Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 18, 1892, Page 2, Image 2

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    2 I« h»h««
Der Weinreisende Emil Schumlich
war ei» seelensguter Mensch, nur hatte
er einen Fehler, den man bei Weinrei
se»den nicht eben selten findet, er renom
mirte gern. Emil renommirtc vor
zugsweise gern mit seinen Bekannt
schaften „in hohen Kreisen", wie er sich
geheimnisvoll auszudrücken beliebte.
WurSerbarerweise fand er auch bei zwei
Menschen Glauben sür seine Rcnommi
stereien, und diese beiden waren seine
Zimmerwirthin, die noch in den besten
Jahren stehende Wittwe Aurora Süß
milch. und sei,« Braut. Fräulein Au
guste Schneider.
Namentlich war es die schwärmeri
sche Frau Süßmilch, welche hren Zim
merherrn sort und fort bestürmte, sie
nur ein einziges Mal in die „hohen
Kreise" einzuführen, da sie sich von jeher
über das „gemeine Pack" erhaben ge
fühlt hatte. So in die Enge getrieben,
kam unserm Helden ein herrlicher (sje
danke.
„Frau Süßmilch," redete er einst
seine Wirthin an. „endlich bin ich im
Stande, Ihren langgehegten Wnnsch
zu erfüllen. Die Gräfin von Donncrs
marck. meine intime Freundin, hat neu
lich den Wunsch ausgcfprochen, das
Leben und Treiben in Bürgerkreisen
kennen zu lernen, und ich versprach ihr,
sie in das bekannte Etablissement „Ely
sium" zum Maskenball zu fuhren.
Kommen Sie also in irgend einem
Kostüm dahin. Freilich kommt die
Gräfin ungern mit Bürgerlichen in
nähere Berührung, Ich werde daher ge
nöthigt sein, Sie z. B. als Gräfin Ho
henstein. ivenn es Ihnen recht ist, vor
zustellen."
Frau Süßmilch sagte entzückt zu.
An demselben Tage noch fuhr Emil
zu feiner Braut und sprach zu ihr fol
gendes: „Liebe Auguste, heute ist mir
eine große Ehre widerfahren. Die in
hoheu Kreisen bekannte Gräsin Hohen
stein hat mich der Ehre gewürdigt, sie
in das „Elqsium" znm Maskenball
sichren zu dürfen, weil sie gern das Le
ben und Treiben in Bürgerkreisen ken
nen lernen möchte. Du mußt auch
hinkommen. Freilich kommt die Gräsin
ungern mit Bürgerlichen in nähere Be
rührung; ich werde daher genöthigt
sein, dich z. B. als Gräfin DonnerS
marck vorzustellen."
Wer war froher als Auguste! In
aller Eile holte sie vom Maskenverlcihcr
das Kostüm eines Ritierfräuleins, und
ebenso stolz als neugierig, die hohe
Dame kennen zu lernen, betrat sie ani
Arme ihres Bräutigams den Ballfaal
des „ElysiumS". Bald führte Emil
die beide» Gräfinnen zu einander,
welche bei der Vorstellung möglichst ties
lnixten.
„Wie ist Ihnen denn hier unter den
vielen Bürgerlichen zu Muthe, gnädigste
Gräfin?" flötete Frau Süßmilch.
„O. ich danke," entgegnete Auguste
qeziert. „allerdings bin ich diese Artmus
phäre gar nicht gewohnt Fühlen
Sie sich nicht a»ch etwas alternirt, aller-
Mädigste Fra» Gräfin?"
„Na, es geht," erwiderte diese, „ich
freue mir wenigstens, daß Sie mit mich
zusammen sind."
In diesem Tone ging es den ganzen
Abend, möglichst steif nnd vornehm.
Nur als Emil zum Schlüsse Kaffee und
eine Menge Kuchen spendirle, wurden
die Gräfinnen munterer, und sie wun
derten sich im Stillen, daß man in
hohen Kreisen doch so ausgelassen sein
könne.
Mit Wonnegefühlen verließen die
beiden Damen den Maskenball und ge
wiß spielten die „hohen Kreise" des
Nachts in ihren Träumen keine kleine
Rolle.
Am anderen Morgen umchte Emil
pflichtschuldigst Augusten seine Auf
wartung, nm sich nach ihrem Befinden
zu erkundigen. Man unterhielt sich
natürlich von „hohen Kreisen" im All
gemenn'n und von der Gräfin Hohen
stein im Besonderen.
„Aber sag' mir Eins, lieber Emil,"
fragte Auguste, „ich sah beim Kaffee,
wie sich die Gräsin eine Partie Kuchen
heimlich einsteckte. Ist das in hohen
Kreisen Sitte?"
„Natürlich, man nimmt sich bei allen
festlichen Gelegenheiten etwas zum An
denken mit."
„So. das freut mich, denn ich muß
dir aufrichtig gestehen, ich habe mir
ebenfalls einige Stücke Torte cikM
stcckt!"
Aarv«»»fp»«l.
Vergnügt faß ich beim Glase Bier
In der Bekannten Kreis,
Erzählte dort so mancherlei,
Macht' ihnen vieles weiß.
DaS Blane ich vom Himmel log,
Sie zweifelnd mich anschan'n.
Dann wurden alle roth vor Zorn,
Man schlug mich gelb und braun !
Setzt d'raus mich an die schwarze Nacht,
Wo der Nachtwächter schlief,
«Es flimmert vor den Augen mir
Zin kräftigsten Oliv.
Die Has.chzfch-Seuche, ivenn
m< ii de» Genuß dieses verheerend Wir
kerei, Opiats so nennen darf, hat
wie man aus Kairo schreibt, nun
mehr anch in Südeuropa, besonders in
Siciken, Malta und Hellas ei »genistet.
Großs Quantitäten dcS Giftes werden
dort abgesetzt, und die Zahl der Lieb
haber desselben nimmt überall >i.v er
schreckender Weise zu. Auch nach Egyp
ten sindd? trotz der Wachsamkeit der
kritischen Behörde, die de» Handel da
mit mqiu>Misirt (!) hat. eine starke
Paschere, In Buchdeckeln, jn
Spielsache», Mnsitinstrumenten, ja in
Stieselsohle» znrd das Gift masscnweis
Tausende von Pa
schern leben vom Ertrage solcher tiontre
lmiide. Wenn du,' Ausbreitung der
Seuche so fortgeht, so wirk Europa
neben der Alkoholfreie nur zu bald
anch init Hier zu rechne»
haben.
»o« ««Werve«.
Eine Elegie in bret
Gesängen.
.l. Gesang.
Der deutsche Leser wird es mir nicht
zugute halten, wenn ich ihm eingangs
meiner Ausführungen „ungrisch"
komme. Da eS im Verlaufe dies«
Klagelieder auch einige Zymbaltöne
setzen soll, kann ich dabei des Magyari
schen nkcht entrathen.'
Es gibt außer dem Ungarischen wohl
kaum «och eine andere Sprache, welche
so zahlreiche Ausdrücke zur Verfügung
hätte, um jenes gewisse Lebensstadium
zu bezeichne», in welchem rücksichtsvolle
Freunde von einem Manne sagen, er
sei eben „im besten Alter." Wir sagen
»äos» betagt,.lcoros bejahrt, csrsx
alt. v«n hochbetagt,
greise; allenfalls könnten wir auch noch
„»vutt", mit „übertragen"
wiedergeben; aber für eine ganze Reihe
weiterer Epitheta dieser Richtung feh
le« jedem anderen Idiom die ent
sprechenden Synonyma; derlei Bezeich
nungen wären etwa: o, K»jä»ni, ««i.
r»ei u. A.
Wohl kennt auch das Deutsche noch
eine weitere Auzahl solcher Redewendun
gen; man sagt: „Der ist auch nicht
mehr von gestern", oder aber: „Der
gehört .auch schon in die Rumpelkam
mer", allein alle diese Ausdrücke be
zeichnen lange nicht so genau, wie die
angeführten ungarischen, die verschiede
nen Abstufungen einer und derselben
Skala, die verschiedenen Nüancen einer
und derselben Farbe. Voll heiterer
Liebenswürdigkeit, ich möchte sagen
rosenfarben hebt sich von dcm Tenor
aller dieser Adjektive das freundliche,
Herz-gemüthliche „Mein Atter" ab;
schließen wir ja doch das Herzenskind
lelbst mit dem kosenden „Du mein Al
lerchen" in die Arme, ob auch das
Bürschchen erst seit dem jüngsten Som
mer her richtig schon volle—sünf Jahre
„alt" ist. Vollends das analoge unga
rische bezeichnet nicht nur ein
vorgeschrittenes Lebensalter, sondern
heißt überdies auch „groß". Der A-
B-C-Schütze rühmt sich, er könne die
.nlten", d. h. die großen Anfangsbuch
staben an die Schultafel malen; der
„osrvff bsrss", der Großknecht auf
dcm Wirthschaftshofe, ist nicht selten
ein schmucker Junge, dessen stramme
Erscheinung dem Mädchenvolke deS
Dorfes Kopf und Herz heiß macht.
Gleichsam wie blutiger Hohn klingt
neben diesem liebenswürdigen Wortedas
ungarische „vsn" in einem gewissen
Sinne, sür welchen das Deutsche keinen
zutreffenden Ausdruck kennt. Ich lege
mir dieses Beiwort resignirt selber bei,
damit mirs nicht etwa ein Anderer zu
erst an de» Kopf werfe.
Während ich diese Zeilen schreibe,
habe ich eine Brille mit großen runden
Gläsern auf dcr Nase sitzen ein nicht
mißzuversteheudcs Symptom. Eines
trüben Morgens machte ich nämlich die
Beobachtung, daß mir beim Lesen die
Buchstaben vor den Augen verschwam
men. Ich hielt das Buch nahe, ich hielt
es fern —cs nützte Alles nichts. Ich
schimpfte über Druck und Papier, allein
das Gebrechen lag doch nnr an mir.
Eines anderen, noch trübseligeren
Tages tritt mir ein schmucker, junger
Herr entgegen, de» ich um seiner Viel
sachen gute» Eigenschaften willen hoch
schätze und redet mich mit „lieber Ksosi"
ich ein Onkel! der ich schon als
junger Bursche eine heftige Abneigung
gegen diese zutrauliche Anrede hatte!
Ein ander Mal sprach mich sogar ein
steinalter Herr von hohem Range mit
„d»<:si" an; schlechtweg „mein Herr"
zu sagen, mochte ihm zu kühl scheinen.
ur»m <vos«m" (mein Herr, Neffe)
schien ihm offenbar nicht mehr angemes
sen. Witten das Ansehen und die viel
fachen Verdienste des Mannes nicht ge
wesen. ich wollte ihn in meinem Un
muthe mit einem herablassenden „Mein
Sohn" traltirt haben!
Und dabei bin ich o Spott des
Schicksals! seit mehr denn zwanzig
Jahren für die ungezählten Tausende
der Kinderwelt Ungarns der ..k'or-o
ds«»!!" Unter diesem Namen (Onkel
Porzo) schreibe ich nämlich eine Wochen
schrist zu ihrer Belehrung und Unter
haltung.
Es ist nun einige Jahre her. daß sich
eines Tagcs. wic ich eben wacker an
meinem ~Xi» (Kleine Zeitung)
d'raus IoS redigire, plötzlich die Thür
meiner Werkstätte öffnete nnd am Arme
einer freundlichen Mama mit weißen
Haaren ein blühendes Mädchen herein
trat, eine zierliche Gestatt, rosig und
frisch, voll Anmuth nnd Fröhlichkeit.
Ich springe auf, bitte um Entschul
digung wegen der gar zu mäßige» Aus
stattung der Redactionsftube und biete
inen Damen Sitze an.
Das schöne Mädchen hestet seine
Rchaugen aus mich und rührt sich nicht.
So stand»» wir eine Weile lang.
Mit einem Wale aber machte sie sich
vom Arme ihrer Mutter los, trat näher
an «ich Hera» und sragte rasch:
„Sie sind dcr " l'«r?,o lz»osi"?"
„Jkwohl, der tili ich." erwiderte ich
ocrw»r.dert über d'.e sonderbare Anrede.
Die schöne jnnge Dame schüttelte den
Kopf.
„Wirkich? Sie »tren es?"
„Ich versichere Jh«eu. mein Fräu
lem; so Vilich meiß. bin ich eS."
„O, und Sie sagen „mein Fräulein"
zu nur! Ich bin ja die PoriSka die
Takacs Borüka!"
Damit fl)g sie mir an de» Hals und
herzte und lichte mich, daß mir schier
der Athem verging.
Daun ließ ich schlaff dieArmc nieder
salleu und sank kleinmüthig in meinen
Großvaterstuhl.
Noch niemals hat mir, wenn ich ab
und zn einmal den Jugendlichcn zu
sp'elen versuchte, eine spöttische Mah
nung. od r ein« zurechtweisende Äe-
merkung so lebhast zu Gemüthe geführt,
wie viel es auf meiner LebenSuhr ge
ichlagen habe, als die Umarmung die
ses süßen Kindes. DaS Urtheil ist
über Dich gefällt: Du bist nicht mehr
gefährlich, bist ein „Ksosi" geworden
m des Wortes trübseligster Bedeutung.
Und seitdem bekomme ich immer und
immer wieder den „t>»o»i" zu hören.
Ergeben wir uns darein! Was mich
tröstet, sind Aranys Worte:
Ja alt, weiß Gott, bin ich gewogen.
Der „Alte Herr", Heißt'S aller Orten—
Bin über fünfzig noch nicht weit.
Je nun, der Kampf wäre fürder eitel—
Die weiße Fahne weht vom Scheitel:
Ich mache Frieden mit der Zettl
Alt bin ich also—wirklich und wahr
hastig alt. Ich fühle zwar noch nichts
davon, aber Andere lassen mich's füh
len. So wäre denn der Grenzhügel
irreicht, welcher unser Leben entzwei
theilt, gleichwie das Jahr entzwei ge
schieden ist: Die erste Hälfte Sprießen
and Grüneu, Blüthe und Duft; die
zweite Hälfte Blätterfall und Frost.
Die jungen Frauen vertrauen Dir
heikle Aufträge an, die jungen Mäd
hen plaudern in Deiner Gegenwart
ohne Scheu und Rückhalt von ihren
kleinen Geheimnissen. Den verliebten
«Julien bist Du Freund Lorenzo ge
worden und die Mütter erbitten sich
Deinen Rath.
„Ach bleiben Sie doch noch!" sagt
Dir nnbefangen eine schöne Frau, „ich
unterhalte mich mit Ihnen besser, «IS
mit so jungen Lassen."
Und schließlich gewöhnt sich der
Mensch auch an diesen Zustand, etwa
wie der Hund an die Schläge.
„Womit färben Sie denn Ihr Haar?
Wie. Sie färben es überhaupt nicht?
Ah. ah! Und Sie sind doch schon in
dem Alter, wo man hm, hm!"
„Sie tanzen nicht? Recht haben
Sie! Das ist nichts mehr sür „uns",
sagte mir einmal ein alter Bekannter
lustigen Angedenkens. Denn es gibt
Leute, die sich gern zu uns Anfängern
im Altsein hatten, und da der Berkehr
mit den Jungen nicht mehr so recht in
Fluß bleiben will, uns in ihre höhere
Altersklasse hinanziehen mychten.
„Ja, ja, wir sind halt ichon ein Paar
alte Hallodri!"
„Sind Sie noch immer bei gutem
Appetit? Geht's noch mit den starken
Cigarren? Macht Ihnen der Lustzug
keine Beschwerden? Vertragen Sie
noch Eifenbahnfahrtcn? Spüren Sie
schon das gewisse Knistern in den
Nackenmuskeln, das Krachen des Rück
grats beim Bücken?
In dea Nähe von Tantah im Nil-
Delta wurden eben die Sklaven zusam
mengetrieben erzählt der liebenS
vürdige Wiener Humorist Schlögl
als ich auf einem Spaziergange des
Weges kam.
Die Aufseher sonderten die Alten mit
Peitschenhieben von den kraftstrotzenden
jungen Leuten ab
Wie -sagte doch damals die schöne
junge Frau zu mir:
„Ich unterhalte mich mit Ihnen bes
ser, als mit so jungen Lassen!"
Diese Unterscheidung war für mich
»lich ein Peitschenschlag. Ich bin aus
gemustert!
Lächerliche Zumuthurigen, beschä
mende Zurücksetzung, ungebetene Scho
nung! Ich mache mich erbötig, die
höchste Bergesspitze zv erklettern, ohne
rußcr Athem zu kommen.
Wenn zwei guten* Freunden nach lan
ger, langer Zeit wieder einmal ein freu
vig-wchii,üthiges Zusammentreffen be
schicden ist, staunt immer Einer den
Andern an und Jeder denkt für sich:
„Sieh nur, sieh, der hat sich ja nicht
im Geringsten verändert"
Oder aber:
„Armer Kerl, wie hat es Dich seither
mitgenommen!"
„Ja. so eine stattliche Last von Jah
ren fühlt man!"
Oder:
.Ja. sag' mir nur einmal, Freund,
hast denn Du irgend ein Geheimmittel.,
daß Dir di« Zeit so ganz und gar nichts
zuzuhaben vermag?"
Allmälig aber beschleichen den Men
schen denn doch die Anzeichen des Nie
derganges; was sage ich: allmälig und
beschleichen?! Sie brechen plötzlich über
ihn herein. Mit manch' einer holden
Rast, mit manchem frohe» Umblick in
die wundervolle Landschaft ist unser
Aufstieg nach dem Bergesgipfel ge
schmückt. Auf die Mittagshöhe des ge
reiften Mannesalters schauen wir selbst
bewußt. im Vollbesitze der geistigen und
der körperlichen Kraft aus den bisher
vollbrachten Lebenslauf zurück; allein
der Grenzpfahl des unerbittli' en Ge
schickes weis/ bereits abwärts und fein
Finger ist gebieterisch ausgestreckt. Noch
einen Blick auf die Auen der Jugend,
auf ein oder das andere Werk, welches
unserer Thätigkeit etwa gelungen ist.
dann dann sührt der Pfad jäh zu
Thale und unten im Grunde harrt des
müden Wanderers das ruhevolle Grab.
Welche ist die leichte Flaumfeder,
welche auf der Waage das schwere Blei
gewicht überwindet? Mit welchen
Haupthaares Ausfall beginnt die Glatze?
Wann sangen mir an, alt zu werden?
Die Brust geschwellt von gaukelnden
Schwärmereien, von goldenen Träu
men; das Auge ergötzt sich an der war
me u Fülle der.Farben; die Seele ist
trnrken von den Linien und Formen,
Schwung und Schönheit, von der Mu
sik hellklingenden Gelächters; da
plötzlich durchzuckt uns wie Schauder
eine eiskalte Berührung: die Vergäng
lichkeit kiopst uns mit tiiöchcrnein Fin
ger an die Stjrne:.,Halt, guter Freund!
Halt und zurück! Du hast nichts zu
suchen unter den Roscnsträuchen der Ju
gend; du haft nichts zu schaffen mit dem
jauchzenden du hast keinen
Antheil an der.Herrlichkeit der Blumen.
Nicht für dich singt die Goldamsel,
nicht dir duftet des Angers weißrosige
Schlehkiibl'iijic! All' das ist nichts für
einen üerrn!
M? Wer ist hier alt? Mir diese,
Verbot?
Welche Grausamkeit von der Natur,
den Kopf altern zu machen und dabei
das Herz jung zu erhalten! Warum
nicht die beruhigende Weisheit, unZ
erhöhen und die verzehrenden Begierden
mildern? Weshalb ist im Haushalte
des Schicksals nicht für eine Schadlos
haltung vorgeforgt? Nicht alt bin ich,
nur bejahrt.
Oder ich bin gleich jenem spanischen
König zu alt, als daß ich noch spielen
sollte,—zu jung, um keinen Wunsch zu
haben. Entweder möge mein Geschick
das lodernde Feuer dämpfen oder eS
stille mir den verzehrenden Durst und
gebe mir zu trinken.
ES reiche mir den Becher des Lebens,
des süßen Weines voll bis an den
Rand oder ernüchternde Tropfen in
einem großen Glase Wasser, täglich
dreimal zu nehmen: Früh, Mittags
nnd vor dcm Schlafengehen.
Weshalb muß ich,entsagen? Habe ich
doch kaum begonnen: eben erst haben
sich mir des Lebens Pforten erschlossen;
jetzt erst finge ich an, seinen Zweck zu
begreifen, feinen Inhalt zu genießen!
Mit vielem Nutze» durchblätterte ich
Ciceros Werk: „lis »vvsotut«." Wer
hätte es nicht gelesen? Wer fühlte sich
nicht gehoben von Alledem, was der
aroßrömischc Autor zu Gunsten des
Alters sagt? Es sind Gedanken des
männlichen Ernstes, in festem logischen
Gefüge entwickelt, von sieghaften Bei
spielen unterstützt; nnd wie wir sie so
an unsere», Geiste vorüberziehen laffen,
erkennen wir das fortdauernde Leber
der Seele, aller Bande frei und ledig.
Was «in todte'r Hase vermng.
Registrator Meier (von der Jagd
nach Hause kommend): Hnrrah, Kin
der, endlich ist es mir geglückt.einen'sei
sten Hasen zu erlegen. Da ist der
Prachtkerl!
Frau Meier: Ja, der ist schön, aber
bei diesen schlechten Zeiten wollen wir
keinen Hasenbraten essen, schon der
Nachbarschaft wegen. Weißt du was,
wir schicken ihn zu Kanzleirath Huber.
deinem Vorgesetzten, der es dir immer
verübt, daß du auf die Jagd gchst.
Registrator Meier: Du hast recht,
Frauchen.
Kanzleirath Soviel Takt
hätte ich dem Meier gar nicht zuge
traut. Aber was soll ich alter Jung
geselle mit dem Hasen anfangen? Aha,
ich Hab's. Ich schenke ihn meinen,
HauSwirth, .dem Stadtverordneten
Schulze, vielleicht ladet er mich zum
Esse» ein.
Stadtverordneter' Schulze: Ein nob
ler Charakter, dieser Kanzleirath! Aber
wir habe» erst gestern Hasenbraten ge
habt.
Frau Schulze: Schicke ihn doch dcm
Bürgermeister zum Geschenk.
Stadtverordneter Schulze: Du hast
mir aus dcr Seele gesprochen, das will
thun.
Bürgermeister: dieser Hase komm,
mir sehr gelegen, ich war meinem
Schwiegervater, dcm GerichtSrath Leh
mann, schon lange eine kleine Aufmerk
samkeit schuldig. Aber dieser Schulze,
'ch muß mir das merken.
GerichtSrath Lehmann (beim Mittag
essen): Der Hase schmeckt delikat. Solch
einen Schwiegersohn laß ich mir gefal
len. Dasür muß ich mich erkenntlich
zeigen, aber wie?
Frau Lehmann: Wenn du ihm die
ganze Mitgift herausgcbcn möchtest,
damit er das Grundstück erwerben kann,
das cr so langc wünscht.
GerichtSrath: Das ist freilich viel
sür einen Hasen. Aber ich habe doch
eingesehen, daß cr ein braver Mann ist.
Bürgermeister: Hurrah. dieses Glück
hätte ich mir nicht träumcn lassen. Das
habe ich dcni Hasen Schutzes zu ver
danken. Wie revanchire ich mich nur?
Hm! Der Regierungspräsident ist mein
Freund, vielleicht schlägt er Schulze zur
Ordensverleihung vor.
Fra» Schulze: Wie freue ich mich,
lieber Mann, daß deine Verdienste »m
die Stadt endlich durch die OrdcnSaus
zcichnung anerkannt find.
Schulze: Und weißt du, wem ich es
zu verdanken habe? Dem Bürgermei
ster. Der Regicruilgspräsident hat es
mir selbst gesagt. Ich vcrmuthe, der
Hase hat dabei eine Rolle gespielt.
Frau Schulze: Der gute Kanzlei
rath! Wcn» wir ihm doch einen Dienst
'rweisea könnten!
Kanzleirath (einen Brie? lesend).
Verehrter Herr Kanzlciralh! Ohne un
bescheiden zu sein, darf ich cs wohl mei
ner Beredfamteit i» dcr hcutigcn Stadt
vcrordnctcnfitzung zuschreiben, daß Ihre
Petition um Ueberlassung des städti
schen Gartengrundstücks zu dem über
aus mäßigen Preise genehmigt worden
ist. Ihr ergebenster Schulze N. B.
Besten Dank für den Hasen, er hat vor
trefflich geschmeckt.
Fra» Meier: Jn*so guter Laune bist
du noch nie Bureau gekommen.
Registrator Meier: Ja. denk' dir,
dcr Kaiijleirath Huber theilte mir mit,
daß ich vom nächsten Ersten eine Ge
haltserhöhung von monatlich 50 Mark
kriege. Er deutete auch an, daß er mir
dazu verholten habe wen» ich nur
wüßte, weshalb er plötzlich solches In
teresse für mich hat.
Fran Meier: Vielleicht des Hasen
wegen
Registrator Meier: Ah, daran dachte
ich gar nicht. Es lebe der Hase!
Widerspruch. Mama: Lew
che», lause doch nicht immer durch de»
ärgste» Schmutz: Du bist »in reine«
Fttlel!
«usaewief«!»!
Eine Erzählung aus unse
ren Tagen.
Eine traurige Geschichte ist es, die ich
hier erzählen will, aber wahr ist sie
doch, und daß sie wahr ist, dafür kann
ich nicht, das ist die Schuld ciueS Lan
des, in welchem die Barbarei den Be
wohnern künstlich anerzogen wird, wenn
sie solche nicht schon mit der Mutter
imlch einsauge«. Jn Fleisch »nd Blut
geht sie ihnen über, und wehe den Un
glücklichen, welche innerhalb der Fang
arme solcher grausamen Menschen leben
müssen!
Der Deutsche bildet das bedauerns
werthe Object dcr Schandthaten, welche
der russische Aeamte in seinem von
übermäßigem Schnapsgenuß zerrüttete»
Hirn ersinnt.
An einem Sommerabend letzten Jah
res sah man einen kleinen Trupp elen
der Menschen mit verstörten Miene»
und glanzlosen Augen einer deutschen
Grenzstadt zuma«schiren, deren Thorc
sich noch nie dem Unglück Fremder ver
schlossen haben, das ihr in mannig
facher Form das nahe Rußland hiii
überfchickt. Man konnte in den Gcfich
tern der Arme» lesen, daß sie nicht ein
Uebermaß von Wohlthaten aus ihrer
Heimath verscheucht habe; schon aus
der Stirn dcr Kinder war eine schwere
Leidensgeschichte eingegraben, wie sie
nnr das Schicksal zum Ausdruck bringt,
nicht das Hirn des Poeten.
Es ist nicht nöthig, sich aus dcm
Mindc dcr Flüchtlinge bcthcucru zu
lassen, daß sie Schreckliches erlebt
man glaubt eS ihnen ohnedies. Tag
über quälen sie sich, unk das Stückchen
Brod zu verdient,,, welches zur Befrie
digung ihrer geringen Ansprüche hin
reicht, und Abends, wenn sic sich aus
der mit fpärlichcm Stroh bedeckteiiDielc
h.nkancrn, mühen sie sich ab mit dcr
Sorge nach d>m des folgenden
Tages, bis ei» barmherziger Schlaf sic
auf ei» paar Stunden ihr Leid verges
sen läßt. Aber die Willkür mid Bc
gicrdc dcr Bcdrückcr gönnt ihnen dicse
paar Stunden Vcrgcjs.nheit nicht; Ge
gen zwei Uhr Nachts pocht cs mit harten
Schlägen au den schadhasten Laden des
cinzigei'iFensters,und wenn cs nicht sofo.t
geöffnet wird, wird die Thüre mit ro
he» Fäuste» eingeschlagen, daß ob des
Lärms die ganze Familie erwacht.
„Der Fuhuiiau» Kristiaiipoller hat
als nicht-russischer Unterthan a»s aller
höchsten UkaS binnen sechs Stunde» mit
Frau und Kindern die Stadt zu ver
lassen und soll, wenn er nicht diesem
Vesehl unbedingte Folge leistet, per
Schub über die Grenze befördert wcr
dcn," so donnert eine tiese Stimme den
entsetzten Leuten zu.
Eben »och waren sie schlaftrunken;
drs Ungeheuerliche der Botschaft hat sie
schnell ernüchtert. Ja, das A»ge des
Gesetzes wacht, auch wenn sriedliche
Bürger ruhig schlafen!
Der Maiin schlüpft fchnell in feine»
Rock, und er besitzt Geistesgegenwart
genug, Ilm mit feinem Weib in fliegen
der Haft zu berathen, was zu thun sei.
„Lauf schnell zum Polizeimcister," sagt
sie; „erinnere ihn an Deinen Aiifent
haltsbrief, gib an, daß schon Dein Va
ter und Dein Großvater hier gewohnt,
daß wir immcr von unserem Verdienst
dem Staate pünktlich seine Steuer» ge
zahlt und oft noch etwas darüber; ich
bin hier geboren und Du auch »nd die
Kinder auch, sag ihm, sag ihm Alles:
was Tu noch hast an Kopeke», gib de»,
Iwan, daß er Dich noch jetzt, Nachts
einläßt, und wenn Du drinnen bist,
dann sall' aus die Knie vor dem Väter
chen Polizcimcister, küss' ihm die Hand,
mcin' ihm unser Elend vor; steh' nicht
früher anf, als bis er Dich erhört hat.
und er wird Dich erhören, und wird
sich unser erbarmen."
Die Nacht ist dunkel, und eS ist gut.
daß sie dunicl ist nnd nicht schauen
läßt, was untcr ihrem Schleier Gräß
liches geschieht. Der Mann eilt hinaus
in den Sturm, ohne zu bemerken, daß
dcr Ueberbringer dcr Unheilskunde ver
schwunden zu sein scheint. Die Fra»
richtet sich auf und veranlaßt auch die
Kinder, sich von dcm harten Lager zu
erheben und zu Gott zu flehen, daß cr
dcm Vater Erfolg schenkt. Jeder
glaubt ja, sein Schmerz sei dcr größte,
der licbe ttott sei seinetwegen vorhan
den nnd müsse ihm, ihm in erster Reihe
helfen; so egoistisch denken nun einmal
die Menschen.
Noch immer ist die Thür geöffnet,
wer denkt daran, sie zu schließen? Mag
das dcr Armen freier zu Gottes
Thron empordringen. Da huscht
eine uiihcimliche (Gestalt in den einzigen
Naiini der Wohnung; cs ist ein Mann,
großgewachsen, mit laiigem Bart; mehr
kann man in der Dunkelheit nicht er
kennen. Es ist derselbe, welcher schon
vorher die Bewohner der armseligen
Hütte ausgeschreckt hatte.
Wie cr die Fra» des Fuhrmai,ns
halbangekleidet, die Arme zum Himmel
erhoben, vor sich sieht, da stürzt er sich
ihr entgegen, noch bevor sie eS recht
merkt, reißt die laut Jammernde und
heftig Widerstrebende zu Bode» nieder,
setzt ihr das Knie aus die Brust und
schnürt ihr mit seinen großen Händen
die Kehle z», daß sie nicht athme» kann.
Die Kleinen, welche sich ängstlich schrei
end um die Mutter drängen, stößt cr
mit seinen derben Thranstieseln zur
Seite, und dann dann schleudert
ein heftiger Windstoß die Thür in ihr
Schloß, so daß nian nichts sehen kann
als die finstere, sternenlose Nacht, und
nichts hören als das Heulen des Stur
mes.
Inzwischen ist dcr ausgewiesene Fuhr
mann in das HauS des Polizeimeisters
tt'''auseii. dessen Burschen cr herauS
lli zclt; dicscr offenbart ihm gegen ein
guies Trinkgeld, daß sein Herr noch im
Freundeskreise weile. Der Fuhrmann
weiß, was dies zu bedeuten hat, und
wo cr den Gesürchteten antrifft. Auf
dein Marktplatz steht die Apotheke, deren
hjiUt're Räume ich«, piel »riebt habe».
wenn die Honoratioren des Städtchen!
zusammenkamen, um lustig zu sein.
Es geschah das regelmäßig danu, wenn
in der TomoSchua, d. h. Zollhaus, ein
großer Fang angezeigt wurde, und dies
wiederum kam sehr häufig vor, weil
sich bei dem unglaublich weiten Umfang
des Schmuggelbetriebs häufig einige
Unvorsichtige fanden oder auch einige
Verräther.
Jetzt war wieder ein bedeutender
Posten Branntweins den Echmugglcr»
von den Grenzsoldaten, abgejagi wor
den; eine Ordensverleihung oder gar
Raiigeserhöhung stand also bevor, nnd
und in dieser Aussicht mußte man dem
erbeuteten Stoss, welcher den Anlaß
hierzu bot, seinen Dank abstatten. War
doch der Meistbietende Käufer der defrau»
dirten Waare, wie immer, der Apothe
ker geworden, und auch dieser patrioti
schen That durfte die gebührende Wür
digung nicht versagt bleiben. Die bra
ven Spitzen der Bürgerschaft vereinig
ten sich also in der Apotheke zu einer
kleinen Feier. Eben hat der Major
den würdige» Popen einen Esel ge
nannt, weil die Hand desselben vor
Rührung so stark zitterte, daß sich der
Inhalt seines Glases über die Karten
des Nachbars ergoß.
Da tritt der Fuhrmann ein und fleht
den Polizcimcister um Verzeihung an,
wenn er störe und nm Zurücknahm«
oder Aufschub des Ausweisungsbefehl
bäte. Die chrenwerthe Gesellschaft ist
durch diesen unerwarteten Zwischenfall
anf das Höchste amüsirt; der Apotheker
wettet sofort mit dem lustigen OrlSrich
ter gegen eine Flasche Bordeaux, daß
der Eindringling i» zwei Minuten schon
'ein Lamento auf der Straße fortsetzen
werde, ilnd er gewinnt die Wette,
denn wen» anch der Hausknecht just
nicht ans Nubierland stammt, sondern
ein ausgedienter Kosak ist. seinen
Dienst verrichtet er meisterlich.
Was soll nun der arme Fuhrmann
beginnen? Er stürzt nach seiner Woh
nung, um von seinen Habseligkeiten
zusammenzuraffen, was er in die
Fremde mitnehmen kann, und damit
die Grenze zu erreichen. Aber als er in
die Nähe seines HeimS gelangt, dringt
ihm ei» wüster Lärm i» die Ohren, und
i» der Dämmerung d.'S Morgens ge
wahrt er mit Schrecke», daß eine wilde
Rotte von enlmenschten Geschöpfe» die
wenigen Gegenstände, welche er bisher
besessen, in wüster Raublust fortge
schleppt und zerstört. Schon kommen
iliin seine Kinder entgegen und vermö
gen. wie s e sich schluch end an seinen
klammern, nicht zu erzähle»,
welche Frevel während seiner Abwesen
heit in der Hütte verübt seien. Er kann
ja ahne», was vorgegangen; nur nach
einem Wesen irrt sein Auge umher. Er
laßt der rohen Bande seine leblosen
Güter; aber sein Weib, sein Weib sucht
er, sei» Weib will er haben. In wahn
sinniger Wuth überwältigt er die Räu
ber und Plünderer seines Eigenthums
und vertreibt sie von der UnglückSstatte.
Sie sürchten sich vor dem unheim
lichen Rollen seiner Augeu und ver
rathen ihm aus seine qualvolle Frage
nach dem Verbleib scines Weibe», daß
sie nach dem Pferdestall gebracht sei.
Er eilt hin: da liegt sie geknebelt und
wie ein unbändiges Thier an die Krippe
angekettet sein Pferd ist aus dem
Stall verschwunden. Rasch entfernt
er ihre Fesseln und trägt sie, da sich ihr
zerschuürtcr Körper nicht rühre» kann,
nach vorn in die von Möbeln entblöß
ten Wände, welche einst ihre Wohnung
gewesen. Ach, sic wollen nicht wissen,
was in der letzten Stunde hier geschehe»
sei, sie wolle» nicht weiter sorschen; wäre
es doch zwecklos, abändern können sie
eS nicht. Nur eines wollen sic noch:
Rußland verlassen, je früher desto
lieber.
Nothdürftig bekleidet ziehen sic weg
und überlassen der Gier des Pöbels,
was einst ihnen gehört. Endlich, end
lich befinden sie sich noch ist es früher
Morgen außerhalb des Weichbildes
der Stadt, aber noch sind sic nicht in
Sicherheit, denn eine Schaar von sza
inaitifchen Bauer», welche sich vaga
bundircnd auf der Landstraße aufhal
ten, ist ihrcr ansichtig geworden. Die
ses Mal giebt eS nichts, was ihren
beutegierigen Blick hätte sesseln können;
deshalb lassen die Wegelagerer die
Flüchtigen unbehelligt ihre Straße zie
hen. Noch mehrmals sehen diese durch
die Wäldcr. welche sich zu bcidcn Seiten
ihres Weges hinziehen, verdächtige Ge
stalten huschen; ein Blick auf die Ver
fassung, iil welcher sich'die Acrmstcn be-
muß jedoch jene überzeuge», daß
bei diesen keine Wcrthobjekte verborgen
sein können.
Oft ist die Familie dem Umsinken
nahe; aber weder die Erwachsenen noch
die Kinder gönnen sich Rast, bevor sie
die Grenze erreicht haben. Nun ist
dies nahe; mit dcm letzten Aufgebot der
Kräfte muß sie überschritten werden.
Es gibt, einen Ort zu finden, an wel
chen, dies bewerkstelligt werden kann,
ohne daß es die Grenzsoldaten wahrneh
men, denn um de» gewöhnlichen Grenz
übergang zu benutzen, muß mau im
Besitze eines von der Behörde ausge
stellten Passes sein, welcher die Unge
fährlichlcit dcr Betreffenden bescheinigt.
DaS Glück war unsern Flüchtlinge»
günstig, cs gelingt ihncn, im Schutze
des dichten Wäldes unbemerkt die
Postenkette zn durchbrechen, welche in
ziemlich enger Gliedweite die LandeS
grenze umsäumt. Der seichte Grenz
graben ist übersprungen noch ein
Stück 'Weges lausen sie, sie befinden sich
in Deutschland!
Wie einst die Israeliten nach ihrem
AnSznge ans Egypten auf die Knie nie
dersanken und Gott in inbrünstigem
Gebet dasür dankte», daß er sie aus dem
Hanse der Knechtschaft erlöst habe, so
fielen jetzt die Ausgewiesenen zu Boden,
um ihrem Schöpfer zu danken, daß er
sie aus der Stätte dcr Barbarei glücklich
errettet und i» ein gestiftetes Laiid habe
gelangen lassen....
Daß dieses Mal in Wirklichkeit ein
ÄuswcisungSdcsehl überhaupt nicht er-
lassen, sondern nnr von eniem gewissen
losen, verrohten Subject erdacht worden
sei, damit er in, Bunde mit gleichgesinn
tcn Genossen »»gestraft feinen Lüsten
fröhnen könne, das werden die Flüchi
linge nie erfahren. Jn demjenigen
Lande, welchem sie nur durch ihre
Sprache, nicht aber durch ihren Lebens
gang angehören, finden sie Theilnahme
und wcrtthätiges Mitleid mit ihrem un
verschuldeten LooS.
ES bietet ihnen, wenn anch nur vor
übergehend, ein Asyl und einen sichere?
Rnhepunkt. Nicht immer gestaltet siä
ihr Schicksal noch einmal heiter; in de:
Wirren einer von blindem Fanatismus
beherrschten Zeit muß sie stets die U»
gcwißheit über ihre Zukunft ängstigen
nicht alle ihre Lieben vermögen du
lange Fahrt über das große Wasser
denn nach Amerika wenden sie sich ge
wöhnlich auszustehen, und wenn su
schon Bruder Jonathan die Hand ge
reicht haben, so beginnen erst recht di»
Sorgen nm die kommenden Tage. Si«
ertragen aber gern die härtesten Prü
sungen, wenn sie nur nicht ihre ungast
liche Heimath. von der sie sich nnte:
gewöhnlichen Umständen so schwer tren
nen können, wieder zu betreten brau
chen.
Noch viele fleißige Bewohner Wirt
Rußland aus seinen fruchtbaren, wen,
auch unbebauten Gefilden mit de'
Knute verscheuchen, noch vielen Schade:
wird es an seinem benligen Körpe»
durch die Berstninmelnng der wichtigster
Glieder nehmen. ob es jemals beste'
werden wird? Ob sich Rußland jeinal
an dem Wettstreit der Nationen uM di
Führcrrolle in den Fortschritten de
Cultur beteiligen wird?
Wir möchten es hoffen, aber auf
richtig gesagt—wir glauben es nicht.
Ei»» kleine» Zagderlebnitz.
„Schulemann, seien Sie nicht so un
vorsichtig. Die Wand kann nachstür
zen!" Der Angeredete schüttelt de:
kahlen Kopf mit dem langen eisgrauei
Bart und gräbt emsig weiter. Ringsun
stehen die Grünröcke der Oberförstern,
einige Offiziere in Civil, Gutsbesitze,
und die Holzarbeiter, dje zum Dachs'
graben aufgeboten find. Man hat den
Mutterbau, der in einem BergeSablMis
liegt, einen Besuch abgestattet. Di,
renomiiiirtestc» Teckel haben wa
soiist nicht waidgerecht ist schon zr
vieren und sünsen gleichzeitig im Bai
gearbeitet. Es ist ihnen aber nicht ge
jungen, den Dachs festzulegen. Di«
Röhren liegen so tief, daß man nin
mit der größten Mühe der unterirdi
schen Jagd folgen kann. Schon mehr
mals hat man auch einen „Kasten '
durchgeschlagen, aber ohne Erfolg. Der
Dachs hat sich entweder verklüstet oder
am Schnittpunkt zweier Röhren gelegt,
wo er den Hunden erst Feld gibt, wenn
das dumpfe Gepolter der Grabenden
seine bissigen Widersacher zu tollkühnem
Vorgehen anspornte. Die Gesellschaft
hat die Jagd aufgegeben und lagert um
das prächtige Feuer, über dein in bauchi
gem Kessel ein UrPunsch brodelt. Ein
paar Huiide, von, Dachs fürchterlich ge
schlagen, liegen in Decken gehüllt bereits
in einem Jagdwagen. Nur der alte
Förster Schulemann kann sich von dem
letzten „Kasten" der vom Abhang des
Berges wie eine senkrechte Wand abge
schlagen war, nicht trennen. Seine
Hunde sind noch im Bau. Jetzt wer
den sie wieder laut, dicht > m Lauschen
den.
„Ruhe!" Wie ein Blitz schlügt der
Rns in die fröhliche Gesellschaft, die sich
sofort un, den alten Graubart sammelt,
der in Hemdsärmeln sich in die Wand
hincinbuddelt. während er die Hunde
öfter durch ein scharses: „Hussah! faß,
faß!" anspornt.
„Schulemann! nehmen Sie sich in
Acht!" ruft der Oberförster zum zuzeiten
Mal. In demselben Augenblick theilt
sich die Wand. Ein starker Dachs rollt
heraus, mitten in die Gesellschaft hinein.
Gleichzeitig ist auch ein Stück Wand
nachgestürzt und hat den Graubart bis
an die Hüften verschüttet. Nun spielt
sich eine Szene ab. die jeder Beschrei
bung spottet. Zwei drei Mal rast der
von der Gesellschaft eingeschlossene
Dachs um den im Sande steckenden her
um, der mit dem Spaten in der freige
bliebenen Hand mächtig um sich schlägt.
Jetzt sind auch die Teckel aus der Bild
fläche erschienen, «nd hängen bald wir
die Kletten an Meister Grimbart, der
nun auch von den anwesenden Hühner
hunden gepackt wird.
„Nun zuerst Schuleman ansgraben!"
Da steht auch schon sein Freund Adam
neben ihn. „Steckst Du sest drin?"
„Es geht."
„Na, dann wart' mal!"
Adam, eine mächtige Gestalt, die sich
eine solche Aufgabe wohl zirtrauen
kann, faßt feinen Freund unter die
Arme.
„Au! Adam! Du reißt mich ausein
ander!"
Noch einen Ruck. Der Sand lockert
sich, der Verschüttet? ist ausder schkiminen
Lage bcsreit aber die Stiefel find
unten stecken geblieben. Den Dachs hat
ein Hülfssägkr bereits abgefangen und
während Schulemann auf einer Decke
am Feuer sich mit einem Glas Punsch
stärkt, schlägt Freund Adam mit einem
„Kasten" aus die Stiesel!
Realistische Sprichwörter.
Jugend hat alle Tugend.^
Man wird noch* lange nicht sagen
können, wer lleiner ist: Goethe oder
Schiller.
Eigenlob hat einen köstlichen Geruch.
Aller Ansang ist leicht.
Glückliche Narren.
Daß sie leben und warum.
Leicht wird jedem Narren klar.
Doch die Weisen sind so dnim».
Nie wird'S ihne» offenbar!