Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 18, 1892, Page 6, Image 6

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    6 Ueber «rkSltnng.
v-n »«.««». »>mo« Scherbel-Lisl»,
/ Viele Kranke habe» die Neigung.
eine Erkältung als Ursache sür alles .
Mögliche anzusehen, selbst dann, wo j
«S dem Arzte von vornherein klar ist,
daß an einen Zusammenhang ihrer
Krankheit mit einer Erkältung nicht im
Entferntesten zn denke» ist. Die Folge
davon ist, daß eine große Anzahl von ,
Aerzten, denen die Erkältung so ost als
„allgemeiner Sündenbock" vorgeführt .
wird, ihr stets mit einigem Mißtrauen ,
entgegentreten, ja daß manche die „Er
kältung" überhaupt sür ein Unding au- ,
und die Möglichkeit derl'clbe» in ,
Abrede stellen. Fanatiker der Bacil
tentheorie behaupten dann, daß nicht ,
eine Erkältung borliege, sondern die
Infektion durch irgend einen Bacillus.
Demgegenüber müssen wir nun sa
gen, daß die Erkältung eine Thatsache
ist, die durch Alltagserfahrungen voll
kommen gesichert ist und zweiselloS fest
steht, bekennen jedoch freimüthig, daß
die Gelehrten von dem völligen Ver
ständnissc dieser Thatsache noch sehr
weit entfernt sind.
Was eigentlich unter Erkältung zu
verstehen sei, darüber sind vielerlei tief
sinnige und weise Betrachtungen ange
stellt worden, ohne daß wir so recht aus
den Grund der Sache und zu einer Er
klärung geführt worden sind, die alli
Welt befriedigte. Der Laie ist ja mit
seinem Urtheile sehr schnell sertig. Für
ihn ist die Erkältung die Einwirkung
niederer Außentemperatur aus die Haut,
und daß dies der ursprüngliche, wesent
liche Vorgang dabei ist, kann der Arzt
mir bestätigen. Was dann nun aber
weiter dabei geschieht, und wie di<
eigentlichen Folgen der Erkältung zu
Staude kommen, darüber ist noch iminei
nicht genügende Aufklärung geschaffen
worden.
Gelingt es doch nicht einmal, wen»
wir die Sache geuauer in'S Auge fassen,
die äußeren Bedingungen für den Vor
gang scharf uud bestimmt festzustellen.
Man sagt wohl, ein großer Unterschied
zwischen Haut- und Luftwärme ruf«
Erkältung hervor, allein es ist bekannt,
daß im russischen Dampsbade z. B- die
Haut stark Äer die normale Tempera
tur hinaus erhitzt und dann durch sehr
kaltes Wasser wiederholt abgekühlt wer
den kann, ohne Erkältung herbeizufüh
ren. Andere Male genügt schon ein
leiser Lustzug. welcher die keineswegs
besonders warme Oberfläche des Kör
pers an einem kleinen Theile trifft, nm
eine große Erkältung zu verursachen.
ZweiselloS begünstigt wird jedoch eine
Erkältung durch reichlichen Blutgehalt
uud damit zugleich durch hohe Tempe
ratur der Haut, sowie durch Schweiß
bildung aus derselben, besonders wenn
die Haut von stark bewegter Lust
(Zug) getroffen wird, namentlich an
Stellen, die sonst von Kleidung bedeckt
sind. Ferner steht es fest, daß der Kör
per. sobald cr sich in Ruhe besiudet,
leichter der Erkältung ausgesetzt ist, als
wenn cr in Bewegung ist;
Nun sollte man annehmen, daß der
jenige Theil des Körpers, der zunächst
der Erkältung ausgesetzt war. auch un
mittelbar derselben zum Opser sallen
und unter ihren Folgen leiden müßte.
Dies ist aber durchaus nicht immer der
Fall. Nach einer Erkältung des Hal
ses entsteht z. B. sehr oft nicht ein Kehl
kopfkatarrh, sondern eS tritt auch Ka
tarrh ein an einem andern ciktferntcr
liegenden Organe, und nach Tnrchnäs
sung der Füße haben ost nicht diese un
ter den unmittelbaren Folgen zu leiden,
sondern es kann eine Nierenentzündung
ausbrechen oder eine akute Erkrankung
.des Rückenmarks.
» Sehr bcmcrkenSwerth ist es anch, daß
die Einwirkungen bei verschiedenen Per
sonen verschiede» sind, so daß der eine
aus einer Erkältung heil hervorgeht,
die bei dem Andern die unangenehmsten
Erscheinungen hervorruft. Ja. ein
nnd dasselbe Individuum erkrankt zu
«iuer Zeit an einer Erkältung, die zu
einer andern Zeit spurlos an ihm
vorübergehen kann. Bekannt ist eS
serner, daß manche Menschen nach Er
kältungen, einerlei an welchem Punkte
dieselbe» stattssnden, immer bestimmte
Katarrhe, dieser des Kehlkop S, jener
dcr Nase, ei» dritter der Luftröhre" be
kommen.
Man »immt nun an, daß bei dcr
plötzlichen Einwirkung der niedern Au
ßentemperatur aus die Haut, wie sie bei
der Erkaltung stattfindet, eine Zuiam
mcnzichung der oberflächlichen Blutge-
Zäße eintritt, die zunächst eine Rück
strömung de» Blutes nach den innern
Orgauen zur Folge hat. Haben nun
z, B. solche erkältenden Einflüsse direkt
die Schleimhaut der Nase getroffen, so
erweitern sich nach der Zusammenzie
hnng die oberfläch,? h gelegenen Blut
gefäße wieder und stärker als zuvor,
das Blut strömt mächtig in die von dem
Reize getroffenen Theile hinein, d:l >
Schlennhant schwillt an, di? Ernährung
uud die Widerstandsfähigkeit dcr sie
auskleidenden Zellenfchicht (Epithelien)
leidet darunter, nnd nun ist den stets
in dcr Lust enthaltenen Entzüudungs
erregern (Bakterien Mikrokoklen) Thür
und Thor geöffnet. Sie dringen in die
gequollenen Schleimhaut
schichten ein. nnd damit ist die Entzlln
dnng, der Katarrh der Nasenschleim-
Haut, der schnupfen geschaffen.
In anderen Fällen, wo nicht der di
rekt getroffene Theil, sondern ein inne
res Organ erkrankt (die Lungen, das
Bauchfell u. s. w.). mag wohl bei dem
Rückströme des Blutes (Eongestion)
unter Vermittlung dcr Nerven gerade
jenes Organ besonders zu leiden haben
und damit dcr Erkältung »nterlicaen.
Dies tritt besondcrs da»» ei», wenn die
Haut mit Schweiß bedeckt war. nnddaS
Volk sagt dann, dcr Schweiß sei unter
drückt worden und sei „nach innen ge
schlagen".
Erkältungen können zwar in jeder
Jahreszeit stattfinden, hauptsächlich wei»
sen jedoch die rauhen Herbst- und Win
termonate die größten ErkrankniigSzis»
fern auf. Daß die wärmere JahreS>
zeit nicht schützt, hat der letzte Sommei
bewiesen, der in Bezug auf Erkältun
gen außerordentlich leistungsfähig war.
Ganz besonders sind es aber Zugluft,
jäher Temperaturwechsel, Durchnässung
der Haut und der Füße u. s. w., wo
durch eine Erkältung herbeigeführt
wird.
Die Wirkung einer Erkältung tritt
in den häufigsten Fällen als Katarrh
zu Tage, sei eS der Nase, des Nachens,
des Kehlkopfes, der Luftröhren, de>
Augenbindehant n. f. w. Bei einen
solchen Katarrh ist die Schleimheit ge>
röthet und geschwollen, und eS ist eim .
stärkere Schleimabsonderung vorhan
den. Bei wiederholten Erkältungen,
unter denen stets dasselbe Organ lei
det, kann aus einem acuten Katarrh
ein chronischer werden.
Gefährlicher wird oftmals die Erkäl
tung, wenn sie noch andere lebenswich
tige Organe trifft und eine Lungen«
oder Nierenentzündung und dergleichen
hervorruft. Eiu einfacher, acuter RlM
inatiSmuS. der sich als Folge einer Er
kältung in den Muskeln festgesetzt, wirt
zwar gewöhnlich nicht als bedenklich an
gesehen; erstreckt sich jedoch die Erkäl»
tnng aus die Gelenke und bildet sich ein
Gelenkrheumatismus, so ist dies durch
aus kein uncrhcblichcs Leiden.
Eine Erkältung pflegt nun mit be>
sonderen allgemeinen Erscheinungen ein
herzugehcn. so namentlich mit Fieber
sympioiiicn: wiederholtem Frösteln
oder cinmaligem Schütteisrost, Unbe
Hagen, eingenommenem Kopf, Unluf!
zu körperlicher Arbeit und voriiehmlici
zu geistiger Thätigkeit, Appetitlosigkei!
u. s. w. Tritt erst Schweißbilduno
nach erso!g!er Temperaturerhöhung auf,
>o kündigt sich damit auch sehr bald dii
Besserung an.
Die Behandlung zielt den» auch
hauptsächlich darauf hin, den Ausbruch
des Schweißes zu begünstigen. Am
besten wird deshalb der „Erkältete" zu
nächst ins Bett gesteckt. Dann bereitet
man ein warmes Bad (29 —31 Grad)
bringt den Patienten hinein, läßt ihn
t bis 4 Stunde darin, packt ihn sofort
in ein mit gleich warmem Wasser ge
tränkteS, gut ausgerungenes, mehrere
Schichten dickes Leinentuch, welches,
ebenso wie ein darübergelegtes Woll
tuch, den ganzen Körper dicht umhüllt,
und bringt ihn in sein Bett zurück, wo
man ihn fest zudeckt. Dann giebt man
ihm reichliche Mengen einer warmen
Flüssigkeit zu trinken (Flieder-, Kamil
len-, Lindenblüthenthee, Limonade u.
dgl. in.) Nach einiger Zeit stellt sich
starke Schweißabsonderung ein, und
nun läßt man den Kranken noch ein bis
zwei Stunden in dcr Wickel liegen,
reibt ihn tüchtig ab und läßt ihn ins
warme Bett zurückkehren. W?s sonst
noch für Maßnahmen zu treffen sind,
das wird dann in jedem einzelnen Falle
dcr Arzt anordnen.
So gelingt eS oft, eine frisch ent
standene Ertlärung in knrzer Zeit zum
Schwinden zu bringen. Nicht selten
vermag auch ein russisches oder römi
sches isrischeS Bad, also die Anwendung
heißer, feuchter resp, trockner Luft im
Anfang so rasche Hilfe zu schaffen, daß
man wohl von einem Abschneiden der
Erkältung zu reden berechtigt ist.
Wenn wir nun noch an die Beant
wortung dcr Frage herantreten, ob nnd
wie ciner Erkältung vorzubeugen ist, sc
müsse» wir zunächst feststellen, daß eS
zweifellos eine körperliche Anlage gibt,
welche die Erkältung begünstigt. Es
handelt sich also darum, diese Anlage
zu tilgen oder wenigstens abzuschwächen.
In dieser Beziehung gibt eS zweierlei
Verfahren, das eine, welches durch
Fernhalten jeder Schädlichkeit Erkäl
tung verhüten will, das andere, welches
die Widerstandsfähigkeit des Körpers zu
erhöhen strebt.
Nun ist es allerdings wnnschenSwerth,
daß die leicht von Erkältung Heimge
suchten sich dem Einflüsse grober Schad
lichkeiten entziehen, daß sie nicht mit
erhitzter, schwitzender Hant sich dcm
Zugwinde preisgeben oder in der Abend
kühle zn lange im Freien sitzen: allein
eS ist andererseits auch nicht richtig, daß
sie bei jedem Lustzuge im Zimmer blei
ben oder nur von oben bis unten ver
packt und vermummt wie Nordpolrei
scnde in'S Freie gehen. Mit zuneh
mendem sich Abschließen gegen die Ein
wirkungen dcr Atmosphäre pflegt die
Reizbarkeit so entschieden zuzunehmen,
daß selbst äußerst geringfügige Veran
lassungen Erkältung im Gefolge ha
ben.
Ob es nun, wie empfohlen wird, an
gebracht ist. dcr Wolle, dcm schlechten,
langsam Wasser verdunstenden Wärme
leiter, oder dcr Seide, beides aus bloßer
Haut, den Vorzug zu geben vor dem
Leinen, darüber sind die Gelehrten noch
nicht einig. Während Professor von
Jürgense» in Tübingen u. A. nur die
Wolle odcr allenfalls die Seide angc
wendct wissen wollen, hat Geheimrath
von Pettciikofer in München erklärt.
! daß wir uns in Lcincn ebenso gesund
klcidcn und vor Erkältung schützen kön
nen. wie in Wolle und Seide, wenn
wir nur dafür sorgen, daß die Klei
dung, also die Haulbedeckung, immer
gehörig lustig bleibt, und dcr Wärme
äbsliiß unmittelbar von der Haut nicht
ein zu großer wird. Jedenfalls steht
fest, daß Wolle und Seide allein auch
nicht im Stande sind, die Erkältung
gänzlich fernzuhalten.
Eine gewisse Abhärtung wird durch
die verschiedcuen Anwendungen des kal
ten Wassers hcrbeigcsührt. Kalte Wa
schungen oder Abreibungen, morgens
unmittelbar »ach dem Ausstehen vorge
nommen, leisten in dieser Hinsicht vor
treffliche Dienste. Man beginnt mit
denselben am besten in der wär
i meren Jahreszeit, läßt zuerst Wasser
von 26Grad R. nehmen und geht da»»
> allmählich aus niedrigere Wärmegrade
herunter. Auch die Douche kann man
'! damit verbinden, indem man die an»
> sangs auf 15 Sekunden bemessene Zeit
> Derselben bis drei und mehr Minuten
> verlängert. Dann folgt sorgfältiges.
rasche», stvrkeS Abreiben der Haut mit
einem rauhen Lsinentnche oder einem
Frottirhandtuche und Bewegung im
Freien.
So gelingt eS mieftenS. die Neigung
zur Erkältung wesentlich zn beschränke»
oder sie ganz zu beseitigen.
Ter verloren« Trauring.
Der verlorene Trauring oder das
kluge Schnupperl dürfte wohl dcr zu
treffende Titel für ein Vorkommiiiß
sein, welches sich kürzlich in P. zugetra
gen hat. Ein in P. lebender höherer
Staatsbeamter erhielt vor einigen Ta
gen, wie alljährlich stets nm diese Zeit,
von seinen in Braunschweig lebenden
Schwiegereltern eine Sendung jener
berühmten Würste, welche man im
Volksmunde mit Braunschweiger Leber
wurst benamset. Leider wnrde jedoch
dem jungen Ehepaare die schmackhafte
Kost durch den begleitenden Brief des
Vaters der jungen Frau sehr verbittert.
Derselbe schreibt, das seine Gattin
infolge eines schmerzlichen Verluste«
von einem fast an GemüthSkrankheil
streifenden Leiden befallen sei. Sie
suchte suchte fortwährend, denn fn
vermißte feit einigen Wochen ihre» wäh
rend eines Vierteljahrhunderts sorgsam
bewahrten Trauring, welcher sich bis
zur Stunde nicht wiedergefunden habe,
trotzdem das ganze Haus umgekrempeli
sei. Diese Sehnsucht dcr Unglücklichen.'
welche durch den Verlust das Glück ihre.
Ehe gefährdet glaube, träte Tag unt
Nacht in Erscheinung, wodurch die ge
sammteu Hausbewohner keine ruhig.
Stunde mehr hätten. Der Hausarzi
rathe zu einer schleunigen OrtSverändc
rung.
Äer Schwiegervater bat nun, fein!
Frau dringend zu ersuchen, nach P. zu
kommen. Diese Bitte ließe sich dadurck
motivire», daß ein bevorstehendes sreu>
diges Ereignis; in der Familie des jun
gen Paares die Anwesenheit einer zu
künftigen Großmutter stets wünschenS>
werth erscheinen ließe. Dieser Wunsch
des alten Herrn wurde von dcm jungcn
Paare um so bereitwilliger erfüllt, als
oie ältliche Dame, wie die meisten
Schwiegermütter eine der liebens
würdigsten ihrer Species ist. Hm, hm.
Die Mutterliebe siegte vorläufig
über neue Suchsucht, und die trostlose
Frau dampfte zu ihren Kindern. Abe>
vergebens gaben diese sich die erdenk
lichste Mühe, die Sinnesrichtung der
Unglücklichen von dem verlorenen Ring«
abzulenken. Ebenso wie daheim das
eigene Haus, wurde die Wohnung des
Schwiegersohnes durchsucht die Ma
nie blieb hier wie dort die gleiche.
Selbst die Taschen fremder, besuchs
weise anwesender Personen blieben nicht
verschont und mußten ihr gezeigt wer
den. So weit ging's schon. Das ein
zige lebende Wesen, dem die suchende
Kranke nichts in den Weg legte, war
das Schooßhündchen ihrer Tochter:
Schnupperl. Schnuppert solgtc der
leidenden Dame dafür aus Schritt und
Tritt, gleichsam angesteckt von der
kränkliche» Manie, der „Suchsucht".
Das..such' such' Schnupperl"
kannte Jeder im Hause. Aber ciucS
TagcS konnte der sonst nach jeder Rich
tung wohlerzogene Hund, als er sich mit
der Kranken in dcr Speisekammer be
fand und dicfe unüberlegter Weife dic
Aufforderung an ihn gerichtet hatte,
dem thierische» Gelüste nicht widerstehe»,
:r suchte und fand eine jener delieaten,
selbstfabricirten Braunfchweiger Leber
würste.
Mitte» in seinem Hundediner wurde
Schnupperl aber meuchlings vom
Hausherrn gestört, welcher die kranke
Schwiegerinama abrufen wollte und bei
dem Anblick SchnnpperlS Vorhaltungen
in Form einer gehörigen Tracht Prü
gel machte. „So. Schnupperl. Deine
Hiebe hast du weg. aber Dein muß die
Wurst schon bleiben.... aber damit
Dn Dir den Magen nicht verdirbst,
kriegst Du den Rest erst heut Abend,..
Aber, was ist das?" Der Hausherr
bückte sich, uin einen neben dein Hünd
chen licgcndcn blanken Gegenstand aus
»nhcbcu. „DaS ist ja.... Mama,..
ich glaube".... Weiter kam cr nicht.
Mit cincin Freudenschrei reißt Mama
ihm den Ring aus dcr Hand. „Mein
Trauring.... mein Ring. Schnupperl
hat ihu entdeckt.... beim Würste
stopfen hatte ich ihn verloren.... gelt,
Schnnpperl!" Und sie küßte dc» Köter
im Uebermaß der Gefühle wiederholt
auf die Schnauz. Dann besah sie den
Ring näher sie stand sprachlos.
Es war gar nicht ihr Ring! Nun ent
spann sich eine kleine, envas heftige
Scene zwischen den Beiden, aus welcher
hervorging, daß der junge Man» ge
legentlich eines Besiichs bei scincn El
tern einstmals dcm hübschcn „Mädchen
sür Alles" beim Wurststopsen zugesehen
in harmloser Weise natürlich —;
dabei hatte cr seinen Trauring ver
loren. Die Mama sand übrigens
ihren Ring knrz daraus in einem zu
'ammcngellappten Regenschirm.
Man schrcibt so viel vIN»
sportsmäßigen Distanzmärschen; seit
dem Seuiue scincn bekannten Spazier
gang nach Syrakus zurückgelegt »ud
beschrieben, glaubt Jeder, de» die Lust
anwandelt, bei einer längere» Wande
rung die Eisenbahn zu unigehc». dasür
dnrch die ganze Welt getragen werden
5» müssen. Ueber die Arbeitsleistung
eines Briefträgers gibt nachstehender
Bericht aus Elbing einen Maßstab.
Der dortige Uhrmacher Z. hatte dem
Briefträger eines Reviers dcr inneren
Stadt der Wissenschaft wegen einen
.Schrittzähler" znr Benutzung gegeben.
Mit absoluter Sicherheit marlirt so ein
Ding jeden Schritt, welchen sein Trä
ger macht. Danach hatte der betres
sende Briefträger in feinem Hin und
Her in der Zeit vom LI. December früh
bis zum 2. Januar. Vormittags 1o
Uhr, genau 158,900 Schritte gemacht,
das sind in Meilen umgerechnet, dic
Meile zu 9500 Schritt, rund 17 Mei
len.
Tchandpfahl und «nnte in Dela
ware .
Wunderbar genug ist es, daß im Ge
biete der vom Geiste der Menschen
freundlichkeit durchwehten Constitution
der Ver. Staaten, welche jede mit Fol
ter und Grausamkeit verbundene
Strafe verbietet (auf Grnnd dieses Pa
ragraphen wurde bekanntlich die Ver
wendung der Elektricität sür die Hin
richtung von Verbrechern im Staate
New Hork bis zum OberbundeSgericht
angefochten), die noch heute in den
Staaten Delaware und Süd-Carolina
bestehenden entwürdigenden und jedem
menschlichen Gefühl hohnsprechenden
Strafen des Prangers »nd der Peitsche
als Ueberbleibfel des finsteren Geistes
des Mittelalters noch niemals angesoch
ten worden sind. Erst kürzlich wurde
wieder im Gefängnißhose z» Newcastle,
Del., eine solche Execution vom dortigen
Sheriff Simmons vollstreckt.
Es handelte sich nm mehrere Uebel
thäter, die sich gemeiner Verbrechen
schuldig gemacht hatten. James Carr
und Joseph Townsend hatten gemein
schaftlich einen Straßenraub verübt
und waren deshalb jeder zn vierzig
Peitschenhieben, einer Stunde Pranger
stehen und einem Jahre Zuchthaus ver
urtheilt worden. Townsend hatte mit
seinem Gnadengesnch beim Gouverneur
Ersolg. denn die körperliche Züchtigung
wiirde ihm erlassen. Es beimndetk
also beim Prangerstehen.
Ilm Echandpsahl.
Der Pranger befindet sich auf ein«
Art Schaffott odcr Bühne, wo Hände
und Hals des Delinquenten in der oben
sichtbaren Weife in dem Block einge
schlossen werden, wobei in diesem Falle
beide Verbrecher waren kaum von
Mittelgröße dieselben gezwungen
wurden, auf de» Fußspitze» z» stehen
und natürlich die Schmerzen bedeutend
durch diese unbequeme Stellung ver
mehrt wurden. Früher wäre das na.
türlich ein Gandium für die rohe Menge
gewesen, dic Delinquenten durch Wersen
mit faulen Acpfeln und Eier», ja mit
Steiiiwürfen zu mißhandeln. Jetzt
tritt der Sheriff derartigen Ausbrüchen
der Pöbelrohheit energisch entgegen.
Während also TownSend "ntcr dem
Gejohle dcr Mcngc nach Ablauf feiner
Stunde cilig davonfi rang, wurdc Carr
vom Shcriff nunineh. in Empfang ge
nommen und zunächst seiner Oberllei»
der entledigt.
Vierzig Peitschenhieb«!
Jetzt beginnt dcr Theil dcr Execntion.
bei welchem die Barbare! des Gesetzes
sich gar herrlich offenbart. Earr wurde
an einem eigens dazu bestimmte» Pfahl
mit de» Händc» festgebunden, den ent
blößten Rückeu dein whcrisf zugekehrt.
Das Gesetz macht diesem z»r Pslicht
die Streiche „nachdrücklich und wohlge
zielt" zu verabsolgeu. In diesem
Falle kam das Opser noch immerhin
glimpflich davon, denn das Mitseid des
Henkers mochte wohl durch dic Begna
digung des gleichfalls schuldigen Spieß
gesellen Carrs rege geworden sein. So
sanst.n denn dic vierzig Hiebe wohl
hageldicht und klatschend hernieder,
doch war nach der Beendigung der
schreckliche» Execution Carrs Rücken
er hatte die Zähne zusammengebissen
und keine» Schmerzenslaut von sich
gegeben zwar von schrecklichen Strie
men feuerroth aufgelaufen—er sah wie
roheS Rindfleisch aus —, aber nicht
bltttninstig. Oft genug riefelt
vom Rücken der Opfer das Blut in
Strömen herab. Nach Carr wurden
noch drei Männer gepeitscht, erhielten
jedoch Jeder nur zehn Hiebe. Ihr Ber
gehen war Hühnerdiebstahl. Eigen
thümlicher Weise kommen drei Biertel
ver verhängten Körperstrafen a>is Hüh
nerdiebstahl; die Schuldig?» sind meist
Neger.
Das begabte Mädchen.
Du mein geliebtes Kindchen,
Warum zankst Du seit einer stund'?
Du hast so ein kleines Mündchen
Und so eine» großen Mund!
Poesie nndProsa. Was
wäre die Welt ohne die alles liebende
Freundschaft! siehst du, so wie ich
treu und unentwegt dein Freund heißen
will, so hoffe ich auch Mensch um
! Gotteswillen, ich habe wirklich keinen
' Heller bei mir,
«ine kolu«b«»»»anone»
Je näher das ColumbuS-JubilSum
heranrückt, desto zahlreicher tauchen die
an den große Seefahrer und Ent
decker mahnenden Reliquien aus dem
Dunkel der Vergessenheit auf. Im
Jackson-Park zu Chicago, dein Schau
platz der kommenden Weltausstellung,
ist eine altcrthüinliche Kaiwne aus San
Domingo eingetroffen, die der wackere
Feldhauptmann Jörge FrundSperg
wohl unter das grobe Geschütz der
Feldschlangen rangirt haben würde.
V.'ll-r von San Tiego,
Nach der Tradition haben sich die
aufrührerischen Bewohner von San Do
mingo dieser Kanone bedient, um damit
das Schloß Diego Colons, Sohnes
Christoph Colons und seines Nachfol
gers in der Statthalterschaft der Insel,
mit Erfolg zu beschießen. Nach jedem
Schusse mußte man durch Bespritzen
mit Wasser erst das Rohr abkühlen, da
es sonst in Folge der Hitze, welche durch
das Abbrennen des Zündkrauts nnd
Pulvers entstand, zersprungen wäre.
Warum cr sie küftte.
Wie können Sie eS wa
gen, die Einsamkeit dieses Orts zu
mißbrauchen und mich zu küssen, Sie
Unverschämter?
Tanzherr: Verzeihung für meine Un
bedachten keit Aber' der Duft der
Rose an Ihrer Schulter, mein Fräu
lein, wirkte so betäubend, daß ich mich
vergaß
Balldame: Pshaw! Die Rose ist ja
künstlich
Zuvorkommend.
Dame: Vielleicht, mein Herr, können
Sie einen von deu Sitzen entbehren?
Herr Mit de>n größ
ten Vergnügen, meine Gnädige!
«i? ei! Wik reimt sich daö zn
sammcn ?
:
Frau Prediger, sagen Sie doch dem
Herrn Prediger, unsere Eltern wollen
uns morgen nicht zur Sonntngsschule
gehen lassen, weil jetzt die Kinder über
all soviel Fieber haben und dann
möchten wir Sie recht schön bitten, uns
doch zu sagen, in welchem Teich Ihr
Sohn gestern den großen Fisch geangelt
hat wir möchten es auch gern
wissen!
Der Unterschied. Erster
Schusterjunge: Weißt Du den Unter
schied zwischen dem Meister, und der
Meisterin? Zweiter Schnsterjunge:
Nein. Erster Schusterjunge: Der
Meister ist hier maßnehmend, und die
Meisterin maßgebend!
Da schadet's nichts
mehr! Richter: Ihre AlierSangabe
»Ursen Sie nicht verweigern, Fräuleinl
Alte Juugser: Ich habe aber ein
Relübde abgelegt, mein Alter nur vor
»em Standesbeamte» anzugeben!
DaS Unglück. A.: Warum
io mißgestimmt, Herr College? B.:
Meine Schwiegermutter kommt zu Be
such und dringt noch dazu ihre Schwe
ster mit. Ä.: Alte Geschichte, ein Un
glück t-nnint selten allein!
Man schreibt anS PariS: Herr Deib
ler, der Virtuose anf der Guillotine,
fühlt das Bedürfniß, sich von der an
strengenden „Kopfarbeit", die er all sein
Leben lang betrieben, endlich einmal
auszuruhen. „Das ist ein Lebensab
schnitt". sagte Jemand, als man ihn
unter die Maschine des Dr. Guillotin
placirte. Herr Deibler sehnt sich nun
»ach einem Lebensabschnitt natürlich
nur nach einem figürlichen. Nicht als
ob das Geschäft schlecht ginge. Im
Gegentheil, man kann sich nichts Blü
henderes denke». Und da die Menschen
bekanntlich immer schlechter werden, so
werden die Chancen des Herrn Deibler
für die Zukunft immer besser. In die
ser Richtung ergibt sich wenigstens ein
Nutze» dcr Dceadcnce des Menschenge
schlechtes. Und wcnn das Unternehme»
des genannten Herrn auf Aktien gegrün
det wäre, könnte man diese Papiere als
gute Kapitalsanlage wärmstenS emp
fehle».
Der Grniid dasür, daß Herr Deibler
amtSmüdc wird, ist eb.m dcr. daß er
seine gute Anzahl Jahre hinter sich hat
und daß er schließlich in jenem Alter
angelangt ist, in welchem man einen
behaglichen Landsitz in Ville dAvray
oder Antcuil, mit Kohlpflanzung, Hüh
nerzucht nnd Fischfang, selbst einer »och
so schön niontirtcn Guillotine vorzieht.
Wcnn man erst einmal in die Sechzig
kommt, ist es eben kein Vergnügen
mehr, seine Mitmenschen zu topfen.
An Deiblers Stelle wird sein erster Ge
hilse Berger aufrücken, und die Klien
ten werden mit demselben hoffentlich
ebenso zufrieden fein, wie mit seinem
Vorgänger. 218 Personen hat Deibler
feine hochgeschätzte Beihilse zum Verlas
sen dicseS irdischen Jammerthales ge
liehen.
Es verlohnt sich vielleicht der Mühe,
bei dieser Gelegenheit einige Einzelhei
ten über diese» interessanten Mann
mitzutheilen. Derselbe hat seine Ob
liegenheiten mit kaltem Blut versehen.
Nur in der ersten Zeit hat mau manch
mal eine gewisse Unsicherheit bemerkt!
dcr Grund derselben war aber nicht so
sehr eine im Herzen des „piuro» -lo I»
butts" erwachende Sentimentalität,
als vielmehr die Furcht vor der anwe
senden Kritik Pardon! vor den
zahlreich. anwesenden Journalisten,
welche einen von ihm begangenen Feh
ler sösort an die Oeffentlichkeit gebracht
haben würde». „Die mit einem ersten
Austreten stets verbundene Befangen
heit des Debütanten" sagt man im
Theaterrcserat. JcdensallS „arbeitet"
er sür die Galerie; er hat Eigenliebe
und sieht vor Allem daraus, daß man
seine gute Haltung anerkenne.
Manchmal sindet er auch einen De
linquenten, dcr ihm in weltmännischer
Weise bci seincm schweren Amt entge
genkommt, wie z. B. Jener, der das
Gerüst betrat mit den Worten: ~.l» cls
junctiv Jmpcrsecti ist für die Fein
schmecker). Ii» gewöhnliche» Leben
aber ist dcr alte Mann schlichter», wie
ein junges Mädchen. Und wenn ein
Richter zu ihm spricht, so antwortet er
kaum und sucht mühsam seine Worte
wie ein Schüler. Deibler bewohnt mit
seiner Fran und seinem Sohn, der
einer seiner Gehilfen ist, eine bescheidene
Wohnung in dcr No. 3Ruc Vic-d A;ir,
in der Nähe des Boulevard La Villette,
DaS Ameublement ist äußerst einfach.
Auf dem Schreibtisch des Hausherrn
sind eine Reihe von „Souvenirs" auf
gestellt, die von mehreren Hingerichte
ten herrühren; ihre Photographien
stehe» daneben.
Auf dein Kamine unter einer Glas
kugel befindet sich eine Miuiatur-Guil
loline. An einer Wand hängt eine
Violine. Denn Deibler ist ci» vor
trefflicher Violinist nnd liebt sein In»
stkument mit Leidenschaft. In dk
Wohnung wird fast nie ein Fremder
eingelassen. Läutet ein ehrgeiziger Re
porter an der Thür, so öffnet sich die
selbe ein wenig, und über eine starke
SicherheitSkette hinweg r»st das Tieiist
mädchen hinauS: „Der Herr ist nicht zu
Hause." DaS Leben, das Herr D.ibler
führt ist geregelt wie ci» Uhrwert. Er
steht zeitig auf, bringt den Vormittag
mit Violiiispiele» n»d mit Lesen zu,
dejeuuirt en k-unillu und begibt sich
dann zu Fuß in den Schuppen dcr
Rue de la Folie-Regnault, wo die
Nichthölzer ausbewahrt werden. Es
existiren deren zwei, die große „Loni
sette", welche in Paris sunktionirt, und
eine kleinere, welche zn den Hinrichtun
gen in dcr Provinz mitgenommen wird.
Anch hier >»» ß also wieder einmal die
Provinz hinter der Hauptstadt zurück
stehen.
Den ganzen Nachmittag verbringt
Herr Deibler bei den beiden Maschinen
und pntzt nnd hämmert an ihnen
herum. Hier uud dn gibt es auch eine
Probe, oder kurz vor einer Hinrichtung
eine t'icncralprobe mit den blchilsen zu
sammen. Deibler ist, wie erwähnt,
verheirathet; seine Frau ist eine gebo
tene Mllo. Roseiioeuf, Tochter des Hen
kers von Algier (man kann ihm also
nicht nachsagen, das; er eine Mesalliance
geinacht hat). Aus dieser Ehe cntsprss
scn zwci Kinder, der oben genannte
'--ohn nnd seine Tochter Clotilde, die
eine anmntbige Brünette gcivesen sein
soll und iin 'Alter von siebzehn Jahren
gestorben ist. Dieser Tod hat den Va
ter auss Schmerzlichste betroffen, nnd
man nennt ih» als einen der Gründe,
weshalb sich dcr „sxsoitsurclvslmutss
ouvvrss" mit Rückzugsgcdante» trägt.
Vor einigen Jahren passirte ihm das
folgende Abenteuer: Er begab sich in
eine kleine Provinziakstadt. wo cr am
nächstell Morgen einen Verurteilten
vom Leben zum Tode bringen sollte.
In der Eisenbahn machte er die Be
kanntschaft eines Herrn X, eines
der hervorragendsten Industriellen der
betreffenden Stadt. Es entspann sich
zwischen den Beiden eine Eouversation.
Dcr Scharkrichter. so wenig ge-
schwitzig er von Natur ist. plaudert«
trotzdem über das gerichtliche Etraf
system mit einer solchen Sachkenntniß,
daß sein Gesprächspartner sich einem
hohen Funktionär der Gefängnißver
waltung gegenüber zu befinden glaubt«.
Man langte 'am Ziel der Reise an, und
Herr T , hochentzückt von der Con
versation des Herrn Deibler, dessen
Namen er noch immer nicht kennt, ladet
ihn ein, den Abend bei ihm zu verbrin
gen. wo cr gerade einige Freunde
empfängt. Der Scharfrichter meint,
da könne er sich ganz angenehm die
Stunden vertreiben, bis es Zeit" wird,
an die Aufrichtung der Guillotine zu
gehen, und nimmt die Einladung an.
Uni neu» Uhr Abends begibt cr sich in
vortrefflicher Laune zu seinem Reise
gefährten, den Leib in jenen legendären
Ichwarzen Rock gezwängt. Man stelle
sich die Verblüffung der Eingeladenen
vor, als der Diener M. Deibler meldet!
Die Anwesenheit des Scharfrichter»
erkältete die Stimmung dermaßen, daß
alle Anwesenden sich bald zurückzögen.
Wahrscheinlich in Folge dieses Aben
teuers ist Herr Deibler menschenscheu
geworden und flieht die Welt.
Bestrafte Neugierde.
' Aus Klosterneuburg berichtet man
der Wiener ~N. Fr. Pr." »achsteheiide
«Episode: Gelegentlich eines Transports
von 37 weiblichen Geisteskranken aus der
Wiener in die Klosternenbnrglrrenan
stalt ereignete sich folgende Scene: Am
Ziele dcr Rcise aiigelangt, führe» die
beiden ersten Wagen in den, Hof dcr
Anstalt, mährend dcr dritte vor dem
Thore hielt. Als die Insasse» des
dritten Wagens in den Hos geleitet
wurden, blieb eine Frau beim Wagen
zurück und forschte.im Innern desselben
wie nach etwas Zurückgelassenem, Ein
VerwaltungSbeamtcr machte die Wär
terinnen aus diese Frau mit den Wor
ten aufmerksam: „Da ist Eiue zurück
gebliebene". Als die Frau das hörte,
wollte sie sich eilenden Schrittes eiitser
nen, aber dcr Ruf:,, Da gchtEincfort!"
bewirkte, daß rasch zwei handfeste Wär
terinnen ihr nacheilten und die Wieder
strebende in den Hof dcr Anstalt führte».
Die Frau gerieht in große Eneguiig.
Unter heftigem Schreien wiederholte sie.
sie sei gar nicht geisteskrank und gehöre
nicht in die Anstalt. Die an solche
Aeußerungen gewöhnten Wärterinnen
hielten die Person, welche aus allen
Kräften mit ihnen rang, an Händen
und Füßen fest. Dem die Aussicht
führenden Arzte gegenüber zeigte sich die
Frau höchst ungeberdig, so daß der
Arzt schon einen Augenblick daran dach
te, sie dem Jsolirtrakte sür Tobsüchtige
zn überweisen. Bald darauf aber
wurden die Patientinnen ordnungsge
mäß alle einzeln nach de» Kopszetteln
revidirt, und da ergab es sich, daß statt
37 deren 38 angekoinmen waren, wo
rauf man rasch auf die Vermuthung
kam, daß die Angabe jener Frau, sie
gehöre gar nicht zu den Kranken, am
Ende doch aus Wahrheit beruhen könne.
Sie wurde wieder vorgerufen und es
stellte sich heraus, daß sie eine Frau L.
aus deni sogenannten Oberörtel
sterneuburg war, welche, iiii Begriffe,
sür ihren Gatten Essen zn holen, an der
Anstalt vorüberkam und, dnrch Neu
gierde veranlaßt, sich unter die Patien
tinnen mengte und das Innere des Wa
gens in Augenschein nahm. Ihre Neu
gierdc wurde freilich mehr befriedigt, als
ihr lieb war. denn sie mußte unfreiwil
lig anch das Innere der Anstalt und
die Prozeduren bei Aufnahme neuer
Patienten mitmachen.
t»ine gelieimnißvolle Kunst.
Der ausgezeichnete Anatom Professor
Buxthoru in Cambridge sa erzählt
die „Köln. VolkSztg." in einer Abhand
lung über „eine geheimnißvolle Kunst"
saß ini Jahre 1862 eines Abend?
noch spät ganz allein in seiner Woh
nung am Schreibtische, als plötzlich ein
fremder, verkommen aussehender
z'icnsch in das Studirzimmer trat und
M dcm Gelehrten sagte: „Wir sind
allein. Machen Sie keine Umstände.
Geben Sie mir das Geld, welches Sie
in jener Schublade haben, oder "
Dabei machte dcr Eindringling eine
sprechende Geberde mit der Rechte», die
gleichzeitig ein Messer aus dcr Brust
taschc dc« Rockes zog. Der in dieser
Weise Überfallene Professor sah stumm
den Fremden und die Klinge an; daraus
beugte cr sich übcr den Schreibtisch, als
wolle cr das Geld aus der Schublade
nehmen, wo es sich in der That befand,
Spitzbube trat dicht an ihn heran
und zückte feine Waffe, um dcm Gelehr
ten znvorzulommcn, falls dieser etwa
eine Masse statt des Mammons hervor -
langen sollte.
Plötzlich sährt der Eindringling zu
sammcn. Aus dem Nebenzimmer, des
sen Thüre halb offen steht, härter eine
Znmpse Stimme: „Fürchte nichts, ich
komme Dir zu Hilst!" Dies vernehmen
und sich schleunigst aus dem Stande
machen, war für den Liebenswürdige»
rins. B irthorn versuchte zwar, seine
Flucht zu hindern, doch gelang ihm das
tiicht. Nachdem er dann die Thüre
sorgfältig abgeschlossen hatte, um nicht
ktwa noch mehr ungebetene Gäste zu
ünpsange», setzte er sich ganz kallblütig
wieder an seinen Schreibtisch.
Als dcr Professor am nächsten Tage
Ziescn Vorfall einem Freunde berichtete,
war natürlich dessen erste Frage, »ver
Senn nun sein Retter im Nebenzimmer
zcwesen sei. „Mein verstorbener Va
ter", gab Burthorn mit trockenem Lä
cheln zur Antwort. „Wie, Ihr ver
storbener Bater?" „Nun ja, denn cr
hat mir immer gesagt: „Junge, lerne
jede Fertigkeit, die Du Dir nur aneig
nen kannst, denn Dn weißt nicht, wann
and wo sie Dir von N»tzen sein kann,
und wäre es selbst das Bauchreden."
Und so habe ich denn wirklich in meiner
' Zugend das Bauchreden gekernt, das
mir diese Nacht einen so großen Dienst
> Nwieieii bat!"