Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 04, 1892, Page 6, Image 6

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    6 »«r «omul,»» vo« Tombstone.
Tombstone, zu deutsch Grabstein, isl
eine amerikanische Stadt, welche viel«
viele Geographen Europas nicht kenne»
werden, trotzdem sie die Hauptstadt ei
nes Countys ist, größer als das König
reich Belgien; freilich mit der Einwoh
nerzabl verhält es sich anders. Belgier
bat jldensalls mehr Einwohner aus di,
Quadratrutbe gerechnet, als Cochisi
County in Ar»zona aus ter Quadrat
meile. Di: Stadt ist kaum lin Tutzent
Jahre alr und die Stätte, aus der sii
steht, noch kein Vierteljahrbundert be
kannt, aber sie besitzt die Merkwürdig,
seit, daß dort schon zehn Mal mehi
Mem'ckien gestorben sind, als gebore«
wurden; selbstv.'rständlich starben di!
Multen in ihren Stleseln.
Schon ihren Namen verdankt sie ei
nem solchen tragischen Ereigniß daS
führl mich auf die Gründungsfage vo»
Tombstone.
Jcde alte Stadt Europas Rom.
B Mamburg, Paris, London —hat
ihre G.ündu gZscg'. wanm sollte di
jüngste Stadl Amerikas k.ins solche ha
den? Die Gründung TombstoneS da
tirt zurück in die siebziger Jahre, WaS
sür westliche Städte in Amerika ebeirs«
viel bedeutet, wie ein Jahrtausend i«
Europa. Auch Tombstone hat bereits
seinen Romnlus und Remus gehabt,
und wer weiß, ob diese nicht in Zukunft
viel berühmter werden, als die beiden
Findlinge am Tiberstrom, die man ja
neu Erdings zu den Mythen rechnet.
Der Romulus von Tombstone hieß
Missouri Jack und hat wirklich gelebt;
er war seines Zeichens ein Desperado.
Sein Stammbaum ist nicht bekannt,
aber wahrscheinlich war die ganze eth
nologische Musterkarte, wie sie sich in
den Bereinigten Staaten präsentirt
Angelsachse, französischer Canadier,
Deutscher, Indianer uud Neger —in
seinem Weien vertreten. Der Held un
serer Geschichte war L Fuß 2 Zoll hoch,
fluchte ganz correet, sprach aber sonst
ziemlich schlecht grammatikalisch; daß er
nicht orthographisch schrieb, lag einsach
daran, weil er nicht schreiben konnte.
Im Uebrigen war er ein sehr geis
reicher Mensch, so geistreich, wie irgend
ein Potentat, welcher die Macht hat,
seine Höflinge lachen zu mache» und sie
zu zwingen, ihn zn bewundern. Mis
souri Jack war kein „Neunundvierzi
ger" (wie sich die Goldgräber-Pioniere
Calisorniens nennen) sondern ein
„Füniundfünfziger", d. h. er kam erst
IBs'> aus den Ozarkbergen, wo ihn
verschiedene Sheriffs wegen Pferdedieb
stahls zu sehen wünschten, in Sacra
meiito, Cal., an und begab sich sosort
nach dem berühmten Goldgräber - La
ger Camp-Humbug. Da er, wie ein
berühmter Mann in der Bibel, nicht
lnbei'en wollte und nicht betteln mochte,
s.> begab er sich in die einzige Kneipe
des Lagers, die „Heulende Wildniß",
wo er rom „Freilunch" lebte und was
sonst das Spiel und die Gelegenheit
ihm in den Weg warf. Es dauerte
nicht lange, so war der riesige Missou
rier der Schrecken des Lagers und der
Held der „Heulenden Wildniß". Wehe
dem Goldgräber, der sich weigerte, mit
ihm Poker zu spielen, und dreimal Wehe
dem, welcher ihn nicht gewinnen ließ.
Jack hatte infolge dessen immer Geld
und ließ es auch wieder springen.
Eines Tages stand er in der Kneipe
und luv die ganze Gesellschaft ein, den
conventionellen Trunk mit-ihm zu neh
men. Ein unbekannter Neuling mit
struppig rothem Haar, das Gesicht voller
Sommersprossen, der bescheiden m der
Ecke gestanden, kam auch heran und
drängte sich zwischen Jack und semen
Busenfreund.
„Wie heißen Sie?" donnerte der
Riese ihn an.
Grinsend zu ihm auffchauend, sagte
der Fremde schüchtern:
„Mein Name ist P. Archibald
Brown."
„P. Archibald Hölle! Ihr Name
ist einfach Ginger (Ingwer), hören
Sie eS—Ginger."
Wie ein begossener Pudel stahl sich
der Mensch hinweg. Er hieß fortan
Ginger. WaS das Merkwürdigste war,
der Riese konnte ihn nie leiden; traf er
ihn, so ging die Hänselei los, und
wenn er in seiner Schnapslaune war,
schoß er so lange auf des armen Teufels
Füße» bis dieser wie ein Derwisch vor
ihm tanzte. EincS Tages war Ginger
aus dem Lager verschwunden.
Jack mußte sich einen anderen Ge
genstand des Hasses suchen, und er fand
immer was er wollte. Wie viel Men
schen Missouri Jack im Camp Humbug
„ausgelegt" hat, wie viele durch ihn ,n
den Stieseln gestorben sind, daS weiß
nur der ewige Richter, und wenn dessen
protocollirender Engel nicht genau auf
gepaßt hat, dann ist es schon möglich,
daß ihm bei der letzten Abrechnung ein
halbes Dutzend Morde zu wenig aufge
schrieben sind.
Seit dem Verschwinden GingerS war
Jack nicht mehr derselbe: augenschein
lich ärgerte er sich, daß er den „som
mersprossigen Himmelhund" nicht längst
zu seinen Vätern versammelt und ihn
heiler Haut hatte entkommen lassen.
Ein Philosoph hat einmal behauptet,
daß es Leute gäbe, die vom Schicksal
bestimmt seien, «neu gewissen Menschen
zu tödten Dies schien mit Jack der
Fall zu sein.
P. Archibald Brown, oder Ginger,
wie wir ihn künstig nennen wollen, war
weit hinweg geeilt, um dem gefährlichen
Menschen zu entgehen; er hatte ganz
CaNfornien, Nevada und Colorado
durchirrt, eine Strecke so groß wie
Deutschland, Frankreich, Spanien, Ita
lien und ein halbes Dutzend kleinerer
Länder zwischen sich und seinen Tod
feind gelegt, und schließlich hatte er sich
im südöstlichen Arizona unter den In
dianern niedergelassen und nach Gold
und Silber gegraben. Er sanZ reiche
Erz Adern, und das war sein Unglück,
sein Tod. Das Gerücht von Gin,.erS
Erzmnd verbreitete sich bald durch ganz
Ealifornien, und da Camp Humbuz zu-
fällig ausgebeutet war, so machten sich
cm paar Dutzend Abenteurer aus, da»
neue Eldorado zu suchen.
Ginger hatte sich eben häuslich einge.
richtet, das heißt, er hatte sich in der
benachbarten Ansiedlung ein Weib ge
holt, eine stramme Jrländerin von un
bestimmtem Alter, Stelle seines
NomadenzelteS eine Bretterhütte gesetzt.
Da täglich Goldsucher in die Gegend
kamen, so eröffnete Frau Ginger ein«
Reitauration, und ihr Gatte war sehr
bald ihr bester Kunde, natürlich bei
den Flüssigkeiten. Eines TageS stand
er gut gelaunt vor dem Schank
tisch und dachte an nichts Böses. Er for
derte eben den zwanzigsten „Cocktail"
von der besseren Hälfte, als die Thür
aufging und eine sonore Stimme sagte:
„Ich nehme den meinigen unvermischt,
Ginger!"
Dem armen Kerl entfiel beinahe das
GlaZ und er stotterte:
„Wer, zum Kukuk, will Dich hier ha
be.,?'
„Was, mich nicht wollen? Mich,
den Fitzgerald von Carthago, Missouri-
Jack ? Junge, weißt Tu, was Du sagst?
Sieh hier Eins, Zwei, Drei! ich
fülle Dich so voller Btei, daß der stärkste
Erzengel seine Last haben soll, Dich >n
Abrahams Schooß zu tragen." Drei
Schüsse krachten, die Frau hinter dem
Schanktisch schrie laut aus, Ginger warf
die Arme empor und brach zusammen,
der Riese aber steckte seinen rauchenden
Revolver ein, nahm sich aus der bereit
stehenden Flasche einen Schnaps und
verließ das Local.
Am solgenden Tage wurde Ginger
feierlich eingescharrt, der Hauptleidtra
gende war sein Mörder. Als sich der
Hügel über dem Todten gewölbt, ergriff
Jack eine ,» der Nähe liegende Dach
schindel und befahl einem Anwesenden,
welcher der Schreibkunst mächtig war,
den Namen „Ginger" darauf zu ma
sein Leichenstem) sagte er und steckte die
Schindel zu Häupten des Todten. Die
trauernde Wittwe aber jetzt daS Geschäft
fort, wie es von dem Manne in der
W iste Sahara heißt.
Missouri Jack setzte sein Geschäft
ebensalls fort, d. h. er terrorisirte das
kleine Lager, schoß die todt, die ihm
nicht gefielen, und begann gar bald, der
Wittwe des von ihm ermordeten Ginger
den Hof z» machen.
So etwas ist schon oft dagewesen.
Man erinnere sich der schönen Scene
aus Richard 111.
Der Ort war unterdessen zu zwanzig
Hütten und Zelten angewachsen und
hatte den Namen Tombstone erhalten;
zanz mit Recht, denn es mangelte förm
lich an Grabsteinen sür die Leichen, die
allwöchentlich meist mit Hilse von Jacks
nie fehlendem Revolver dort beigesetzt
wurden.
Tombstone hatte einen schlechten
aber man fand Gold und Sit
der in der Nähe, dies genügte, um Ge
schäftsreisende zu veranlassen, den ver,
rusenen Art aufzusuchen.
Eines Tages kam ein junger Stutzer
dorthin, dessen Wiege im goldenen
Mainz gestanden, und den sein Berus
ils Reisender in jene Gegend verschla
zen hatte. Die Postkutsche hatte ein
liad gebrochen, und unser M mzer ver
irrte sich in die Hütte der Wittwe, weil
sie ihm als das einzige Hotel des OrteS
deznchnet worden war.
„Kann ich ein Mittagessen haben?"
ragte er die hinter dem Schulische
hantirende, trauernde Wittwe.
Diese nickte und begab sich in die
kküche; sie kehrte gar bald mit einem
zroßen Teiler Bohnensuppe und einem
Lössel zurück und setzte die Suppe ohne
Tuchtuch und Serviette dem anspruchs
vollen Gaste vor.
Kaum hatte dieser die Suppe erblickt,
als er beide Hände abwehrend aus
streckte und schrie: „Nehmen Sie das
Zeug fort, wofür halten Sie mich,
so etwas kann ich nicht essen!" Mis
souri Jack saß bescheiden in der Ecke,
s-nn er ha te kurz vor der Ankunft deS
Fremden abermals seine Werbung bei
der Wittwe vorgebracht, und in dieser
Stimmung ivar er traktabel. Als er
den Stutzer so laut schreien hörte, >trat
-r an den Tisch heran, dem Mainzer
l.'genüber und sagte ruhig und ernst:
.Fremdling, ich rathe Ihnen als guter
„Wer ist überhaupt Ihr guter
Zr.-nnd," wüthete der Andere, „Sie
ins mir nie vorgestellt worden, ich
!enne Sie nicht, bekümmern Sie sich um
ich!"
„Fremdling," sagte Jack ganz trok
"en, „machen Li- keine und essen
sie die Supve; Maggie bat sie gekocht
nid so wahr ich ihren Mann todtge
chossen habe und sie heiratlien werde,
bre Kochkunst darf mir Keimr verach
!e>."
Der kleine Mainzer war nie in solche
Nesellschaft gekommen, er glich einem
Kinde, welches zum ersten Male eine
Giftschlange sieht, er hatte keine Ahnung
don der ihm drohenden Gefahr und
schrie höchst ausgeregt: „Was gehen
nich Ihre Familiengeschichten an, ich
vill nicht» von Ihnen wissen!"
.In diesem Augenblick zog Jack seinen
lievolver »nd sagte ganz kühl: „Klei
ner Mann, machen Sie keine weiteren
Umstände; ich sage Ihnen, Sie essen
diese Suppe, oder ich mache mit diesem
Ding hier ein Loch in Ihren Bauch
ind thue die Suppe hinein."
Der Mainzer blickte den langen
Schlazetodt an, und ein Blick seines
iluges mochte «hm sagen, daß derselbe
!i ernst meine. Er nahm den Löffel
and begann mit Todesverachtung va
caufloszuessen; der Missourier sah ihm
vergnügt zu.
Plötzlich trat ein Reisegesährte des
Mainzers ein, er war ans Chicago und
schien in den Komment der Gegend
ziemlich eingeweiht.
„Können Sie mir einen Julep
machen? fragte er höflich die Wirthin.
Jack wandte sich dem Neuangekom
menen zu und sagte; „Ihr Trunk ist
Schnaps und Wasser, auch ich nehme
dasselbe; aber vorher nehmen Sie hier
noch einen Teller Bohnensuppe.
Dein Fremden trat der Angstschweiß
auf die Stirne, jedoch wagte er es nicht
mehr, zu protestiren.
Aks er sich wieder zu dem Mainzer
Eßkünstler wandte, machte dieser -ge
rade eine Kunstpause, dieselbe wurde
aber durch das Knacken de» Revolvers
rasch unterbrochen. Der kleine Reise
onkel aß mit Todesverachtung weiter
und konnte gar bald den dritten Teller
in Angriff nehmen. Wer ihm je ge
sagt hätte, daß er ei» solches Meer von
Bohnensuppe m sich ausnehmen könnte!
Der Riese hätte es aber noch besser mit
ihm vor; sechs Teller voll und keinen
Löffel weniger, war sein Befehl. Plötz
lich bekam er jedoch einen Einfall.
„Stehen Sie aus und tanzen Sie!"
Jack stieß den Tisch in die Ecke und
schrie; „Hupla! Jip!" Der arme Mensch
wollte entfliehen,aber der furchtbare Re
volver war auf ibn gerichtet.
„Um Gotteswillen, tanzen Sie",
rief die Wirthin, „oder Sie sind des
Todes!"
Als der Mainzer noch zögerte, krachte
ein Schreckschuß und der Unglückliche
begann mit einer Begeisterung zu tan
zen,deren man ihn gar nicht fähig gehal
ten hätte.
Jack hatte feine helle Freude an dem
Manne und bestellte eben einen weiteren
Teller Bohnensuppe, als plötzlich die
Thür ausgerissen wurde und drei Män
ner mit Winchesterbüchsen erschienen.
„Hände in die Höhe!" schrie der Vor
derste den Desporado an.
Dieser erkannte in seinem Gegner
den Sheriff au» Missouri, aber sei es,
daß sein Ziel unsicher war, od?r daß
die Rücksicht aus den Tanzenden ihn
hinderte, er schoß sehl; im nächsten Au
genblick brach er von drei Kugeln durch
bobrt zusammen, der Romulus von
Tombstone war zu seinen Opfern ver
sammelt, der Tänzer stürzte ohnmächtig
nieder, und die Wittwe Ginger war um
eine Hoffnung ärmer.
Die Professoren der philosophi
schen Fakulität haben oder hatten im
Allgemeinen sehr wenig Zutrauen zu
den naturwissenschaftlichen Kenntnissen
der Kandidaten der medizinischen Fa
ten. Als Beweis dafür, weit
ses Mißtrauen ging, mag folgender
Examenscherz des Professors der Mi
neralogie. Weiß, gelten, der allerdings
jetzt bald sein vierzigjähriges Jubiläum
feiern kann. Damals richtete Weiß an
seinen Examinanden die Frage: Was
für einen Stein habe ich in der Tasche?
—Auf die Antwort des Kandidaten,
daß er doch den Stein sehen müsse, um
seinen Namen zu sagen, sagte Weiß: Ach
was, wenn Sie ihn sehen, rathen Sie
ja auch nur, wie er heißt. In einem
solchen ?iul<>zc>s>liioum gedachte auch
einmal der Professor der Chemie, E.
Mitscherlich, an den Kandidaten eine
recht leichte Frage zu stellen und sragte
ihn nach der Darstellung der Schwefel
säure. Nach einigem Besinnen ant
wortete der Candidat: Man nimmt
Schwefel und gießt Essig darüber.
Mitscherlich sah ihn, wie er dem Schrei
ber dieser Zeilen seinerZeit erzählt hat,
einen Moment ganz erstaunt über die
verblüffende Einfachheit dieser Dar
stellunzsweise an und sagte dann:
Wissen Sie, junger Freund, es wäre
vielleicht vortheilhaster, wenn Sie das
Studium der Medizin ausgeben und eine
Schwefelfäurefabrik nach Ihrem neuen
Verfahren anlegen.
Einer der liebenswürdigsten Exami
natoren war der Mineraloge Gustav
-Rose; ihm war es faktisch unmöglich,
einem Candidaten eine schlechte Num
mer zu geben, und man erzählt sich, daß
er ost, wenn der Candidat trotz aller
Andeutungen nicht die richtige Antwort
fand, sie selbst halblaut vorgesagt habe.
Hieran anknüpfend mag noch eine kleine
Anekdote aus einem Baumeister-Exa
men, welches etwa vor einem Menschen
alter stattsand, Platz finden.
Dem Examinanden, welcher wohl
nicht zu den Erleuchteten seines Faches
zählte, war als Aufgabe die Durchfüh
rung einer ziemlich schwierigen Dach
ronstruction gegeben worden. Mit Zit
tern und Zagen nahm er die Kreide und
trat an die Tafel, um seinen Vortrag
zu beginnen. Als er gleich bei dem
Ansang einen recht groben Fehler
machte, nahm ihm der Professor die
Kreide aus der Hand, berichtigte den
Fehler und fuhr nun fort, im dociren
den Tone die ganze Coiistrucliou durch
zuführen, wobei der Candidat aufmerk
sam zusah und nur von Zeit zu Zeit
sagte: daS ist ja prachtvoll, wie klar Sie
einem das machen, Herr Professor..
Und das Resultat des Examens? Der
Herr Professor mußte wohl seinen Vor-!
trag sür den des Candidaten gehalten
haben, denn emgab ihm die Note „sehr
zut." >
M » r che,».
Die uns in trauter Dämmerstunde
Erzählte einst Großmütterlem,
Wie prägten sich aus liebem Munde
Die Märchen lies im Herzen ein!
Was wir mit leisem Grau'n erfahren
Geheim sich uns geoffenbart,
Wir Haben's noch nach langen Jahren
Als theuern Schatz in uns bewahrt.
Wie anders, ach, Ihr armen Kleinen
In uni'rer überklugen Zeit
Mag Euch die Märchenwelt erscheinen,
Bei nns'reS Lebens Nüchternheit!
Die Stimme Eurer Gouvernanten
Trifft kalt und herzlos Euer Ohr,
Sie lesen Euch aus eleganten,
Kostbaren Büchern Märchen vor.
Dieselben Märchen sind'S —doch fehlet
Was ihnen jenen Reiz verlieh:
Kroßmütterlein, daS sie erzählet
Des deutschen Hauses Poesie!
Der Besitzer wechselt
das Geld und da» Geld wechselt des
Besitzer.
»a» ist dt« «tt« »rschicht«.
„Herr Gott, da ist wieder der alt«
abgeschmackte Witz von dem dummen
Esel, der sich auf eine frisch gestrichene
Bank setzt!"
„Mir scheint, diesmal war ich der
dumme Esel!"
WaS dem Pscrs» recht, ist ve»
Mensche» billig.
Wie ein intelligenter Gaul au»
Houyhnhm-Land ein Zaumzeug für
»inen menschlichen Aahoo construirt hat.
»t a t v.
Hauslehrer (mit seiner Schülerin
ein Klavierstück einübend): „Dies«
Stelle hier, „Hast Du mich lieb," muß
ganz piauo gespielt werden! Schü
lerin: „Ist denn Papa in der Nähe?V
Sagte nur dt« Wahrheit.
Mr. Shabby (empört): Sie haben
mich mit dem Rock betrogen! Erst
sagen Sie mir, er hält wie Eisen, und
jetzt ist der Schund schon den ganzen
Rücken entlang aisgeplatzt!
Mr. Abrahams: Wie haißt betro.
gen? Wenn ich dabe gesagt, er hält wie
Eisen, habe ich da nicht gesagt die rein«
Wahrheit? Wird denn Eisen nicht auch
brüchig und rissig, Herr Shabby ?
A»»S der «tuverstnbe.
Knabe: „Du, Vater, sag 'mal, wa»
heißt das, genial?"
Vater: „Genial heißt alles, wa»
mchts einbringt!"
Wandelbarkeit.
Wer wirklich klug sein will, der passe
Ja niemals aus die große Masse!
Heut' spannt sie dir die Pferde auS
Und zieht dich im Triumph nach HauS,
Um morgen an demselben Wagen
Dir all: Fenster einzuschlagen!
ES ist bezeichnend, daß
e» Hampelmänner und kein? Hampel
frauen gibt. G
»w»«rs««»««.
Die klein« Elfe hatte zwar ein etwas
trauriges Gesicht gemacht, al» sie das
künstliche Werk ihrer Hände so jämmer
lich zusammenstürzen sah; aber di«
Wolke ist schnell vorübergezogen, und
jetzt erfüllt augenscheinlich ein muthige»
Entschluß ihre Seele. Sie schiebt da»
Tischchen bei Seite und reicht ihrem
Spielkameraden die Hand.
„Komm'; wir wollen auch Soldat
spielen! Aber Du mußt mich nicht lo»
lassen und fortlaufen, sonst thust Du
Dir weh und Deine Mutter schilt wie
der mit un» l"
Er geht willig an ihrer Seite dem
Rasenplatz auf der anderen Seite de«
Straße zu; aber unterweg» kann er sich
doch nicht enthalten, zu fragen: „Müs
sen sich denn die anderen Kinder auch
immer anfassen, wenn sie Soldat spie
len?" Und wieder muß Else ihre Zu
flucht zu einer bejahenden Nothlüg«
nehmen.
„Wa» machen denn uun aber du
Soldaten?" sorscht er weiter, als si«
mitten aus dem Rasenplatz angelangt
sind, und Elses erfinderisches Köpschen
würde wohl in Verlegenheit gerathen,
wenn ihr nicht ein Zufall zu Hil'e käme.
Am Rande des kleinen Ententeiches
nämlich, balb schon im Wasser, sieht st«
einen abgeschnittenen Weid.nMeig lu
gen, der ein ganz prächtiges Gewehr
sür den Han» geben muß. Aber si«
darf den armen blinden Knaben nicht
bis an das gefährliche Ufer mitneh
men. Da bleibt denn nichts Andere»
übrig, als ihn für eine ganz kurze
Zeit allein stehen zu lassen.
„Ich hole Dir einen schönen Säbel.
Hans, wie ihn die Soldaten haben,"
sagte sie schmeichelnd, „aber Du mußt
auch nicht von hier fortgehen. Ich bin
gleich wieder da!"
Und eilfertig huschte sie davon, wäh
rend HanS hilflos auf der Wiese stehen
bleibt.
Da klingt aus einiger Ferne wieder
daS Trommeln und Hurrahrusen de»
anderen Knaben an sein Ohr, und eS
sährt ihm wie ein elektrischer Strom
durch die Glieder. Nein, mit den Kna
ben muß eS doch noch schöner Soldat,
svielen sein, als mit der Else, und ohn«
Besinnen eilt er, so rasch ihn nur d>«
Füße tragen wollen, jener Richtung zu.
Mit Entsetzen sieht Else die Flucht
ihres Kameraden, und mit dem Auf
gebot ihrer ganzen Kraft läuft sie bit
tend und rusend hinter ihm her. .Hans,
lieber HanS! Ach! bleib' doch stehen!
Ich habe ja etwas so Schönes sür
Dich! Bitte, bitte, lieber Hans!"
Aber er hört nicht aus sie und ver
doppelt nur seine Eilfertigkeit, als er
merkt, daß sie ihm näher kommt. Von
dem Birkeiibäumche», das mitten auf
der Wiese steht, hat er natürlich
keine Ahiiuiiq, und bei der Schnelligkeit
seines Lauses prallt er mit solcher Hef
tigkeit gegen den Stamm, das; er mit
blutender Stirn ans den Rasen stürzt
und daß ihm sür einige Minuten das
Bewußtsein ichwindet. Bitterlich wei
nend kniet die kleine Else neben ihm und
wischt ihm mit ihrem bunten Cchürzchen
das Blut vom Gesicht, während sie ihn
mit den beweglichsten Worten bittet, er
möchte ihr doch nur sagen, ob er sich
sehr weh gethan habe. Da ward sie von
hinten sehr heftig am Haar gezaust und
und in die Höbe gerissen.
„Hast Du schon wieder Unheil ange
richtet, Du ungerathenes Geschöpf?"
Ichallt ihr eine zornige Stimme in'S
O?r, während sie zugleich bestig hin
und her geschüttelt wird. „Kannst Du
m inen armen Jungen denn nicht end
lich einmal in Frieden lassen, Du ab
scheuliches, rothhaariges Ding?"
Schweigend eit:ägt die kleine die
schmerzhafte Mißhandlung, die ihr nicht
zum ersten Mal von der Mutter ihres
Svielkamcraden zu Theil wird. Kein
Wort der Entschuldigung oder der
Rechtfertigung kommt über ihre Lippen,
und ihre Äugen hängen nur unverwandt
an dem Knaben, der sich jetzt wieder in
die Höhe richtet und unter dem Bewußt
sem seines Unfalls zu weineu beginnt.
Als ihn die Mutter auf den Arm
nimmt und in'S Haus hinüberträgt,
geht sie leise schluchzend in einiger Ent
fernung hinterher, und sie zuckt nur
ängstlich zusammen, als sich die Frau
in der Thür noch einmal nach ihr um
wendet und ihr drohend die Faust zeigt.
Am Nachmittag aber, als HanS mit
verbundener Stirn wieder aus dem
Fußbänkchen vor dem Hiule sitzt, hockt
auch die kleine rothhaarige Else aber
mals an seiner Seite, zärtlich plaudernd
und liebevoll bemüht, dem armen Klei
nen die bleierne Einförmigkeit der düste
ren Nacht zu erleichtern, die ihn innm
t n des lichtgesättigten Sommertage»
umgibt.
Und so geht eS Tag sür Tag unt
Woche um Woche. Die anderen Kinder
wollen bei ihren Spielen von der häß
lichen Elfe fo wenig etwas wissen, als
von dem unbeholfenen blinden HanS;
da ist eS kein Wunder, wenn sich die bei
den Geächteten immer fester an einander
schließen. Aber die Zuneigung des klei
nen Mädchens ist echter und opferwilli
ger al« die de» Knaben. Sie läßt sich
weder durch Scheltwort« noch durch
Mißhandlungen verscheuchen, und oft
genug nimmt sie willig die Strafen für
die Verzeihungen deS Spielgefährten
auf die eigene Schulter.
Eine» Tage» aber kommt der kleine
Han» nicht mehr zum Vorschein. Er
ist in die große Stadt gebracht worden
zu einem berühmten Augenarzt, denn
es soll noch Hoffnung sein, ihm die Seh
kraft zu virfchaffen. Da gibt es nun
eine recht traurige, einsame Zeit sür die
arme Else, und mit wehmüthigen Blik
ken schleicht sie täglich an dem Fleckchen
vorüber, auf welchem ihr Spielkamerad
sonst zu sitzen pflegte. Mit scheuen Be
wegungen geht sie noch ängstlicher als
zuvor den lärmenden Unterhaltungen
der anderen Kinder auS dem Wege, und
sie muß gefallen lassen, daß die
Neckereien, die sie auszustehen hat, in
dessen nur immer schlimmer wer
Ken.
So ist der Winter in'» Land gekom
men, und auf dem Rasenplatz, auf wel
chem Else mit dem blinden HanS Sol
dat spielen wollte, steht ein mächtige»
Schneemann. DaS kleine rothhaarige
.Mädchen hat einer schlimmen Erkältung
wegen acht Tage lang da» Zimmer hü
ten müssen, und als sie nun heute zum
ersten Mal wieder aus die Straße hin
auS darf, schleicht sie wie gewöhnlick!
zuerst zu dem wohlbekannten Spielplätz
chen. Aber aus der schneebedeckten Wiese
tummelt sich eine ganze Horde wilde»
Knaben, und sie sind ihrer kaum ansich
tig geworden, al» auch schon ein allge
meiner Angriff eröffnet wird.
„Der Fuchs! der Fuchs! Schießt den
Fuch» todt!" schreit einer aus dem
Haufen und ein ganzer Hagel vo»
Schneebällen fällt über die arme Elfi
her. Sie will sich hastig zum Ent
fliehen wenden, da bl-ibt ihr angstvoll
umherschweifender Blick auf einem klei
nen Knaben haften, der einer der Vor
dersten unter ihren Peinigern ist; und
wie ein Jubelschrei ringt sich's aus ihre,
kindlichen BrM:
„HanS, lieber Han»! Bist Du wie
der da?"
Alle Noth und Gefahr vergessend,
stürzte sie aus ihn zu. Aber er hatte
eben zwei Hände voll grobkörnigen
Schnees zusammengerafft und als sie
ganz dicht bei ihm ist. wirft er ihr die
ganze Ladung mit voller Kraft in'S Ge
sicht. Elie bleibt stehen und fährt mit
den Händen nach den Augen; denn sie
ist sür einige Sekunden vollständig ge
blendet. Ein allgemeines Gelächter
seiner Genossen belohnt die Heldenthat
des Knaben, und unter lärmendem
Hurrah stürmt die ganze wilde Rott«
davon. Das kleine Mädchen aber steht
mutterseelenallein auf der Wiese, hat die
Fäuste in die Augen gedrückt und weint
weint so herzbrechend und bitterlich,
daß es nicht nur der geringfügige kör
perliche Schmerz sein kann, der ihr diese
heißen, unaufhaltsam hervorquellenden
Thränen erpreßt.
Und als am Sonntag Morgen der
kleine HanS, welcher jetzt nach der
glücklich vollzogenen Operation mit fo
hellen Augen in die Welt hineinschaut,
als nur irgend einer, im vollen Fest
tagsstaat mit einem kleinen Handschlit
ten an der Thür des Hauses steht und
auf einen Spielgenossen wartet, da
kommt die Elfe noch einmal ganz lang
sam und verschüchtert zu ihm heran und
sucht wie in früheren Tagen seine Hand
zu ersassen. Aber er wendet sich weg
und zwängt die Hände in die engen Ta
schen seines UeberröckchenS.
„Wollen wir nun wieder zusammen
spielen, Hans?" sragt sie leise. Hans
aber rührt sich nicht von der Stelle und
gibt ihr keine Antwort.
„Darf ich mich nicht in Deinen
Schlitten setzen?" beginnt sie nach einem
kleinen Weilchen von Neuem; doch stan
aller Erwiderung reißt er so energisH
an der Schnur, daß der Schlitten weit
weg nach der anderen Seite geschleudert
wird. In demselben Augenblick kom
men zwei andere kleine Buben hastig
u»' die Ecke gelaufen und nehmen den
Hans mit seinem Schlitten in ihre
Mitte.
„2vas will denn der Fuch» schon
wieder ?" ruft der Eine, und „Fuchs!
Fuchs!" stimmt der Andere höhnisch
ein. Hans dreht sich noch ein oder
um, und sein Gesicht zeigt einen gewis
sen unschlüssigen Ausdruck; aber noch
ehe er mit seinen Kumpauen um die
Ecke verschwindet, ruit er den Spott
namen ebenfalls mit, und „Fuchs!
Iuch?!" wiederhallt eS in zahllosen
Wiederholungen allmälig in der Ferne.
Diesmal weint die Else nicht; aber
sie geht sehr langsam und mit gesenklem
Köpfchen davon, und sie hat von dieser
Stunde an den HanS nie wieder mit
einem Angebot ihrer kindlichen Freund
schaft belästigt.
Trotz ihres sanften Gesichts und
ihrer schüchtern bittenden Augen ist die
rothhaarige Else für die anderen Mäd
chen und Knaben immer ein Gegenstand
des Spottes und unaufhörlicher Necke
reien geblieben. Und unter ihren Ver
folgern und Quälern war der wilde
HanS gar bald der Schlimmsten einer.
ES ist, als wäre die Erinnerung an ihr
treues Zusammenhalten während seiner
Blindheit vollständig aus seinem jun
gen Herzen geschwunden, oder als
schäme er sich vor den Anderen, daß
damals gerade das bäßlichste und ver
achletste Kind seine Spielgefährtin ge
wesen sei. Wo er ihr jetzt inmitten
seiner Genossen begegnet, da darf sie
sicher sein, daß ihr irgend ein Schaber
nack angethan wird, und nur, wen« sie
einmal zufällig irgendwo allein zusam
mentreffen, geht er stumm und mit
einem trotzig herausfordernden Blick an
ihr vorüber.
Sie gehen nun schon Beide seit vier
Jahren in die Schule. Else ist sitt
sam, sanft und fleißig. Hans,st wild
und unbändig, und über sein Betragen
wie über seine Strebsamkeit wird
manche Klage laut. Aber in seinem
Benehmen gegen das rothhaarige Mäd
chen tritt urplötzlich eine ganz seltsame
Veränderung ein. In der ReligionS
stunde hat ihnen der alte Pastor eine
sehr eindringliche Erläuterung des Be
griffs der Dankbarkeit gegeben, und
ganz unabsichtlich hat er dabei gerade
an Hans zum Schluß die Frage gerich
let: „WaS würdest Du also sem, mein
Sohn, wenn Du Denen, die Dir einst in
den Stunden der Betrübniß Liebes und
Gutes erivieien, mit Härte und Krän
!ung vergelten wolltest?"
Hans »st dabei putpurroth geworden;
aber er hat dem Pastor fest ins Gesicht
gesehen, und mit beinahe überlauter
Stimme bat geantwortet.
„Ein schlechter, undankbarer Mensch,
Herr Pastor!"
Und von dem Tage an haben seine
Quälereien der armen Else aufgehört.
Aber noch weniger als zuvor suchte er
jetzt den Verkehr mit ihr wieder anzu
knüpsen. In weitem Bogen geht er
ihr a»S dem Wege, und wenn er ja
einmal ihr Kommen nicht rechtzeitig
wahrgenommen hat, schleicht er mit nie
derg'cschlagcnen Blicken an ihr vorbei,
»der er beginnt zn lausen, al» wäre Hm
ein Verfolger auf den Fersen. Ein ein
ziges Mal aber hat er davon doch ein«
Ausnahme gemacht und das ist folgen
dermaßen zugegangen: Der Schulze
Emmerich bat einen großen Hofhund.der
nur gefährlich ist, wenn er an der Kette
liegt und der am Tage keinen Menschen
etwas zu Leide thut. Darauf verlassen
sich aber nur zu oft die bösen Rangen,
die den armen Nero, wenn er gemüth
lich zu einem kurzen Mittagsschläfchen
in der Sonne liegt, mit Steinen werfen,
mit langen Stöcken kitzeln, oder sonst
auf jede erdenkliche Weise peinigen und
quälen. Auch heute Nachmittag, al»
die Schule aus war, ist ein ganzer
Schwärm ungezogener Jungen über ihn
hergesallen, und daS unmuthige Knurren
des gehänselten Nero macht ihnen nicht
die geringste Angst.LZSie wissen nicht,
daß auch die Geduld eines Hundes
schließlich ein Ende nehmen kann, und
erst als der Nero plötzlich in die Höhe
fährt und darauf sehr ernsthast nach
einen« der kleinen Bengel schnappt, stiebt
die ganze Schaar mit lautem Angstge
schrei auseinander.
Ob nun dieser rasche Erfolg den Nero
übermüthig gemacht hat oder ob seine
schlechte Laune durchaus ein Opser ver
langt, kurzum, er springt in langen
Sätzen hinter den Fliehenden her und
wirst sich mit der ganzen Wucht seines
ungeschlachten Körpers aus die roth
haarige Else, die ganz still und sittsam
ihres WegeS gegangen ist und sich im
Bewußtsein ihrer Unschuld auch an der
allgemeinen Flucht nicht betheiligt hat.
Mit einem wüthenden Biß hat er ihr
das Kleid von der Schulter gerissen,
und wer weiß, wie schlimm es dem
wehrlosen Kinde ergangen wäre, wenn
nicht plötzlich eine kräftige Faust den
Nero im Genick gepackt und eine andere
mit ziemlich wucht'gem Schlaz seine
Nase getroffen hätte. Der Köter heulte
laut aus vor Schmerz; aber er läßt
doch vo» dem Mädchen ab und wälzt
sich im nächsten Augenblick mit dem
HanS. der just zur rechten Zeit dazu
gekommen war, aus der Erde herum.
Er bat ihn schon ein paar Mal ganz
tüchtig in den Arm und in die Hand ge
bissen; aber der kräftige Knabe bleibt
ihm nichts schuldig, und er setzt ihm
zornglühenden Gesichts so tüchtig zu.
daß sich der Nero bald durch ein kläg
liches Gewinsel als der Besiegte zu er
kennen gibt.
Jetzt richtet sich der Hans empor.
Bon seiner Jacke hängen die Fetzen her
unter und seine rechte Hand ist ganz
von Blut geröthet. An dem Bretter
zaun, an welchem sie der Hund vorhin
niedergeworsen. steht Else mit kreide
weißem Gesicht und mit zitternden
Gliedern, den übel zugerichteten Kna
ben mit entsetztem Ausdruck betrachtend
und unfähig, auch nur ein Wörlchen
dervormbringen. Er aber streicht sich
mit der linken Hand das zerzauste Haar
aus dem Gesicht, tritt aus sie zu und
sagt, während sich sein Gesicht bi? in die
Haarwurzeln hinauf mit dunkler Rothe
übergießt:
„Sei mir nicht mehr böse, Else, daß
ich ein schlechter, undankbarer Mensch
gewesen bin. Wenn Dir Jemand et
was thun will, brauchst Du mich nur zu
rufen und wenn Du willst, wollen
wir wieder alle Tage mit einander spie
len !"
Er hat die Worte sehr rasch und
hastig hervorgestoßen, und ehe noch die
überraschte Else eine Silbe der Erwide
rung hervorbringen kann, eilt er trotz
seiner Schmerzen und trotz der im El
icrnhause zu erwartenden Strafe mit
mächtigen Sätzen und mit lautem Hur
>ah die Straße hinunter.
DaS Mutterherz.
Es hatte ein Bursche ein Mädchen
lieb, das Mädchen war eitel und herz
los.
Ihr träumte einst, sie bleibe immer
und schön, sie werde sogar noch
siel schöner, wenn sie in ihrem Schrein
msbewahren würde daS herz jenes
Weibes, welches den Burschen, der sie
liebt, geboren hat.
Und sie sprach zum Burschen: „Geh'
>in, morde Deine Mutter, reiß' ihr das
herz aus dem Leibe und bring es mir."
Der Bursche sah sie entsetzt an und
»°h.
Aber er kam am nächsten Tage wie
der und wieder sprach sie: .Geh' hin,
norde Deine Mutter, reiß' ihr das
herz auS dem Leibe und bring es mir,
damit ich Dich ewig liebe und jung und
schön bleibe."
„Fordere nicht so Entsetzliches von
nir!" ries er auS.
Doch sie küßte ihn und sprach zwischen
Ikuß und Kuß: „Thu' eS!"
Er aber riß sich los und eilte fort.
Und er kam am nächsten Morgen
do.ch wieder und wieder heischte das
Mädchen: „Geh' hin, morde Deine
Mutter, reiß' ihr daS Herz aus dem
Leibe, daß ,ch Dich ewig liebe, daß ich
stet» jung und schön und glücklich sem
verde."
„Laß mich."
„Willst Du nicht, so wird eS ein An
derer, der mich hebt, thun und künftig
nein Liebster sein," sprach das Mäd
chen und ließ den Burschen allein.
Verzweifelt irrte er den ganzen Tag
lmher und al» eS dunkel geworden,
nlte er heim und that, wie ihm das
Mädchen geheißen.
Als er in der Dunkelheit damit zu
seiner Geliebten lief, stolperte er und
siel. Wie er sich stöhnend ausrichtete,
sragte ihn gütig das blutende Mutter-
Herz: „Hast Du Dir weh gethan, mein
?ind?"
Politisch. Mann: Einen Stu
denten können nnr unmöglich in der
Wohnung gebrauchen, zumal dieser
nachte mir ganz den Eindruck eine»
pumpgenieS. der nie was zurückgibt.—
Zrau: So? Dann nehmen wir ihn
.rst recht! Vielleicht nimmt er eine von
msern Töchtern I