex virte. Die beiden Künstlerinnen hat ten sich schnell ihrer Handschuhe, Hüte und Mantillcn entledigt und griffen tapfer zu. Nur in einzelnen kurzen Pausen wechselte Melanie mit dem Ba ron ein paar Worte. Vergeblich be mühte sich der LandschaftS - Rath, im Ton oder Inhalt dessen, waS die Syl phide sprach, einen Hauch der Poesie oder nur der natürlichen Anmuth zu erspähen, den ihre Schönheit und ihre reizende Gestalt anzudeuten schien. Sein jüngerer Freund schien dagegen von der entgegengesetzten Ueberzeugung durchdrungen, ja er war ganz im Bann ihrer Erscheinung und hatte nur sür sie Auge und Ohr. Die Parforce-Reite rin hatte etliche Male verwundert auf den älteren Gast geblickt, als wüßte si« sich sein Wesen nicht zurecht zu legen; da dieser aber zu keiner Unterhaltung disponirt schien, so ließ sie diesen sowohl als das Pärchen gewähren, und beschäf tigte sich ausschließlich mit'ihrer Schüs sel. Endlich mochte ihr das lange Schweigen doch zu verdrießlich sein und sie richtete an ihr vis-a-vis kurz die Frage: „Sind Sie auch Amateur?" „Allerdings, und ich habe Ihnen wegen JhrcS vortrefflichen Reitens mein Kompliment zu machen. Sie scheinen mit Ihrem Pferde auf dem besten Fuße zu stehen, denn es folgt Ihnen, als ob es Ihren Willen errie the." Die Kunstreiterin mochte wenig an aufrichtig gemeintes Lob gewöhnt sein, sie strahlte vor Vergnügen, nnd sah beinahe hübsch ans, so sehr verklärte der Ausdruck der Freude ihre sonst so bizarren Gesichtszüge. „Mein Pferd, mein Almanfor, nicht wahr, das ist ein braves Thier? Er ist mein Eigenthum und ich liebe ihn mehr, als alles Andere auf der Welt was freilich nichts sagen will," setzte sie mit einem uiiangenehmen Ausdruck hinzu — „da sich sonst weder Hund noch Katze um mich bekümmert." Inzwischen hatte die Sylphide ihren „kannibalischen" Hunger gestillt und plötzlich siel es ihr ein, daß sie die förm liche Vorstellung des Gastes unterbro chen hatte. Jetzt erinnerte sie den Baron daran. „Wie?" rief die Kunstreiterin ver wundert, „ich sollte diesen würdigen Fremdling kennen?" „Nichts sicherer als das. Er hat Ihnen bereits Kavalierdienste erwiesen, als Sie noch das Hotel Ihrer erlauch ten Familie in der „Gartenstraße" be wohnten —" Die Kunstreiterin ließ ihren Anbeter nicht ausreden, sondern brach in ein Freudengeschrei aus und sprang mit dem lebhaften Rufe: „Mein Wohlthä ter! Mein Schutzgeist!" dem, keines solchen lleberfalls gewärtigen Land schaftsrath direct auf den Schooß, um armte'ihn und geberdete sich ganz un sinnig vor Freude. Der ernsthafte Herr war aber nicht gewillt, sich zu einer solchen Komödie herzugeben. Er entledigte sich seiner schönen Mrde mit guter Manier und bemerkte nur: „Ich höre, Sie haben sich inzwischen in eine Französin verwandelt?" „Pah," entgegnete sie leichtfertig, indem sie zu ihrem Dessert zurückkehrte, „was will das sagen? Wir Künstler sind alle Franzosen." Und sie biß mit ihren weißen Zähnen herzhaft in eine Aprikose, daß der Sast überfloß. „Hat sich inzwischen Niemand von Ihren Verwandten um Sie geküm mert?" „Bon meinen Verwandten? Doch ja, meine geliebte Schwester di- Ihnen ja wohl bekannt ist —?" „Mir Ihre Schwester? Das wäre wunderbar! Und wer ist diese Ihre üschmester?" u „Nun denn, mein hochheiliger Herr gnd Wohlthäter sie hat es mir selbst eesagt, wenigstens habe ich es daraus ntnommen, daß sie mich nach Ihnen fragte." „Es würde mir wirklich interessant sein, den Zusammenhang dieser Ge schichte zu crsahreu, und wenn ich einen Anspruch auf Ihre Dankbarkeit habe, so bitte ich Sie nm nähere Auskunft." Inzwischen hatte sie sich des vigarren- Etuis ihres 'Anbeters bemächtigt, zün dete sich eine Havannah an, und be gann mit großer Virtuosität den Rauch in zierlichen Ringen ni die Luft steigen zu lassen. Tann fuhr sie fort, indem sie sich be haglich in das Sopha zurücklehnte, den Kopf hinten überneigte und die Füße gegen einen- Stuhl stemmte: ster „Wasfelguste" lautet." „Waffelgufte? Wie kommt sie zu dem seltsamen Namen?" „Wie sie dazu kommt? O Gott!" entgegnete sie, mit einem forcirtcn thea tralischen Ausdruck, indem sie wie ver klärt die weit geöffneten Aügcn gen Himmel richtete: „weil sie die Waffeln so sehr liebte! Als ich die Ehre hatte, eines schönen Abends von Ihnen auf der Straße ausgelesen zu werden, be gegnete Ihnen meine heißgeliebte Schwe ster; ich habe es selbst gesehen. Ich er zählte ihr später, daß der Himmel mir einen Schutzengel gesendet, der mich aus den Krallen der Pinkerten erretten würde, nnd aus der Beschreibung mei nes Schutzengels errieth sie die Person desselben." „Hat Ihre Schwester etwas für Sie gethan?" „O ja, sie hat mich auf eine aus gczeichnete Weise bestohlen." „In welcher Weise bestohlen?" „Sie hat Alles, was bei dem Tode meiner Mutter vorhanden war, an sich genommen und ist damit auf und da von gegangen. Sie war überhaupt eine brave Seele." „Was ist aus ihr geworden? Wissen Sie es?" „Was aus ihr geworden ist? Ich kann Ihnen nichts Zuverlässiges dar über sagen. Bielleicht ist sie zum Thea» ter gegangen oder nach Bethanien oder sonst wohin! Mein Gott, die Welt ist so groß." „Und das kleine Kind?" „Hatte eines schönen Tages den ge scheidten'Einfall, dieses irdische Jam merthal zu verlassen." „Und so liefen Sie den Pinkert's da von?" „Und so lief ich den Pinkert's davon wie Sie so richtig bemerkten. Ja, ich lief ihnen davon, in des Wortes verwegenster Bedeutung, aber nicht, ohne dafür zu sorgen, daß mein Anden ken nicht allzu früh verwischt werde. Denn wenn ich auch nicht allzu schön schreiben gelernt hatte, so reichte es doch eben hin, meine theuren Pflegeeltern mit einigen Zeilen der Fürsorge der Kriminalpolizei zu empfehlen. Und so waren sie denn bald darauf für einige Jährchen besorgt und aufgehoben; ich aber brannte mit einer Akrobatengesell schaft durch und —" Länger konnte der Baron seinen Un muth über den Zynismus seiner Schö nen nicht beineistern. Er sprang heftig auf und rief: „Wollen Sie denn gar nicht ein we nig bedenken, was Sie thun und sa gen?" Die Angeredete lachte laut auf: „Das fehlte mir gerade noch! Sie werden sich daran gewöhnen müssen, mein schöner und hoher Herr, daß ich rede, wie mir der Schnabel gewachsen ist." Sie stürzte ein Glas Wein hinunter und machte Miene, in dem abgebroche nen Tone fortzufahren. Der Baron ergriff seinen Hut; der Landschaftsrath erhob sich gleichfalls. Während aber jener unschlüssig stehen blieb und sich sagen mußte, daß er unmöglich jetzt gehen könne, empfahl sich dieser, dem die ganze Scene je länger, je peinlicher wurde, den beiden Künstlerinnen mit einer stummen Verbeugung. Ter Ba ron folgte ihm bis zur Thür. Der ältere Mann sah dem jüngeren, in leb hafter Bewegung vor ihm stehenden Freunde ernsthast in's Gesicht, und in dem er ihm die Hand zum Abschied bot, sprach er leise: „Leben Sie wohl. Sie haben mir versprochen, mich ruhig anzuhören, ich habe Ihnen nur zwei Worte zu sagen, oder vielmehr Ihre eigenen zu wiederholen- Bedenken Sie, was Sie als „Gentleman" zu thun und zu lassen haben." 4. Die Mahnung des Freundes kam zu spät; vielleicht würde sie auch früher keinen Erfolg gehabt haben. Der Ba ron hatte sich nach einem heftigen Zanl von seiner Schönen an diesem Abend mit dem Vorsatz getrennt, sie nie wieder zu sehen. Die Folge davon war, daß er am nächsten Abend eine halbe Stunde später im Circus eintraf, jedoch noch zeitiq genug, um die Sylphide abermals an sich vorbeifliegen zu sehen. Sie nahm keine Notiz von ihm, und er ver schwor es, jemals wieder einen Fuß in den Circus zu setzen. Aber er kam am folgenden und an jedem nächsten Abend wieder. Sie be merkte es wohl, schien aber nicht im Entferntesten auf ihn zu achten. Eine plötzliche Katastrophe brachte endlich dieses Verhältniß zu einem verhängniß vollen Abschluß. Es war an einem Sonntag Abend und der Circus dicht gefüllt. Made moiselle Melanie sollte in einer neuen Rolle austreten, und zwar als Hoch lands-Schütze auf ungefatteltem Pferde. Sie sah in ihrer malerischen Tracht ver führerisch aus, und berauscht durch den enthusiastischen Beifall ihrer Bewunde rer, trieb sie ihr Pferd mehr als noth wendig an. Dies wurde unruhig, versagte und, mit einem heftigen Ger tenfchlag über die Nüstern angetrieben, bäumte es sich, sprang zur Seite und warf feine Reiterin unmittelbar vor dem Platze ab. den der Baron eingenommen hatte. Dieser sah nicht sobald sein« Schöne fallen, als er mit einem Sprung über die Brüstung setzte, um sie vom Boden auszuheben, und zwar ehe noch der dienstthuende Stallmeister. Mon sieur Isidore, Zeit gehabt hatte, herbei zueilen. Das Mädchen war bewußtlos, und der Baron hielt die leblos scheinend! Gestalt fassungslos in seinen Armen. Der Clown trat mit brüsker Geberde an den Baron heran und forderte ihn barsch aus, sich zurückzuziehen, indem er gleichzeitig bestrebt war, die Ohn mächtige aus de» Häiidcn ihres Anbe ters zu bcsrcien. Dieser schoß wüthend! Blicke auf den Possenreißer und entgeg nete: „Ich werde für das Mädchen Sorge tragen." „Den Teufel werden Sie, Herr." rief dieser, „auf der Stelle gehen Sie, oder —" Inzwischen hatte sich die Manegedicht mit Zuschauer» und Kunstreitern ge füllt, welche theils ans Neugierde, theils aus Theilnahme die Verunglückte um standen. Dem Clown dauerte die Ent wickelung der Sache aber viel zu lange, mit einem Griffe seiner rechten Hand, die wie eine eiserne Kralle den Arm des BaronS umspannte, zwang er. diesen, seine Beute los zu lassen, und während derselbe, tödtliche Wuth im Herzen, den neugierigen Blicken und spöttischen Be merkungen der zahlreichen Umstehenden preisgegeben war. entfernte sich Mon sieur Isidore, gefolgt von den meisten seiner Collcgcn, mit der noch immer Ohnmächtigen, die er, als wäre sie nicht schwerer als ein dreijähriges Kind, in seinen Armen davontrug. Jetzt war auch der Director hinzugekommen, er bewirkte die schleunige Räumung der Arena und verkündete, gleichviel, ob wahr oder unwahr, dem Publikum, daß Mademoiselle Melanie sich sehr bald von ihrem Ileinen Unfall erholt haben und jedenfalls im Stande sein werde, am nächsten Abend wieder aufzutreten und für die gütige Theilnahme des kunstsinnigen Publikum» persönlich ihren Dank abzustatten. Die Vorstellung nahm ihren Fort gang. Die drei Clowns, Monsieur Isidore an der Spitze, stürzten wie Wahnsinnige in den EircuS und such ten durch die tollsten Possen und ver wegensten Sprünge den unangenehmen Eindruck des eben stattgehabten Unfalls wieder zu verwischen. ES gelang ihnen vollkommen. Der Baron hatte sich entfernt, nicht ohne erst durch lange Reihen neugieriger und spöttischer Blicke Spießruthen laufen zu müssen. Was er auf diesem Wege überdies zu hören bekam, machte ihn abwechselnd erblassen und erröthen. So langte er vor dem Hanse an, aber er konnte sich nicht entschließen, zu ge hen. Er drückte sich gegen einen dunk len Vorsprung der Mauer und wartete. Von drinnen traf der grelle Klang der Musik sein Ohr, dazwischen erscholl das Beifallsgewieher der SonntagS-Galle rie, mitunter vernahm er auch die ver haßte Stimme des Clowns, der in sei nem Kauderwälsch oon Französisch und Deutsch allerlei tolle Späße zum Besten gab. Ihm war unaussprechlich öde und wüst zu Muthe. Liebe und Eifersucht, Scham und Rachbegierde, Schmerz und Widerwille zerrissen sein Herz auf tau sendfache Weise. Mitunter war es, als ob eine innere Stimme ihm zurief: Flieh' auf Nimmerwiederkehr, oder Du wirst unsäglich elend! Dann sah er wieder die liebreizende Gestalt des Mäd chens bewußtlos vor sich liegen, das so lebensprühende Auge geschlossen, die ro sigen Lippen erblaßt, und jede andere Regung seines Innern trat vor der des schmerzlichsten Mitgefühls, der heißen Sehnsucht zurück. Er fühlte es unwill kürlich, daß er einem Verhängniß ver fallen war, und die tiefen Athemzüge, die sich seiner beklommenen Brust ent rangen, glichen dem Stöhnen eines Schlafenden, der von schwerem Alp drücken geängstigt wird. So stand er geraume Zeit mit klop fendem Herzen, fiebernden Schläfen, als ein Junge aus dem Reitstall an ihm vorbeikam. Er rief ihn zu sich und gab ihm einen Thaler, damit er dem Arzt, der zu der Verunglückten ge rufen worden war, sage, es wünsche Jemand dringend, ihn auf einen Au genblick zu sprechen. Nach einer angst vollen Pause kam der Arzt, nicht eben etwa zum Besten gelaunt. Als er je doch den Baron, welchem er in Gesell schaften begegnet war, erkannt hatte, gab er diesem auf seine hastigen Fragen bereitwillig Auskunft. Die Beschädi gung war, wenn auch keine lebensge fährliche, doch jedenfalls eine schwere, die eine lange und sorgfältige Behand lung nothwendig machen werde. Der rechte Unterschenkel sei gebrochen, und es frage sich, ob die Art der stattgehabten Verletzung die Rückkehr zu der bisheri gen Laufbahn jemals wieder zulassen werde. „Und Sie selbst, Herr Baron", setzte der Arzt hinzu, indem er sich mit diesem entfernte, „bedürsen Sie in irgend einer Art meines Beistandes? Sie sind augen scheinlich sehr affizirt, und ich möchte dringend rathen, sich vor ferneren Alto rationen zu bewahren." „Durchaus nicht, durchaus nicht", versetzte dieser bastig. ich besinde mich volllvmmen wohl, ich habe mich nie mals besser befunden." Er lehnte jedes weitere Anerbieten des Arztes höflich aber bestimmt ctb, ließ sich aber, von ihm das bündige Versprechen geben, der Kranken 'die emsigste Sorgfalt zu widmen, indem er ihn in nicht zu mißdeutender Weise seiner vollen Erkenntlichkeit im Voraus versicherte. Dann kehrte er wieder zu seinem Standorte zurück, wartete, bis die Parforce-Rciterin, oder wie wir sie lieber bei ihrem wirklichen Namen nen nen wollen, „Mademoiselle Clementine Schirrmeistcr", das Haus verließ, um diese, deren Gutherzigkeit er ebenso wie ihre Anhänglichkeit an Melanie kannte, mit Fragen zu bestürmen. „Vor allen Dnigen," erwiderte diese, !,beschwöre ich Sie, sich sofort zu ent fernen; ich verspreche Ihnen, unausge setzt bei der Kranken zu bleiben und Ihnen, so oft Sie es wünschen, Nach richt z» geben. Jetzt muß sie aber auf einer Bahre in meine Wohnung ge schafft werden, die Collegen werden sie tragen,—wenn Isidore Sie hier sieht, so gibt es einen neuen Skandal—" „Und Sie muthen mir wirklich zu, vor diesem Hallnnken das Feld zu räu men?" knirschte der Baron. „Nehmen Sie mir's nicht übel," ent gegnete die Kunstreiterin mit Lebhaf tigkeit, „wenn ich Ihnen offen sage, daß Sie sehr thöricht handeln. Wenn Sie bleiben, so gibt es Mord und Todt schlag. Er hat gräßliche Trohungen gegen Sie ausgestoßen. Sie sinv im offenbaren Nachtheile ihm gegenüber er kann Ihnen cine tödtliche Beschim schung zufügen. Dem Baron stieg die Purpurgluth der Scham in die Wangen. „Es ist gut," sprach er, „ich gehe. Aber ver sprechen Sie mir, daß Sie ihn nicht bei sich dulden." „Er hat nichts bei mir zu suchen und wird mich in Frieden lassen. Aber gehen Sie—gehen Sie." „Ich gehe. Grüßen Sie Melanie und sagen Sie ihr —" ..Ich weiß—ich weiß —" Sie mußte ihn fast mit Gewalt sort orängen : endlich ging er. (Fortsetzung folgt.) Ach so! Passant (zum Ge schäftsinhaber): Lieber Lehmann, ich lese da an Ihrem Schaufenster: !lüer spricht denn bei englisch und französisch, vielleicht Ihr Lehrtu'.'g? Lehmann: Weder ich, noch mein Lehrling, sondern die Fremden, welche die Inschriften lesen und dann herein kommen. Auf Umwegen. Sie wollen Ihre Haushälterin herrschen? Ja. damit ich wieder zu den-Sachen komme, die sie mir Jahr« lang bei Stite schaffte. „«aiser und «Sntge bei Tische" betitelt K. Lassen eine Zusammenstel lung in den „M. N. N.", aus der wir hier Folgendes wiedergeben : Ein den Tafelgenossen übermäßig huldigender Regent war Kaiser Karl V. Ein Augenzeuge berichtet : Der um 12 Uhr gedeckte Mittagstisch bestand in der Regel aus zwanzig Gängen; außerdem aß Karl zwei Mal zu Nacht, erst ein sogenanntes Vesperbrot und gegen Mit ternacht die Hauptmahlzeit, jedes Mal mit viel Fleisch, Pasteten und Zucker werk, wozu er Bier oder Wein, auch Beides, ebenfalls sehr reichlich trank. Der gekrönte Blaubart Heinrich VIII. von England war ein unmenschlicher Fresser. Der sittenlose Stuart Karl 11. übernahm sich so lange in ambra gewürzten Eiern, bis er daran stark. Auch Wilhelm von Oranien, der Be gründer des modernen parlamentari schen Regierungssystems in England, besaß einen riesigen Appetit. Ein Muster von Mäßigkeit in jeder Beziehung dagegen war der tapfer« König Karl XII. von Schweden, der nie geistige Getränke an feine Lippen brachte und dem frisches Brot mit But ter als besondere Delikatesse galt. Eine fast krankhaft zu nennende Eßlust leg ten fast alle Bourbonen an den Tag. Bon Ludwig XIV. berichtet feine Schwägerin, die Prinzessin von Pfalz- Zweibrücken: „Ich habe wiederholt ge sehen. daß bei einer einzigen Mahlzeit der Kökiig vier volle Teller verschiedener Suppen, einen ganzen Fasan, ein Feldhuhn, einen großen Teller Salat, zwei große Schnitte Schinken, Hammel mit Brühe uud KnoblÄich, einen Teller Gebäck und dann noch Früchte und harte Eier zu sich nahm." Der Appetit Ludwigs XV. gab dem Ludwigs XIV. nicht nach, und der unglückliche Ludwig XVI., der für die Sünden seiner Ahnen büßen mußte, hatte auch ihren gewaltigen Appetit geerbt. Ludwig XVIII. stand Nachts ans, um zu essen, und auch Ludwig Philipp von Orleans „schlug eine gute Klinge". Napoleon I. war dagegen äußerst mäßig im Essen: sein Lieblingsgetränk war starker schwarzer Kaffee, seine Mahlzeiten pflegte er höchst unregelmäßig Anzuneh men, so daß sein Koch stets eine Kote 'ette oder ein gebratenes Huhn für ihn bereit halten mußte. Von den Hohenzollern üble Friedrich Wilhelm I. dieselbe Sparsamkeit wie im Staatshaushalt auch im Privatle ben aus. Ueber seine Tafel berichtet Freiherr von Seckendorf: „Essen thut der König stark, aber lauter simpliei.-» und seine Tafel kostet täglich nicht mehr als sieben Thaler. wovon wenigstens 24 Personen, nachher die Hofdamen, nachher die Pagen, so die Aufwartung haben, und die Lakaien essen; das Des sert aber wird Alles geplündert. Bei der Tafel selbst, wenn was ist, was dem König ansteht, so läßt er eS ausheben. Die Speisen sind sehr u»i; so losten sie nicht viel. Die arme Königin uiw die Prinzessinnen sind zu beklagen, die öfters keinen Bissen eßbares haben nach ihrem Gusto." Friedrich der Große, sonst so skeng gegen sich selbst, hatte in Bezug auf Essen nnd Trin'en seine Schlichen und beschleunigte seinen Tod durch Un gehorsam gegen die Aerzte, welche ihm cine leichter verdauliche Kost vorschrie ben. Er war ein großer Liebhaber von starkem Kaffee, und seine Liebliugs sveise waren sette Pasteten, Polenta nnd Kuchen ans gerösteter, gemahlener Gerste. Er genoß noch in hohem Alter von jedem der durchweg stark ge gewürzten Gänge bei Tische ziemlich reichlich, und noch kurz vor seinem Tode verwunderte sich sein Gast darüber, als er den König eine brenm-nd heiße Aal- Pastete mit wahrem Heißhunger ver zehren sah. TchreckUchtö Komplott. Zarina: Aler, bittet nicht; aber ich kann es Dir nicht verschweigen. Eine Verschwörung gegen uns Beide bereitet sich hier im Schoße unseres Pa lastes vor Zar (nachlässig): Ach, geh' doch? Die Geschichten sangen an, mich nach gerade zu emiüyiren! Zarina: Aber dies ist von allen Ver schwörungen die aUerschändlichste, die mir je vorgekommen ist! Zar: Nun, was kann es denn sein? Zariua (in aufgeregtem Flüsterton): Denk' nur, der Oberkoch hat gekün digt! Kleiner Wink. Alter Herr (zur Balletteuse): Ich liebe Sie, bete Sie an Ihre eisige Kälte aber ver letzt mich! Haben Sie denn ein Herz von Stein? Balletteuse: Allerdings! Haben Sie aber nie davon gehört, daß Diamanten die härtesten Steine durch schneiden? Herbes Urtheil. Weinrei sender: Nun, wie gefällt Ihnen mein Nierensteiner? Keuner: Ich fürchte, er entspricht feinem Namen, — man be kommt Nierensteine, wenn man viel von ihm trinkt! Bestrafte Uebertrei bung. Haben Sie wohl ein paar Miliulen Zeit für mich, Herr Doctor? Zeit? Für Sie, mein gnädiges Fräulein? O, ein ganzes Menschenle ben! Hm, das meinte ich eben nicht, aber sprechen Sie mit meiner Mutter! Die Gedanken der Men schen sind Funken. Die meisten ver löschen im Dunkel der Zeit, nur weni gen gelingt, ein Helles Feuer zu eilt» iünden. 3
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