Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 17, 1892, Page 6, Image 6

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    6 Um Pfingsten.
Wieder einmal hatte sich das Wunder
vollzogen, das sich alljährlich wieder
iolt und uns doch immer wie etwas
Unerwartetes, in gleicher Pracht nie
Dagewesenes überrascht. Baum und
Busch prangten mit Blüthen und zar
tem Laub, die Rasenflächen im Part
leuchteten im saftigsten, jungen Grün,
die Rosen dufteten, jedes Büschel Un
kraut sah wie etwas ganz Kostbares
ius, jede Butterblume glänzte wie ein
goldener Tropien, sörmlich übermüthig
schallten von Nah und Fern die Vogel
itin'.men.
Mein Herz thu' dich auf, daß di»
Sonn' hinein scheint.
Du hast jetzt genug lang geklagt und
geweint.
Fass' wiederum Muth,
Du jungsrisches Blut,
Mein Herz thu' dich auf, denn die
Sonne meint's gut.
Eine junge Dame in abgetraaener
Traucikleidung, die auf einer Bank im
Parke saß, las diese Verse aus einem
ziemlich abgegriffenen Büchlein. „Jung
sriedel, der Spielnkinn", von August
Becker, stand aus dem Titelblatt, und
auf der letzten Seite konnte man von
der schönsten Schillmeisterhand geschrie
ben lesen: „Seiner lieben Schülerin
Helene Burkard zu freundlicher Erinne
rung, Leopold Tannheim."
Das Mädchen in Trauer war auf
fallend schön. Kein Spaziergänger
kam an ihr vorüber, ohne sie bewun
dernd anzusehen, sie aber schlug die
Augen nicht, auf; in dem allen Büch
lein blätternd, waren ihre Blicke auf
die Widmung gefallen und hafteten
nun wehmüthig auf den geschriebenen
Worten.
Und so entging es-ihr, daß ein lan
ger hagerer Mensch, der vorgebeugt
ging und die rechte Schulter höher trug
als die linke, wie Einer, der viel zu
schreiben gewöhnt ist, der eine Brille
vor den kurzsichtigsten und wohlwollend
sten Augen vdn der Welt hatte, und
dessen Haar und Bart sehnsüchtig nach
der Scheere eines Barbiers verlangten,
bei ihrem Anblick wie in ungläubigem
Erstaune» stehen blieb, zögernd vor
überging, als mißtraute er seinen Au
geu. umkehrte, wieder vorbeischritt, den
Hals zurückgedreht, seine Brillengläser
förmlich aus dem jungen Mädchen fest
heftend, so daß aus einer Schaar jun
ger Männer, die den sonderbaren Ge
sellen vorhin sehr höflich gegrüßt, der
Ruf erschallte: „Der Himmel fällt ein,
Dannheiin vom Columbia-College wird
ein Don Juan."
Zuletzt schienen seine Zweifel über
wunden zu sein. Mit ausgestreckter
Hand blieb er vor der Lesenden stehen.
„Helene, Fräulein Helene, sind Sie
es wirklich? Was im Namen aller
guten Geister führt Sie nach New
Aork? Und wie geht es Ihnen,...?"
ein Blick aus ihre Trauerkleidung ließ
ihn die Frage nach ihren Eltern unter
drücken.
Bei seinem Anblick war eine freudige
Nöthe der Ueberraschung über ihr Gesicht
geflogen, jetzt füllten sich ihre Augen
mit Thränen.
„Meine Eltern sind beide todt," sprach
sie. „Wußten Sie nichts von all' den
Schicksalsschlägen, die wie ein Hagel
schauer über unser einst so glückliches
Haus niedersielen?"
Er schüttelte den Kops. Zu dem in
seine Wissenschaft vertieften Altcrthums
forfcher, der als unbekannter Privatleh
rer vor etwa sechs Jahrm in New Bork
gelandet war und sich in dieser kurzen
Spanne Zeit einen hochangesehenen
Namen in der.Gelehrtenwelt und eine
Professur an der "vornehmsten Lehran
stalt des Staates erobert hatte, drangen
nur spärliche Nachrichten aus dem be
schrankten Kreise, in welchem der ver
waiste Schullehrersfohn lernend und
lehrend seine Jugend verbracht. Er
halte davon gehört, daß der größte
Fabriksher seiner Heimathsstadt durch
den Leichtsinn seines Sohnez (der ein
verdorbener Taugenichts schon zu der
Zeit gewesen, als ihm Dannheim, da
mals selbst »och ein blutjunges Bürsch
lein, als „Korrepetitor" seine Aufgaben
eingepaukt,) sein Vermögen eingebüßt.
Aber jetzt ersuhr er, daß der alte
Burkard den Zusammenbruch seines
Hauses nicht lange zu überleben ver
mocht und daß ihm seine Frau, gebro
chen vor Gram über die Lebensweise des
stets von ihr bevorzugten Sohnes, bald
nachgestorbeii sei. Merkwürdig wäre»,
daß der Professor trotz seiner Unlennt
niß der Verhältnisse die junge Dame
sogleich mit Fräulein Helene angespro
chen.
War es, weil sie so mädchenhaft aus
sah, »der weil ihm jetzt nach sechs Jah
ren der Gedanke, sie vermählt zu wissen,
noch immer unfaßbar und unerträglich
erschien. Als er die Heimath verließ,
hatte sich seine ehemalige Schülerin, die
zu dem schönsten und gefeiertesten Mäd
cken der Stadt herangeblüht war, mit
einem jungen Assessor, dem besten Tän
zer und gewandtesten GesellschastSmen
schen landaus und -ad verlobt. Und
ineyr als vie engen Verhältnisse daheim,
mehr als die geringe Aussicht, sich eine
Stellung zu erringen, hat ihn diese
Verlobung aus der Heimath getrieben.
Vr liebte Helene, aber es war eine so
große und liefe Liebe, so selbstlos und
bescheiden, daß er kaum etwas für sich
gefordert, daß er sich still zurückgezogen
hätte, wenn sie einem würdigen Bewer
der die Hand gereicht hätte.
Aber ihm war manche dunkle Seite
im Charalter ihres Bräutigams be
kannt geworden, er wußte, daß der
hohle herzlose Geselle das Mädchen un
glücklich machen werde, und in seiner
tiefen Sorge um sie. hatte er zu war
nen, ihr diese Verbindung zu widerra
the» gesucht. Mit welchem Erfolg, läßt
.sich denken.
Eine vollständige Entzweiung zwi
schen ihm und der Familie Burkard
fand stall, de! Assessor, dem Dannheims
..Intrigue" gegen ihn bekannt gewor
den, machte ihn zum Stichblatt seiner
verletzenden Witze, in der ganzen Stadt
wurde gegen ihn gehetzt, die armselige
Lehrerstelle am Gymnasium, die er pro
visorisch bekleidete, wurde ihm verleidet.
So schied er aus der Stadt und wan
derte aus.
Helene unterbrach sich Plötzlich in
dem Bericht über den Tod ihrer Eltern,
das Verschwinden ihres Bruders, »der
sich nach Süd-Amerika gewandt haben
sollte, den vollständigen Verlust ihres
Vermögens, die Erinnerung an die
Art und Weise, wie Leopolds Freund
schaftsdienst belohnt, dessen Werth
spätere Erlebnisie ihr nur zu deutlich
gemacht, war in ihr aufgetaucht. Ver
wirrt sprach sie:
„Ich erzähle Ihnen alle diese trübse
ligen Begebenheiten, ohne zu bedenken,
daß Sie sich schwerlich viel Interesse
für die alten kleinlichen Verhältnisse
bewahrt haben können."
„Glauben Sie das wirklich, Helene?"
sagte er und sah sie mit seinen ehrlichen
Augen vorwurfsvoll an.
„Es wäre nur zu begreiflich, zu ver
zeihlich," sprach sie traurig, „ich an
Ihrer Stelle hätte auch die Erinnerung
an die alte trübselige Zeit hinter mich
geschleudert, um nie wieder einen Blick
nach ihr zurückzuwerfen."
„Sie an meiner Stelle würden ebenso
wie ich in lebhaftester Spannung jedem
Wort lauschen, das Ihnen unvergeß
liche Tage zurückruft, und nicht genug
hören können, wäre der Bericht auch,
was aber leider nicht ist, so lang und
ausführlich wie die Akten des weiland
deutschen Reichskammergerichts: Ich
kann mir nur meine Frage beantwor
ten. was Sie nach New Nork geführt.
Sie wollten selbst den Kampf um's Da
sein auSsechten, sich einen selbstständigen
Wirkungskreis schaffen, und zogen es
vor, dies im neuen Land statt unter
den mitleidigen und neugierigen Augen
Ihrer und meiner geschätzten Mitbür
gerinnen zu thun. Ich finde dies sehr
löblich, habe aber von Ihnen nichts an
deres erwartet. Nun aber quält mich
die Unwissenheit in einer anderen Rich
tung; verzeihen Sie dem alten Freunde,
so darf ich mich doch nennen? die
scheinbar rücksichtslose Frage, über die
Siebisher kcin Licht zu verbreiten sür gut
befunden. Wie ist Ihr tapferer Plan
in der Ausführung beschaffen? Was
thun nnd treiben Sie in New Aork, wel
ches ist Ihr Berns?"
Sie erröthete und senkte in einer Ver
legenheit den Kopf, die einem minder
beschäftigten Beobachter (beschäftigt,
sich jeden Zug und jede Miene des ent
zückenden Gesichts von Neuem einzu
prägen) hätte auffallen müssen.
„Ich suchte mich mit Gesangsunter
richt durchzuschlagen" sprach sie unsicher.
Voll Theilnahme sah er sie an. Er
wußte, was es hieß, ohne Freunde,
ohne Empfehlungen in der ungesunden
wildfremden Stadt gegen eine gewaltige
Armee von Mitbewerbern Lectionen zu
suchen. Er hatte es durchgemacht und
ihm, dem Manne, wären bald die
Schwingen dabei geknickt worden.
„Es war ein großes Unrecht, daß
Sie sich nicht an mich gewendet. Mein
Einfluß ist vielleicht nicht sehr groß,
aber ich hätte Ihnen behülflich sein'kön
nen; und welche Freude mir dies ge
währt, brauche ich Ihnen wohl nicht zu
schildern".
Sie schüttelte stumm den Kopf. Ihn
hätte sie von allen Menschen zuletzt um
Beistand angehen können. Ihn, dessen
Liebe sie mit Füßen getreten, um sich
mit einem herzlosen Egoisten zu verlo
ben.
Sie sprach ihren Gedanken nicht
aus.
Nur daß sie das Recht auf einen
zweiten Freundschaftsdienst verwirkte,
als sie den ersten so schnöde.zurückwies.
Der Zusammenbruch ihres Vermögens
hatte, wie sie hinzufügte, bewirkt, was
ihm mit seiner treuen Warnung miß
glückt war. Ihr Ton klang bitter, und
so entschlüpfte ihm die Frage:
„Hat die Trennung von Werner
Steinbruch Si» so tief gekränkt?"
„Nein," sagte sie, „es war eine Er
lösung. Ihre Worte hafteten doch tie
fer, als Sie und ich gedacht, sie schärf
ten mir die Augen, bald erkannte ich
die bodenlose Selbstsucht, an die ich
mich in kindlicher Verblendung gefes
selt hatte. Aber ich war ein thörichtes
Mädchen, ich fürchtete das Aufsehen,
das Gerede, und hätte der Zusammen
bruch unseres Vermögens dem Herrn
Assessor den Rücktritt nicht selbst wün
schenswerth gemacht, dann wäre ich
mit sehenden Augen in mein Elend
gerannt."
Plötzlich brach sie ab und erhob sich:
„Es wird spät, ich muß nach Hause.
Es hat mich von Herzen gefreut, Ihnen
begegnet zu sein, Professor, leben Sie
wohl!"
Eilfertig wollte sie Abschied nehmen,
aber er war doch nicht mehr so ganz
der linkische schüchterne Schulmeister
von ehemals.
„O. so leichl schütteln Sie mich nicht
ab, Helene. Wenn Sie mir nicht er
lauben wollen, neben Ihnen herzu
gehen, dann hefte ich mich als Detectiv
an Ihre Fersen, um Straße und
Haus, die Sie beherbergen, auszu
lundschasten."
„Sie werden wenig Erfreuliches ent
decken, ich warne Me!" rief das Mäd
chen in ausbrechender Bitterkeit. „Eine
ärmliche Straße, zu beiden Seiten ein
gefaßt von verwahrlosten, von Men
schen wimmelnden Zinshäusern, im
obersten Stockwerk des einen ein kleines,
cinsenstrigeS Kämmerchen, angefüllt
mit Flitterkram und Notenblättern,
zas Stübchen einer Komödiantin, die
Abends in Gesellschaft von etlichen
Lutzend geschmintten Gefährtinnen
blödsinnige Operettenchöre singen wird.
Morgen trete ich zum ersten Male aus,
heute feiere ich hier im Part meinen
Abschied vom Privatleben."
Er wurde blaß: endlich murmelte er:
„Das dürfen Sie nicht, das sollen
Sie nicht. Helene."
„Erschreckt Sie meine vielverspre
chende Laufbahn so sehr? Sie sind
vorurtheilsvoll, Professor. Sehen Sie.
wie recht ich hatte, daß ich Sie nicht mit
mir gehm lassen wollte?"
Statt jeder Antwort legte er ihren
Arm in seinen und wandte sich mit ihr
zum Gehen.
Weniger schroff, als bisher, sprach sie
weiter:
„Ich kann nicht behaupten, daß ich
von einer unwiderstehlichen Leidenschaft
sür die Bühne befallen worden bin; im
Gegentheil, aber ich habe einige Abnei
gung gegen das Verhungern, und die
verschwindend geringe Anzahl von Schü
lerinnen, vie von meinen Gesangskennt
nissen Nutzen ziehen, verstreuen sich im
Sommer in'S Land hinaus. Da bleibt
mir kaum etwas anderes übrig, als dem
Rath und Beispiel einer Stubenachba
rin zu folgen, die im Chor des „Kasino"
singt.
Sie waren in «in dichtes Gehölz ge
treten; die Sonne sandte goldene Kreis«
durch das junge Laub, die Vög«l schmet
terten eine Jubelsymphonie. Dannheim
faßte ihre beiden Hände.
„Helene, das Leben, dem Sie entge
gengehen, wäre eine Hölle für Sie. Ich
bin ein ungeschickter Gesell; vermuthlich
wäre es schlauer, wenn ich einen anderen
Zeitpunkt wählte, für das,was ich Ihnen
zu sagen habe; aber ich kann nicht län
ger schweigen. Sie wissen, was Sie mir
sind und immer sein werden. Helene,
retten Sie sich zu mir, in mein stilles
Haus; werden Sie mein Weib."
„Wollen Sie mich aus Mitleid
freien?" fragte sie und lächelte traurig.
„Aus Mitleid." Als ob Sie nichl
wüßten, daß nicht nur um mich, sondern
auch in mir bei Ihrem Anblick Pfingsten
geworden, die Jugend zurückgekehrt ist,
die Sonne wärmer scheint, die Vögel
lauter singen, die Blumen stärker duf
ten. So stark ist der Frühling und das
Glück in mir, daß ich nicht verzage, daß
ich zuversichtlich hoffe. Du werdest dem
langweiligen Burschen vor Dir einmal
herzlich zugethan sein, Helene."
Sie war es schon längst, war es be
reits, als schwere Schicksalsschläge das
verwöhnte, gedankenlose Kind des Wücks
trafen und sie über den Werth des
Ehrenmannes aufklärten, dessen Liebe
sie einst verschmäht hatte. Und war sie
auch zu bewegt, um dies auszusprechen,
so stand eS doch deutlich in ihren seucht
schimme/nden Augen zu lesen. Da hat
denn der Professor mitten in all' der
Pfingstherrlichkeit auf einem, zum Glück
menschenleeren, Parkpfade zum ersten
male seine Braut an'S Herz gedrückt.
P. H an n.
U' kloan'S Hinderniß.
Der Bada is a' g'scheidta Mo',
Der Mensch und Vieh kuriren ko';
In Allem is er bei der Hand,
Und bringt aa' oft a' Heirath z' Stand'.
A' halbe Stund' lang sitzt er g'wiß
Scho' bei der Bäu'rin von der Riß;
Die hat erst ihren Mann verlor'n
Vor vierzehn Tag' is s' Wittwe wor'n.
Er wüßt' ihr Ein'n, der sie gern möcht'
Sei Sach' war schö', sei Hof nit schlecht.
Er hält'.im Stall a' zehn, zwölf Küh',
Des waar' h?lt a' Parthie filr sie.
Die Bäu'rin horcht an' Bada zu.
Wie er so redt' von Kalb und Kuh',
Von Feld und Wiesen, Haus und
Wald -
Der Bada sichi scho', wie'Z ihr g'sallt.
Und wie er endli' ernsthast fragt,
Ob s' „Ja" zu dera Heirath sagt,
Da inoant die Bäu'rin von der Riß,
Die Sach' hätt' a' kloan's Hinderniß.
A' Hinderniß? Und*waS für oan's?"
»»Ja"", sagt die Bäu'rin, „„oan's und
koan'S;
I' hab' mi', woaßt, die vori' Woch'n
Halt mit an' Ander'n scho' ver
fproch'n!""
Bestrafte Reugier.
Gast (zu seinem eifrig die Zeitung
stusirenden Nachbar): Ei Herrcheses,
mei kutesteS Herreche, nähme Se 's doch
nicht für ungut, aber das ist Se doch
mal e scharmantes Thierche! Is denn
das wunderschöne Hundche Ihne, mei
Kutester?
Zeitungslefer: Pluto! zeige dich!
Grund genug. Weshalb
spricht der Müller mit Ihnen nicht?
Der ist aus mich böse. Weshalb
denn? Nun, ich hab' ihm 'mal 50
Mark geborgt, und die hat er mir noch
nicht wiedergeben können.
Das große LooSin der
Liebe ist die Freundschaft.
Frauenrecht«.
Obwohl ich von Natur kein Hasen
herz bin! zittere ich doch vor Deinem
Groll, theure Marie, und vor den Fol
gen, welche die Indiskretion meiner
seits aus unsere Freundschaft haben
wird, indem ich der Welt ein kleines
Erlebniß übergebe, welches in Deinem
Leben schwarz angestrichen ist.
Fast niemals haben sie sich mit ein
ander gezankt oder auch nur ernstlich
mit einander geschmollt, sie war zu
phlegmatisch, er zu verniinftig dazu.
So hatten die Hammelbachs sechzehn
Jahre in glücklicher Harmonie zusam
men gelebt, was nicht bei allen Ehen
der Fall sein soll, wie ja zweifellos dem
Leser bekannt sein wird, wenn auch, so
hoffe und wünsche ich, nicht aus eigener
Erfahrung, so doch vom „Hörensagen".
Aber das kümmert uns weiter nichts,
wir haben uns nur mit dem'glücklichen
Familienleben unseres Freundes Ham
melbach zu beschäftigen. Mr. Hammel
bach war ein gut situirter Bürger und
Hausbesitzer der zehnten Ward New
Bork'iiatürlich. Er erfüllte seine Pflich
ten als amerikanischer Bürger, indem
er seine Stimme an der Wahlurne der
Partei gab, welche Hm für das Wohl
des Landes am zulräglichste» erschien,
als Deutsch-Amerikaner aber hielt er sich
verpflichtet, mehreren renommirten Ver
einen anzugehören und aus diese zcitge
mäße nnd recht angenehme Art, für das
„Teutschthum" im Lande zu wirken.
Wir wollen nur gleich gestehen, deß
un>er Freund ein wenig ehrgeizig ip
und sehr stolz, wenn sein Name in den
Zeitungsberichten im „VergnügungS-
Comite" glänzt kurz, Mr. Hammel
bach ist ein Mann, der nichtSaus Erden
verschmäht, was anderen Leuten auch
mundet. Er freut sich, wenn dii
Sonne scheint, ist zufrieden mit dem
Wind, kümmert sich wenig um den
Regen, machet jeden Scherz mit. lach!
über jede Anekdote aus vollem Halse.
Doch hat er mehr Bildung unl
Schärfe des Urtheils, als er anfangs
verräth: genug, Fred Hammelbach ist
ein Mann wie jeder Vereins-, Schützen-
oder Sängerbruder es sein sollte.
Als Gatte nnd Vater zweier wohlge
rathener Kinder steht Mr. Hammelbach
einfach großartig da. Keine Frau
kann sich rühmen, größere, in allen
Farben funkelnde Diamanten - Ohr
ringe zu besitzen, als Mrs. Hammel
bach sie präsentirte. Böse Zungen be
haupten, sie lege dieselben selbst Nachts
nicht ab; aber wie gesagt, es gibt bos
hafte. neidische Menschen.
Nun, Gott sei Dank, man hatte es
ja und Fred war gewiß kein Knau
ser das bewiesen die Summen, die
er für die Erziehung seiner Sprößling«
verwendete. Eddie, die zwölfjährige,
hatte für diese Generosität seines
„Alten" freilich nicht das geringste Ver
ständniß; er pfiff auf den gelehrten
„Krimskrams" und erklärte zu seiner
Mama großein Verdruß rund heraus,
sie möge den Gedanken, ihn als „Herrn
Doktor" in Ehren und Ansehen zu
sehen, nur aufgeben. Das fehlte noch
die schönste Zeit seinks Lebens, die
vielgerühmten „Flegeljahre", über den
Büchern zu hocken, o nein, Eddie ist ein
viel zu kluger Junge, hat er dies doch
schon dadurch bewiesen, daß er sich
Eltern aussuchte, „welche etwas vor
sich gebracht hatten".
Ganz das Gegentheil des wilden,
vorlauten Jungen war Anna, die fünf
zehnjährige Tochter. Es ist ein zier
liches, schlankes Mädchen, mit Augen,
die das Blau des Himmels beschämen
und dem fcldenreichsten kastanienbrau
nen Haar, das jemals zu Zöpzen ge
flochten wurde. Anna war der Liebling
und der Stolz der Eltern, und sie ver
diente diese Liebe. Nicht allein, daß sie
in der Schule mit Auszeichnung lernte
und ihre Lection am Klavier tadellos
abspielte, sie war auch, ungeachtet ihrer
Jugend, der Mutter eine Stütze in
Küche und Haus.
Es war im Hammelbach'fchen Hause
eine kleine Wohnung leer geworden,
welche von einer Wittwe bezogen wurde,
mit Namen Schneuyerlich! Welch' ein
vertrackter Name; kann aber ich dafür,
daß sich diese Dame ohne Weiteres als
„Malvine v. Schneuyerlich" einführte?
Obgleich ich nie viel Anlage zum Laub
frosch gehabt habe, schien mir diese
v. Schneuyerlich doch gleich unheimlich
und ich prophezeite: Paßt auf, eS gibt
was! Und, parol« cl'koliiisur, es gab
auch -etwas, nämlich Aerger und
Verdruß!
Die v. Schneuyerlich also ist lang,
spitznasig, hol' sie der Kuckuck sie
verdirbt mir den Humor!
Ta diese v. Schneuyerlich aber eine
Rolle in meiner kleinen und wahren
Geschichte spielt, muß ich mich wohl
.oder übel mit ihr abfinden. Wie es
die schreckliche Person fertig gebracht
hat, sich so schnell in das Vertrauen
der Mrs. Hammelbach einzuschmeicheln,
daß diese praktische Frau sich ganz von
der bösen Sieben beherrschen ließ, ver
mag ich nicht zu sagen. Thatsache ist.
daß Mrs. Hammelbach und die von
Schneuyerlich sehr intime Freudinnen
wurden.
Die v. Schneuyerlich hatte neben all'
ihren vielen Tugenden und Liebens
würdigkeiten auch die, eine eisrige Ver
fechterin der „Frauenemanzipation" zu
sein.
Bis zu diesem Augenblick hatte sich
Mrs. Hammelbach für.eine glückliche,
ja für eine sehr glückliche Frau gehal
ten. Wenn sie an der Seite ihres
„Fred" zu den Pienics und Sominer
iiachtsfesten jener Bereine ging, deren
Mitglied er war, oder ihn-gar in seiner
ganzen Glorie aus Bällen und Concer
ten bewunderte, war sie immer so stolz
gewesen, und so anmuthig, wie eS
immer ihrer kleinen Gestalt möglich
war, neben ihm her geschwenzelt.
Nun denke man sich das starre Er
staunen der kleinen behäbigen Frau,
als ihr MrS. Schneuyerlich auf das
klarste bewies, sie Mrs. Marit
Hammelbach sei eine arme, geknech
tete, um ihre Menschenrechte schnöde be
trogene Frau.
Aber die theuren Diamanten? Der
prachtvolle Sealfkin? die behagliche
Häuslichleit? —Die liebevolle Behand
lung?! Beweist gar nichts! Ist
denn der Harem des Sultans nicht viel
prächtiger geschmückt? Behängt er seine
Favoriten nicht mit dem Kostbarsten,
was es aus Erden gibt? Sind diese
armen Wesen nicht dennoch die bekla
genswerthesten Geschöpfe auf der Welt?
„Aber das ist start!" rief hitr Frau
Marie entrüstet, „ich, die legitime Gat
tin eines Bürgers der Vereinigten
Staaten und so ein faules Ding,
welches den ganzen Tag Kaffee trinkt
und Opium raucht. —Mrs. Schneuyer
lich, noch einmal ein solcher Vergleich,
und mit unserer Freundschaft ist es
vorbei!"
Die von Schneuyerlich warf einen
Blick voll Gift und Galle auf die er
zürnte Frau, welche denselben jedoch
gar nicht bemerkte. Aber, liebe Freun
din, wie können Sie sich nur so ereisern
wir sprachen ja von dem Schicksal
der Frauen im Allgemeinen", erwiderte
sie, ihre Wuth mühsam unterdrückend,
hören Sie mich einmal ruhig an.
Was ist das LooS der Frau? Knecht
schaft ! Still, lassen Sie mich weiter
reden ! Waren Sie nicht in der ganzen
Zeit Ihrer Ehe eine fleißige, sparsame
Frau? Sie kochten—backten—wuschen
—für wen ? Für Ihn, den Gebiet r,
den Herrn ! Währen» er im ar regen
den Treiben des großstädtischen Lebens
feine Erholung außerhalb d:Z Hauses
suchte. Was ist der Dank ? Diaman
ten, seidene Kleider, theure Möbel
nun ja. man wurde wohlhabend und
wollte dies der Welt zeigen. Dies ist
wohl der Hauptgrund solcher Güte.
Aber hat der Herr Gemahl sich je du
Mühe gegeben, seine treue Gesährtin
an seinem geistigen Streben theilneh
men zu lasten. Hat er es versucht,
ihrem Geiste Anregung und Aufmunte
ruiig zu Theil werden zu lassen?
O nein—koche, backe—brate, damit ich
meinen Appetit nach etwas Gutem.
Schmackhaftem stillen'kann.
Solche oder ähnliche Litaneien übter,
allgemach eine betrübende Wirkung aus
Frau Marie, sie wurde mürrisch, lau
nenhaft, gleichgiltig gegen ihren Gat>
ten und ihre Kinder kurz begann
sich unglücklich und unbefriedigt zu
fühlen.
Mr. Hammelbach legte in den ersten
Wochen wenig Gewicht auf das veräu
derte Wesen seiner Ehehälfte nicht
im Traum wäre es ihm eingefallen,
daß seine Marie nach sechszehn
jähriger Ehe. solche Umsturzgedankcn
habe» könne ihm war auf der
Welt nichts schrecklicher als See
krankheit uud ein emanzipirtes Weib.
Als Marie ihm sagte, sie sei Willens,
einer Aufforderung zu folgen und sich an
dem Zustandekommen eines „Damen-
Kegelelubs" zu beteiligen, sagte er
freundlich:
„Aber natürlich Schatz, wenn eS Dir
Freude machte, Kegelschieben ist ja heute
ein belicbtc»Tamensport."
Dies bereitwillige Eingehen auf ihr«
Wünsche machte entschieden einen ver
söhnenden Eindruck auf Frau Marie,
welchen aber die Brandreden der famo
sen v. Scheuyerlich wieder verwischte.
Dieselbe vertraute ihrer lieben »Freun
din unterdem Siegel der Verschwiegen
heit an, daß sie einer altadeligen Fa
milie angehöre und sich in New Jork
nur zu dem Zweck aufhalte, für die
Befreiung der unterdrückten Weiblich
keit zu wirken.
„Ja, meine Theure die Schnui
yerlich sind eine alte holst»inisch
schwäbisch - schweizerische Familie, sie
stammen aus dem 12. Jahrhundert,
Hütte ich nur gleich RüxnerS Turnier
buch zur Hand, würde ich Ihnen schwarz
auf weiß beweisen, daß »in Schneuyer
lich in dem berühmten Turnier bei
Buxtehude unter Wilhelm von derNor
niandie siegte."
Dann übergab MrS. Schneuyerlich
ihrer Freundin ein sorgsam versiegelt
imo verknotetes Packet mit der Bitte,
dasselbe für sie aufzubewahren, da es
Wertpapiere von größter Wichtigkeit
enthalte. All'diese Begebenheiten konn
ten aber nicht ohne Einfluß auf den
häuslichen Comfort deS Hauses Ham
melbach bleiben.
Das Zustandekommen des KegelclubS
kostete viel Zeit und Mühe und brachte
Frau Marie Aerger und Verdruß.
WaS sie am meisten kränkte, war, daß
ihre Bekannten der Mrs. Schneuyerlich
mit offenbarem Mißtrauen begegneten
und sich den WeltverbesserungS-Jdeen
derselben gegenüber kühl und zurückhal
tend verhielten. Einige zuckten di«
Achseln zu dem Geschwätz andere be
kannten lachend, sie seien mit der jetzi
gen Ordnung der Dinge durchaus zu
frieden, und wenn eS da irgendwo in
der Türkei oder ganz hinten in Ruß
land nicht sei, wie eS sein sollte —so
thue ihnen dies herzlich leid, aber
helfen Annten sie eben auch nicht und
hätten nicht Vie geringste Lust, sich ihren
Humor darum zu verderben.
Was für egoistische, herz- und ge
wissenlose Weiber! O, welche Mensch
heit! Ein Glück für die Gesellschaft, daß
eS noch Frauen gibt, welche sich aus
der allgemeinen Versumpfung erheben
nnd den unglücklichen Schwestern zei
gen, daß das Weib nicht geschaffen
wurde, um zwischen Staubbahnen und
Kochtöpfen ihr Leben zu verbringen.
Bei all diesem Wirrwarr ist es für'S
Haus Hammelbach ein Segen, daß sich
klein Anna mit bewundernSiverlher
Energie des Haushaltes annahm. Das
schlanke, blauäugige Kind sorgte dafür,
daß Papa seine gewohnte Bequemlich
keiten ganz vermißte, und sie studirte
mit Eifer die von der Mama jetzt so
stiefmütterlich behandolte Kochkunst.
Dem allein ist es zu danken, daß nicht
täglich Streit und Zank zwischen den
einst so glücklich lebenden Gatten
herrschte.
Man hatte verstimmt und wortkarg
da? Abendessen eingenommen, die
zwanglose, heitere Unterhaltung, welche
sonst bei Tisch geherrscht hatte, war
schon seit Wochen gestört.
„Zum nächsten Sonntag habe ich
einige Freunde zu Tisch gelade».
Marie," sagte Mr. Hammelbach, sich
seine Cigarre ansteckend —„ich möchte
mich bei Mr. Braun und Mr. Suden
rcvanchiren, wir könnten dann noch
Hohenreich mit Familie und Fallbergs
ei»l«den. Es ist lang« her, daß wir
uiisere Freunde bei uns sahen, triff
also Deine Vorbereitungen."
„Ich habe aber keine L)ist. mich ab
zuquälen; es ist viel Arbeit und Mühe,
Du hast sreilich vo» dergleichen keine
Idee, Du setzest Dich an den gedeckten
Tisch und kümmerst Dich wenig darum,
welche Mühe solch ein Tag mir berei
tet."
„Du hast also keine Liest, mir einen
Wunsch zu erfüllen? Willst eine lang
jährige, mir liebgewordene Gewohnheit
abändern, weil es Dir ein wenig Arbeil
macht? Dies ist mehr, als ich zu ertra
gen vermag. Marie, Du thust ja, als
ob ich gar nichts gälte—sprichst mit mir,
als ob ich Dein Untergebener wäre!
Sag', was Du gegen mich hast!"
„Was soll ich denn haben?" antwor
tete Mrs. Hammelbach mit erkünstele
ter Gleichgiltigkeit, „ich will mir iiieii!
Leben nur einrichten, wie es mir ge
fallt, dagegen kannst Du doch nichts
einwenden?"
„Also auf meine Wünsche wird keim
Rücksicht mehr genommen ?—lch merk,
dies ja schon seit langer Zeit! Habe ick
dies um Dich verdient?"
Mrs. Hammelbach richtete ihre kleine,
fette Gestalt so hoch empor, wie nu>
möglich.
„Verdient? ja was hast Du denn sü>
mich gethan? Habe ich sür das Leben
an Deiner Seite nicht hart gearbeitet?
Einer einfachen Magd hättest Tu an
Lohn mehr geben müssen, als die Klei
der und Schmucksachen werth sind,
welche ich besitze. Aber ich will mich
nicht mehr unterdrücken, knechten las
sen. nein, ich will nicht! Als Gott dei
Herr die Welt geschaffen hatte und di<
Sonne beschien alles Schöne, da sah
Gott, daß der Mensch, sein herrlichstes
Geschöpf, allein sei. er sagte: Es
ist nicht gut, daß der Mensch allein sei.
ich will ihm eine Gefährtin geben, die
nm ihn sei! Gott ließ Adam in einen
tiefen Schlaf fallen und nahm ihm eins
Rippe nnd schus das Weib. Als Adam
dann erwachte nnd seine Eva sah', d»
rief er: das ist Bein von meinem Bein
und Fleisch von meinem Fleisch — und
bestimmte durch diese Worte das Weib
als gleichberechtigte Gefährtin nicht
als Sklavin!"
Mit diesem Wort fiel ein Blitzstrahl
in die Situation, welcher die seltsam
sten Physiognomien beleuchtete. Frau
Markn'S gesundes, rothesGesicht machte
folgende Krankhcits - Symptome durch:
Maulsperre, Friesel, Bleichsucht und
Starrkrampf!
Weiß der Himmel, wie die Affaire
noch weiter abgelaufen wäre, hätte nicht
in demselben Monieut ein Klopfen an
der Zimmerthür die Aufmerksamkeit der
Anwesenden auf sich gezogen.
„Bin ich recht hier beim Landlord?"
„Ja, was wünschen Sie?"
„Ich möchte nur sragen ob hier Mrs.
Schneuyerlich wohnt?"
„Ja wohl drei Treppen, hinten
'raus."
„Die Thür ist aber geschlossen und
die Frau nebenan sagte mir, ich solle
bei Ihnen sragen, vielleicht könnten
Sie mir sagen, wann ich MrS.
Schneuyerlich sprechen kann."
„Mrs. v. Schneuyerlich ist selten zu
Hause zu treffen, ihre Besorgungen be
schäftigen sie viel außer dem Hause,"
sagte Mrs. Hammelbach.
„v. Schneuyerlich, sagten Sie Ma
dama? die Schneuyerlich ist die Wittwe
des Schneiders Johann Schneuyerlich,
schlechtweg von is nich!"
„Da irren Sie sich eben in der Per
son, lieber Mann die Dame, welche
hier wohnt, ist: Frau v. Schneuer
lich."
„O nein, ich irre mich nicht, das
„von" ist wieder eines von ihren Allo
trias. Sie werden die noch kennen
lernen, passen Sie auf. eines Tages ist
sie verschwunden und hat allerlei Con
susion hinterlassen."
„Und weßhalb suchen Sie die Frau?"
fragte Mr. Hammelbach, aufmerksam
werdend.
„Johann Schneuyerlich war ein
Landsmann von mir, ein guter, ehr
licher Kerl; das Weib aber hat nie
eiwas getaugt, lauter überspannte, ver
wickelte Ideen. Als der Mann krank
war und nicht mehr zur Arbeit gehen
konnte, borgte ich ihm eine Nähma
schine, welche ich gerade nicht brauchte,
damit er zu Hause ein paar Eent ver
dienen könnte. . Nun ist er vor vier
Monaten gestorben, die schlechte Person
aber hat meine Maschine mitgenom
men."
„Das ist freilich ein schlechter Streich,
Aber Sie sind.sicher, daß die Frau,
welche bei mir wohnt, dieselbe ist,welche
Sie suchen?"
„O ja, sie wird es schon sein, ich
habe den Fuhrmann, welcher ihre Sa
chen fortbrachte, gesprochen, er nannte
mir diese Straße und Nummer."
Wieder klopfte eS und eine im Hause
wohnende Frau trat herein.
„Denken Sie sich, Mrs. Hammel
bach.die Schneut;«rlich ist fort, ihre Mö
bel hat sie an einen Juden verkauft,
der Wagen, welcher dieselben abhott,
hält schon vor der Thür, sie istsort,
verduftet. Die Meier nebenan be
kommt noch drei Dollars fünfzig Cents
Waschgeld, überall ist sie schuldig."
MrS. Hammelbach war wie vom
Donner gerührt, aber das konnte ja
nicht möglich sein eS mußte hier ein
Irrthum vorliegen, hatte sie nicht das
Packet mit dem kostbaren Inhalt in
Händen, aus wrlches sie freilich schon
eine namhafte Geldsumme geliehen hat
te, da unbegreiflicher Weise schon längst
fällige Gelder aus Deutschland ausge
blieben.
Kaum hatten sich die fremden Leute
entfernt, als Mrs. Hammelbach das
Packet herbeiholte.
„Ich glaube, daß ich, nachdem was
geschehen ist, berechtigt bin. dies Packet
zu öffnen", sagte sie es ist mir von
MtS. Schneuyerlich anvertraut mit der
Erlaubniß, eS bei unvorhergesehenen
Fällen zu öffnen, eS wird unS.hoffent
lich Aufklärung über ihr unbegreifliches
Betragen geben."
Mr. Hammelbach war sehr erstaunt,
er ries als vorsichtiger Mann einen
Zeugen, welcher eventuell bestätigen
könnte, was das Packet enthielt.
Und man öffnete. Es passiren
viele unglaubl che Dinge auf der Welt
bei deren Erzählung man immer ver
sichern muß: „Es hat sich dennoch
wahrhaftig so zugetragen!"
So ist es mir mit dieser Geschichte
passirt. Die Werthsachen und uner
setzlichen Dokumente bestanden aus
einem alten Haarzopf, einem einzelnen
alten Schuh, dessen Sohle weit ab
klaffte, wie eine nach Lust schnappende
Karpfenschnulle und einem verrosteten
Schlüssel! Tablyzu!
Noch denselben Abend hatten Mrs.
und Mr. Hammelbach eine sehr intime
Unterredung, was da zwischen den Ehe
lenten verhandelt wurde, kümmert uns
wieder nicht, aber mit freudigem
Herzen habe ich zu berichten, daß das
LebenSschiff der Hammelbachs nach die
ser Sturmperiode wieder in den sicheren
Hafen häuslichen Glückes eingelaufen
ist und wünsche, daß es noch mancyes
Jahrzehnt dort bliebe, dann mögen si«
die Flagge abnehmen und abtakeln! LI
Nun wäre meine wahre Geschichte
wohl zn Ende! Aber ich will noch
nieine Beigabe dazu geben, ein Gold
körnchen, nein, einen Edelstein, einen
Solitär ersten Ranges.
Der nächste Sonntag versammelt«
die Freunde der HamnielbachS zu einem
splendiden Dinner. Die trefflichen
Weine und ertra feinen Cigarren Mr.
Hammelbachs nicht zu vergessen!
Wer aber hat die Speisen bereitet?
Man stelle sich vor die anmuthige
Anna und jetzt sitzt sie mit geröthe
ten Wangen am Tisch und ißt und
nimmt stolz all' das' Lob der Güste ent»
gegen.
Als ein freudiges Hoch auf das Wohl
der jungen Kochkünstlerin ausgebracht
wurde, sagte Mrs. Hammelbach mit ei»
nem warmen, zärtlichen Blick auf ihren
Gatten: „Möge sie so glücklich werden
wie ihre Mutter es ist!"
Nach dem Kaffee nimmt Anna ihren
Platz am Piano ein und dieselben
schlanken, weißen Finger welche vor
wenig Stunden noch gekocht, gebacken,
geschmort, geknetet und gerührt hatten,
spielen jetzt ans dem schönen Instru
ment die Lieblingsstücke der Eltern.
Nun? ist die Beigabe nicht gediege
nes Gold? Ist sie nicht ein Edelstein,
ein Diamant? Doch genug!
Auf's Walberle, auf « Walderl».
so hört man am 1. Mai jeden Jahres
von Bamberg bis Nürnberg aller Or
ten in Franken rufen. Auf's Walberle
ziehen, auf dem Walberle gewesen sein,
das gibt im ganzen Rednitzthale wie in
der fränkischen Schweiz einen sehr dank
baren Gesprächsstoff ab. Was ist aber
das Walberle? Sehr Verschiedenes;
zunächst ein hoher Berg in der sränki
schen Schweiz, dann eine der hl. Wal
purgis gewidmete Kapelle auf ihm.
ferner der Jahrmarkt, der bei dieser
Gelegenheit um die Kapelle herum ge
halten wird, zuletzt aber, und das ist
die Hauptsache, das sehr besuchte Volks
fest, das am 1. Mai auf dem erwähn
ten Berge gleichzeitig mit der Messe,
dem Jahrmarkt um sie herum, statt
findet. Welche Menge Volks strömt
da zusammen! Städter und Dörfler,
Andächtige und Vergnügte.
Ganz einzigartig aber so schreibt
man der „Leipz. Ztg." ist der Süß
holzhandel aus dem Walberle. Von
den Bambcrger Gärtnern wird viel
Süßholz gebaut und es ist das Gesellen
stück eines jeden Burschen, eine Süß
holzstaude mit ihren ellenlangen Wur
zeln unverletzt auszugraben. Für den
Verlaus auf dem Walberle werden
dann diese Wurzeln in etwa meterlange
Stücke geschnitten und an den Enden
zusammengebunden, daß sie einen Rei
fen bilden. Da sitzt nun eine ganze
Reihe Weiber mit Süßholzringen da,
die, von der Dicke eines Bleistifts bis
zur Stärke des Daumens wechselnd,
30-70 Pf. das Stück kosten. Fast
Jedermann kaust sich einen solchen
Süßholzring und trägt ihn über die
linke Schulter gehängt wie eineSchärpe;
was von dem Gekauften einen Henkel
hat, wie Kringeln und Kännchen, wird
angefädelt und man kann sich nun eine
Vorstellung machen, was schließlich alles
an diesen Ringen baumelt. Niemand
vermag diese Sitte zu erklären und
man hält sie deswegen für ein Ueder
bleibfel aus der Heidenzeit. Süßholz
ist aber in vorchristlicher Zeit sicher noch
nicht in Deutschland gebaut worden;
wahrscheinlich ist auch nicht das Süß
holz, sondern die biegsame Wurzel die
Hauptsache und die Form, die man als
Kreis, Ring, Kranz oder eine sich in
den Schwanz beißende Schlangt an
sehen kann wer vermag sie zu deu
ten? Was übrigens nach protestanti
schen Begriffen eine Profanation wäre,
nämlich mit dem Süßholzringe sammt
allen Anhängseln in die Kirche zu gehen
und an den Altar zu treten, geschah
hier ganz unbefangen, dielleicht ist ge
rade solches Süßholz erst recht heilkräf
tig. Auf die Frage, wozu denn eigent
lich das Süßholz gut sei, gaben die
Verkäuferinnen keine Antwort, sie lach
ten nur.
Im Zweifel. Herr (zu sei
ner bejahrten Köchin): „Sie haben die
Suppe versalzen! Warum strahlen Sit
denn so?" Köchin: »Jotte, sollt' ich
am Ende verliebt sein?"