6 Um Pfingsten. Wieder einmal hatte sich das Wunder vollzogen, das sich alljährlich wieder iolt und uns doch immer wie etwas Unerwartetes, in gleicher Pracht nie Dagewesenes überrascht. Baum und Busch prangten mit Blüthen und zar tem Laub, die Rasenflächen im Part leuchteten im saftigsten, jungen Grün, die Rosen dufteten, jedes Büschel Un kraut sah wie etwas ganz Kostbares ius, jede Butterblume glänzte wie ein goldener Tropien, sörmlich übermüthig schallten von Nah und Fern die Vogel itin'.men. Mein Herz thu' dich auf, daß di» Sonn' hinein scheint. Du hast jetzt genug lang geklagt und geweint. Fass' wiederum Muth, Du jungsrisches Blut, Mein Herz thu' dich auf, denn die Sonne meint's gut. Eine junge Dame in abgetraaener Traucikleidung, die auf einer Bank im Parke saß, las diese Verse aus einem ziemlich abgegriffenen Büchlein. „Jung sriedel, der Spielnkinn", von August Becker, stand aus dem Titelblatt, und auf der letzten Seite konnte man von der schönsten Schillmeisterhand geschrie ben lesen: „Seiner lieben Schülerin Helene Burkard zu freundlicher Erinne rung, Leopold Tannheim." Das Mädchen in Trauer war auf fallend schön. Kein Spaziergänger kam an ihr vorüber, ohne sie bewun dernd anzusehen, sie aber schlug die Augen nicht, auf; in dem allen Büch lein blätternd, waren ihre Blicke auf die Widmung gefallen und hafteten nun wehmüthig auf den geschriebenen Worten. Und so entging es-ihr, daß ein lan ger hagerer Mensch, der vorgebeugt ging und die rechte Schulter höher trug als die linke, wie Einer, der viel zu schreiben gewöhnt ist, der eine Brille vor den kurzsichtigsten und wohlwollend sten Augen vdn der Welt hatte, und dessen Haar und Bart sehnsüchtig nach der Scheere eines Barbiers verlangten, bei ihrem Anblick wie in ungläubigem Erstaune» stehen blieb, zögernd vor überging, als mißtraute er seinen Au geu. umkehrte, wieder vorbeischritt, den Hals zurückgedreht, seine Brillengläser förmlich aus dem jungen Mädchen fest heftend, so daß aus einer Schaar jun ger Männer, die den sonderbaren Ge sellen vorhin sehr höflich gegrüßt, der Ruf erschallte: „Der Himmel fällt ein, Dannheiin vom Columbia-College wird ein Don Juan." Zuletzt schienen seine Zweifel über wunden zu sein. Mit ausgestreckter Hand blieb er vor der Lesenden stehen. „Helene, Fräulein Helene, sind Sie es wirklich? Was im Namen aller guten Geister führt Sie nach New Aork? Und wie geht es Ihnen,...?" ein Blick aus ihre Trauerkleidung ließ ihn die Frage nach ihren Eltern unter drücken. Bei seinem Anblick war eine freudige Nöthe der Ueberraschung über ihr Gesicht geflogen, jetzt füllten sich ihre Augen mit Thränen. „Meine Eltern sind beide todt," sprach sie. „Wußten Sie nichts von all' den Schicksalsschlägen, die wie ein Hagel schauer über unser einst so glückliches Haus niedersielen?" Er schüttelte den Kops. Zu dem in seine Wissenschaft vertieften Altcrthums forfcher, der als unbekannter Privatleh rer vor etwa sechs Jahrm in New Bork gelandet war und sich in dieser kurzen Spanne Zeit einen hochangesehenen Namen in der.Gelehrtenwelt und eine Professur an der "vornehmsten Lehran stalt des Staates erobert hatte, drangen nur spärliche Nachrichten aus dem be schrankten Kreise, in welchem der ver waiste Schullehrersfohn lernend und lehrend seine Jugend verbracht. Er halte davon gehört, daß der größte Fabriksher seiner Heimathsstadt durch den Leichtsinn seines Sohnez (der ein verdorbener Taugenichts schon zu der Zeit gewesen, als ihm Dannheim, da mals selbst »och ein blutjunges Bürsch lein, als „Korrepetitor" seine Aufgaben eingepaukt,) sein Vermögen eingebüßt. Aber jetzt ersuhr er, daß der alte Burkard den Zusammenbruch seines Hauses nicht lange zu überleben ver mocht und daß ihm seine Frau, gebro chen vor Gram über die Lebensweise des stets von ihr bevorzugten Sohnes, bald nachgestorbeii sei. Merkwürdig wäre», daß der Professor trotz seiner Unlennt niß der Verhältnisse die junge Dame sogleich mit Fräulein Helene angespro chen. War es, weil sie so mädchenhaft aus sah, »der weil ihm jetzt nach sechs Jah ren der Gedanke, sie vermählt zu wissen, noch immer unfaßbar und unerträglich erschien. Als er die Heimath verließ, hatte sich seine ehemalige Schülerin, die zu dem schönsten und gefeiertesten Mäd cken der Stadt herangeblüht war, mit einem jungen Assessor, dem besten Tän zer und gewandtesten GesellschastSmen schen landaus und -ad verlobt. Und ineyr als vie engen Verhältnisse daheim, mehr als die geringe Aussicht, sich eine Stellung zu erringen, hat ihn diese Verlobung aus der Heimath getrieben. Vr liebte Helene, aber es war eine so große und liefe Liebe, so selbstlos und bescheiden, daß er kaum etwas für sich gefordert, daß er sich still zurückgezogen hätte, wenn sie einem würdigen Bewer der die Hand gereicht hätte. Aber ihm war manche dunkle Seite im Charalter ihres Bräutigams be kannt geworden, er wußte, daß der hohle herzlose Geselle das Mädchen un glücklich machen werde, und in seiner tiefen Sorge um sie. hatte er zu war nen, ihr diese Verbindung zu widerra the» gesucht. Mit welchem Erfolg, läßt .sich denken. Eine vollständige Entzweiung zwi schen ihm und der Familie Burkard fand stall, de! Assessor, dem Dannheims ..Intrigue" gegen ihn bekannt gewor den, machte ihn zum Stichblatt seiner verletzenden Witze, in der ganzen Stadt wurde gegen ihn gehetzt, die armselige Lehrerstelle am Gymnasium, die er pro visorisch bekleidete, wurde ihm verleidet. So schied er aus der Stadt und wan derte aus. Helene unterbrach sich Plötzlich in dem Bericht über den Tod ihrer Eltern, das Verschwinden ihres Bruders, »der sich nach Süd-Amerika gewandt haben sollte, den vollständigen Verlust ihres Vermögens, die Erinnerung an die Art und Weise, wie Leopolds Freund schaftsdienst belohnt, dessen Werth spätere Erlebnisie ihr nur zu deutlich gemacht, war in ihr aufgetaucht. Ver wirrt sprach sie: „Ich erzähle Ihnen alle diese trübse ligen Begebenheiten, ohne zu bedenken, daß Sie sich schwerlich viel Interesse für die alten kleinlichen Verhältnisse bewahrt haben können." „Glauben Sie das wirklich, Helene?" sagte er und sah sie mit seinen ehrlichen Augen vorwurfsvoll an. „Es wäre nur zu begreiflich, zu ver zeihlich," sprach sie traurig, „ich an Ihrer Stelle hätte auch die Erinnerung an die alte trübselige Zeit hinter mich geschleudert, um nie wieder einen Blick nach ihr zurückzuwerfen." „Sie an meiner Stelle würden ebenso wie ich in lebhaftester Spannung jedem Wort lauschen, das Ihnen unvergeß liche Tage zurückruft, und nicht genug hören können, wäre der Bericht auch, was aber leider nicht ist, so lang und ausführlich wie die Akten des weiland deutschen Reichskammergerichts: Ich kann mir nur meine Frage beantwor ten. was Sie nach New Nork geführt. Sie wollten selbst den Kampf um's Da sein auSsechten, sich einen selbstständigen Wirkungskreis schaffen, und zogen es vor, dies im neuen Land statt unter den mitleidigen und neugierigen Augen Ihrer und meiner geschätzten Mitbür gerinnen zu thun. Ich finde dies sehr löblich, habe aber von Ihnen nichts an deres erwartet. Nun aber quält mich die Unwissenheit in einer anderen Rich tung; verzeihen Sie dem alten Freunde, so darf ich mich doch nennen? die scheinbar rücksichtslose Frage, über die Siebisher kcin Licht zu verbreiten sür gut befunden. Wie ist Ihr tapferer Plan in der Ausführung beschaffen? Was thun nnd treiben Sie in New Aork, wel ches ist Ihr Berns?" Sie erröthete und senkte in einer Ver legenheit den Kopf, die einem minder beschäftigten Beobachter (beschäftigt, sich jeden Zug und jede Miene des ent zückenden Gesichts von Neuem einzu prägen) hätte auffallen müssen. „Ich suchte mich mit Gesangsunter richt durchzuschlagen" sprach sie unsicher. Voll Theilnahme sah er sie an. Er wußte, was es hieß, ohne Freunde, ohne Empfehlungen in der ungesunden wildfremden Stadt gegen eine gewaltige Armee von Mitbewerbern Lectionen zu suchen. Er hatte es durchgemacht und ihm, dem Manne, wären bald die Schwingen dabei geknickt worden. „Es war ein großes Unrecht, daß Sie sich nicht an mich gewendet. Mein Einfluß ist vielleicht nicht sehr groß, aber ich hätte Ihnen behülflich sein'kön nen; und welche Freude mir dies ge währt, brauche ich Ihnen wohl nicht zu schildern". Sie schüttelte stumm den Kopf. Ihn hätte sie von allen Menschen zuletzt um Beistand angehen können. Ihn, dessen Liebe sie mit Füßen getreten, um sich mit einem herzlosen Egoisten zu verlo ben. Sie sprach ihren Gedanken nicht aus. Nur daß sie das Recht auf einen zweiten Freundschaftsdienst verwirkte, als sie den ersten so schnöde.zurückwies. Der Zusammenbruch ihres Vermögens hatte, wie sie hinzufügte, bewirkt, was ihm mit seiner treuen Warnung miß glückt war. Ihr Ton klang bitter, und so entschlüpfte ihm die Frage: „Hat die Trennung von Werner Steinbruch Si» so tief gekränkt?" „Nein," sagte sie, „es war eine Er lösung. Ihre Worte hafteten doch tie fer, als Sie und ich gedacht, sie schärf ten mir die Augen, bald erkannte ich die bodenlose Selbstsucht, an die ich mich in kindlicher Verblendung gefes selt hatte. Aber ich war ein thörichtes Mädchen, ich fürchtete das Aufsehen, das Gerede, und hätte der Zusammen bruch unseres Vermögens dem Herrn Assessor den Rücktritt nicht selbst wün schenswerth gemacht, dann wäre ich mit sehenden Augen in mein Elend gerannt." Plötzlich brach sie ab und erhob sich: „Es wird spät, ich muß nach Hause. Es hat mich von Herzen gefreut, Ihnen begegnet zu sein, Professor, leben Sie wohl!" Eilfertig wollte sie Abschied nehmen, aber er war doch nicht mehr so ganz der linkische schüchterne Schulmeister von ehemals. „O. so leichl schütteln Sie mich nicht ab, Helene. Wenn Sie mir nicht er lauben wollen, neben Ihnen herzu gehen, dann hefte ich mich als Detectiv an Ihre Fersen, um Straße und Haus, die Sie beherbergen, auszu lundschasten." „Sie werden wenig Erfreuliches ent decken, ich warne Me!" rief das Mäd chen in ausbrechender Bitterkeit. „Eine ärmliche Straße, zu beiden Seiten ein gefaßt von verwahrlosten, von Men schen wimmelnden Zinshäusern, im obersten Stockwerk des einen ein kleines, cinsenstrigeS Kämmerchen, angefüllt mit Flitterkram und Notenblättern, zas Stübchen einer Komödiantin, die Abends in Gesellschaft von etlichen Lutzend geschmintten Gefährtinnen blödsinnige Operettenchöre singen wird. Morgen trete ich zum ersten Male aus, heute feiere ich hier im Part meinen Abschied vom Privatleben." Er wurde blaß: endlich murmelte er: „Das dürfen Sie nicht, das sollen Sie nicht. Helene." „Erschreckt Sie meine vielverspre chende Laufbahn so sehr? Sie sind vorurtheilsvoll, Professor. Sehen Sie. wie recht ich hatte, daß ich Sie nicht mit mir gehm lassen wollte?" Statt jeder Antwort legte er ihren Arm in seinen und wandte sich mit ihr zum Gehen. Weniger schroff, als bisher, sprach sie weiter: „Ich kann nicht behaupten, daß ich von einer unwiderstehlichen Leidenschaft sür die Bühne befallen worden bin; im Gegentheil, aber ich habe einige Abnei gung gegen das Verhungern, und die verschwindend geringe Anzahl von Schü lerinnen, vie von meinen Gesangskennt nissen Nutzen ziehen, verstreuen sich im Sommer in'S Land hinaus. Da bleibt mir kaum etwas anderes übrig, als dem Rath und Beispiel einer Stubenachba rin zu folgen, die im Chor des „Kasino" singt. Sie waren in «in dichtes Gehölz ge treten; die Sonne sandte goldene Kreis« durch das junge Laub, die Vög«l schmet terten eine Jubelsymphonie. Dannheim faßte ihre beiden Hände. „Helene, das Leben, dem Sie entge gengehen, wäre eine Hölle für Sie. Ich bin ein ungeschickter Gesell; vermuthlich wäre es schlauer, wenn ich einen anderen Zeitpunkt wählte, für das,was ich Ihnen zu sagen habe; aber ich kann nicht län ger schweigen. Sie wissen, was Sie mir sind und immer sein werden. Helene, retten Sie sich zu mir, in mein stilles Haus; werden Sie mein Weib." „Wollen Sie mich aus Mitleid freien?" fragte sie und lächelte traurig. „Aus Mitleid." Als ob Sie nichl wüßten, daß nicht nur um mich, sondern auch in mir bei Ihrem Anblick Pfingsten geworden, die Jugend zurückgekehrt ist, die Sonne wärmer scheint, die Vögel lauter singen, die Blumen stärker duf ten. So stark ist der Frühling und das Glück in mir, daß ich nicht verzage, daß ich zuversichtlich hoffe. Du werdest dem langweiligen Burschen vor Dir einmal herzlich zugethan sein, Helene." Sie war es schon längst, war es be reits, als schwere Schicksalsschläge das verwöhnte, gedankenlose Kind des Wücks trafen und sie über den Werth des Ehrenmannes aufklärten, dessen Liebe sie einst verschmäht hatte. Und war sie auch zu bewegt, um dies auszusprechen, so stand eS doch deutlich in ihren seucht schimme/nden Augen zu lesen. Da hat denn der Professor mitten in all' der Pfingstherrlichkeit auf einem, zum Glück menschenleeren, Parkpfade zum ersten male seine Braut an'S Herz gedrückt. P. H an n. U' kloan'S Hinderniß. Der Bada is a' g'scheidta Mo', Der Mensch und Vieh kuriren ko'; In Allem is er bei der Hand, Und bringt aa' oft a' Heirath z' Stand'. A' halbe Stund' lang sitzt er g'wiß Scho' bei der Bäu'rin von der Riß; Die hat erst ihren Mann verlor'n Vor vierzehn Tag' is s' Wittwe wor'n. Er wüßt' ihr Ein'n, der sie gern möcht' Sei Sach' war schö', sei Hof nit schlecht. Er hält'.im Stall a' zehn, zwölf Küh', Des waar' h?lt a' Parthie filr sie. Die Bäu'rin horcht an' Bada zu. Wie er so redt' von Kalb und Kuh', Von Feld und Wiesen, Haus und Wald - Der Bada sichi scho', wie'Z ihr g'sallt. Und wie er endli' ernsthast fragt, Ob s' „Ja" zu dera Heirath sagt, Da inoant die Bäu'rin von der Riß, Die Sach' hätt' a' kloan's Hinderniß. A' Hinderniß? Und*waS für oan's?" »»Ja"", sagt die Bäu'rin, „„oan's und koan'S; I' hab' mi', woaßt, die vori' Woch'n Halt mit an' Ander'n scho' ver fproch'n!"" Bestrafte Reugier. Gast (zu seinem eifrig die Zeitung stusirenden Nachbar): Ei Herrcheses, mei kutesteS Herreche, nähme Se 's doch nicht für ungut, aber das ist Se doch mal e scharmantes Thierche! Is denn das wunderschöne Hundche Ihne, mei Kutester? Zeitungslefer: Pluto! zeige dich! Grund genug. Weshalb spricht der Müller mit Ihnen nicht? Der ist aus mich böse. Weshalb denn? Nun, ich hab' ihm 'mal 50 Mark geborgt, und die hat er mir noch nicht wiedergeben können. Das große LooSin der Liebe ist die Freundschaft. Frauenrecht«. Obwohl ich von Natur kein Hasen herz bin! zittere ich doch vor Deinem Groll, theure Marie, und vor den Fol gen, welche die Indiskretion meiner seits aus unsere Freundschaft haben wird, indem ich der Welt ein kleines Erlebniß übergebe, welches in Deinem Leben schwarz angestrichen ist. Fast niemals haben sie sich mit ein ander gezankt oder auch nur ernstlich mit einander geschmollt, sie war zu phlegmatisch, er zu verniinftig dazu. So hatten die Hammelbachs sechzehn Jahre in glücklicher Harmonie zusam men gelebt, was nicht bei allen Ehen der Fall sein soll, wie ja zweifellos dem Leser bekannt sein wird, wenn auch, so hoffe und wünsche ich, nicht aus eigener Erfahrung, so doch vom „Hörensagen". Aber das kümmert uns weiter nichts, wir haben uns nur mit dem'glücklichen Familienleben unseres Freundes Ham melbach zu beschäftigen. Mr. Hammel bach war ein gut situirter Bürger und Hausbesitzer der zehnten Ward New Bork'iiatürlich. Er erfüllte seine Pflich ten als amerikanischer Bürger, indem er seine Stimme an der Wahlurne der Partei gab, welche Hm für das Wohl des Landes am zulräglichste» erschien, als Deutsch-Amerikaner aber hielt er sich verpflichtet, mehreren renommirten Ver einen anzugehören und aus diese zcitge mäße nnd recht angenehme Art, für das „Teutschthum" im Lande zu wirken. Wir wollen nur gleich gestehen, deß un>er Freund ein wenig ehrgeizig ip und sehr stolz, wenn sein Name in den Zeitungsberichten im „VergnügungS- Comite" glänzt kurz, Mr. Hammel bach ist ein Mann, der nichtSaus Erden verschmäht, was anderen Leuten auch mundet. Er freut sich, wenn dii Sonne scheint, ist zufrieden mit dem Wind, kümmert sich wenig um den Regen, machet jeden Scherz mit. lach! über jede Anekdote aus vollem Halse. Doch hat er mehr Bildung unl Schärfe des Urtheils, als er anfangs verräth: genug, Fred Hammelbach ist ein Mann wie jeder Vereins-, Schützen- oder Sängerbruder es sein sollte. Als Gatte nnd Vater zweier wohlge rathener Kinder steht Mr. Hammelbach einfach großartig da. Keine Frau kann sich rühmen, größere, in allen Farben funkelnde Diamanten - Ohr ringe zu besitzen, als Mrs. Hammel bach sie präsentirte. Böse Zungen be haupten, sie lege dieselben selbst Nachts nicht ab; aber wie gesagt, es gibt bos hafte. neidische Menschen. Nun, Gott sei Dank, man hatte es ja und Fred war gewiß kein Knau ser das bewiesen die Summen, die er für die Erziehung seiner Sprößling« verwendete. Eddie, die zwölfjährige, hatte für diese Generosität seines „Alten" freilich nicht das geringste Ver ständniß; er pfiff auf den gelehrten „Krimskrams" und erklärte zu seiner Mama großein Verdruß rund heraus, sie möge den Gedanken, ihn als „Herrn Doktor" in Ehren und Ansehen zu sehen, nur aufgeben. Das fehlte noch die schönste Zeit seinks Lebens, die vielgerühmten „Flegeljahre", über den Büchern zu hocken, o nein, Eddie ist ein viel zu kluger Junge, hat er dies doch schon dadurch bewiesen, daß er sich Eltern aussuchte, „welche etwas vor sich gebracht hatten". Ganz das Gegentheil des wilden, vorlauten Jungen war Anna, die fünf zehnjährige Tochter. Es ist ein zier liches, schlankes Mädchen, mit Augen, die das Blau des Himmels beschämen und dem fcldenreichsten kastanienbrau nen Haar, das jemals zu Zöpzen ge flochten wurde. Anna war der Liebling und der Stolz der Eltern, und sie ver diente diese Liebe. Nicht allein, daß sie in der Schule mit Auszeichnung lernte und ihre Lection am Klavier tadellos abspielte, sie war auch, ungeachtet ihrer Jugend, der Mutter eine Stütze in Küche und Haus. Es war im Hammelbach'fchen Hause eine kleine Wohnung leer geworden, welche von einer Wittwe bezogen wurde, mit Namen Schneuyerlich! Welch' ein vertrackter Name; kann aber ich dafür, daß sich diese Dame ohne Weiteres als „Malvine v. Schneuyerlich" einführte? Obgleich ich nie viel Anlage zum Laub frosch gehabt habe, schien mir diese v. Schneuyerlich doch gleich unheimlich und ich prophezeite: Paßt auf, eS gibt was! Und, parol« cl'koliiisur, es gab auch -etwas, nämlich Aerger und Verdruß! Die v. Schneuyerlich also ist lang, spitznasig, hol' sie der Kuckuck sie verdirbt mir den Humor! Ta diese v. Schneuyerlich aber eine Rolle in meiner kleinen und wahren Geschichte spielt, muß ich mich wohl .oder übel mit ihr abfinden. Wie es die schreckliche Person fertig gebracht hat, sich so schnell in das Vertrauen der Mrs. Hammelbach einzuschmeicheln, daß diese praktische Frau sich ganz von der bösen Sieben beherrschen ließ, ver mag ich nicht zu sagen. Thatsache ist. daß Mrs. Hammelbach und die von Schneuyerlich sehr intime Freudinnen wurden. Die v. Schneuyerlich hatte neben all' ihren vielen Tugenden und Liebens würdigkeiten auch die, eine eisrige Ver fechterin der „Frauenemanzipation" zu sein. Bis zu diesem Augenblick hatte sich Mrs. Hammelbach für.eine glückliche, ja für eine sehr glückliche Frau gehal ten. Wenn sie an der Seite ihres „Fred" zu den Pienics und Sominer iiachtsfesten jener Bereine ging, deren Mitglied er war, oder ihn-gar in seiner ganzen Glorie aus Bällen und Concer ten bewunderte, war sie immer so stolz gewesen, und so anmuthig, wie eS immer ihrer kleinen Gestalt möglich war, neben ihm her geschwenzelt. Nun denke man sich das starre Er staunen der kleinen behäbigen Frau, als ihr MrS. Schneuyerlich auf das klarste bewies, sie Mrs. Marit Hammelbach sei eine arme, geknech tete, um ihre Menschenrechte schnöde be trogene Frau. Aber die theuren Diamanten? Der prachtvolle Sealfkin? die behagliche Häuslichleit? —Die liebevolle Behand lung?! Beweist gar nichts! Ist denn der Harem des Sultans nicht viel prächtiger geschmückt? Behängt er seine Favoriten nicht mit dem Kostbarsten, was es aus Erden gibt? Sind diese armen Wesen nicht dennoch die bekla genswerthesten Geschöpfe auf der Welt? „Aber das ist start!" rief hitr Frau Marie entrüstet, „ich, die legitime Gat tin eines Bürgers der Vereinigten Staaten und so ein faules Ding, welches den ganzen Tag Kaffee trinkt und Opium raucht. —Mrs. Schneuyer lich, noch einmal ein solcher Vergleich, und mit unserer Freundschaft ist es vorbei!" Die von Schneuyerlich warf einen Blick voll Gift und Galle auf die er zürnte Frau, welche denselben jedoch gar nicht bemerkte. Aber, liebe Freun din, wie können Sie sich nur so ereisern wir sprachen ja von dem Schicksal der Frauen im Allgemeinen", erwiderte sie, ihre Wuth mühsam unterdrückend, hören Sie mich einmal ruhig an. Was ist das LooS der Frau? Knecht schaft ! Still, lassen Sie mich weiter reden ! Waren Sie nicht in der ganzen Zeit Ihrer Ehe eine fleißige, sparsame Frau? Sie kochten—backten—wuschen —für wen ? Für Ihn, den Gebiet r, den Herrn ! Währen» er im ar regen den Treiben des großstädtischen Lebens feine Erholung außerhalb d:Z Hauses suchte. Was ist der Dank ? Diaman ten, seidene Kleider, theure Möbel nun ja. man wurde wohlhabend und wollte dies der Welt zeigen. Dies ist wohl der Hauptgrund solcher Güte. Aber hat der Herr Gemahl sich je du Mühe gegeben, seine treue Gesährtin an seinem geistigen Streben theilneh men zu lasten. Hat er es versucht, ihrem Geiste Anregung und Aufmunte ruiig zu Theil werden zu lassen? O nein—koche, backe—brate, damit ich meinen Appetit nach etwas Gutem. Schmackhaftem stillen'kann. Solche oder ähnliche Litaneien übter, allgemach eine betrübende Wirkung aus Frau Marie, sie wurde mürrisch, lau nenhaft, gleichgiltig gegen ihren Gat> ten und ihre Kinder kurz begann sich unglücklich und unbefriedigt zu fühlen. Mr. Hammelbach legte in den ersten Wochen wenig Gewicht auf das veräu derte Wesen seiner Ehehälfte nicht im Traum wäre es ihm eingefallen, daß seine Marie nach sechszehn jähriger Ehe. solche Umsturzgedankcn habe» könne ihm war auf der Welt nichts schrecklicher als See krankheit uud ein emanzipirtes Weib. Als Marie ihm sagte, sie sei Willens, einer Aufforderung zu folgen und sich an dem Zustandekommen eines „Damen- Kegelelubs" zu beteiligen, sagte er freundlich: „Aber natürlich Schatz, wenn eS Dir Freude machte, Kegelschieben ist ja heute ein belicbtc»Tamensport." Dies bereitwillige Eingehen auf ihr« Wünsche machte entschieden einen ver söhnenden Eindruck auf Frau Marie, welchen aber die Brandreden der famo sen v. Scheuyerlich wieder verwischte. Dieselbe vertraute ihrer lieben »Freun din unterdem Siegel der Verschwiegen heit an, daß sie einer altadeligen Fa milie angehöre und sich in New Jork nur zu dem Zweck aufhalte, für die Befreiung der unterdrückten Weiblich keit zu wirken. „Ja, meine Theure die Schnui yerlich sind eine alte holst»inisch schwäbisch - schweizerische Familie, sie stammen aus dem 12. Jahrhundert, Hütte ich nur gleich RüxnerS Turnier buch zur Hand, würde ich Ihnen schwarz auf weiß beweisen, daß »in Schneuyer lich in dem berühmten Turnier bei Buxtehude unter Wilhelm von derNor niandie siegte." Dann übergab MrS. Schneuyerlich ihrer Freundin ein sorgsam versiegelt imo verknotetes Packet mit der Bitte, dasselbe für sie aufzubewahren, da es Wertpapiere von größter Wichtigkeit enthalte. All'diese Begebenheiten konn ten aber nicht ohne Einfluß auf den häuslichen Comfort deS Hauses Ham melbach bleiben. Das Zustandekommen des KegelclubS kostete viel Zeit und Mühe und brachte Frau Marie Aerger und Verdruß. WaS sie am meisten kränkte, war, daß ihre Bekannten der Mrs. Schneuyerlich mit offenbarem Mißtrauen begegneten und sich den WeltverbesserungS-Jdeen derselben gegenüber kühl und zurückhal tend verhielten. Einige zuckten di« Achseln zu dem Geschwätz andere be kannten lachend, sie seien mit der jetzi gen Ordnung der Dinge durchaus zu frieden, und wenn eS da irgendwo in der Türkei oder ganz hinten in Ruß land nicht sei, wie eS sein sollte —so thue ihnen dies herzlich leid, aber helfen Annten sie eben auch nicht und hätten nicht Vie geringste Lust, sich ihren Humor darum zu verderben. Was für egoistische, herz- und ge wissenlose Weiber! O, welche Mensch heit! Ein Glück für die Gesellschaft, daß eS noch Frauen gibt, welche sich aus der allgemeinen Versumpfung erheben nnd den unglücklichen Schwestern zei gen, daß das Weib nicht geschaffen wurde, um zwischen Staubbahnen und Kochtöpfen ihr Leben zu verbringen. Bei all diesem Wirrwarr ist es für'S Haus Hammelbach ein Segen, daß sich klein Anna mit bewundernSiverlher Energie des Haushaltes annahm. Das schlanke, blauäugige Kind sorgte dafür, daß Papa seine gewohnte Bequemlich keiten ganz vermißte, und sie studirte mit Eifer die von der Mama jetzt so stiefmütterlich behandolte Kochkunst. Dem allein ist es zu danken, daß nicht täglich Streit und Zank zwischen den einst so glücklich lebenden Gatten herrschte. Man hatte verstimmt und wortkarg da? Abendessen eingenommen, die zwanglose, heitere Unterhaltung, welche sonst bei Tisch geherrscht hatte, war schon seit Wochen gestört. „Zum nächsten Sonntag habe ich einige Freunde zu Tisch gelade». Marie," sagte Mr. Hammelbach, sich seine Cigarre ansteckend —„ich möchte mich bei Mr. Braun und Mr. Suden rcvanchiren, wir könnten dann noch Hohenreich mit Familie und Fallbergs ei»l«den. Es ist lang« her, daß wir uiisere Freunde bei uns sahen, triff also Deine Vorbereitungen." „Ich habe aber keine L)ist. mich ab zuquälen; es ist viel Arbeit und Mühe, Du hast sreilich vo» dergleichen keine Idee, Du setzest Dich an den gedeckten Tisch und kümmerst Dich wenig darum, welche Mühe solch ein Tag mir berei tet." „Du hast also keine Liest, mir einen Wunsch zu erfüllen? Willst eine lang jährige, mir liebgewordene Gewohnheit abändern, weil es Dir ein wenig Arbeil macht? Dies ist mehr, als ich zu ertra gen vermag. Marie, Du thust ja, als ob ich gar nichts gälte—sprichst mit mir, als ob ich Dein Untergebener wäre! Sag', was Du gegen mich hast!" „Was soll ich denn haben?" antwor tete Mrs. Hammelbach mit erkünstele ter Gleichgiltigkeit, „ich will mir iiieii! Leben nur einrichten, wie es mir ge fallt, dagegen kannst Du doch nichts einwenden?" „Also auf meine Wünsche wird keim Rücksicht mehr genommen ?—lch merk, dies ja schon seit langer Zeit! Habe ick dies um Dich verdient?" Mrs. Hammelbach richtete ihre kleine, fette Gestalt so hoch empor, wie nu> möglich. „Verdient? ja was hast Du denn sü> mich gethan? Habe ich sür das Leben an Deiner Seite nicht hart gearbeitet? Einer einfachen Magd hättest Tu an Lohn mehr geben müssen, als die Klei der und Schmucksachen werth sind, welche ich besitze. Aber ich will mich nicht mehr unterdrücken, knechten las sen. nein, ich will nicht! Als Gott dei Herr die Welt geschaffen hatte und di< Sonne beschien alles Schöne, da sah Gott, daß der Mensch, sein herrlichstes Geschöpf, allein sei. er sagte: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. ich will ihm eine Gefährtin geben, die nm ihn sei! Gott ließ Adam in einen tiefen Schlaf fallen und nahm ihm eins Rippe nnd schus das Weib. Als Adam dann erwachte nnd seine Eva sah', d» rief er: das ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch — und bestimmte durch diese Worte das Weib als gleichberechtigte Gefährtin nicht als Sklavin!" Mit diesem Wort fiel ein Blitzstrahl in die Situation, welcher die seltsam sten Physiognomien beleuchtete. Frau Markn'S gesundes, rothesGesicht machte folgende Krankhcits - Symptome durch: Maulsperre, Friesel, Bleichsucht und Starrkrampf! Weiß der Himmel, wie die Affaire noch weiter abgelaufen wäre, hätte nicht in demselben Monieut ein Klopfen an der Zimmerthür die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich gezogen. „Bin ich recht hier beim Landlord?" „Ja, was wünschen Sie?" „Ich möchte nur sragen ob hier Mrs. Schneuyerlich wohnt?" „Ja wohl drei Treppen, hinten 'raus." „Die Thür ist aber geschlossen und die Frau nebenan sagte mir, ich solle bei Ihnen sragen, vielleicht könnten Sie mir sagen, wann ich MrS. Schneuyerlich sprechen kann." „Mrs. v. Schneuyerlich ist selten zu Hause zu treffen, ihre Besorgungen be schäftigen sie viel außer dem Hause," sagte Mrs. Hammelbach. „v. Schneuyerlich, sagten Sie Ma dama? die Schneuyerlich ist die Wittwe des Schneiders Johann Schneuyerlich, schlechtweg von is nich!" „Da irren Sie sich eben in der Per son, lieber Mann die Dame, welche hier wohnt, ist: Frau v. Schneuer lich." „O nein, ich irre mich nicht, das „von" ist wieder eines von ihren Allo trias. Sie werden die noch kennen lernen, passen Sie auf. eines Tages ist sie verschwunden und hat allerlei Con susion hinterlassen." „Und weßhalb suchen Sie die Frau?" fragte Mr. Hammelbach, aufmerksam werdend. „Johann Schneuyerlich war ein Landsmann von mir, ein guter, ehr licher Kerl; das Weib aber hat nie eiwas getaugt, lauter überspannte, ver wickelte Ideen. Als der Mann krank war und nicht mehr zur Arbeit gehen konnte, borgte ich ihm eine Nähma schine, welche ich gerade nicht brauchte, damit er zu Hause ein paar Eent ver dienen könnte. . Nun ist er vor vier Monaten gestorben, die schlechte Person aber hat meine Maschine mitgenom men." „Das ist freilich ein schlechter Streich, Aber Sie sind.sicher, daß die Frau, welche bei mir wohnt, dieselbe ist,welche Sie suchen?" „O ja, sie wird es schon sein, ich habe den Fuhrmann, welcher ihre Sa chen fortbrachte, gesprochen, er nannte mir diese Straße und Nummer." Wieder klopfte eS und eine im Hause wohnende Frau trat herein. „Denken Sie sich, Mrs. Hammel bach.die Schneut;«rlich ist fort, ihre Mö bel hat sie an einen Juden verkauft, der Wagen, welcher dieselben abhott, hält schon vor der Thür, sie istsort, verduftet. Die Meier nebenan be kommt noch drei Dollars fünfzig Cents Waschgeld, überall ist sie schuldig." MrS. Hammelbach war wie vom Donner gerührt, aber das konnte ja nicht möglich sein eS mußte hier ein Irrthum vorliegen, hatte sie nicht das Packet mit dem kostbaren Inhalt in Händen, aus wrlches sie freilich schon eine namhafte Geldsumme geliehen hat te, da unbegreiflicher Weise schon längst fällige Gelder aus Deutschland ausge blieben. Kaum hatten sich die fremden Leute entfernt, als Mrs. Hammelbach das Packet herbeiholte. „Ich glaube, daß ich, nachdem was geschehen ist, berechtigt bin. dies Packet zu öffnen", sagte sie es ist mir von MtS. Schneuyerlich anvertraut mit der Erlaubniß, eS bei unvorhergesehenen Fällen zu öffnen, eS wird unS.hoffent lich Aufklärung über ihr unbegreifliches Betragen geben." Mr. Hammelbach war sehr erstaunt, er ries als vorsichtiger Mann einen Zeugen, welcher eventuell bestätigen könnte, was das Packet enthielt. Und man öffnete. Es passiren viele unglaubl che Dinge auf der Welt bei deren Erzählung man immer ver sichern muß: „Es hat sich dennoch wahrhaftig so zugetragen!" So ist es mir mit dieser Geschichte passirt. Die Werthsachen und uner setzlichen Dokumente bestanden aus einem alten Haarzopf, einem einzelnen alten Schuh, dessen Sohle weit ab klaffte, wie eine nach Lust schnappende Karpfenschnulle und einem verrosteten Schlüssel! Tablyzu! Noch denselben Abend hatten Mrs. und Mr. Hammelbach eine sehr intime Unterredung, was da zwischen den Ehe lenten verhandelt wurde, kümmert uns wieder nicht, aber mit freudigem Herzen habe ich zu berichten, daß das LebenSschiff der Hammelbachs nach die ser Sturmperiode wieder in den sicheren Hafen häuslichen Glückes eingelaufen ist und wünsche, daß es noch mancyes Jahrzehnt dort bliebe, dann mögen si« die Flagge abnehmen und abtakeln! LI Nun wäre meine wahre Geschichte wohl zn Ende! Aber ich will noch nieine Beigabe dazu geben, ein Gold körnchen, nein, einen Edelstein, einen Solitär ersten Ranges. Der nächste Sonntag versammelt« die Freunde der HamnielbachS zu einem splendiden Dinner. Die trefflichen Weine und ertra feinen Cigarren Mr. Hammelbachs nicht zu vergessen! Wer aber hat die Speisen bereitet? Man stelle sich vor die anmuthige Anna und jetzt sitzt sie mit geröthe ten Wangen am Tisch und ißt und nimmt stolz all' das' Lob der Güste ent» gegen. Als ein freudiges Hoch auf das Wohl der jungen Kochkünstlerin ausgebracht wurde, sagte Mrs. Hammelbach mit ei» nem warmen, zärtlichen Blick auf ihren Gatten: „Möge sie so glücklich werden wie ihre Mutter es ist!" Nach dem Kaffee nimmt Anna ihren Platz am Piano ein und dieselben schlanken, weißen Finger welche vor wenig Stunden noch gekocht, gebacken, geschmort, geknetet und gerührt hatten, spielen jetzt ans dem schönen Instru ment die Lieblingsstücke der Eltern. Nun? ist die Beigabe nicht gediege nes Gold? Ist sie nicht ein Edelstein, ein Diamant? Doch genug! Auf's Walberle, auf « Walderl». so hört man am 1. Mai jeden Jahres von Bamberg bis Nürnberg aller Or ten in Franken rufen. Auf's Walberle ziehen, auf dem Walberle gewesen sein, das gibt im ganzen Rednitzthale wie in der fränkischen Schweiz einen sehr dank baren Gesprächsstoff ab. Was ist aber das Walberle? Sehr Verschiedenes; zunächst ein hoher Berg in der sränki schen Schweiz, dann eine der hl. Wal purgis gewidmete Kapelle auf ihm. ferner der Jahrmarkt, der bei dieser Gelegenheit um die Kapelle herum ge halten wird, zuletzt aber, und das ist die Hauptsache, das sehr besuchte Volks fest, das am 1. Mai auf dem erwähn ten Berge gleichzeitig mit der Messe, dem Jahrmarkt um sie herum, statt findet. Welche Menge Volks strömt da zusammen! Städter und Dörfler, Andächtige und Vergnügte. Ganz einzigartig aber so schreibt man der „Leipz. Ztg." ist der Süß holzhandel aus dem Walberle. Von den Bambcrger Gärtnern wird viel Süßholz gebaut und es ist das Gesellen stück eines jeden Burschen, eine Süß holzstaude mit ihren ellenlangen Wur zeln unverletzt auszugraben. Für den Verlaus auf dem Walberle werden dann diese Wurzeln in etwa meterlange Stücke geschnitten und an den Enden zusammengebunden, daß sie einen Rei fen bilden. Da sitzt nun eine ganze Reihe Weiber mit Süßholzringen da, die, von der Dicke eines Bleistifts bis zur Stärke des Daumens wechselnd, 30-70 Pf. das Stück kosten. Fast Jedermann kaust sich einen solchen Süßholzring und trägt ihn über die linke Schulter gehängt wie eineSchärpe; was von dem Gekauften einen Henkel hat, wie Kringeln und Kännchen, wird angefädelt und man kann sich nun eine Vorstellung machen, was schließlich alles an diesen Ringen baumelt. Niemand vermag diese Sitte zu erklären und man hält sie deswegen für ein Ueder bleibfel aus der Heidenzeit. Süßholz ist aber in vorchristlicher Zeit sicher noch nicht in Deutschland gebaut worden; wahrscheinlich ist auch nicht das Süß holz, sondern die biegsame Wurzel die Hauptsache und die Form, die man als Kreis, Ring, Kranz oder eine sich in den Schwanz beißende Schlangt an sehen kann wer vermag sie zu deu ten? Was übrigens nach protestanti schen Begriffen eine Profanation wäre, nämlich mit dem Süßholzringe sammt allen Anhängseln in die Kirche zu gehen und an den Altar zu treten, geschah hier ganz unbefangen, dielleicht ist ge rade solches Süßholz erst recht heilkräf tig. Auf die Frage, wozu denn eigent lich das Süßholz gut sei, gaben die Verkäuferinnen keine Antwort, sie lach ten nur. Im Zweifel. Herr (zu sei ner bejahrten Köchin): „Sie haben die Suppe versalzen! Warum strahlen Sit denn so?" Köchin: »Jotte, sollt' ich am Ende verliebt sein?"