Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 05, 1891, Page 6, Image 6

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    v
De» L»edhad«r v«» Pr-fessto«.
Eine eigenthümliche Profession! wer
den Sie sagen.
Und worin könnte sie bestehen? Ha
be» wir es hier mit LovelaceS oder mit
Don Juans zu thun, oder handelt e»
sich gar um jene arbeitsscheuen Tage
diebe, welche die unwürdige Rolle von
„Freunden" spielen?
Rein, meine verehrten Leser; nicht«
von alledem. Jene sind Individuen,
welche der Menschheit schaden oder ihr
doch mindestens gleichgiltig sein können.
Der Liebhaber von Profession dagegen
ist ein nützliches Mitglied der mensch'
lichen Gesellschaft. Er ist die Vor
sehung der Väter, die einen wohlge
spickten Geldbeutel und daneben noch
eine hübsche, heirathSfähige, mit leicht
entzündlichem Herzen versehene Tochter
besitzen.
Man glaube aber nicht, daß eS so
einfach wäre, diese Profession auszu
üben. ES gehört dazu ein besonders
gearteter Mann. Der erste beste würde
bald «in klägliches Fiasko machen.
Hier die Naturbeschreibung des pro
feffionirtrn Liebhabers: Er ist stet» ein
vollendeter Kavalier. Er ist schön und
hat stet« feine Hände und wohlgepflegt«
Nägel; die Kleidung ist immer elegant;
«ine weiße Kravatl« ist unerläßlich. Er
spielt mit Geschmack Klavier und Vio
line, fingt mit Grazie einen schönen Te
nor und versteht reizend und anziehend
zu plaudern. In allen Gesellschafts
spielen ist er Meister, er ist der beste
Ballspieler und weiß beim Psänderaus
lösen immer neue und interessante Vor
schläge zu machen. Er ist stets mit Ei
fer bereit, den Sonnenschirm oder den
Fächer seiner Dame zu tragen, und
wenn er ihr ein« Frucht oder einen
Bonbon darbietet, so muß sein beschei
dener Blick demüthig sprechen: „Ich
liebe Dich, ich bet« Dich an, aber ich
würde lieber sterben, al» daß ich e»
Dir jemals zu gestehen wagte!"
Neben diesen gesellschaftliche» Vor
zügen, die fckon nicht häufig in einer
Person vereinigt zu finden find, muß
der Liebhaber von Profession noch «ine
Tugend besitzen, die man nur äußerst
selten antrifft: die absoluteste Ver
schwiegenheit, verbunden mit xinem
steinharten, unverwundbaren Herzen
und einer ausgesprochenen Vorliebe für
die väterlichen Banknoten.
Dies« Eigenschaften sind nun, wohl
mit alleiniger Ausnahme der letzten,
nicht leicht erworben. Ja, man kann
behaupten, sie sind überhaupt nicht zu
erwerben. Man wird eben zum pr
sionirten Liebhaber geboren, wie man
zum Dichter oder zum Koch geboren
wird. Zu erlernen ist da nicht».
Man hat daher auch bis heut« nur
von einem Liebhaber von Profession ge
hört, dessen Geschichte wir hier erzählen
wollen. Es ist der erste und bisher ein
zig« Vertreter seiner Profession, ja, er hat
sie erst entdeckt.
Und das kam so:
Vor mehreren Jahre« trat ein stein
reicher Kaufherr der Londoner City in
das Kvmtoir eines Freundes, um »hm
in Heller Verzweiflung sein Leid zu kla
gen. Er kalt« «ine anbetungswürdig
schöne Tochler, und diese hatte es sich
in ihr eigrnsinnlge» Köpfchen gesetzt,
gegen den Willen ihrer ganzen Famili«
einen jungen Gecken zu beirathen,
einen arbeilsscheuen Taugenichts, dem
viel mehr die Millionen des VaterS als
die schönen Augen der Tochter im Sinne
lagen.
D«r Freund schüttelte bedauernd den
Kops und schwieg eine Weile. Plötzlich
jedoch rieb er sich vergnügt die Hände
und rief:
.Ich Hab'S! Ihr« Tochk«r ist geret
tet! Morgen Abend bringe ich Ihnen
meinen Freund, Herrn Zc in's
HauS. Er ist ein hübicher Junge mit
einnehmenden Manieren, und, wenn
gleich ihn Vermögensverluste ziemlich
heruntergebracht haben, so gehört er
doch der bcisereq Gesellschaft und
iveiy siÄ in ihr zu bewegen. Er wird
Ihrer Tochier de» Hof wachen "
Der Vater sah iy» ganj verdutzt
an.
„Er wird Ihrer Tochter den Hof
machen, sage ich Ihnen. Sie wird sich
iu ihn verlieben, und wenn sie ihren er
sten Angebeteten vergessen hat, dann las
sen S>e sie eine größere Reif« nach dem
Continent unternehmen. Wenn Ihr
Töchlerchen zurücklommt, wird sie weder
an den einen noch an den zweiten Lieb
haber mehr denken und wird sich dann
in einen dritten verlieben, der dann ihr
Mann wird. Ihre Sache bleibt es,
diesen dritten auszuwählen und daiür zu
sorgen, daß er im richtigen Moment ihr
über den Weg läuft."
.Sehr schön!* meinte der Vater,
noch ganz verwirrt von dem sonderbaren
Vorschlage, .aber wer garantirt mir,
daß der junge Menfch, den Sie mir da
empiehlen. nicht auf eigene Rechnung
arbeiten wird?"
.Ich übernehme die Verantwortung.
Ich tenn« den jungen Mann sehr ge
nau. Er ist ein Ehrenmann, dazu set>r
kalt und sehr eigennützig. Natürlich
müssen Sie sich ihm gegenüber groß
müthig zeigen.-
Der Vater dachte eine» Augenblick
nach.
„Topp!" rief er endlich, »bringen
Sie mir morgen den jlmgen Mann und
sagen Sie ilim, dag er an de i> Tage,
an welchem ich mich mit meiner Tochter
nach dem Continent einichijsi«, Ivo
Psund erhält."
Ter Freund ging zu Herrn Z....
und theilte ihm den Vorichlog uad die
Bedingungen mit. Herr L.... war
es zulrieven. Am nächsten Tage be
reits begann er tue Belagerung der Fe
stung.
Die schöne Miß nahm die Aw'merk
samkeiten »vre« neuen Anbeters aiiian S
mit einger K.ilt« auf. Er hatte aber
t,ne Menge gtsalliger Talente »»» ver
stand «S, ganz reizend zu plaudern
So merkte ne bat». da« die in seiner
Gesellichast verbrachten Stunden immer
schneller und schneller verflögen.
Sollen wir alle die Manöver des
He-:r» A.... schad»,,? «» wücd,
un» doch nicht ganz geling««. Wir
registriren nur das Ergebniß:
Eine» Monat nach dem Erschein«»
des neuen Liebhabers schiffte sich die
schön« junge Dame in Begleitung ihre»
glücklichen VaterS nach Calai» ei» und
nahm unter Thränen und Schluchze«
von ihrem Geliebten Abschied.
„Ewig bleibe ich Dir treu!" rief fie
noch im letzten Augenblick, „ich werde
immer an Dich denken und oft schreiben.
Schreib« auch oft an mich."
Nun, er schrieb nicht, und sie ja,
mein Gott! es ist so unbequem, aus der
Reife Briese zu schreiben. Man kommt
gar nicht dazu. Man ist den ganzen
Tag aus den Beinen und will doch
nachher wenigstens Ruhe habenl Die
junge Miß vergaß auch ihr Versprechen
bald.
Nach einem Jahre kehrte sie zurück,
ihr zweiter Liebhaber ließ sich uicht
sehen, sie machte die Bekanntschaft eine»
dritten jungen Mannes und fand, daß
gerade die» der Mann sei, d«r ihr fehl«.
Ihr Vater fand dasselbe und alle Welt
war zufrieden.
Auch der verflossen« Liebhaber hatte
keinen Grund, sich zu beklage». Er
strich die hundert Psund Sterling ein
und sand.'daß sich mit ihnen sehr ange
nehm lebte. Und da er gerade nicht»
»u thun hatte, so kam er aus den Ge
danken, ob er nicht noch öfter die Ret
tung reicher Erbinnen auf dieselbe
Weise bewerkstelligen könnte.
Der Zufall kam ihm zu Hilfe. Ein
anderer Vater in ähnlicher Lage wie
der erste hatte von seinem Erfolge ge
hört und wandte sich an ihn als seine
letzte Hoffnung. Und richtig! Vierzehn
Tage nach der Abfahrt seiner erste»
Liebe nahm Herr Z. die Rolle al»
schüchterner Liebhaber bei einer andere»
schönen jungen Miß wieder auf. Dieser
Fall war allerdings ernster. E» be
durfte einer .Flirtation" von vier Mo
naten, um die Erinnerung an den Lieb
sten, von dem der Vater nicht« wissen
wollte, au» dem treuen Herzen der Miß
zu verbannen.
Damit war die Mission des bisheri
gen Liebhabers beendigt. Er zog sich
discret zurück und überließ da« Feld
einem dritten, der heute der glücklich«
Gatje der schonen Engländerin ist. Und
sie ist davon überzeugt daß sie nicmal»
einen Anderen geliebt hat, als ihren
Der Vater war über den günstigeil
Ausgang der Angelegenheit so erfreut,
daß er die Summe von 1000 Pfund
nicht sür zu hoch hielt, um den ihm ge
leisteten Dienst zu belohnen.
Herr X aber steckt« hochvergnügt
die 1000 Pfund in die Tasche und be
gann nun, das Lieben auf Zeit als
Gewerbe auszuüben. Er wurde der
Liebhaber von Profession, der „prokss
sioaal lovvr". Er hat im Laufe der
Jahre eine Reihe von großartige» Er
folgen errungen, und er erzählt mit
Stolz, daß seine Kur »och niemals fehl
geschlagen ist.
Augenblicküch führt er Alle» in'S
Feuer, was ihm Natur und Kunst ver
liehen, um aus dem Herzen einer Mil
lionärstoch'er einen Kutscher zu ver
drängen, der sich da eingenistet hat.
Es ist dies das erste Mal, daß er nicht
einem Manne von Welt gegenübersteht. I
Aber gerade hier scheint feiae Mifnou
besonder» schwer durchmsühren zu sein.
Der Vater der romantischen Miß sieht
die! auch ein und wird sich demgemäß
erkenntlich zeigen, so daß der
Bional lovsr" darauf rechnet, sich nach
diesem letzten und höchste» Siege vou
den Geschäften zurückzuziehen u»d vou
seinen Renten leben zu tönneu.
Wir wünschen dem vi«lgewa»dten
Manne auch in diesem schwierigen Falle
vollsten Triumph. Seinen Entschluß
aber, sich zur Rohe zu setze», könne»
wir durchaus nicht billigen. Wer soll
denn in feine Stell« trelen? Erst muß
er doch einen tüchtiqen Nachfolger fin
den, der sein Geschäft übernini »t und
zur Zufriedenheit weitersührt. Wie »vir
hören, beal'siHligen denn auch mehrere
besorgte Väter an Herrn Z: eine
Adresse zu richten, in der sie ihn flehent
lich blilen, sie ja nicht im Stich zu
lassen.
W'r haben noch einen Vorschlag.
Wie wär'S, wenn Herr X von der
Praxis zur Theorie überginge und eine
Aiademie sür Professions-Liebhaber er
lebtet« ? Damit würde sicherlich einem
ieien Bedürluiß abgeholfen werde»,
und di« anderen Länder hätten auch
Geleqentieit, von dieser Kunst was zu
vrositiren Diejenigen, welche die vor
gejchrievkne Eromina gul bestanden ha
ben, köunten ja zu Doktoren der Lieb
haberei ernannt werden. Dl« jehlea
uns gerade »och!
K. A. Neuhoff.
Wa» »an» si« de«»?
Sie kennt Spinoza und Hegel
Und m.inches iüverbs Gedicht,
Sie kennt auch Suntar und Regel,
Doch spinnen und stricken nicht.
Wohl sie den Werth der Sinn
den
Nnd geizt um da» Tageslicht
Und siujzt, w-lln zu früh ihr'» e»t-
Doch sparen da» lanu sie nuht.
Am reichlich besetzt«» Tilche
Nennt sie jedes seine Gericht.
Speist Hüqnch«n und Pudding »nd
Fische,
Toch kochen das kann ji« nicht.
Nnd kann sie nicht kochen und stricken,
',»>>cht sparen, w>s kann sie den» dann?
Süß plaudern, hold lächeln un» nicke.»,
he»rathen de» reihen Mannt
Derzerstrrnt« Profrs«
sor Proiessor dem idn be
i»che»den Studenten aus den Fuß tre
tend): . .a« wünichen Sie ,-'" Stu
dent: .O wen, Herr Piosessor. K,e
»relen »ilr aus nieine Hübneraugen!"
Prosesjvr (erstaunt): So, wvra»s
schließ«» Sie denn das?"
»«stlltgket».
Da» Licht nimmt ab. Ganz leise,
..tnz allmählich aber wir merken doch
täglich, daß der Tag kürzer, der Abend
länger wird. Es sind nichrdie Herbst
schauer, die uns ein leise» Zittern in die
Glieder legen «S ist der Gedanke an
die langen, langen Winterabeudstunden,
da wir den Gatten gern an das Zim
mer seffeln möchten und «» doch nicht
hindern können, daß cr izicht gerade
Äbend für Abend, aber doch sehr oft!
die Wirthsstube aufsucht. Was findet
er dort? So sragen wir uns besorgt
und erregt. Den kühlen Trunk? Den
kann er daheim auch haben Die Ei
arr«? O, w»r wollen wegen rauch
geschwärzter Gardinen kein Wort ver
lieren und ganz sicher nicht abwehrend
husten, wenn uns der Luftzug d«n star
ken Qualm in die Lung« bläst. Die
Geselligkeit? Ja. da« ist'S. Gesellig
keit können wir ihm nicht bieten, da»
erlauben die Mittel nicht, da« erlaubt
nur heraus mit dem Worte! unser
eigenes Behagen nicht. Je mehr Gäste,
je mehr Umstände! Uns, den Frauen,
liegt an der Geselligkeit nichts, und mag
der Gatte durchaus nicht mit uns allein
sein, mit un», um derentwillen er al»
Bräutigam die tollsten Streiche angab,
sv mag er dem Wirthshaus leben. Die
Verantwortung komme auf sein Haupt!
Da» sind die Gedanken der meisten
Hausfrauen, die in geordneten, aber
nicht großartigen Verhältnissen leben
und weder über ein Dutzend Räume,
noch über ein halbe» Dutzend Dienst
boten verfügen.
Man klagt allgemein über da» zu
nehmende. zu immer größerer Ueppiz
k«jt neigende GefellschastSleben, da» sich
bis in die Räume der kleineren Haus
haltungen verliert und dort da» Be
hagen verscheucht. Man denkt mit
Sorge an die sogenannten „AMtte
rungiabende", oie lln) jeder Winter
bringt und die auch wir mindestens
zwei- bis dreimal überstehen müssen.
Man sinnt im halben Bedenken, aber
auch i»n halben Vergnügen den Freude»
der geschlossenen Gesellschaften, der Ver
eine, Liederabende, Concerte u. s. w.
nach. Sie bringen Abwechselung, ge-
aber sie bringen auch Ausgaben,
nicht allzugroß, aber doch groß in dem
Verhältniß, daß sie sür wenige Stunden
des Amüsements hingegeben wurden.
Der Reiz der Gesellschaft besteht un--
zweisclhast in der Abwechselung und
Anregung, die sie gewährt. Die Frauen
uud Mülter in ihrer Selbstlosigkeit
wollen zwar gern verzichten, denn sie
finden ihre Pflicht» ihr Glückdarin, ein
zig dem Gatten, den Kindern, dem
Hause zu leben. Die Männer aber,
tagsüber durch den meisten» sehr lang
weilige» od«r anstrengenden oder geistig
abspannenden Beruf in Anspruch ge
nommen, sehnen sich nach anregender
Unterhaltung, in vielen Fällen sogar
nach erregendem Kartenspiel. Man
mag darüber tadelnd denken ganz
aus der Welt schaffen läßt sich dies«
Neigung der Männer nicht, die auf
langjährigen Gewohnheiten beruht. Der
Mann wenn er körperlich und geistig
gesund ist, aliv weder Anlage zum Mi
santhropen noch zum Hypochonder hat
liebt nun einmal strahl«»d« Hell«,
Gläserklang und Liedersaug, liebt Skat,
liebt politische Gespräche und lacht gern
über gute und schlechte Witze. Da»
bietet ihm die Häuillchkcit nie. den»
dies alles erscheint der Häuslichkeit als
„unleidliche Gesellen". Deswegen be
grüßt die Frau die Gesellschaften" trotz
mancher Opfer, die sie fordern, dennoch
guten Muthes.
ES giebt aber eine liebe, sehr liebe
Schwester der Gesellschaft, ein .Aschen
brödel", das sich allgemach als di« «cht«
Königstochter «ntpupvt und dem Haus«,
darin sie weilen darf, wahren Segen
bringt: die Geselligkeit. Di«
keit ist heiter, witzig, anregend? sie lacht,
fingt, spielt, debattirt; si« fördert
Freundschaft und Behagen und das
alles ohne große Opfer, ohne weitere
Umstände und Unbequemlichleiten. Wer
die trauliche Geselligkeit in sein HauS
zieht, der sesselt den Mann und vermin
dert sich di« sorgenvolle» Stund«», die
das Warten auf dessen Heimkehr mit
sich bringt.
Aber die Geselligkeit ist theuer, wirst
eine liebe Leserin ei». Theuer? Im
Vergleich zu dem, was der Man» im
Gasthaus ausgiebt, ist sie billig; doch
erhält die Frau sreilich etwas niehr Ar
beil dadurch, sie muß etwas
sein und den Hang zur eigene»» Bequem
lichkeit ein wenig einschränken.
Die eiusachst«, sür jede Familie er
sprießliche Geselligkeit besteht darin, daß
man mit zw«i oder drei befreundeten
Familien ein Bündnin schließt und wö
chentlich zweimal, oder auch nur einmal,
zusammenkommt. Die Zujaminentunsts
orte wechseln regelmäßig. Die lieben
Freundinnen der Frau muffen hier aber
ganz zurücktreten, salls nicht gleich eitig
ihre Männer Freunoe des Gatten sind
Mag sich die grau durch ein wöchent
liches Kaffeekränzchen, wie sie ja allg«>
m in eingeführt sind, entschädigen: die
abendliche Geselligkeit gilt vorzugsweise
dem Manne. Selbst wenn uns die
Freunde des Manne» unsympathisch
find, müssen wir sie von dem Sian ,
punkt aus, daß sie des Mannes Stai
genossen oder seine Poliiilbrüd«r oder
anregend« Kunstqenossen sind, willkom
men helfen. S>ud diese Männer Jung
gesellen, dann um so besser, häike
ich belnahe geschrieben; denn es ist nicht
immer der Lall, daß ein litbenSwUrd»-
ger Mann eine liebenswürdige Frau
sei» Eigen nennt. Doch um ihrer
Männ«» willen beireunden sich selbst
Damen, die sich im allgemeinen weniger
l sympathisch find.
Sind solche gesellige Abende, an denen
nichts weiter ausgetragen wird, als ein«
Zigarre und ei» gutes GlaS Bitt mit
Buiierbroi, «ine mit tlemem
Gebäck, eiugeiührt, io werden sie den
B«ihe,ligten eine solche Quelle schöner
H«it«rl«t und Geielligkcit, dah si« sich
die ganze Wocli« daraus sreuen. Ich
t«une mehrere Familien, di« unter sich
solche einfach tlige Abende arrangi-
re«. Die Untcrhaltu»g ist nicht i»
allen Kreisen gl«ich, aber fie ist in alle»
Kreisen gleich gemüthlich Hier fitz«»
die Herr«» nach vi«ll«icht halbstündig««
Allg«meinunterhaltung beim Unvermeid
lichen Skat, während di« Damen an
einem Nebentische gemüthlich plaudernd
«hr« Ersahrungen austauschen! dort ha
ben auch die Damen die Karten in d«r
Hand zu irgend einem heiteren „schwar
zen Peter" oder „Kartendonnno". DaS
Geld, da» an beiden Tischen verloren
wird, kommt in eine besondere Kasse,
au» welcher eine Sommerpartie, die oft
sehr luxuriös ausfallen kann, bestritt«»
wird. In dies« Kasse kommen auch alle
Strafsätze bei unentschuldigtem Aus
bleiben oder Zuspätkommen. Auf dies»
Weise manchmal auch durch den
Einfall einer „freiwilligen Sammlung"
kommt Nickel zu Nickel, und selbst di«
Männer interessiren sich für die Gefel
ligkeitskasse, sich freuend, daß sie von
Woche zu Woche schwerer wird und
einen immer größeren Sommergenuß
verheißt.
Ich stellte diese Art Unterhaltung
voran, weil sie die allgemeinste sein und
bleiben wird, denn in ästhetische Thee
zirkel verliert sich der Mann nicht gern;
auch soll die häusliche Geselligkeit im
allgemeinen ein Ausruhen bedei ten,
kein Anstrengen des Geistes, wie eS
geistreich« Unterhaltung fordert. Di«
Ausübung der Künste ist ja nicht aus
geschlossen. Ein Vortrag auf der
Gei>,e, dem Cello, dem Klavier, ein Lied
kann sehr wohl diese Abend« verschö
nern, die nie länger al» bi» 11 Uhr
''anern sollen.
Di. Frau kann ihrem Gatten auch
dadurch anregende Geselligkeil schassen,
daß sie es dessen Fremden stets
müthlich" macht; pe finden sich dann
wohl allein, ohne besondere Einladung
oder Verabredung, ein und kürzen den
Abend in angenehmster Weise. Mache
den Freunden des Mannes Eure Häus
lichkeit lieb, daß man Dein Lob singt,
dann wird sie Deinem Mann nur noch
trauter erscheinen und Du wirst ihm
nur noch theurer werden. Ziehst Du
ein« schöne Geselligkeit in die Räume
Deines Hauses, so entführst Du der
WirthSstube die Menschen, di« Dir die
liebste» sind.
Anna Nitschk«, in .D. 81. geh.
der Hausfrau".
«tn bewährt«» «orppolfahr«?.
Man mag über Dr. Fridtjof NansenS
neue Pläne, dem Nordpol und der nöcd
'ichen Durchfahrt näher zu kommen,
denken was man will: der Mann Hot
vor Anderen den ungeheuren Vortheil
de» Erfolges voraus. Er hat aus
seiner glücklichen Durchquerung Grön»
lands mit süns Gefährten seinen Wage
muth und seine Umsicht auf's Glän
zende bewiesen, nnd eiuem solchen
Mann« fliegt das Vertrauen von selbst
zu. Das ist das Geheimniß d«r bewie
senen Thatkraft.
Für sein erstes Prosert fand er, der
arme und unbekannte Philologe aus
Christiana, in seinem Vaterland« nicht
nur keine Theilnahme, sondern Ver
spottung und Hohn. Die knappen
Geldmittel wurden schließlich von eiuem
reichen dänischen Rheder in
vorgeschossen.
Jetzt nun findet er für sein neues
Project, welches bedeutend abenteuer
licher ist, als jenes, überall begeistert«
Theilnahme, Die Grundzüge dessel
ben finv bekanntlich folgende: Davon
ausgehend, daß die Trümmer der
„Jeaunette" von der Westküste Grön
lands aus schließlich a« der sibirischen
Lüste angetrieben wurden, deshalb also
eine Strömung in derselben Richtung
und mithin eine nördlich« Durchfahrt
muß, legt er das Hauptgewicht
aus die Eonstructivi« eines Schiffes,
welches durch seine eigenthümliche Form
gegen die zerstörende und quetschende
Gewalt der Eisfelder und des Packeises
geschützt ist. Sobald da« Schiff im
Packeise sestgesroren ist, will er sich der
treibenden Gewalt der verinu'helen
Nordvststrvmuiig überlasse». Er rech
net aus ein« «twa zweijährige Dauer
der Expedition, deren Kosten er aus
AUV.oov Kroner Rorw. (»«3,500) be
rechnet. Bereits hat da» Storthing
(Volksvertretung) 200,000 Krouer.
(»S5,ll»0) bewilligt? der Rest fließt
ihm ans privaten Quelle« zu. Di«
Abreise soll im Februar 18Sü erfolge»,
fodaß man im Juni in der Berings
straße anlangt. Der Seemann S.er
drup, ein Geuvsse Nansens aus ssin
«rstcn Fahrt, w,rd das Eommando übe
da» V-sörmige, aus 170 Tonern be>
rechnete Achiis übernehmen, welches
sechs Knoten stündlich zurücklegen wird.
Eine rechtschaffene Frau,
Billüen: .Nun Willisen, wasgibtS?"
Willifen: „Eine ganz fatal« Gefchichtl.
Ich habe mein Vermöge» soeben wrinn
Frau ver'chrieben. v.« «» dadurch vor
meiueu Gläubigern z» Letten." Billi
s«n: „Nun — Willisen: «Nun
hat meine Fr>z« das Geld gekommen
und Ml.ii — sie gibt als Grund
an, <ch meine beirügen
will.'
Die «ar«».
v-n Zu»»» «»,«»
„Wenn Du diese Zeilen erhältst,
weile ich nicht mehr unter den Lebende«.
Du hast mir, der armen Verlassen««,
der D» Liebe und Treue geschworen,
den Lauspaß gegeben, um eine Reiche
zu heiralhen. Sei glücklich mit ihr.
Ich werde es auch sein, denn ich bin er
löst >
Marie",
Er starrte auf da» zerknitterte Pa
Pier, da» leicht in f«in«r Hand zitterte.
Er war so völlig in G«dank«n und Er
innerungen vertieft, daß er nicht hört«,
wie die Thür« d«S vornehm ausgestat
teten Zimmer» geöffnet wurde uns eine
schlanke Fraueiigestalt herein huschte.
Einen Moment blieb sie zögernd ste
hen, als sie den Gatte« so in sich ver
sunken am Fenster sitzen sah. Dann
schritt si« zaghaft und auf den Zehen zu
ihm hin. beugte sich über ihn und sah
ihm üb«r die Schulter.
Eine sahleßläss« übkrfluthete ihrAe
ficht, ein leiser Aufschrei eutrang sich
ihren Lippen.
Wie au« einem schweren Traum«
fuhr er empor und wandte sich ihr zu.
Er zuckte zusammen und das Papier,
das er zu vernichten niemals den Muth
gefunden hatte, entfiel seiner Hand.
„Du hast gelesen?" fragte er mit
tonloser Stimme.
.Ja, nun weiß ich, warum unser«
Ehe eine so unglückliche war.
Wie ein Seufzer der Erleichterung
kam c» au-Z seiner Brust.
„Du weißt eS endlich".
„Warum all' meine Versuche, Deik
müdeS, düsteres Wesen zu verscheuchen,
fehlschlugen, ich weiß es nun! DaS
Gespenst einer Andern stand zwischen
uns einer Andern, die ein Elen
der in den Tod getrieben. Und dieser
Elende, dieser Wortbrüchige o mein
Gott, mem Gottl"
Sie schlug die Hände vor'- Gesicht
und brach in krampfhaftes Schluchzen
aus.
Er that nichts, nm sie zu trösten. Er
starrte sie nur an und strich sich mit der
Hand über die glühende Stirn. '
.Nun ist Alles zwischen uns aus,"
begann er endlich mit leiser, vibriren
der Stimme, wie zu sich s:lbst sprechend.
„Nuy herrscht volle Klarheit zwischen
uns.*
Sie antwortete nicsiber ihr Schluc
hzen erstarb und sie ihn mit scheuen,
säst furchtsamen Blicken an.
„Du r-rabscheust mich?" fragte er
tonlos.
„Ja," antwortete sie kurz und rasch.
'„Wir werden uns trennen?!"
Jetzt hatte seine Stimme einen wei
che», flehenden Klang angenommen und
er streckte die Hand nach ihr aus.
.Lass' mich lass' mich jetzt. Ich
bedarf erst der Ruhe, der Ueberle«
gung."
„Verzeihe mir, Martha."
„Verzeihen? Und wenn ich an
der Stelle jener Armen gewesen wäre?
Verzeihung einem Manne, der —o nie!
nie! Du hast Recht, zwischen uns ist
Alles aus."
Schlaff ließ er sich in sein«» Srssel
zurücksinken und sagte nichts mehr.
Als er endlich wieder aussah und sich
nach ihr umblickte, hatte sie das Gemach
bereits verlassen.
DaS also war da« Ende. Was blieb
ihm nun zu thun übrig? Jene hatte er
in den Tod getrieben, diese sür immer
unglücklich gemacht.
„Pfui! PsuU" kam e» laut und
zischend von feinen Lippen, er fuhr hastig
vom Sessel empor und riß das Fenster
auf.
Der frische Luftzug, den der heran
dämmcrnd« H«rbstabend hereinsandte,
kühlte seine Stirn und beschwichtigt«
den Sturm in seinem Innern.
.Was habe ich gelitten," flüsterte er
vor sich hin, .in den fünf Jahren an
der Seite dieser edlen, braven Frau,
die um meine Liebe bettelte, die mit
sorgsanier, zärtlicher Hand die Falten
von meiner Stirn strich und mit rüh
render Ausopferung mich glScklich zu
machen suchte! Wie namenlos «l«nd
war ich seit incinem Hochzeitstage und
nun allein ganz allein!"
Tief ausseufzend ließ er sich wieder
in den Sessel gleiten und starrte von
Neuem vor sich hin.
U»d wie unzählige Male schon wäh
rend der letzte» Jahre, schweiften sein«
Gedanken zurück in jenen Tagen, die,
?aß er'S gewußt oder geahnt, sein
Glück, seine Mfri:denheit für immer
vernichteten.
Er hatte Mari«, die zierliche
Näherin, die arme, verlassene Waise,
geliebt, wie eben flotte, lebenslustig«
Studenten solche Mädchen zu lieben
pflegen. Niemal» war ihm der Ge
daitke gekommen, daß sie seine Versiche
rungen und Beteuerungen «rast n«h-
könne.
.Die wissen j«, wie man da» meint,"
hatte er sich gesagt und ohne Bedenken
>,weiter getändelt.
Dann war endlich da» Examen ge
kommen und er hatt« «» glänzend bl?
standen. Nu« war «r «twaS. Nu«
war er „Doktor!" J«tzt beganuerst i»s
«rnste Ledea, jetzt war «s vorbei uiit
dem Tänhel» und luftigen DahinMp
men. Nun mußt« a»sg«rä«m> »er
den mit de« nichtigen Freuden der gol
denen BiLtschenzeit I Weg mit den Zech
brüdern, den tollen Eominilitvn», weg
mit den Kneipstudien und Pauke««» —
weg auch mit der zierlichen klei»« Ma
rie! Ein Absagebrief mit letzt,ne Gruß
und Kuß, und AL«S war vvrkU Viel
lc.cht, wenn sie'» wünfchte, et, kl«>n«S
?üt«nch«n mit aus den ZSqh dann
Alle? in Liebe und GüR: geordnet,
Mari« geHörle zu Venen, die ,fo
,tw >S" ernst« nehmen.
ivar erstaunt, al»««r sie so tragisch
vor sich steht» und wein'n sah. An solche
Beharrlichkeit der il/.ueu IM? er wahr
lich » ch> gedacht, vlber er hatte sie ger»
u>d a-ch »och keine räderen ernsten
Verpsteäilungeu in dieser Beziehung.
So wurde» sie denn wieder «inig si»
«»., Weilchen.
Jnzwlfche» hatten Tanten nah Bas«,
dem „jungen Doctor" ei«e Frau «uSg«,
sucht. Ein brav«», «in herz«n«quteS
Mädchen, nicht «ben hervorragend schön,
aber sehr reich—wie geschaffen sür einen
«b«n zur Praxi» schreitenden >ungen
Arzt. Man stellte sie ihm vor. sie ge
fiel ihm und er sah völlig «in. daß si«
zu stiucm Glück und seinem Fortkom
men nöthig sei. Nun mußte ja di,
kleine Mar»« Vernunft annehmen, gegen
diese Gründe konnte sie doch nicht» ein
zuwenden haben!
Dennoch hatt« er mit der Erklärung
gezögert, und das doppelte Spiel, das
Heucheln und Betrügen begann. Erst
al» seine Vermählung mit Martha kurz
bevorstand, hatte er den Muth gesun
den, einen langen auSsührlichen Scheidt
brief mit genauer Auseinandersetzung
aller Gründ« an Marie zu schreiben.
Jene wenige» Zeilen waren ihre Ant
wort gewesen, Sie hatten sein LebenS
glück sür iinmer vernichtet. Er hatte
inzwischen den wahren Charakter und
die Empfindungen des junge» Mädchen«
gut genug kennen gelernt, um zu wissen,
daß diese ihre Worte «rast zu nehmen
waren. Außerdem li«s«rtr ihm d«r
täglich« Polizeibericht B«w«isr dafür,
daß dirse Mädchen doch nicht immer von
vornherein wissen, wie man'» meint!
S«in Charakter war weich und edel,
sein ganzes Wesen ziemlich sensitiv vrr
anlagt; jener AbschiedSbries, das Be
wußtsein, diese arme Verlassene in
den Tod getrieben zu haben, er
schütterten ihn surchtbar und machten
ihn zu einer willenlosen Beute der
Reue und bitteren Selbstanllag«». Mit
einem Schlage erkannte er die Verwor
fenheit feiner bisherigen DenkungS- »md
EmpsindungSweise und «r fand k«in
Entschuldigung-, kein Beruhigungs
mittel. .
Aber er hatte ja eine Braut, di« er in
wenigen Tagen vor den Altar führen
sollte. Ihr mußte sein Seelenzustand
natürlich geheim gehalten werde».
Sie liebte ihn nnd vertraute ihm
er durste nicht auch sie »»glücklich
machen.
Es waren schwere, bittere Tag«, die
seiner Hochzeit vorangingen. Fast all
morgendlich, während seine Braut mit
den Toilette - Vorbereitungen zur Ver
mählung, und die Tanten mit der Ab
fassung der Einladungen beschäftigt
waren, schlich der unglücklich« Bräuti
gam zur Morgue, um verstohlene Blicke
auf die dort eingelieferten Unglücklichen
zu werfen. Ach, «Z tvaren derer so
viel«!
Aber immer zögerte sein Kuß aus
der Schwelle des düsteren Hauses.
Angst und Grauen packten ihn er
wagte nicht, hineinzugehen. Wie, wenn
er sie wirklich kalt und bleich vor sich
liegen sah? Hätte er, dieses Bild im
Her Z.m, jemals wieder mit zuversicht
lichem Lächelu vor seine glückliche Braut
treten können?! Nein, er wollte die
grauenhafte Gewißheit nicht. So blieb
ihm wenigstens noch eine Hoffnung, ein
Trost: der Zweifel!
Aber dieser Zweifel erwies sich nicht
als stark genug, das Bewußtsein seiner
Schuld zu unterdrücken. Bei Tausen
den hat»e eine leichtsinnig?, srivole An
nahme schon genügt; er fand diesen
Trost nicht, weil er gar nicht daran
glaubte.
So konnte seine Ehe mit Martha
eine »vahrhaft glückliche nicht »Verden.
Es stand etwas zwischen ihnen, uud die
arme junge Frau vermochte sich selbst
nicht zu erklären, warum der von ihr
über Alle? geliebte Mann meist s» ver
schlössen, oft so trübsinnig und so scl!«',i
Herzensfroh und heiter war! Er er
kannte, wie sie ihn liebt« und vergalt eS
ihr. Möchtig zog ihn sein Herz zu ihr
er lernte sie verehren und lieben
nicht aber zufrieden und glücklich zu
sei». Nur in flüchtigen Stunden ver
gaß er, was ihn Niederdrückte und auf
ihni lastete aber nur zu bald kehrte
die Grulldstimmung seiner Empfindun
gen zurück. Er wurde ein nervöser,
mürrischsr Geselle und ein schlechter
Ärzt. Selbst ein so weicher, ergebener
(kharacter, wie der Marthas, konnte da
nicht bestehen. Auch sie wurde schließ
lich zeitweise lanniich und mürrisch, es
gab Streit und unfreundlich! Scenen,
Die Tanten schüttelten betrübt die
Köpfe. „Das war keine glückliche
Eh«. Woran konnle das nur liegen ?
Von der kleinen Marie wußten sie ja
nicklS.
ES war um die Mittagsstunde des
anderen Tages. Ziel- u»d planlos
nicht, wohin er ging und wohin er ge
hen wollte. Das Bedürfniß nach Luft,
nach Bewegnng hatte ihn hinausgetrie
den. Und so wandelte er mit gesenkten»
Hzupt, gleich einem Träumenden, durch
dt« Straßen, unbekümmert, ob bei sei
nem achtlosen Wesen etwa ein Wage»
4» nieder>ß u»d überfuhr, oder ein an
dere« Passant »it ihm «uiamm »rannte.
Da erhielt er plötzlich einen heftige»
Stoß vor d« Brust und eine rauhe
Stimme rief ibm zu:
S« können wohl nicht Bch
sehe»?'."
E» hatte einen Zusammenstoß mit
einein ba««langen Schlächtergesellen ge
geben, der nun de« achtlosen Wcndler
cimm Moment wüthend an/ah daz?u
ichimtHend w«iter trabte.
I'«'»erraschl und verwundert Wh der
»us dem Traum Erweckt« um si>h. Wo
var er denn eigentlich? Seine Blicke
jele» auf das vor ihm liegend« Flun
»ser, das mit sauberen Obstbusen beietzt
mar. Unwillkürlich, mil müdem, schlaf-
Irm Ausdruck musterte er di« Umbil
dung. Da zuckte er plötzlich zusamnikn.
Starr hasteten seine Äuqen ans e ner
der Buden, in welcher eine Vcrkäafer»»
eifrig ihre Waaren feilbot. S>» war
ein schmuckes, sauder getleivete» Weib
che», mit einem ruuden, frtilndlichen
Antl'tz, daß nicht so gewöhnlich und
derb aussah, als die Gesichter ihrer Be
<afsgenl>ssin»en.
D csem W«bcheu starrte der Unglück
iiche Mauu ins Gepcht, lange und un
verwandt, an den Pfeiler cines Haus
thore« lehnend. Dana übertritt er
saftig deil ichmalen Fahrda?» u »ins tt-ai
direkt au den vs» viel«» Käufern um
gebene» Berkauf»sta«d.
.Sie wilnschen?" fragte die Verkäu
ferin mechanisch,
.Geben Sie mir Aepfel."
.Wieviel?'
.Soviel Sie wollen. Da» heißt
dieses Maaß hier. Von denen da "
Seine Blicke verschlangen sie fast, al»
sie mit berufsmäßiger Fertigkeit, aber
dabei aufmerksam die Straße h'nauf
spähend, die rüchte einmaß.
Er legte eine Münze aus da» Brett
und sie gab ihni, sich schon an andere
Kunden wendend, heraus. In demsel
ben Moment hatte sie gefunden, wa»
ihre Blicke vorher gesucht. Ein stämmi
ger. hochgewachsener Mann trat in 6i«
Bade und sagte:
.Mahlzeit. So, Alte, Ablösung vor!
Hat der Herr schon bezahlt? OÜtr
noch 'wa» gefällig?"
Ohne zu antworten wandte der Käu
fer sich hastig um und schritt schnell da
von.
Aber nach wenigen Stunden, am
Nachmittag, kam er wieder.
Er Verlan te abermals Aepfel.
.Die Aepfel von heut' Mittag Ware»
gut," sagte «r zu dem jetzt allein an
wesenden Verkäufer. .Sind Sie schon
lange hier aus di«s«m Stand?"
„O neel Wir find erst vor'n paar
Tagen mit unserm Kahn von Dresden
'reingekominen. Ich war seit süns lah
ren nicht hier in der Stadt."
»So lange nicht? Bei den guten Ge
schäften hier? War»m das?"
.Ja feh'n Se, lieber Herr," antwor
tete der Verkäufer mit geheimnißvoller
Miene, „das find Familienangelegen
heiten. Und Familienangelegenheiten
—" hier hielt er inne, schüttete da»
Obst in di« Düte und bat Bch das Geld
aus, ehe er fortfuhr: .geh'n keinen An
dern 'was an. N'Abend. Kommen
Sie Hübich wieder."
Damit drehte er sich kurzweg um und
ließ den Käufer stehen, der schließlich
un?erricht«ter Sache wieder fortgehen
mußte.
Aber er hatte mehr Glück bei eiuer
standnachbarin des Obsthändler», wel
cher er im abendliche» Dunkel eine»
'Besuch abstattete.
Wie ein Wasserfall floß e» von den
Lippen der Matrone, als der vornehni«,
neugierige Herr sich mit ihr in's Plau
dern einließ und wißbegierig nach je
nem neuen Händler und dessen Frau
fragte. ,
.Ach, das ist ja mein Landsmann
ser brav« Johannes," plauschte sie;"
der kann was erzählen, der hat sich
seine Frau aus dem Wasser aeholt."
„Al,s dem Wasser?! Was sagen
Sie da?!"
„Jawohl. Sie war 'reingesprungen
aus Liebesgram. Steckte wieder so
ein Schubviak von jungem Kerl dahin
ter. Sie wisse» schou. Der Johannes
hat sie 'ransgeholt und gerettet. Na>
und weil sie so ar« und verlassen war
und krank wurde, da haben sie seine El
tern auf dem Kahn behalten. Da hat
sich denn die Sache gemacht. Zuerst«
»ar sie ganz verzweifelt, die arme kleine
Marie, und wollte von nichts nicht wes
sen, aber schließlich hat sie doch einge
feh'n, daß der Johanne» ein braver-
Junge ist na, da si« sich eb«o
geheirathet."
.Und sind wohl sehr glücklich?"
.Na und ob! Sind wohlhabende,
Leute und einen strammen kleinen
Bengel haben sie auch schou. Sie hat.
sich denn auch endlich über den änderst. -
rrbärmlichenMenschen getröstet Ja>
Iber wie sehen Sie denn au»? Geragt,
iIS ob Sie mir um den Hals salin,
möchten?"
Aber bevor sie sich noch von ihrem,
Staunen recht erholen konnte, war der
»eugierige Herr ohne Antwort auf uud
davo».
Kurze Zeit darauf betrat er rasch und
erregt das Zimmer seiner Gattin.
.Ich bringe gute Botschaft, Mat
th,," rief er ihr zu und versucht« ihr«
Hand zu ergreifen. Jene» Mädchen,
SaS ich todt wähnte, lebt und ist glück
lich.« b b
m«rkt« wohl, i« «in Heller Schein über
ihr Antlitz flog. Hastig, in beredten
Worten schilderte er ihr das seltsam«
Martha, was ich im sreveluden Leicht
sir.« der Jugend gethan. Daß ich wäh
rend dieier laugen Jahre, trotz all'
Deiner Güte und Liebe so schwer gelit
te»» und kein« zu fiudeu vermocht»,
da» gerade muß Dir brwelfen, wie titf
ich bereu«, wie das Bewußtsein, gesün
digt zu habe», alles i« mir «rstickte und
selbst weine Geiühl« sür Dich »ieder
h«lt. Verzeih« mir und laß uns ein
neue» Lebe» beg,»u«n. Sieh', nu«
kann Alles sich zum Guten wenden.
Kein drohender Schalte» steht mehr
mahnend vor »hr der Alp, der aus
meiner Seele lastet«, ist von mir g«-
aommeZ. Nun, laß mich Dir all' da»
vergelten, was Du in unserer Ehe Gu
tes an mir gethan. Es gibt kein Ge
heimniß kein Dunkel mehr zwlsche«
u«S—wir können glücklich sein!
Du. mich noch li«b«n, mir noch v«r-'
trc-uen?"
.Ich will «» vtrsuchen," sagte
ivdem sie »hm die zitternd« Hand reicht«.,
In »hren Angen aber vermochte «»
»eutlich zu lesen, dah sie ieit an da»
Gelingen, dies«» Versuches gwubte.
Vom Stamme .Nim«".
Er »ahm si« in Augenfch«», uahm bei
ihr Platz, »ahm bald d«s Wort, nahm
si« für sich ein, nabm ihre Hand, nahm
ich sogar die Kreideit und nahm einen
Kuß und nahm teine Sioliz von ihrem
sanften Sir luden. Schließlich nahm
er ,hr Sparkassenbuch und nahm Al«.
schied.
Keiu «mpfeh l«n»w«rther
Arzt. A.: „soeben höre ich, dah
mein Arzt gestorben »st; ich glaube, tr
war kaum Av labr« all," B.: „Wie
könne« Sie sich aber auch einem Arzte
her j? jung stirbt,