Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 06, 1892, Page 2, Image 2

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    2 Po« den «nropSisch«n Fürstinn««.
/ In der Musik wird jede junge Prin-
Hessin unterrichtet, und bei der Beliebt-
Keit, welche gerade diese Kunst findet.
Wcs auch selbstverständlich, daß e»
Manche darin zu cincr gewissen Voll
kommenheit bringt. In der Familie
der Königin von England ist neben der
Liebhaberei für so viele andere Kunst-
Gebiete auch diejenige sür die Musik zu
Hause. Dic Königin war in ihrer
Jugend eine eifrige Klavierspielerin,
ihre Tochter, die Kaiserin Friedrich,
spielt, wie man sagt, die schwierigsten
Kompositionen vom Blatt. Weniger
verbreitet sind manche andere Talente.
Die Königin Margherita von Italien
z. B. schreibt Kritiken über Bühnenanf-
Mrungen. Die Königin - Regentin
von Spanien besitzt cin vorzügliches
Talent für Sprachen; deutsch, franzö
sisch, englisch, italienisch und spanisch
spricht sie mit einer Leichtigkeit, die
Staune» crrcgcn darf. Ihre Part
nerin findet sie in der Königin Marg
hcrita, welche im Stande sein soll, einen
jeden ihrer Gäste in dein Idiom seiner
Heimath zu begrüßen. Dic Königin
von England zieht das Plattdeutsche
allen übrigen Sprachen vor; sie hat
darin cin solches Verständniß erworben,
daß sie Fritz Reuter und Klaus Groth
mit Leichtigkeit liest.
' Die verstorbene Großherzogin von
Hessen war eine Meisterin in feinen
Handarbeiten; täglich arbeitete sie an
der Nähmaschine, so daß man ost kaum
glauben konnte, man befinde sich in
der Behausung einer gekrönten Frau.
Die Königin von Dänemark besitzt ge
radezu eine Schwäche für die Putzma
cherei; ihre drei Töchter, die Kaiserin
von Rußland, dic Prinzessin von
Wales und dic Herzogin Eumberlaud,
sind ihr darin so ähnlich wie möglich.
Man soll diese Fürstinnen beinahe nie
mals ohne Handarbeit sehen. Die
Kronprinzessin von Schweden ist eine
Meisterin in der Küche; so oft sie in
Berlin anwesend war zum Geburtstage
ihres Großvaters, des Kaisers Wilhelm
1., konnte man sie in der Küche des
Palastes sehen, wie sie die Lieblings
speisen desselben eigenhändig znberei
lete. Die Königin von England ist
eine ebenso praktische wie sparsame
Hausfrau, welche besonders auf die
Landwirthschaft cine sehr große Sorg
falt verwendet und darin wirtlich ncn
nenSwerthe Erfolge aufzuweisen hat.
Dagegen soll die Exkönigin Jsabella
von Spanien dcn Werth des Geldes
kaum kennen. Von der Kronprinzessin-
Wittwe Stephanie endlich wird noch er
zählt, daß sie kein größeres Vergnügen
kennt, als Puppen zu nähen für ihre
kleine Tochter, die Erzherzogin Elisa»
beth.
Die Katzen Napoleons.
Im Jahr 1815, als das Schiff, das
Napoleon I. nach St. Helena bringen
sollte, eben im Begriff war, in See zu
gehen, ließ cin Spaßvogel in Chester
und dcn umliegenden Ortschaften Be
kanntmachungen vertheilen, welche be
sagten, daß St. Helena unter einer
wahren Landplage von Ratten zu lei
den habe, die cZ dem Kaiser uud seinen
Begleitern unmöglich inachen würde,
dort zn leben. Zu dem Zweck habe die
englische Regierung beschlossen, von
Ehester aus eine ganze Schiffsladung
von Katzen zu importiren. Auf dcm
Plakat wurde ferner ein Tag festgesetzt,
an dcm ciu königlicher Ofsicier in Che
ster sein würde, uud daß cr mit 16 »>>.
die ansgcwachscncn Katzen pro Stück
bezahlen würde, während junge Katzen
1V Shilling und kleine Kätzchen, die sich
selbst ernähren könnten, mit 2 Sh. ge
tauft wcrdcu würden.
Alle Welt nahm das ernsthaft, und
zum festgesetzten Tage wurdcn Tau
sende von Katzc» nach Chester gebracht.
Als ihre Eigenthümer sahen, daß sie
znm besten gehalten worden wären, ge
rieten sie in Wnth, ließen ihre Katzen
in dcn Straßen laufen und deinonstrir
ten vor dem Rathhause. Einige Be
wohner von Ehester wurden von den
wüthenden Provinzialcn verwundet, die
nicht Lust halten, sich von dcn Städtern
auslachen zu lassen. In dcn folgen
dcn drei Wochen wurden über vier
tausend Katzen in Chester getödtet.
Ter Spaßvogel war nicht zu entdecken
trotz des Preises, dcn die Polizei ans
seine Ergrcifung gesetzt hatte.
Nach einer vielvcrbrei
teten Annahme wurde die Cigarre in
Teutschland zn Anfang des achtzehnten
Jahrhunderts durch die französischen
Heere bekannt und um 1796 in Ham
burg Mode, nachdem dort Schlottmann
acht Jahre früher eine Cigarrenfadrik
wäre aber in Frankreich selbst das Ci
garrenraucheli erst durch die 182? aus
Spanien zurückkehrenden französischen
Truppen eingebürgert worden. Das
Blatt führt als Beweis folgende Stelle
>aus den incdirten Denkwürdigkeiten des
Schauspielers Hippolyte Anger an:
„Unsere Rückreise nach Paris ersolgte
Aber Orleans. Unterwegs begegneten
wir öfters Officicren, die aus Spanien
heimkehrten. Sie trugen verwegen die
Cigarre im Munde, eine neue Sitte,
die seitdem allgemein geworden ist. In
dieser Hinsicht hatte der Feldzug von
182! i die gut sinanzielle Wirkung, eine
Freiwillige Steuer zu schaffen."
Trauriges Symptom.
Kraxenbauer: „... .Ja, ja, i' spür's.
das; i' alt werd'! Früher, da war mir s
«in Leicht's, sechs Leberwürste hinterein
ander zu verschlingen jetzt muß i'
schon eine große Schüssel Sauerkraut
>dazu essen!"
Unerwartete Antwort.
"Richter: „Sie sind wegen des Dieb
stahls zu sechs Wochen Gefängnis; ver
urthcilt. Haben Sie noch was zu
Ihrer Vertheidigung zu sagen?"
Angeklagter: Ja, daß dieselbe cim
miserable war!"
Di« vergeffene BataillonSfahn«.
Es war am Schluß des Brigadeexer
ciereus, am Tage der Besichtigung.
Unser Bataillon hatte in einem großen
Torfe, in welchem alle vier Compagnien
untergebracht werden konnten, recht an
genehme Quartiere gesunden. Dcr
Stab des Bataillons Major Bumke
nnd sein Adjutant war aus's Domi
nium gelegt worden, welches sich am
Ende des Dorfes, auf der dem Exereier
platze entgegengesetzten Seite befand.
Von dort mußte jeden Morgen vor dem
Exercieren durch ciue Compagnie, welche
immer besonders empfohlen wurde, die
Fahne geholt werden, wobei sich der
Fahnenträger, Sergeant Puffke. in der
Regel einige Minuten vor der Fahnen
compagnie schon einfand. Heute am
Besichtignngstage war Puffke ganz be
sonders früh erschienen, hatte die Fahne
auf dcr Stube des Majors in Empfang
genommen und harrte nun geduldig im
Hausflur auf das Erscheine» der Com
pagnie. Alle zwei Minute» lugte er
zur Hausthür hinaus, ob denn noch
nicht die Abtheilung känie, aber cr
konntc jedesmal nichts entdecken.
Nachdem er ca. 2V Minuten gewartet
hatte, wurde cr doch etwas unruhig.
Dcnn es war nunmehr höchste Zeit, daß
abmarschirt werde. Als aber noch
etwa 10 Minuten verflossen waren, da
ging er klopfenden Herzens, mit feiimn
treuen Symbolum im Arm,' wieder die
Treppe zum Herrn Major hinauf uud
wollte sich eben anmelden lasfen, als
dieser schon im Paradeanzug aus feiner
Stube heraustrat, indem es nunmehr
auch für ihn Zeit war, nach dem 1 Meile
entfernten Exercierplatz zu reiten.
Sein erster Blick fiel auf Puffke, der
wie cin armer Süudcr. dic Fahne in dcr
Hand, an dcr Treppe stand.
„Aber, sagen Sie mir bloß um Got
tcswillen, sind Sie dcnn noch nicht
fort?" ricf der Major mit allen Zeichen
des Entsetzens. „Ist dcnn dic Fahnen
compagnie noch nicht dagewesen?"
„Nein, Herr Major!" antwottete der
Sergeant.
In demselben Moment trat anch der
Adjutant aus seinem Zimmer heraus
und machte cin keineswegs erbautes
Gesicht, als er die Scene vor sich sah.
Fiel cs ihm doch plötzlich ein, cr
gestern wcgcn der viclcn Bcschle uud
Vorbereitungen für die Besichtigung
ganz vergessen hatte, die Compagnie zn
bestimmen, welche die Fahne abholen
sollte!
Und nun war sie vergessen, ein Ver
sehen, welches dem Anscheine nach
überhaupt nicht mehr gut zu machen
war! Deuy im Trabe konnte doch
Pusske nicht nach dcm Exercierplatz lau
fen, und, wcnn er es auch gekonnt
hätte, wo war die vorgeschriebene
Bedeckung für die Fahne?
Zunächst stammelte der Adjutant dcm
Major die Unterlassungssünde, die ihm
ein heiliges DonnerMtttr eintrug
aber dadurch wurde es nicht besser!
In diesem kritischen Augenblick er
schien ihr Quartierwirth, der selbst
Laudwehrossizier war, und kann, hatte
er erfahren, um was es sich handelte,
als er anch schon dcm Major scinen
Wagen und scinc besten Pferde zur Ver
fügung stellte, um den Sergeanten mit
feiner Fahne so schnell als möglich
nachzuschasfen.
Aber nun kamen andere Bedenken:
den gcschlosscncn Wagen konnte man
nicht brauchen, weil die Fahne drinnen
nicht Platz hatte; den offenen Wagen
wollte man nicht benutzen, weil Puffke
mit der Fahne darauf, weithin sichtbar
gewesen wäre was unter allen Um
ständen zu vermeiden war! So blieb
denn in der Angst nichts weiter übrig,
als den Brelterwagen zunehmen, dessen
letzte Bestimmung eine Düngersuhre
g.wcfcn war, von der man noch Spu
ren sehen konnte!
Also die heilige Fahne auf den Dün
germngen! Welche Ironie! Aber in
der Noth frißt der Teufel Fliegen: cine
andere Rettung gab's uicht! Unter
keiner Bedingung durfte die Fahne bei
der Besichtigung fehlen.
Schucll war dcr Brettcrwagen be
spannt uud Stroh darin ausgebreitet,
auf dem dcr Scrgeant mit der Fahne
Platz nahm, indem er die letztere ganz
mit Stroh überdeckte uud sich selbst dcr
Länge nach hinlegte, um möglichst un
gesehen zu bleibe»!
So suhr den» dcr Wagen im schar
fen Trabe dem Exercierplatz zu.
Als die seltsame Cavalcadc denselben
beinahe erreicht hatte, machte dcr Adju
tant den Major mit Schrecken darauf
aufmcrksam, daß der Brigadegeneral,
dcr heute an seinem Besichtignngstage
ctwaS zeitiger kam, anf einem Neben
wege gleichfalls dem Exercierplatz zuritt
uud zwar in der Weise, daß er mit
ihnen nothwendiger Weise zusammen
treffen mußte. Stehen zu bleiben, war
nicht möglich, das wäre erst recht ausge
fallen! Zum Glück war ja die Fahne
gut verborge», wohin aber mit dem
unglücklichen Puffte?!
Da fiel dcm findigen Adjutant eine
rettende Idee ein: Puffke mußte als so
genannter „Schlapper" gellen, dcm
unterwegs anf dcm Marsche unwohl
geworden war. Die „Schlappen"
wurden in dcr Regel per Wagcn, wcun
sich ein solcher zusällig fand, dcm Ba
taillon nachiransportirt.
Der Fahnenträger erhielt also seine
Rolle znerlheilt, die er mit einem
schmerzlichen Lächeln ausnahm: ihm
schien sein Schicksal schon zu ahmn. Er
sah nämlich äußerlich bcucideuswerth
gesund aus, cin Exterieur, welches er
durch seine Jammcriiiiene einigermaßen
zu verdecken bemüht war.
Kaum war Alles mühsam geregelt,
als schon dcr General sich dcm Wagen
näherte und von dcn beiden Offizieren
ehrerbietigst begrüßt wurde.
„Sagen Sie mal, lieber Major, wen
haben Sie denn da aus dem Wagen?"
waren die ersten Worte des Brigade
konimandeu'-s.
„Einen Sergeanten von meinem
Bataillon, dem unterwegs unwohl ge
worden ist," antwortete der Major, in
dem er salutirend an den Helm faßte.
„I, da schlage doch das heilige Don
nerwetter drein!! Fangen mir jctzt die
Untcrofsicicre auch schon an, unterwegs
umzufallen, ein nettes Vorbild für die
Leute! Außerdem scheint mir dcr Mann
etwas arg übertrieben zu haben; denn
sehen Sie nur. wie blühend uud ge
sund cr aussieht! Gegenwärtig ist ihm
jedenfalls augenscheinlich sehr wohl!
Also marsch, runter vom Wagcn! Sie
sollten sich überhaupt schämen, Ser
geant, so cin Beispiel zu geben!"
Puffte, dcr um Alles in dcr Wclt
seinen Major nicht vcrrathcn hätte,
kroch wie ein betrübter Lohgerber vom
Wagen hcrnntcr und trottete im Schritt
hinter ihm her, während dcr Gcncral
im langsamen Trabe, mit dcm Major
sich unterhaltend, dem Exercierplatz
zuritt. Letzterer war noch circa 1 Ki
lomctcr entfernt und bestand aus einem
riesigen Stoppelfeld, welches sich anf
der linken Seite der Chaussee, auf der
sie ritten, weithin ausdehnte.
Anfangs trabte dcr „findige" Adju
tant, allerdings fchr geknickt, hinterher;
bald aber ließ er sein Pferd langsamer
gehen und hielt eS schließlich, nnbe
mcrkt von seinen beiden Vorgesetzten,
an! Ihm war nämlich noch zuguterletzt
cin rettender Gedanke eingesatlen, wie
er trotz allcdcni doch noch die Fahne vor
der Ankunft des Generals zum Ba
taillon bringen konizte.
„Frifch'gcwagt, ist halb gewonnen!"
Als dcr langsam folgende Wagen
herangekommen war, ließ cr sich rasch
entschlösse'» die Fahne reichen nnd, in
dem cr sie längs dcr linken Seite des
Pferdes hielt, gab er demselben die
Sporen und gallopirle querfeldein in
langen Sätzen anf sein Bataillon zn,
welches er etwa 1 Kilometer links seit
wärts dcr Ehausfcc auf dem Cxercier
platz bemcrkcn konnte. Er hatte inso
fern Aussicht, nnbemcrkt nnd vor dcm
Gcncral scin Ziel zu crrcichcn, als letz
terer in ruhiger Gangart auf der
Chaussee weiterritt nnd offenbar erst,
beim Exercierplatz angekommen, vom
Wege abbiegen wollte.
Vielleicht wäre auch das kleiue Manö
ver dem Adjutanten geglückt, wcnn
nicht der General hätte wissen wollen,
wie viel Kranke das Bataillon habe.
Als cr sich dieserhalb an dcn Major
wandte und Letzterer seine rechte Hand,
den Adjutanten, darnach fragen wollte,
bemerkten beide zu ihrem Erstaunen,
daß derselbe nicht mehr hinter ihnen
reite und auch auf der ganzen Chausfee
nicht zu sehen war. Ihre Verwunde
rnng erreichte aber den höchsten Grad,
als sie plötzlich den Adjutanten mitten
durch die schön bebauten Rüben- und
Kartoffelfelder dahinfliegen sahen, als
ob die wilde Jagd hinter ihm her sci!
„Aber, lieber Herr Major, ist denn
bei Ihnen heute rein dcr Teufel los?
WaS füllt denn Ihrem Adjutanten cin,
der reitet ja wie ein Besessener durch
dick und dünn!"
Der Major, dcr dcn Zusammcnhang
ungefähr ahucn mochte, entschuldigte
de» seltsame» Ritt des Adjutanten, in
dem cr sagte, daß sei» Pferd, welches
jung und sehr mnthig sei. jedenfalls
durch irgend etwas erschreckt worden und
mit ihm dnrchgegangen sei.
Der General, der sich wohl auch einen
anderen Grund nicht gut vorstellen
konnte, fand dics plausibel und fügte
nur i» wohlwollendem Tone hinzu:
„Wenn'S ihm nur uicht schlecht be
kommt!"
Schon wollte er sein Pserd von
Neuem in Trab setzen, als er plötzlich
nochmals anhielt und, indem er die
Augen zusammenkniff, was er seiner
Kurzsichtigteit halber that den Ma
jor auf etwas Längliches nnd Schwar
zes aufmerksam machte, welches in ge
rader Linie hinter dem Pferde des Ad
jutanten abstand. Es war dies das
schwarze Schasteude der Fahne, welches
sichtbar war. mährend der übrige Theil
vom Pscrdekörper verdeckt wurde.
Der Major, der sich wohl denken
konnte, was es fei, wußte i» feiner
Herzensangst keine andere Erklärung
zu stammeln, als daß er meinte, dies
müsse der lange Pserdeschweis sein, der
durch die schnelle Gangart so horizontal
hinterher flöge. Er baute dabei aus
die ihm bekannte Kurzsichtigkeit des
Generals, die letzterer aber niemals
zugab, weshalb er auch keine Brille
trug. Aber trotz seiner schlechten Au
gen schien der General doch nicht ganz
von der Erklärung des Majors über
zeugt, denn er erwiderte:
„Na, so ein langer und dünner
Pferdeschwanz ist mir doch aber in mei
nem Leben noch nicht vorgekommen!"
und ritt kopfschüttelnd weiter.
Bald hatten sie den Exercierplatz er
reicht, wo sie sich in der Richtung auf
die Truppen in langsamen Galopp setz
ten. Letztere standen bataillonSweisc
neben- und hintereinander, die Gewehre
waren zusammengesetzt nnd die Leute
weggetreten: denn die eigentliche Auf
stellung zur Besichtigung sollte nunmehr
erst nach Ankunst de» Brigadecomman
deurs, durch diesen persönlich er
folgen.
Unterdessen war der Adjutant mit
seiner Fahne schon glücklich bei seinem
Bataillon angelangt, wo er mit einem
riesigen Halloh seitens der Kameraden
empfangen wurde. ES wurde bis zum
Eintreffen des Puffke schnell ein anderer
Sergeant als Fahnenträger designirt,
damit, wenn das Bataillon an die Ge
wehre gehen sollte. Alles in schönster
Ordnung sei.
Da nun der General mit der Auf
stellung seiner Brigade vollauf zu thun
hatte, dachte er für s Erste nicht mehr
an den merlwürdigen „Pferdeschwanz"
und gab sich ganz seinen Ticustgeschäf
ten hin.
Die Porstcllnng der Brigade verlief
glänzend. Seine Excellenz, der com
mandirende General, sprach sich sehr
belobigend aus, so daß, als der Gene
ral nach beendeter Kritik nach Hause
ritt und zusällig mit dcm Bataillon des
Major Bumkt zusammentraf, er sich in
der besten Laune befand und den Ma
jor auf's Freundlichste ansprach.
Dabei siel ihm aber dcr lange und so
kcrzengrade nach hinten stehende Pferde
schwanz wieder cin und er ricf dcn in
kurzer Entfernung hinter ihm reitenden
BataillonSadjutantcn mit dcu Worten
hcran:
„Freut mich, Herr Lieutenant, das;
Sie vorhin bei dcm tollcu Ritt tciu
Malhcur hatten. Ihr Pserd scheint ja
den Tenscl im Leibe zu haben."
Wie erstaunte er aber, als er das
Pserd sich gcuaucr ansah und nur einen
ganz knrzcn Schmanzstninmel an ihm
bemerkte!!
„Was haben Sie denn mit Ihrem
langen Pscideschwanz gemacht. Herr
Lieutenant?" fuhr der General fort,
„Sie haben ihn doch nickst auf dem
Exercierplatz abschneiden lassen?"
„Nein, Herr General," entgegnete
militärisch kurz dcr Adjutant, dcr von
seinem Commandeur schon Alles erfah
ren hatte nnd sich durch möglichst kurze
Antworten ans dcr Affaire ziehen wollte.
„Na, zum Kuckuck, wo ist denn da
dcr Schwanz hingekommen, Herr Lieute
nant?"
„Ich weiß nicht, Herr General!"
„Das ist doch aber eine merkwürdige
Bkschichte mit Ihrem Pferdeschwanz.
Herr Lieutenant!"
„Zu Beschl, Herr General!"
Bei diesen Worten war dcr Weg, wo
der General nach seinem Ouartier rei
te» mußte, hereingekommen.
Der Brigadeadjutant, welcher am
Morgen schon vor seinem Coinmandeur
zum Ailsslichcn eines geeigneten Ausstel
lnngsplatzcs nach dem Exercierplatz ge
ritten war, hatte gelegentlich dcr Kritik
die Geschichte von dem interessanten
Pferdeschwanz gehört nnd, da er seinen
jüngeren Amtsgenossen, dcn BataillonS
adjutantcn, nicht zum Schluß noch
hcrciiifallcn lassen wollte, uutcrbrach cr
an dieser Stelle dcn General, indem cr
ihn daraus aufmerkfam machtc, daß
hier der Weg nach dem Onarlier ab
biege.
Der General ritt daraufhin in dcn
Seitenweg cin, wobei aber sein Blick
nochmals das Pserd des stramm saluti
rcndcn Adjutanten traf:
„Wirklich sehr merkwürdig," mur
melte cr d ibei vor sich hin und ritt von
dannen! Nächsten Tag hatte cr die
Geschichte vcrgcsfcn.
Sergeant Puffke *vurde für dcn aus
gestandenen Schreck durch ciu gutes
Frühstück anf dem G»tshofe entschädigt,
wobei er sich keineswegs als „Schlap
per" zeigte, sondern ganz gehörig ein
hieb; uud auch der Major und sein Ad
jutant tranken beim Mittag cin GlaS
mehr wie sonst, weil schließlich nach
Alles so gut abgelaufen war.
Pariser Hausbesitzer.
Ueber die Furcht dcr pariser Haus
besitzer, richterliche Beamte als Miether
auszunehmen, macht sich dcr „Figaro"
folgendermaßen lustig: Die Scene ist
auf dem Boulevard St. Germain.
Ein Herr liest einen Zettel ~Wohnung
en zu vermiethen." Er tritt ein.
Der Pförtner (als Nationalgardist ge
kleidet, kreuzt das Bajonuet): Halt! wer
da? Der Herr: Aber... Ter Pfört
ner: Halt, oder ich gebe Fener! Dcr'
Herr: Ich möchte die Wohnnng besichti
gen. Der Pförtner: Vorwärts
maisch! (Er ruft): Melanie! Woh
nungsronde! Hast Tu die Handschellen?
(Er legt dem Herrn die Handschellen
an). Folgen Sie mir. TrctcuSiccin!
Die Wohnung ist im füuftcn Stock.
Miethspreis 2'>W Francs, Salon,
Wohnzimmcr, Schlaszimmcr, Speise
zimmer, Küche, Balcon, Aussicht aus
den Boulevard. Jetzt antworten Sie:
Ihr Name? Der Herr: dn Palle.
Der Psörlner: Stand? Der Herr:
Generaladvoeat. Der Pförtner (auf
springend): Melanie, schließe die Cin
gangSlhür! Niemand darf hinein noch
hinaus. Mau weis; doch nicht, daß Sie
hier find?, ~ Ich athme auf; aihnien
wir aus, Melanie! In diesem Falle
kann ich Ihnen das neue HauS-Regle
ment vorlesen, welches sich aus die Ge
neraladvocatcn, Advocatcu und Poli
zeibcamtcn bczicht. Erstens: MielhS
prciS 75M0 Francs vorausznbezahleu.
zweitens: der Name muß geändert wer
de», Sie müssen sich in Zukunst Turou
nennen: drittens: Wechsel des Berufs;
sür das ganze HauS gelten Sie als
Krämer, Trognist oder Gcsellscha'ter
der Eomedie Fr«n<?aisc; viertens: das
Tragen eines Bartes ist verboten, um
Gesichtscntitellungen zu erleichtern.
Sind Sie mit dem nenen Regelment
einverstanden? Der Herr: Nein!
Dcr Psörtncr: So bedauere ich!
Melanie: Ich sühre dcn Herrn zurück,
Achtuug! (An dcr EingangSthür ange
kommen) rust der Pförtner: ~Es lebc
die Commune!" (Melanie zieht die
Schnur). Zweite Scenc. (Ein
Man» mit verdächtiger Miene tritt cin.
Er wird mit demselben Ceremonie» wie
der Porige empfangen.) Der Pförtner:
Ihr Beruf? Dcr Herr: Anarchist.
Dcr Pförtner: Melanie, nimm' dem
'Herrn die Handschellen ab. Tic Woh
nung ist im sünftcn Stock, kostet sür
Sie 500 Francs, nein IVO, 20V Francs.
Paßt Ihnen dics 5 Ihr Name? Ter
Herr: Ravachol. Ter Pförtner: Sie
sagen Ravachol? Melanie, kündige dcm
ersten Stock. Oh, vcrchrtcr Ravachol,
Sie werden im ersten Stock wohnen,
Sie bekommen Nahrung, Heizung nnd
Beleuchtung. Nur eine Bedingung:
wir heilen einen Zettel über die HauS
thür an: Ravachot wohnt hier! In
zwischen hat dcr ~ verehrte Rüvachol",
in der Polizeipräsectur cine feste Woh
nung bezogen.
Aus dcr Inst r uk t i o n s
stund e. „Warum sind die Stabs
vfficiere der Infanterie beritten?"
„Ich weiß es schon, aber ich tran' mich
nichts..." „Na, heraus damit!"
„Weil f' zum Marschiren gewöhnlich
>' dick san!"
Die TeftamenjS-Klausel.
Wenn alte Onkel Testamente mit
Klauseln machen, dann ist tausend ge
gen eins zu wetten, daß das Gegentheil
von dem erreicht wird, was sie zu errei
chen gedcnkcn.
Onkcl Grüncmann war reich nnd das
quälte ihn in der Stunde, in der es ihm
tlgr wurde, daß cr nur noch einige Tage
zu lebcn habc. Wem sollte er scin Erbe
vermachen? Kirchen und Schulen?
Den Gedanken verwarf cr. Scinen
natürlichen Erben also, uud cr sann
nach. Nur eiu Neffe lebte im Norden
Deutschlands, cin junger Gelehrter,
dcm beide Eltern gestorben waren und
im Süden, in Schwabenland lebte cine
Nichtc, auch ciue Waise, ei» hübsches,
braves sittsames Mädchen, das, mit
einem reizenden Maltalent ausgestattet,
eine bescheidene aber sorgenlose Existenz
gegründet hatte.
Natürlich hatte der alte Onkcl den
verrückten Einsall. den Uebergang sei
nes Vermächtnisses auf die Beiden von
einer Klausel abhängig zu machen: Sie
sollten sich heirathen, sonst fi l Erbe
an eine Reihe von Stiftungen.
An ein und dcmselben Tage erhiel
ten Fritz Gerding. der junge Assessor in
Berlin, und Lidda Mäddin in Stutt
gart einen Brief, der ihnen mittheilte,
ihr alter Onkcl Grünemann sei gestor
ben und habe sie unter dcr Bedingung,
daß beide künftighin mit einander, ehe
lich verbunden, dnrch'S Leben schritten,
zn Erben eingesetzt. Er, dcr Schreibe»
des Brieses und Testamentsvollstrecker,
Jnstizrati) Stammet, lade die Adressa
ten cin, behuss Aussprache über die
Klausel nach E. zu kommen.
Niiii lag E. aber in dcr Milte der
beiden genannten Städte und zwar an
einer Secundärbahn, die sich von der
Hauptstation —iiigen abzweigte.
Fritz lachte, als cr dcu Brief em
pfing:
„Eine Cousine, dic ich nicht kenne?
Na, ansehen kann man sie sich ja ein
mal!"
Lidda aber hatte schon die Feder er
griffen, um ans dcn Brief z» ant
worten:
„Ich danke dem Onkel für seinen
Willen eine» Mann aber lasse ich
mir nicht anserben. Ich veezichte!"
Aber dcn Bricf sandle sie nicht ab.
E.n seltsames Gefühl hielt sie davon
znrück. Da gab es also eimn Menschen
in dcr Welt, den das Schicksal ihr zum
Gatten gewählt hatte. War es nicht
cin eigener Reiz, zu scheu, ob das
Schicksal ciueu guten Geschmack hatte?
Und so lantete denn ihr Bricf: „Ich
komme."
Und an einem bestimmten Nachmit
tage stiegen zwei junge, hübsck>e Men
schenkinder ans der Hauptstatiou —gin
gen in cin Coupe 2. Classe des ZugeS,
welcher auf dcr „Bimmelbahn" gen E.
rollte. Lidda war dicht verschleiert,
aber Fritz sandte trotzdem manchen Blick
zn ihr hinüber: cin zierlicher Fuß, cin
edelgeformtcr Kopf, eine schlanke Taille
hm! dachte cr endlich „'s wär wun
derbar, wcnn just Sie eS wäre! Aber
heirathen nach Geld pfui!"
Auch Lidda schaute mit unverkenn
barem Interesse anf Fritz. Die aus
drucksvolle» Zuge des jungen Gelehrten
interefsirten sie, der ganze Mann fes
selte sie. Wenn „Er" es wäre? Das
Zusammentreffen wäre doch cin seltsa
mcs Zufallsspiel gewesen.
Der Zug hielt iu E. Sonderbar
beide nahmen in demselben Hotclwagen
Platz. Schon wollte Fritz Gerding teck
die Frage an scinc Reisegefährtin thun,
„ob sie vielleicht seine Eousiue" sei, da
hielt nach k»r;er Fahr! schon der Wa
gen uud der Oberkellner des Hotels mit
seiner Suite von Hansknccht und Zim
merkellner nahm die Angekommenen in
Empfang.
Als Fritz in feinem Zimmer war.
war er etwas ärgerlich über sich selbst.
Weshalb Halle cr nicht gefragt? Und
wo war sie nuu geblieben? Welches
Zimmer war das ihre? Endlich tröstete
er sich aus dcu solgcudcu Tag, dcr ja
die Cutschciduug bringen mnßte.
Da Pochte es an der Thür und cin
ernst uud würdevoll aussehender Ma»n
erschien in derselben.
„Ich bin der Justizrath Stamme!"
begann er „ich saß gerade unten
im Hotelrestaurant, als Sie ankamen
nnd ein Blick in das Fremdenbuch be
lehrte mich sofort von dem Eintreffen
eines meiner Clienten. Cine seltsame
Klausel, die Ihr alter Onkel aufstellte,
nicht wahr?"
„Gewiß und zweifellos cine. die
das ganze Testament ausheben wird."
„Äiefo?"
„Ich denke zu hoch von der Che. um
eine sorgenfreie Existenz zu ihrer Basis
zu machen."
Im Nebenzimmer wurde das Rücken
eines Stuhles hörbar.
Fritz Gerding fuhr fort:
„Uud diese Cousine, die ich nicht
kenne, deren Character mir unbekannt
ist, die mir vielleicht im höchsten Maße
unsympathisch ist, diese soll ich hei'ra
thcn, weil mein feliM Onkel den Ge
danken hatte, mir als Belohnung dasür
sein halbes Vermögen zu hinterlassen?"
„Siebenten sehr stolz, mein Herr!"
„Aber wie ein Gentleman es ist
unnöthig. uns morgen zusammenzu
führen. Schon heute geb.' ich die bün
dige Erklärung ab. daß ich auf das
Erbe verzichte» muß, weil ich dem Wil
len der Klausel mich nicht fügen mag!"
Ein leiser Ruf schien aus dem anlie
genden Zimmer herüberzutönen.
„Aber dann, mein sehr verehrter
Herr," begann der Justizrath wieder—
„weshalb sind Sie dann hierhergekom
men?"
Fritz Gerding lachte.
„Ans Neugierde, aus einem unbe
kannten Triebe—was weiß ich. Das
aber weiß ich, daß ich mein Kommen
wenigstens ausnutzen werde. E. liegt
so idyllisch nnd ich brauche ein paar
Tage Ruhe. Ist hier nicht in d«
Nähe cine Försterei oder so etwas ähn
liches, in die man sich cin paar Tage
verkriechen kann?"
Hart am Walde, ein halbes Stünd
chen von dcr Stadt, wohnt cine För
sterswittwe, sie vcrmicthet ihre Zimmer,
die allerdings sehr ländlich sind, an
Fremde, die Ruhe und Waldluft genie
ßen wollen. Frau Aubinger heißt sie."
„Tanke ich werde morgen hinaus
stehcn. Heute Abend möchte ich mir
E. ansehen."
Zehn Minuten später hatte eine
junge Dame eine Droschke genommen :
„Zu Frau Aubinger."
Zu seinem Erstauhen vernahm Fritz
vom Oberkellner, daß die Dame, mit
dcr cr gekommen, bereits das Hotel ver
lassen und die Meldung hinterlassen
habe, sie würde erst in einigen Tagen
zurückkehren.
Der Justizrath aber schüttelte am
selben Abend noch einmal den Kopf:
Ein Bote hatte ein zierliches Briefchen
gebracht, mit folgendem Inhalt:
„Sehr geehrter Herr Justizrath!
Kaum angekommen, um Ihrer Auffor
derung Folge zu leisten, fällt mir das
Verwerfliche dieser Testomentsklausel,
das Geschick zweier einander unbekann
ter Menschen bestimmen zn wollen, auf.
Ich reise wieder ab.
Lidda Mäddin."
Der Jnstizrath faltete ärgerlich den
Bricf wieder zusammen: „Der alte
Herr Grünemann hätte auch gescheidter
testircn können!"
Ehe noch der nächste Mittag heran
gekommen war, hatte Fritz Gerding
bei Frau Aubinger cin freundliches
Zimnicr sür vier Tage gemiethet. Alles
gefiel ihm hier, die Umgebung, die
schlichte Einfachheit der Wohnung.
Nur war ihm aufgefallen, daß, als
er scinen Namen iiannte, ein verstecktes
Lächeln über die Züge der guten Frau
Aubiiiger huschte. Was zum Kuckuck
hatte die Frau zu lachen?
Mittags pochte es an seine Thür und
ein junges Mädchen in schmncker Ban
erulracht brachte ihm auf einer Platte
das einfache Gericht, das cr sich bestellt
hatte. Fritz Gerding sprang unwill
kürlich empor uud mächte eine sehr tiefe
Verbeugung. Wo hatte er nur diese
Figur, diesen feingeschnittenen Kopf,
dieses zierliche Füßchen gesehen? In
Berlin gab'S keine Bäuerin, wenigstens
in seiner Umgebung nicht. Und diese
da —sie wurde roth unter seinem Blicke
und ivcndcte sich halb verlegen ab. Und
just so vcrlcgcn ward auch der sonst so
formellgewandte Herr Fritz Gerding.
Ter zweite Tag kam und Fritz er
tappte sich bei seinem Anbruch aus ganz
cnriosen Gedanken. Er hatte miserabel
geschlafen immer war ihm ein bild
hübsches Banernmädel erschienen, mit
Allüren, die für eine schlichte Tochter
des Landes nicht paßten und hente
früh ertappte er sich darauf, daß er kein
sehueudereS Berlaugen habe, als die
junge Schöne wiederzusehen.
Aber wo war sie?
Frau Aubinger meinte gleichmüthig:
„Im Garten!"
So schritt er denn dahin und fand
sie. Wie der junge Morgen selbst, so
strahlend, stand sie vor ihm, daß ihm
schier das Wort in der Kehle stecken blieb.
WaS soll's lange erzählt werden.
Am zweiten Tage Abends war Fritz
Gerding in das hübsche Landmädchen
verschossen, am dritten fühlte er, daß er
nicht ohne sie leben könne und am Mor
gen des vierten, als sie ihm den Krug
Bier, den er gewünscht, in sein Zimmer
gebracht, floß es von seinen Lippen:
Das; er nur an ihrer Seite sein Glück
finden könne, daß sie die Seine, sein
geliebtes Weib werden möge. Und als
sie schüchtern einwarf, sie sei arm, da
preßte er sie an sich und der glühende
Kuß, ven er auf ihre Lippen drückte,
war die Antwort darauf. Aber das
Mädchen entriß sich ihm und eilte hin
aus.
Fritz Gerding aber eilte in den Wald,
nm den Baumen nnd Büschen sein
Glück zuzurufen. Dabei verirrte er sich
und kam nach Stunden erst wieder zu
rück. Seine Frage nach Leni beantwor
tete Frau Aubinger kurz dahin sie
sei zn einer alten Tante gesahren nnd
komme erst in einigen Tagen wieder.
Worans Gerding erklärte, sein Zimmer
noch cine volle Woche länger miethen zu
wollen.
Am Abend erhielt er einen Brief voiy,
Jnstizrath: „Ich bitte Sie, morgen früh
in meine Kanzlei zu kommen," kein
Wart weiter.
Fritz drehte die Karte mechanisch nm
und um; das klang so seltsam peremp
torisch — aber vielleicht war'S in der
That etwas Wichtiges. Und so solgte
er ihr denn.
Der Jnstizrath ging ihm lächelnd
entgegen.
„Ich danke sür Ihr Kommen! Und
nun lassen Sie mich noch einmal meine
Frage wiederholen: „Können und wol
len Sie Fräulein Lidda Mäddi-n nicht
heirathen?"
„Heute weniger als je —" rief Fritz
„denn inzwischen habe ich mein Herz
verloren "
„Ah!" machte der Justizrath mit gut
nachgeahmter Berwnnderung „Frau
Aubingcr hat eine Tochter "
„Sie sind ans der rechten Jährte!"
„Aber jene ist arm. —"
„WaS thut das?" Mit Frenden
werfe ich das Erbe den Stiftungen zu.
wenn Leni mein Weib wird."
„Also so selbstlos ist Ihre Liebe?"
„So anspruchsvoll! Denn Leni ist
ein Schatz, den ich mir erringen muß!"
„Schön!" sagte der Justizrath kurz.
„Aber nun ist die Frage so: „Fräulein
Lidda.will Sie heirathen!"
„Sie soll's bleiben lassen!"
„Wirllich?" klangs von der Schwelle
des Nebenzimmers. Uud in demselben
stand Lidda nein Leni, nur in mo
derner Toilette!"
„Nein, nein," schrie Fritz Gerding
stürmisch nein Du, ja ist's denn
wirklich wahr, bist Du'S? —"
„Ich bin's, Cousin — ich wollte Dich«
prüfen und —"
„Habe ich meine Prüfung bestan
den?"
Fritz umarmte Lidda.
Der Justizrath aber dachte: „Hm>
Mit Testamentsklauseln ist nicht spaßen!
Hier hat das Schicksal noch alles zum
Guten gewendet!"
epfermüthige Schwiegermutter.
In wenigen Tagen sollte die Trau
ung des jungen Paares stattfinden.
Der Bräutigam, ein trotz feiner Ju
gend schon sehr bekannter Gelehrter,
und die Brant, dic einzige Tochter eines
reichen Kaufmauus, besprachen zum fo>
uud so Mellen Male die einzelnen Pha
sen des kommenden Festtages. Die zu---
künftigen Schwiegereltern des angehen
den Ehemanns betheiligten sich bei»die
ser Berathung und erörterten eifrig
auch die geringste dic Hochzeitsfeier
betreffende Kleinigkeit. Im Laufe des
Gespräches brachte die Mama, wie schon
mehrere Male, anch dic übliche Hoch
zeitsreise auf's Tapet. Dcr junge Ge
lehrte machte, als dieses Thema ange
schlagen wurde, eine sehr saure Miene
nnd erklärte, daß er nur äußerst un
gern das Heim verlasse. „Ich bin,"
sagte er, „cin abgesagter Feind dieser
sogenannten Hochzeitsreisen. Ich halte
diesen Brauch sür ciue dcr lästigsten
und lächerlichsten konventionellen Ver
pflichtungen unserer Zeit. Diese Hätz
vom unbequem Waggon in das nüch
terne Hotelzimmer, diese ermüdende
Jagd nach Sehenswürdigkeiten in der
nnd jener Stadt, noch dazu in cincr
immerhin noch ranhen Jahreszeit, die
lausend Gefahren in sich birgt, dics
Alles ist mir in dcr Seele zuwider, und
ich gäbe viel darum, wcnn cs mir ver
gönnt wäre, dicscm Zwange zu entge
hen und dic Flitterwochen in dcr eige
nen ruhigen Häuslichkeit zu verbrin
gen." „Und was steht dein im
Wege?" unterbrach die Schwiegermut
ter. „Ach Gott," erwiederte de>7
junge Mann mit eigenthümlichen Lä
cheln, „gar so schwer, wäre cs freilich
nicht, mcincn Wunsch zu ermöglichen,
aber wcnn ich bedenke, daß uns Papa
das zweite Stockwerk seines Hauses ein
geräumt hat, in dessen erster Etage er
und Mama verbleiben, und daß Sie,
liebe Mama, in Ihrer unermüdlichen
Fürsorge wohl beständig die Treppe
hinan unk hinab zu steigen hätten und
keine Stunde vorübergehen ließen, ohne
sich um unser Befinden zu erkundi
gen " „Ach so," fiel die Dame
cin, „das also ist es? Nun darüber
werden wir noch sprechen, wenn wir erst
Wichtigeres abgethan haben." Damit
brach sie das Gespräch ab und wendete
sich andern Dingen zu..
DieTranungsceremonie war vorüber,
das folgende intime Festmahl'im besten
Gange. Die jungen Eheleute ver
schwanden unbemerkt und begaben sich
in ihre Wohnung, um die Festtoilette
mit den Reisekleidern z» vertanfchen.
Da traten plötzlich die Eltern cin, ge
stiefelt und gespornt, wenn man so sa
gen darf. Papa schwang in ersichtlicher
Aufregung ein kleines Handköfserchen
und einen Plaid in dcn Händen, Mama
war mit cincr Reisetasche geschmückt.
„Ah, was bedeutet das?" begrüßte sie
der neugebackene Ehemann, nicht ohne
einen gewissen Anklang ängstlicher
Sorge. „Erschrick nicht, lieber
Sohn," beruhigte ihn Mama, „wir
fahren nicht mit euch. Im Gegentheil,
Dein unlängst geäußerter Wunsch soll
voll nnd ganz erfüllt werden. Ihr
bleibt in Wien, und damit ihr völlig
ungestört seid, machen ich und Papa
cine» Ausflug nach Italien." Ter
lebhasle Tialog, dcr dieser Erörternng
folgte, währte nicht lange. Mamas
Wille geschah; der nächste Schnellzug
entsührtc das wnndcrscltcne Schwieger
clternpaar. Schwiegereltern, die das
Opfer bringen, an Stelle ihrer nenver
mälten Kinder cine Hochzeitsreise zu
unternehmen das ist wohl das
Neueste und Modernste, was unser
neuestes uud modernstes Leben gezeitigt!
Gcda»kenNein.
Wenn Schiller in seiner „Glocke"
sagt: „Ter Mann muß hinaus in'S
feindliche Leben," so ineint er damit
unzweifelhaft nnr den »nverhciratheteii
Mann, denn der Verheirathele braucht
nicht erst aus dem HauS heraus, um
das feindliche Lebcn kennen zu lernen.
Wenn man dem* Sprichwort „Eifer
sucht macht bliud" Glaube» schenkt,
andererseits aber in den von Seelcn
tcnnern versaßlen Novellen nnd Roma
nen immer wieder von „dem durch Ei
sersucht gescharste» Auge der in ihrer
Ehre gekränkten Fran" liest, so muß
man schließlich zn der Ueberzengnng
komme«, baß Blindheit den Znstand
einer gesteigerten Sehkraft bedeutet.
Tie Thräue. die dem Auge entquillt,
ist beim Menschen und beim Schweizer-
Käse ein Zeichen, daß das Jnncrc noch
nicht ganz verhörtet ist.
Verschärfte Strafe. Ti
rector einer Strafanstalt (wüthend znm
Oberaiifscher): „Sie. dcr Hubcr, der
Galgenstrick, hat sich wieder rcnilcnl be
nommen; — vcrschärsen Sie seine Hast
mit zwei Fasttagen in dcr Woche!"
Oberaiifscher: „Aber, Herr ?ireetor,
der hat ja schon zwei Fasttage!" Ti
rector: ..Tann, dann.... dann geben
Sie dem Kcrl an diesen Tagen—ein
Kochbuch zu lesen!"
Ein Psissikus. Gläubiger
(zum Schuldner): „Treffe ich Sie end
lich einmal! Jctzt bezahlen Sie mich
aber aus dcr Stelle!" Schuldner:
„Na, Sie werden doch wohl warten,
bis ichrasirt bin?" Gläubiger: „Ja.
so lange warte ich!" —Schuldner (auf
springend, zniil Barbier): „Sie Ha
ben'S gehört und sind mein Zeiige....
Jetzt laß' ich mir einen Vollbart
stehen!"