Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 06, 1892, Page 6, Image 6

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    6 In den April ««schickt.
Der Chevalier sah sich in dem großen
Saale um.
.Alle Wetter, Connetable," sagte er,
»seinen mächtigen Schnurrbart streichend.
„Ein solcher Kranz von Frauen! Und
eine stets schöner als die andere! Ich
chatte mir das Leben in Rouen niemals
>so verlockend vorgestellt. Man sollte
«meinen, wir befänden uns direkt in
Paris, in den glänzenden Gemächern
des Louvre, wenn Se. Majestät König
Ludwig XI. einen seiner Empfangs
«bende abhält.
Aas verwitterte Gvficht des Conne
table erhellte sich bei diesem Lobe.
„Was wollt Ihr! Rouen liegt auch
in Frankreich, und da wäre es doch
merkwürdig, wenn die Vorzüge, welche
man stets an den Pariserinnen rühmt,
nicht auch bei den Frauen der übrigen
Orte vorhanden sein sollten. Ich sage
<Zuch, Ehevalier, Ihr werdet hier ein
ganz angciichmcs Leben führen— abge
sehen natürlich von den immerhin
schweren Pflichten, welche die verant
wortliche Stellung eines Kommandan
ten, znmal beiden angenblicklichen Ver
hältnissen, in sich schließt —"
„Wer ist das junge Mädchen?" fragte
der Chevalier, rasch einfallend, indem er
mit einer Geste seine Frage begleitete.
„Diane von Letzlingen! Hat man
Euch dnlii den kleinen Wildsang noch
nicht vorgestellt?" versetzte der Conne
table.
„Nein, zu meinem aufrichtigen Be
dauern! Denn das Fräulein ist sehr
hübsch!"
„Allerdings! Aber sie ist nicht mn
der gefährlich!"
„In welchem Tone Ihr das sagt,
Honnetabk? Meint Ihr, weil ich jung
bin, niüßle jeder Blick ans schönem
'Auge, der auf mich fällt, sofort mein
Herz in Flammen setzen.
„Offen gesagt, Chevalier, man hat
mir des öfteren erzählt, daß Ihr nicht
unempfänglich feid wider solche Reize.
Allein ich weiß auch ebenso gut, daß
Eure Tapferkeit nicht zurücksteht hinter
den mannigfachen interessirten Aben
teuern. deren Held Ihr gewesen. Und
vor allem bin ich überzeugt, daß Euch
die Liebe niemals in einen Conflict
bringen wird mit den Pflichten, die Ihr
«uf Euch genommen.
Sonst hätte Euch schwerlich Se.
Majestät unser gnädigster König Lud
wig XI. damit betraut, das schwere
Amt einzunehmen, welches ich bisher
iiiue gehabt."
„Ihr meinet, daß das Fräulein von
Letzlingen —"
„Kommt mit, Chevalier! Ich möchte
Euch noch manchen Wink geben. Doch
dazu bedürseu wir der Ruhe. Uud
hier, wo sich so viele Menschen zusam
men drängen, ist nicht gut der Ort,
über derlei Sachen zu sprechen."
Die beiden Männer gingen an der
Gruppe vorüber, in deren Mitte sich die
junge Lothringerin befand. Sie be
herrschte dieselbe augenscheinlich nicht
nur durch ihre Schönheit, mit welcher
sie jede Frau überstrahlte, sondern auch
durch den sprühenden Geist, durch die
an Muthwilleu streifende Laune, wo
mit sie jede Frage, welche an sie gerichtet
wurde, sofort zurückgab.
Diese Scene fand an einem Winter
abend des Jahres 1472 statt, ans einem
Feste, welches der Connetable Rene von
Guise. bisheriger Kommandant von
Rone», den vornehmen Familien dieser
gehorsamen Stadt gab, als ihn Ludwig
XI. nach Paris berief, um ihn an die
Spitze des Heeres zu schicken, welches
die aufständischen Vasallen im Süden
Frankreichs zu ihrer Pflicht zurückführen
sollte.
Sein Nachfolger war der Chevalier
Gaston von Brassac, ein Günstling des
Königs, ein schöner, blühender Mann
im thatkräftigsten Alter, und wie der
alte Handcgen, der Connetable von
Guise, ebenso wahr wie aufrichtig be
merkt hatte, nicht minder bekannt wegen
seines persönlichen Muthes als wegen
der mannigfachen galanten Beziehun
gen. in welche er bereits verwickelt ge
wesen.
Uebrigens hatte der Connetable Recht,
wenn er die Schwierigkeit der Stellung
betonte, zu welcher der Chevalier beru
fen worden. Es bedurfte zu derselben
«benso viel Energie wie Schlauheit. Es
handelte sich nämlich nin nichts Gerin
geres nls den Erwerb einer Provinz,
des deutschen HerzogthumS Lothringen,
welches damals wie heute für Frank
reich das sehnsüchtigste Ziel seiner Poli
tik gewesen.
Der Sachverhalt war folgender:
Ludwig XI., ebenso schlan wie län
kergierig, ebenso gewissenlos wie grau
sam, hielt in seiner Stadt Ronen den
Herzog Eberhard von Lothringen nebst
dessen Gemahlin Jakobäa gefangen.
Auf einer Reise von England, welche
sie über sranzösisches Gebiet machen
»mvten, hatte man das hohe Ehepaar
«insach seiner Freiheit beraubt.
Man warf sie allerdings nicht in
Fesseln oder sügte ihnen geivaltlhätige
und schmähliche Behandlung zu—davor
hütete sich der schlaue Monarch, obwohl
Grausamleit sonst der ausgesprochene
Zug seines Charakters war, weil er sich
fürchten mußte, daP er dadurch eine
Koalition der Fürsten wider sich in das
Leben rufen könne. Unter dem Ver
wände, der Herzog und feine Gemahlin
möchten seine Gaste bleiben, bis eine
Streitfrage, welche zwischen ihnen
schwebte, erledigt sei, hielt er sie in sei
nem Lande zurück. Zum Wohnsitz
wies er Ihne» Ronen an, wo sie aller
dings scheinbar jegliche Freiheit genos.
sen, aber thatsachlich doch Gesangene
waren. Denn wenn sie auch mil der
Achtung, welche vornehme Stellung er
heischte, behandelt wurden, waren sie
doch auf Schritt und Tritt bewacht,
und durften vor Allem die Ringmauern
der Stadt aus keinen Augenblick ver
ilassen.
Vergebens protestirte der Herzog ge
sell solche Beschränkung seiner Freiheit.
Macht ging vor Recht. Vergebens rief
er den Kaiser um Hilfe an. Die Ohn
macht Deutschlands war viel zu groß,
als daß man an einen Krieg mit Frank
reich denken konnte. Kaiser Friedrich
111. beschränkte sich daraus, Ludwig XI.
Vorstellungen zu machen, welche dieser
mit Ausflüchten beantwortete, die seine
Handlungsweise beschönigten, aber nicht
änderten.
Ludwig XI. behauptete nämlich, daß
das Herzogthum seinem Lande eine be
deutende Summe schulde. Diese An
sprüche stützte er auf veraltete Privile
gien, welche die französischen Könige in
Lothringen besaßen. Jene waren will
kürlich abgeschafft worden, ohne daß
man daran gedacht, die rechtmäßigen
Nutznießer gebührender Weise zu ent
schädigen. Das sollte jetzt einmal ge
schehen, und der Herzog nebst seiner
Gemahlin persönlich dafür haften, bis
diese Ansprüche gedeckt wären.
Inzwischen schaltete Ludwig XI. in
Lothringen wie in seinem eigenen Lande.
Er legte Beschlag auf die herzoglichen
Güter nnd zog die Zehnten ein durch
Beamtc, die er theils durch Drohungen,
theils durch Bestechungen auf seine Seite
gebracht hatte.
Herzog Eberhard hätte die Freiheit
zurückgeminnen können, wenn er auf
die Vorschläge einging, die Ludwig XI.
ihm machte. Diese zielten daraus hin,
daß er seine Verpflichtungen Deutsch
land gegenüber löste und dafür sein
Herzogthum von Frankreich als Lehen
empsinge. Aber der Fürst wies dies
Anerbieten als einen Treubruch zurück,
welchen er niemals gegen Kaiser und
Reich begehen würde.
Ebenso dachte auch seine Gemahlin
Jakobäa, ein thüringisches Fürsten
kind, welche daheim auf der Wartburg
in zu echt deutscher Art erzogen worden,
als daß sie so bereitwillig dafür wel
sches Wesen eintauschen mochte.
In einer Nische des großen Bankett
saales hatten der Connetable von Guise
und sein Nachfolger, der Chevalier von
Brassac, diese Angelegenheit nochmals
durchgesprochen.
„Die Hauptsache," schloß der Erstere
die Unterredung, „hleibt demnach, daß
der Herzog aus die Bedingungen ein
geht. Man muß ihn mürbe machen.
Dazu gehört jedoch vor Allem, daß jede
Beziehung zwischen ihm nnd dem deut
schen Wesen abgeschnitten wird. Das
ist jedoch unmöglich, wenn man ihm den
Verkehr mit seinen LandSleuten gestat
tet. Er soll sich an unsere Sprache,
an unsere Sitten gewöhnen. Kurz:
er soll Franzose werden!"
„Ah." versetzte der Chevalier, „jetzt
begreife ich, weshalb Euch die Gegen
wart des Fräuleins von Letzlingen nicht
behagt!
In der That! Was in aller Welt
will sie hier! Wenn es nach mir ge
gangen, Hütte man ihr den Aufenthalt
in Ronen kurzweg verwehren solle».
Aber Sr. Majestät meinte, man dürse
nicht so rauh vorgehen; die Herzogin
hätte sich beleidigt gefühlt, und das Äe
rücht von einer harten Behandlung,
welch:s ohnehin schon in Dentschland
verbreitet ist, würde dadurch nur noch
glanbwürdiger geworden sein. Ich
erhielt dPiach die Weisung, der Loth
ringern! denn wie Sie vielleicht wis-
gehört Diane zu dem ältesten und
vornehmsten Adel des HerzogthumS
den Verkehr mit der Fürstin ohne jede
Beschränkung zu gestatten. Was mich
natürlich nicht abhielt, sie auf Schritt
und Tritt zu beobachten —"
„Und Ihr fandet VerdachtSgründe?"
„Nicht im Mindesten! Aber daß
ich'S Euch bekenne, Chevalier: Das ist
es gerade, was mich verdrießt. Denn
daß Diane etwas im Schilde führt,
daran darf man nicht zweifeln. Nnr
läßt sie sich nicht in die Karten schaue».
Sie ist ebe» schlauer, als wir insge
sammt."
Am nächsten Morgen verließ der
Connetable Rouen, um seinen neuen
Posten anzutreten.
Der Chevalier von Brassac faßte sein
Amt so gewissenhaft auf, wie ma» es
in Paris von ihm erwartet. Uebri
gens lag bei Ludwig XI. eine gewisse
Absicht darin, daß er gerade ihn ge
wählt. Ein aller Haudegen, war der
Connetable von Guise nicht der diplo
matischen Künste mächtig. Bei seinem
mürrischen, rechthaberischen Wesen eig
nete er sich wenig für eine Mission,
welche so große Schwierigkeiten in sich
barg. Man erwartete wohl nicht Mit
Unrecht, daß der ritterliche, mit dem
Hofleben vertraute Chevalier denselben
besser gewachsen sei, und gab ihm
darum die Weisung, nichts zn verab
säumen und leine Ausgaben zu sparen,
wenn dadurch der Herzog und seine Ge
mahlin für ein Lehensverhältmß zu
Frankreich bestimmt werden könnten.
Ter Auftrag paßte völlig zur Natur
des Chevaliers. Er schmeichelte dem
Herzog, er überhäufte dessen Gemahlin
mit Artigkeiten. Rouen erlebte damals
glänzende Tage; der Palast des Com
mandanten sah oftmals Feste, welche
sich mit denen des Louvre messen
kolkten.
Aber sowohl der Herzog als auch
seine Gemahlin blieben denselben fern.
Sie betrachteten sich als das, was sie
thatsächlich waren als Gefangeue,
wenn ma» auch ihren Käfig zv vergol
den suchte und die Gitter so weit aus
einander zerrte, daß die Insassen des
selben frei zu fein schienen.
Um so mehr betheiligte sich Diane an
diesen Festlichkeiten. Sie war geradezu
der Mittelpunkt derselben. Und ebenso
wie alle übrigen Mitglieder des starken
Geschlechts konnte sich auch der Cheva
lier von Brassac nicht denßeizen entzie
hen, welche sowohl in ihrer Schönheit
wie in ihren Geistesgaben begründet
waren.
Eines Tages sagte er zu ihr halb
scherzend, halb im Ernst:
„Ihr könntet ein gutes Werk thun,
edles Fräulein! Ein gntes und mäch
tiges zugleich. Denn Ihr würdet da
durch den Tank aller Franzosen ernten,
vornehmlich aber meinen und deu mei-
neS gnädigen Herrn, des Königs Lud
wig XI. Ihr ahnt wohl selbst, daß eS
sich darum handelt, den Herzog und
seine Gemahlin den Wünschen desselben
gefügiger zu stimmen."
Diane zuckte mit den Achseln.
„Da überschätzt Ihr gewiß meinen
Einfluß, Chevalier. So lieb mich die
Herzogin hat. würde sie sich schwerlich
durch mich zu einer solchen Willens
äußerung bestimmen lassen. Ueber
dieS täuscht Ihr Euch aber in meiner
ganzen Veranlagung. Von Politik
verstehe ich nun einmal ganz und gar
nichts, und ich würde nur gröblichen
Unsinn und allerhand Verwirrungen zu
Wege bringen, wenn ich mich hinein
mischte".
Gleich darauf tanzte sie ein Menuett.
Wenn der Chevalier zusah, wie sie
ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Fi
guren des Tanzes verwandte, mußte er
sich wohl oder übel gestehen, daß in
diesem fast kindlich hübschen Kopfe
schwerlich Sinn für die Politik stecken
konnte.
So verging der Fasching, um Ostern
in baldigster Ferne zu zeigen.
Der Zufall wollte es, daß dieses Fest
aus den ersten April siel.
Das Mittelalter in seiner naiven
Freude an Fröhlichkeit und geselligem
Behagen wählte »sich diesen Tag, um
neben allerhand Scherzen und Einfüllen
die ganze Ausgelassenheit des Carnevals
gewissermaßen noch einmal zum Durch
bruch gelangen zu lassen.
Es geschah durch das April-Schicken,
welches damals, zumal in Frankreich,
allgemein beliebt war, uud mit einer
Virtuosität in Scene gesetzt wurde, die
aus unserer Zeit im Grunde verschwun
den ist.
„Habt Ihr auch schon einen Scherz
in Vorbereitung?" fragte der Chevalier
Brassac Diane, als rr sie am Tage vor
dem 1. April sah.
„Allerdings, Herr Kommandant."
„Darf man fragen, wer der Held
desselben sein wird?"
„Ihr selber!"
Wie? Mich wollt Ihr in den April
schicken?"
„Ganz sicher, Chevalier? Aus Strafe,
daß Ihr mich neulich dazu veranlassen
wolltet, mich in Angelegenheiten zn mi
schen, von denen eineFran nun einmal
nichts versteht."
Diane hob drohend den Finger, um
dann dem Clievalier schelmisch lächelnd
die kleine schöne Hand zum Kusse zn
reichen.
Dann ging sie weiter.
„Ein wunderschönes Weib diese
kleine Lothringerin," dachte der Cheva
lier, indem er ihr nachschaute.
Diese Bewegung fand in dem spani
schen Lustwäldchen statt, wo sich in jener
Zeit die vornehme Gesellschaft Rouens
ein Stelldichein zu geben pflegte.
Zu derselben Zeit stand der Herzog
neben seiner Gemahlin in seinem Zim
mer des Schlosses, welches doch im
Grunde ihr Gefängniß war. Sie
sprachen von der lieben Heimath, von
ihrem blühenden Land, welchem sie nun
schon so lange entzogen waren, nnd
nicht zum Wenigsten von dem Feste,
welches eben vor der Thür stand.
„Erinnerst Tu Dich noch," sagte er
düster. „Ostern war es, wo ich Dich
;nm ersten Male sah. Ich kam ans
dem Hessenlande durch Thüringen.
Dein Vater nahm mich gastlich auf.
Er veranstaltete ein Tcurnier, nnd ich
wählte Deine Farben, um manchen
Tapfern, der andere trug, in den Sand
zu strecken. Seit der Zeit war mir
Ostern ein Fest der Freude.
Ich ahnte ja nicht, daß einst der
Tag kommen würde, wo ich es wie der
Schlechtesten einer, in Schmach und
lyefangenschast würde verbringen müs
sen."
Die Herzogin flüsterte ihm etwas ins
Ohr.
Es mußte wohl ein wichtiges Geheim
niß sein, denn sonst hätte sie es, da
doch Niemand im Gemache anwesend
war, wohl laut sagen können.
Es verging der Tag, die Nacht kam.
Früh am Morgen —der Tag graute
eben—wanderte ein Bauernpaar durch
das Thor in da-Z Freie. Sie trugen
recht nnd schlecht die Gewänder der
ländlichen Bevölkerung der Normandie,
den Rücken beschwert mit großen Trag
körbe», welche ihnen sichtlich eine Last
waren. Die Festungswache kümmerte
sich natürlich nicht um das Paar, denn
jeden Abend kamen genug Bauern aus
der Umgegend nach Ronen, die dann in
aller Frühe zur Erledigung ihrer häus
lichen Angelegenheiten die Stadt wieder
verließen.
Als sie eine Strecke gegangen waren,
kam ihnen ein junges Mädchen entge
gen. die Tochter des Müllers am Stadt
graben, die während dieser Nach
fafchingsnacht auf einer Meierei bei
Verwandten gewesen war und ihrer
seits jetzt nach Rouen zurückkehrte, um
dem Vater die Wirthschaft zu besorgen.
Als sie die Bauersleute erblickte, blieb
sie wie versteinert stehen. Und noch
nachdem diese bereits vorüber gegangen,
schaute sie ihnen wie Gespenstern nach,
über deren Erscheinen man sich nicht
genug wundern kann.
Kopfschüttelnd gelangte sie an das
Thor.
Der Korporal, welcher dort die Wache
befehligte, war ihr Geliebter. Auf ibu
'log sie zu. um ihm zn erzählen, daß sie
eben ans der Straße.welche nach Dieppe
führt, den Herzog Eberhard und seine
Gemahlin, Beide als Bauersleute ver
kleidet, gescheu habe.
Der Korporal lachte, daß seiu Ge
wehr wackelte.
„Ein famoser Aprilscherz", rief er
aus. „Ich hätte Dir übrigens kann,
zugetraut, Lise, daß Du sö gescheidte
Einfälle hast. Aber Du siehst, ich bin
doch noch klüger als Du. Oder glaubst
Tu etwa, daß ich dem vermeintlichen
Herzog und seiner Gattin nachsetzen
werde, um daun nachher von Dir und
den Kameraden tüchtig ausgelacht zu
werden?"
Das Mädchen ward roth vor Horn.
Aber je mehr sie die Wahrheit ihrer
Nachricht betheuerte, um so Heller lachte
ihr Korporal auf.
Schließlich fand er die Sache doch
nicht so spaßhaft. Und' nach einiger
Ueberlegung hielt er es sogar für seine
Pflicht, den Thatbestand dem Lieutenant
zu melden.
„Willst mich denn wirklich in den
April schicken," ruft der halb ärgerlich,
halb lachend aus. „Oder meinst Du,
daß Deine Geliebte nicht nur Dich, son
dern die gtinze Garnison zum Narren
halten darf!"
Doch es geht ihm nicht anders «ls dem
Ucberbriiiger der Nachricht. Nach einiger
Zeit fällt ihm die Sache gleichwohl schwer
ans das' Herz. Und um sich ft:ei von je
der Verantwortlichkeit zu fühlen, geht er
zum Stadtkommandanten, Chevalier
von Brassac, dem er die betreffende Mel
dung macht.
„Es ist gut, daß sich die Offizivre Sr.
Majestät deS Königs so in den April
schkcken lassen", erwiederte dieser. „Ich
muß jedoch bekennen, daß ich Euch,
Lieutenant Bradelet, sür vernünftiger
gehalten hätte!"
Damit entließ er den Ueberbringer
der Nachricht.
Als er allein war, lachte er hell
auf.
„DaS ist Dianens Werk," sagte er
vergnügt. „Sie wollte mich in den
April schicken, wie sie es selber einge
räumt. Wahrscheinlich dachte sie, ich
alarmire jetzt die ganze Garnison, nm
den vermeintlichen Flüchtlingen nachzu
setzen. damit sie mich ordentlich aus
lachen kann, wenn wir nnverrichtcter
Sache nach Ronen zurückkehren. Aber
sie soll sehen, daß sie sich getäuscht. Ein
Franzose läßt sich von keiner Deutschen
in den April schicken, wenn sie auch so
hübsch und gescheidt ist wie diese kleine
Lothringen»."
Der Chevalier unternahm seine ge
wohnte Morgcnpromenadc, in der YNi
sicht, Diane zu begegnen.
Als er sie nicht traf, begab er sich in
ihre Wohnnng, um ihr seine Auswar
tung zu machen.
Man theilte ihm mit, daß das Fräu
leiu von Letzlingen in aller Frühe ans-!
geritten und bis jetzt nicht zurückgekehrt
sei.
Der Ehevalier begab sich in die Kom
mandantur, nm die Obliegenheiten des
Tages zu erledigen.
So vergingen wieder einige Stun
den.
Der Tag näherte sich schon dem Abend,
als dem Ehevalier ein Mann gemeldet
wurde, welcher ihu dringend zu sprechen
wünschte.
Er war einer der Diener, welcher dem
Herzog während seines unfreiwilligen
Aufenthalts in Ronen zugetheilt wor
den. Er überbrachte furchtsam-verle
gen M Meldung, daß derselbe sowohl
wie auch seine Gcinahlin den ganzen
Tag über noch nicht sichtbar geworden.
Die Schlafgemächer des hohen Paares
seien noch immer verschlossen. Man
wisse ni-ht, ob demselben ein Unfall zu
gestoßen oder ob —
Der Ehevalier gerieth in die aller
größte Bestürzung.
Nichts GntcS ahnend, eilte er sofort
in die Wohnnng des Herzogs und ließ
die Schlösser öffnen, da Niemand ans
das Klopsen nnd Rnsen antwortete.
Das Nest war leer, die Vögel entflo
hen.
Er alarmirte sofort die ganze Garni
son und schickte sich an, die Flüchtlinge
zu verfolgen. Aber diese waren nicht
mehr zu erreichen, da sie einen großen
Vorsprung gewonnen hatten
Ueber Flandern nnd die bnrguudi
schen Lande kam das Paar glücklich nach
Lothringen, nachdem sich noch vorher
Diane von Letzlingen zu ihnen gesellt
hatte.
Der Chevalier von Brassac hatte z»i
früh triumphirt. Er war also doch
von der kleinen Lothringerin in den
Älpril geschickt worden.
Uebrigens mußte er den Streich, des
sen Opfer er geworden, hart büßen.
Ludwig XI. war außer sich ; er wü
thete, als ob er den Verstand verlöre».
Zuerst wollte er den Tod des Cheva
liers, und nnr der früheren Gunststel
lunq, welche er eingenommen, hatte die
ser 4s zn danlen, daß er mit der Baftille
fortkam.
Für diesmal war Lothringen glücklich
den Fangarmen des französischen Nach
bars entkommen.
Herzog Eberhard und seine Gemahlin
Jakobäa vergaßen Diane von Letzlin
gen niemals, was sie ihr schuldeten.
Denn sie hatte jene Flucht bewerkstel
ligt, und ihrer feinen Politik war es
doch im Grunde allein zn danken, daß
der Kommandant von Ronen so einge
schläsert worden. Ein dentsches Mädchen
hatte damals eine der größten Garniso
nen Frankreichs sammt ihrem Befehls
haber recht und schlecht in den April
geschickt.
Vorwärts!
Wenn Dn des Weges sicher bist,
Nur vorwärts, drauf und dran!
Ob's Nachts ist und mit Eimern gießt,
Ob steil und rauh die Bahn,
Dein Zweiradi Wille Pflichtgefühl
Bringt sicher endlich Dich zum Ziel.
Arzt: „Sie wünschen, daß ich
Ahnen dieTiätvorschriften aufschreibe?"
Patient: „Wenn ich bitten darf!
Und dann thät' ich Sie freundlichst er
sucheu, Herr Doctor, mir auch noch Al
les zu verbieten, was ich nicht gern ess',
damit'S mir meine Frau nimmer kocht!'
Was i hn n och erwärmen
kann. Studiojus Busf: Sieh' drüben,
welch' hübsche Dame! Studiosus Suff:
LHit mich talt! Studiosus Busf: So,
was kann Dich denn noch erwärmen?
Studiosus Suff: Ein kräftiger Grog!
Der richtige Au geler.
Wird Ihnen denn das gar nicht
langweilig, wenn Sie so tagelang beim
Angeln gar nichts fangen? Doch,
aber was hat man denn von dem biss'l
Leben, wenn man sich ab und zu net a
bisi'l langnml'n könnt'!
D«« »oomer« in VNayom».
Nach und nach fallen die Reserva
tionen, die letzten Zufluchtstätten der
Rothhaut, den Weißen anheim. Das
Urtheil der ehemaligen Herren des
nordamerikanischen Continents ist Aus
sterben oder Vernichtung! im unerbitt
lichen Kampf um's Dasein ist die
kupferfarbige Rasse gegen die Kauka
sier unterlegen.
Die ungeheuren Landstrecken des
Jndianergebiets verkleinern sich durch
Erschließung von neuen Reservationen
für weiße Ansiedler mehr und mehr.
Es war etwa dreizehn Jahre nach der
Erwerbung Louisianas, als die Bun
desregierung 1816 beschloß, das heu
tige „Judian Territory", welches ein
Bestandtheil von Louisiana war, in
Reservationen für depossedirte India
nerstämme umzuwandeln. Es handelte
sich hierbei um nicht weniger als 25,-
000,000 Acker des besten und frucht
barsten westlichen Boden.
In den Jahren 1835 und '36 wur
den die sogenannten civilisirten Stäm
me, nämlich die Cherokesen, Ereeks,
Choctaws, Ehickasaws und Seminolcn,
dort angesiedelt. Während des Bür
gerkrieges standen diese Stämme auf
Seiten der Rebellen. Nach dem Kriege
wurden sie von der Regierung veran
laßt, von ihrem Grund uud Boden
14,000,000 Acker derselben zurückzu
übertragen. Oklahoma ist aus diesem
gewaltigen Komplex herausgeschnitten.
Bereits i. I. 1870 brachte ein unter
nehmungslustiger Mann aus Kansas,
David L. Payue, eine Bewegung zwecks
Erschließung von Oklahoma für weiße
Ansiedler in Gang. Nach zehn Jahren
kam es zwischen den Viehzüchtern und
seinen zahlreichen Anhängern, welche
sich an der Grenze des Chcrokesen-Ge
biets niedergelassen hatten, zum Streit.
Die Viehzüchter, welche das Weide
land von den Indianern gepachtet hat
ten, riefen die Hilfe der Bundesregie
rung gegen Payne an, und schließlich
wurde dieser gefangen genommen nnd
seine Anhänger zerstreut.
Gegenwärtig handelt es sich um die
Erschließung der Reservationen der
Cheyenne- und Arrapahoe-Jndianer.
Unter den Arrapahoes befinden sich
diele wohlerzogene junge Mädchen,
welche aus Kosten des Stammes in Bo
stoner Instituten eine gnie Ausbildung
erhalten haben. Nach Hanse zurückge
bracht, vergessen sie oft genug ihre feine
PeusionSbildung. wenn es sich um Ab
haltung von Nationaltänzen oder son
stige gemeinsame Festlichkeiten des
Stammes handelt. In Wollenoecken
gekleidet, machen sie die wildesten
Sprünge der Uebrigen mit, bis sie vor
Erschöpfung zn Boden sinken.
Warmmg?zeichen eines „Lot Jumper»".
Die Vorgänge vor drei Jahren bei
der Eröffnung der ersten Reservationen
in Oklahoma werden sich
auch hier wiederholen. Ein blmtschek
kiges Gemisch von Abenteurern, Glücks
rittern, Menschen jeden Alters und
Standes, die hier auf die Eröffnung
warten, spottet jeder Beschreibung.
Doch schon wenige Wochen nach der
Besitzergreifung verziehen sich die un
sauberen und abenteuersüchtigen Ele
mente, denen es nur daraus ankam, im
Trüben zu fischen, vollständig und
machen dem fleißigen und seßhaften
Farmer Platz.
Deeming, der Massenmörder.
Ueber der Vergangenheit und der
Persönlichkeit des Mörders Deeming
schwebt noch immer ein geheimnißvolles
Dunkel. Unzweiselhaft ist, daß Albert
DeemiiiH, oder Williams, zur Klasse
der ilistinctivcn Verbrecher, wie sie die
neue Schule der Kriminal-Psychologie
nennt, oder moralisch Wahnsinnigen
gehört. Ein instinctiver Verbrecher,
lme ihn Loinbroso und ElliS beschreiben,
ist schon meist durch gewisse abnorme
Schädelbildnng oder natürliche Defecte
gezeichnet! sein perverser Hang zu Ver
brechen'ist meist ererbt, respective treten
in seiner Familie auffallend viele Fälle
von Epilepsie, Tuberkulose, Pauperis
mus und Prostitution auf. Der Ame
rikaner Dugdale hat durch den genauen
Stammbaum der Max Jukes'schen
Nachkommen im nördlichen New Bork
durch sechs Generationen hindurch einen
glänzenden Beitrag zur Lehre vom in
stinctiven Verbrecherthunz geliefert.
Albert Deeming.
ES ist sehr schwierig. DeemingS Ber-
weiche sich iu drei
Welttheilen Europa, Amerika und
Australien abgespielt hat, bis in alle
einzelne Phasen zu verfolgen. Und
doch ist es von der höchsten Wichtigkeit,
die sämmtlichen Schandthaten dieses
Scheusals zu enthüllen. Was Deeming
namentlich mit den instinctiven Perbre
chren gemein hat, ist seine völlige Ge
fühllosigkeit und Mangel an Rene über
feine Thaten. Er erinnert an einen
instinctiven Verbrecher höherer Ord
nung, den berüchtigten Engländer
Thomas Wainwright, der nacheinand.r
seine Frau, Schwägerin und mehrere
Fremde durch Gift aus der Welt schaffte,
nnr um sich iu den Genuß der Lebens
versicherung zu setzen. Wie ist es an
ders möglich, als daß wir denselben
Zug an Decining entdecken, der nach
dem er wiederholt, ein moderner Blau
bart, mehrcre Frauen abgeschlachtet hat,
nun auch noch seine fünf unmündigen
Kinder ermordet, nur deshalb, weil
dieselben ihn in seinen galanten Aben
teuern lästig sallen könnten.
Echt verbrechermäßig ist auch sein
nnüberwindlicher Hang zur Prahlerei,
Lüge und Vornehmthnerei. In Am
sterdam tritt er als Lord Dunn auf und
kapert damit ein reiches englisches Mäd
chen; der armen und vertrauensvollen
Kate Routtcewell nähert er sich in Syd
ney unter dem volltönenden Titel eines
„Baron Swanson". Glücklicherweise
verhinderte seine inzwischen ersolgtc
Verhaftung ein neues Verbreche», dem
das gutmüthige Mädchen sicher ebenso,
wie ihre Vorgängerinnen zum Opser
gefallen wäre.
DeemingS Charakter ist ein unbe
schreibliches Gemisch aus roher Sinn
lichkeit, Großthuerei, brutaler Mordlnst
und Habsucht. Keine Spur einer edlen
Regung ist in diesem Ungeheuer zu ent
decken. Am nächsten ist er dem Tiger
oerwandt, dem das strömende Blut
seines Opfers ein Genuß eigener Art
ist.
Englische GerichtSscene.
Folgende Fragen stellt ein englische?
.Ilichter an einen Mann, der bei einer
öffentlichen Gerichtsverhandlnng über
vie Echtheit eines Testaments, als Zeuge
auftritt. Richter: „Wer hat das Testa
ment versiegelt?" Zeuge: „Der Er
blasser selbst." R.: „Wohl, doch er
war zu der Zeit bettlägerig. Wer that
ihm die nöthigen Handreichungen?"
Z.: „Ich" R.: „Was reichten Sie
ihm zuerst?" —Z.: „Ein Stück Siegel
lack." R.: „Von welcher Farbe?"
Z.: „ES war roth." —R.: „Wiegroß
war es wohl?" Z.: „Etwa drei bis
vier Zoll lang." R.: „Woher nah
men Sie das Siegellack?"—Z.: „Von
einer Kommode, die unweit des Bettes
im Zimmer stand." R.: „Woran
machte der Erblasser das Siegellack
flüssig?" Z.: „An einer Kerze."
R.: „Wer hielt die Kerze?" Z.:
„Ich." R.: „Woher nahmen Sie
die Kerze?" Z.: „Von der gleichen
Kommode, von welcher ich das Siegel
lack genommen." R.: „Wie groß
war die Kerze?" Z.: „Etwa sünf
bis sechs Zoll lang." R.: „Der
Erblasser hat dcmiiach das Testament
eigenhändig versiegelt, nnd zwar mit
einem Stück Siegellack von rother
Farbe, welches etwa drei bis vier Zoll
lang gewesen, nnd welches Zeuge von
einer in der Nahe des Bettes stehenden
Kommode genommen und ihm selbst
überreicht hat. Der Erblasser machte
hierauf das Siegellack an einer Kerze
flüssig, welche etwa fünf bis sechs Zoll
lang, von dem Zeugen für ihu gehal
ten wurde. Die Kerze war von dem
selben gleichfalls von der bereits er
wähnten Kommode genommen worden.
Verhält es sich so, Zeuge?" Z.: „Es
ist vollkommen so, wie Sie sagen, Herr
Richter/' R.: „Meine Herren, das
Zeugniß ist falsch. Das Testament ist
gar nicht mit Siegellack, sondern nur
l mit einer Oblate versiegelt l"
«u» dem Berliner »ereiteSlebe«»«
Ueber eine interessante Blüthe aus
dem Berliner VereinSleben wird dem
„Berliner Tagbl." von einem lebens
frohen Abonnenten Folgendes berichtet:
„Berlin ist ein Dorf, heute noch, trotz
seiner anderthalb Millionen und dar
über, und die Menschen drin sind
inehrschtcnde?ls verrückt!"... .mit die
sen geflügelten Worten stellte mich in
einer der jüngsten Nächte ein mir gänz
lich unbekannter Herr, als ich die halb
dnnkle Treppe eines Bierlokals der
Oranienstraße emporturnte. Er machte
meine Bekanntschaft, oder erneuerte
dieselbe vielmehr, da er, wie sich gleich
darauf im gasbeleuchteten Salon her
ausstellte, im Jahre 1860 in Magde
burg beim 66. Infanterie-Regiment
dem ersten meiner Obhut anvertrauten
Rekruten-Pult zugetheilt gewesen und,
vermuthlich mit manchem gut gemeinten
Pnff bedacht worden war. Kurz und
gut, er erkannte mich, trotz vergangener
30 Jahre.
Im Lokale fand ich in einem beson
deren Zimmer nm runden Stammtisch
etwa ein Dutzend Herren! ein Verein,
wie sich später herausstellte; mein ehe
maliger Rekrut war zweiter Vorsitzender
desselben. ES war der nen gegründete
Verein der Stammler! Der Verein
hat sehr strenge Statuten, und wer
nicht stottert, muß das Zimmer, und
mit diesem die Bedienung der blauäu
gigen schwarzgelockten „Ariadne" mei
den.
Also wie wir nun „rin" kamen . .!
„Hurrah, Wu, Wulle iso heißt näm
lich mein ehemaliger Kamerad und
jetziger Lbcrsteucr-Kontrolcnr) H.. h.
also d.. h. ch n. . och ge.. blie . hie
ben?" Hi.. ich hei.. heiße nicht Wu-
Wulle —un h.. und verbitte >mir
so.. solche Dummheiten hi.. ich
heiße (und nun sprach der Unglücks
mensch wie's ihm um's Herz und um
die Zunge war, Wu-Wu-Wu-Wu-Wn-
W- .H. ulle! Im selbigen Allgen
blicke schlugen AdriadneS schlanke Fin
der die Tasten des Flügels an, und
„Hoch soll er leben" u. s. w. KlangS es
in wirklich ganz ausgezeichnetem vier
stimmigen Chor.
Es gab nun ein Wort das andere,
oder vielmehr aus einem Worte mach
ten die Geister immer 4 bis 17, und
ich mußte, um ans solch' illustrem
Kreise nicht verbannt zu werden, eben
falls stottern.
Zu meinem Glück fielen mir zwei
Geschichten von ehemaligen Kameraden
mit „ungelösten Zungen" ein, die ich
znm Besten geben konnte, nnd mein
alter Freund von der Steuer war in
der Lage, die erste Geschichte, da er sie
miterlebt, bekräftigen zu können.
Auf Wache der Kaserne „Magdeburg"
in Magdeburg befindet sich Anno
1858 der Portepeesähnricff v. Götze.
Sein Vater, Excellenz und Comman
deur der 8. Division, kommt angerit
ten. Der Posten schreit heraus, und
„Kasper", so nannten wir den tressen
beschwertcn DemostheneS stets, fängt
an: „Ge Ge.. He.. He wehr
auf! A A A Achtung.
Prä.... Prä.... Prä.... Prä.... Prä..
" „Laß'man sind, Kasper,"
winkte Excellenz Papa, der mittlerweile
vom Thor bis zur Wache wohl 120
Schritt langsam geritten war, lächelnd
und sich das Präsentiren verbittend,
ab und „Kasper" wnrde ein
Jahr später bei seiner Beförderung
zum Officicr, zum Train versetzt.
Im Jahre 1860 war ein Graf Gnei
senau Commandeur eines Jäger - Ba
taillons, sein Sohn hatte jjch dnxch ein
Säbelduell ans der KriegSichule zu Er
furt ein nervöses Schütteln des Kopses
und mit diesem das Stottern ange
wöhnt. DaS heißt, er stotterte gemei
niglich nur dann, wenn er ein böses
Gewissen hatte und dies kam sehr
häufig vor. Sein Vater, zu dessen
Bataillon er als jüngster Lieutenant
kam, l>atte bereits zum hritten oder
vierten Äale nicht unbeträchtliche Schul
den für ihn bezahlt und die ojsiciöse
Versicherung abgegeben, im Rückfalle
den Sprößling feinem Schicksale zu
überlasten.
Eines Tages eine erneute Klage
und der Adjutant ruft das Ossi
ciercorps nach der Paroleansgabe nach
dem Casino. „Meine Herren," so be
ginnt der Bataillons - Commandeur
Graf Gueiseuau, „es ist abermals der
bedauerliche Fall vorgekommen, daß
einer der jüngeren Herren leichtsinnig
Schulden gemacht, ohne zn wissen, wie
er Deckung schaffe! Lieutenant Graf
Gneisenan, wie wollen Sie die Schuld
bezahlen?" Der „Angeschnorrte" wird
leichenblaß, schüttelt dann nervös sein
Haupt und bricht los: „H-.H.H.Herr
0.. 0.. Ho.. berst Wa.. ha.. Wa.. cht
he eister, i.. i.. ich habe einen s.. s.. s..
sehr gü..hü. .tigen Va..ha. .ha. .ter
u.. n.. und ich denke...." „Verdamm
ter Junge, ich denke nicht daran", brüllt
der Coniinandenr, „im Uebrigen haben
Sie drei Tage Stubenarrest, den ich so
fort anzutreten bitte."
Mit diesen beiden kleinen, absolut
wahren Geschichten hatte ich mich „ein
gekauft", und als ich gegen 3 Uhr
Morgens nach Hause kam und meine
Gattin zufällig aufwachte, da begrüßte
ich sie: „Gu. . hu.. hu.. ten Mo.. mo..
horgen !" „Leg' Dich nur schla
fen!" flötete sie—und ich ging hin und
that, wie mir geheißen ob die Ge
wohnheit, oder das Schütteln der
Droschke, oder das böse Gewissen, wie
alten Freunde Gneiseiiau.
Schuld an dem Stottern hatte, weiß
ich nicht, will's auch nicht wissen, aber
wahr ist Alles bis auf das Tüpfelchen,
was ich hier niedergeschrieben.
Eine sparsame Haus
frau. Dame: „Ich muß meinem
Manne jeden Abend etwas Warmes
vorsetzen!" Freundin: „Fällt mir
gar nicht ein! Mein Mann bekommt
jeden Abend kalte Küche; verlangt
er 'mal 'was WarmeS, bekommt er
einen Knß fertig!"