Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 05, 1891, Page 3, Image 3

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    Das Fritzche.
«»zählung von Gräfin M. »««ferltng.
fIS. Fortsetzung.)
Verlobung, die er aufrecht halten
wollt« sei es nichts, und als er die
Sache tragisch nahm, packte ich mei
ne» Koss«r. Um noch aufrichtiger zu
sein, ich finde selbst, ich habe da«
Glück zu «ntkommrn b«i»ah« nicht
»«rdient, bin aber doch froh, daß
«« mir geworden ist. Ich vberlasf« den
schönt» Krieger jetzt herzlich gern liebe
vollere» Händen, die da« Geheimniß
noch nicht ergründet hoben. Ich rechne
bei diesen, sür den betreffenden Herrn so
wenig schttieichelhafte« Geständnis! jedoch
««türlich auf Ihre Diskretion," schloß
sie mit einem oertrauliche» Lächeln, da«
ihren Zügen eine liebenswürdige Wärm«
zab.
Blödrnbach« saltige« Gesicht glättete
.Aber das versieht sich ja ganz »«n
selbst," sagte er und erwog im Inner».
«1e weit er der Aufrichtigkeit des Ge
ständnisses trauen dürfe. Eine Viertel
stunde daraus war die Frag« dahin erle
digt, daß er Ihr völlig vertraut« und sich
Rn de» Reizen seiner lebhaften Freun
diu wieder ganz umstricken ließ.
Natalie schied sehr zufrieden. Der
Versuch war sehr gewagt gewesen
iehr! wäre cr mißlungen, dann nu«,
dann wäre «S «Heu der letzte verzweifelte
Schritt und mit ihm alles verloren ge
wesen! Aber eben um deswillen war er
,hr als geboten erschienen, denn viel
mehr war ja im Grunde nicht zu ver
tieren. als so schon verloren war. Nun
«r aber gelungen, war es ein ovup clo
»usitre, und als solcher hatte er Rata
lienS ganz« blendende Laune wieder
4«rgestellt, das alte Vertrauen in ihr
Wollt» und Könne«, und frohlockend
sagte sie sich, dem Muthigen lächle da«
Ätück.
Vierzehn Tage danach war Asten im
Stande, seine Briefschaften selbst wieder
einzusehen. Mit nervöser Hast össnet«
ein elegant eingeschlossene« Schreiben
i »»» großer kräftig geführter Hand. ES
.Ich habe mich überzeugt, daß wir
«licht zu einander possen, und gebe Ihnen
Ihr Wort zurück. Lebe» Sie wohl.
Natalie, Gräfin Walde» zu
WaldenSau."
Ihm war, als fühle cr sein Blut
/cht'erst vom Fieberdruck befreit und de»
-leichten Puls der Genesung in seine«
Ndern. Das Gefühl, daß dies wieder
gewonnene Leben noch vollen Werth für
-ihn hab«, gab ihm eine wohlige Kraft
zurück.
Und nun znm erstenmal seit dem
tage, an dem er entdeckt hatte, daß sie
ihn-.Fricderlkcns Briese entwendet, sühlte
er i>ty sähig, auch der guten Eigexschas
-4«» seiner Retterin wieder anerkennend
4» gedenken. Die Dankbarkeit sür daS,
was das energische Mädchen sür ihn ge
lhan. bekam wieder reichen Raum in
seiner Seele.
Er legte die erhaltenen Zkilen in sein«
Taschenmnppe zu dem Papierstreisen
«»ir gleicher Hand der schon darinnen
lag. Längst wußte er jetzt, von wem
Hm der Streifen kam, las ihn aber ge
dankenvoll nochmals.
»der Amor, der Pse>le ,m
«ch, »nd l.ug itznv^^
Und cS woMc dem L«s«nd«n jetzl schei
nen, als hab« eine Ahnung der Dichte
rin dir Verse «ingcgrbeu und al» j«i,
was sie Gutes und Schlimines an ihm
gethan, auch die Eingebung eines Fa
tumS gewesen. Als solche konnte «! das
titzlere entschuldigen und sür das erstere
ihr ausrichilg dankbar sein.
Die bedeutsamen Ereignisse hatte»
ihren Fortgong genommen; langsam für
die, welche in der deeitsch-n Heimaih
tele»! schnell sür die, welche intl kriegt'
rischem Verständniß d«n Kamps an je
nen Orten leiteten, an weichem das
verzweifelte Frankreich immer »och den
letzte», trotzigen Widerstand leistet«.
Auch die sür sast unausführbar gehol
i«ne Arbeit, das Herbeischaffen der Be-
um Paris zu be
schieße», war bewältigt worden. Dann
waren die ersten feurigen Grüße in die
umschlossen« Stadt geflogen. Im Dezem
ber halt« der Moni Avrout sein letztes
oorlauleS Wort gesprochen und war dann
Januar hub man auch mit dem Beschie
ßen d«r Fort« im Südwest«» an
Asten war kurz vorher nach Versailles
übergesiedelt, um dort im Hospital deS
SchtosseS w«it«r« Pfleg« zu finden So
bald «r sich woht genug sühlte, wollte «r
dir N«is« in dl« Hrimaih antret««. denn
r« war kein« Aussicht >ür ihn, daß er an
diesem Kriege «och silbstthätig thrilneh
seiner körperlichen Kläjte aber brachte
ihm das Miterleben jenes Ereig
nisse«, welches Voraussichtlich da«
größte s«i»«S Jahihunderi« bl«ib«n
wird. Am IS. Junu.ir sand ,m Schlage
zu Versailles die Versammlung statt,
welche Wilhelm l. al« deutjchen Kaiser
proklanitrte. Die Ernte d«S deutschen
Sieges wurde eingeheimst, in jencm
selbe» Saale, an dessen Decke der kleine,
«ttlc Franzosenkönig, welcher sich der
Groß« nannte, sich hall« als G»tl
qalen lassen: Deutschland, dem «r
Straßburg mitten im Frieden gestohlen
und die btüh-nd« Pfal, verwüstet hatte,
gekelselt zu seinen Füßen. Eben dies
Deutschland sang nun t» jenem Saale
sein Dankgiöel sür den Sieg, der lh»
Straßburg zurückgebracht, begrüßt«, in
mitten aller seiner Banuer, die sich zum
nftenuial mich nahezu ?oi) luhren wi«»«»
vor «in«m Oberhaupt« neigt««, Wilh«lm
den Siegreich«», seinen neue.xwählt««
Ka>s«r
Al« Asten de« mächtige Gestalf ö«I
Herrn hintreten sah. und j«n«S schö«
schlicht« Versprich«« hört«, welche« Wil-
Thalen der Edelsten s«iu«s Volk«« ge
zeitigt hatten
Zwei Tag« darauf betrat er. »he er
Schlachtfeld. I« der Nacht nach der
verlustreiche Wafsenthat
Als Asten über das Schlachtfeld ritt,
hinirrte« Am Eingange de« Parkes
stauten sich die Leichen förmlich, hier
war das Gefecht am heftigsten gewesen.
Freischärler waren hier ihren Pariser
Brüdern zu Hilse gekommen. Asien sah
die blauen Blousen, und sein Gesicht ver
finsterte sich. Er dacht« an Jeanne.
Dort links am schntibedecklen Stnmpf
einer Buche kauert« noch, das Gewehr
Konnte er sich täuschen? War auch der
wteder hier?
Asten stieg vom Pferde, übergab eS
einem Begleiter, u»d schritt zu dem
Kauernden hin. Er war es —es war
der Franktireur, welcher versucht ha'te.
Asten zu «rmorden Da« erstarrt« Ge
sicht, war auch im Tode noch von ab
schreckender Häßlichkeit; Haß «nd Wuth
verzerrten es. Der Mann war in den
selben Gesühlen gestorben, tn denen er
gelebt hatte. Ast«« k«hrt« sich
lag noch «in Körper im blutgerStheten
Schnee — ein weicher, weiblicher
Was Asten bei Belle - Fvntain« ge
fürchtet hatte, und was ihm dort erspart
geblieben war, hier lag es vor ihm!
Jeanne vom Tode gebrochen, starr,
reglos, stumm! ...
Langsam schritt Asten aus sie zu,
und bückte sich über sie hin. Sie lag da.
wi- aus reinem Marmor gemeißelt,
so ruhig, so friedlich «rnst, so lei
denschaftslos kühl Sie war der Qual
jedes FühlenS entrückt... Auch der
Medusendlick war aus dem Antlitz ent
flohen, jenes schinerzhaste Ausschließen
des Leben», in dem sie sich mühle,
seelisch zu erstarren .... Die dunklen
Augen lagen ausdruckslos, verglast,
ohne die »cse Stacht einsamer Gedanken,
ohne de» heißen, scheuen, mühsam ge
dämpften Btick ....
Es tri«b Asten zu untersuchen, wo
das Geschoß si« getrossen hatte.
Di« Wunde befand sich mitten in der
Brust 1.... Die Kugel mußte gerade
in das Herz gedrungen s«in
ESroar ihm lieb. Do war eS mU
eiacmmale zu End« und dir Tod barm
herziger gewesen als doi Leben.
Ast«, saßle die starre Hand, welcher
die Fahiie entsunken war. und richtete in
Gedanken die letzt« Ansprache an
die Todte: ..Lebe wohl, Jeann«! Du
wirst ruhig schlafen, auch ohne Ruhm.
DaS, waS Kein H«rz wahrhaft «r
-sehnl«, war ja auch nicht er, war
da«, wa« jedes Mädchen heiß ersehnt.
Du warft kein« Jeann« d'Arc, n«in!
ktine Eharlotte Eorday. lind daß du
«S nicht warst, hat dich mir näher g«>
bracht, als der Muth, der Ruhm
hätte thun können. Daß du ihn ge
sucht. wcr deine Schwäche, dein F«hl«r
und erwarb dir mrin« Bewun
derung nicht Nu» werden sie im Tode
vergessen sein, wie deine Tugenden.
Lebe wohl, Jeanne!"
Er legte die eisige Hand still zurück
Reiter nach kurzer Zeit »och einmal
rückwärts jah. war aus der Ebene nicht»
mehr j» entdecken, al« ein Leichentuch
Wie dicht die Flocken fielen! Als woll-
Friederike sah am Fester und blickte
hender, liegender Schnee, am Himmel
riejelnder. sagender Schnee Es war
«in «insörmiger, ermüdender Anblick.
Aon Zeit zu Z«it kehrte da« Mädchen
den Kops zurück, und lauschte, als
sich nicht« Dann wandle Friede
rike den Blick wieder hinaus. Aber
wer sollte kommen, an dem sie
Da» Tonche? Das war zu fleißig und
Halle zu Hause zu oiel Werke der Liebe
z» oerrichlen ... Der Bater? Der
saß in seiner Slube, ganz glücklich in
sicherem Bewußlseln, daß ihn heule nie»
war? Gott bewahr« sie vor deml Er
saß wohl im W>rthshausc bei seinem
Ablynlh und brachte die E>nkehiend«ll
Miluärmänttl gehüllte Männergestall—
ein Ossiclcr.... Wer koout« eS je>n?
E« fing schon an zu dunkeln und F«ed«»
l,kc konnte Form und Farbe der Mütz«
-itchl u>eh> crk«n.r«n. Aber ihr Herz fing
plötzlich an heftig zu schlagen. Es ko»nle
k«>n and«r«r sein st« fühlt« r« als
«rl Er, d«n si« g«h»sst hatt« ni«-
mal« wiederzusehen.... Er kam von
WaldenSau gewiß, kam al« Nata>
lien» Bräutigam!.. .. E« war nich recht,
daß er kam . t Hatte er denn nicht
j gemerkt oder hatte er so wenig Herz, daß
eines Mädchens Neigung nichts >ür ihn
w»i al« «n Spiel?.... Sie hatte ihn
wohl geschielt, u« d«n letzten, süßesten
Triumph zu feiern sie, Natalie! ...
Ein Wunder, daß si« nicht mit ihm kam,
um diesen Triuu'ph ganz auszukosten ..
Friederike sa»d in sich die Stütze,
die jede« MLdche« in solcher Stunde
zu finde« weiß. D«r Stolz flüstert«
«hr dieß Wiedersehe« schmerzlich sei.
Sie setzte sich hin. nahm ein Z«itung»-
blatt und legt« «s auf ihr« Kni«, al«
hab« si« darin get«s«n. Si« übt« di«
Mi«»« «in, di« er an ihr finden sollte,
während ihr Herz doch ängstlich klopste.
Er hatte mit dem Inspektor gespro
chen und 'hm die Haod geschüttelt, jetzt
»erließ cr jenen und schritt i»us dos
Haus zu
Noch ein Augenblick, dann klopfte er
an die Thür —er ließ sich nicht einmal
melden und stand »or dem Mädchen.
Sie sah seine hohe, ein wenig abgema
gerte Gestalt, hörte sein« Stimm« und
hatte doch nur den einen Gedanken, ihre
gleichgültig« Miene nicht zu oerlieren.
Warum aber war sie so ungewandt in
der Kunst des Sie bebte
davor, sich ein« Blöße zugeben. unddaS
wurde ihr »och schwerer durch dies«
Kurcht.
„Fräulein Fried«rike, ich halt« weln
Versprechen," sagte «r nach d«m ersten
Gruß mit bewegtem Ernst.
Warum mahnte er st« daran, wenn
dieses Versprechen doch k«in«n Werth
mehr hatte, weil di« Verhältnisse völlig
Sie hatte sich eine Anrede zurecht ge
legt, d>e jetzt nicht paßte: ~Ei, Herr von
Aste, auch schon zurück in der Heimath?
..." Aengstlich sagt« sie: »Bei solch
einem Wetter! Ich konnt'S nit glaube,
daß Sie da komme würde."
Vielleicht oerstand er die Antwort gar
nicht, denn sie kam so leise von ihre» Lip
pen. daß «S schwer sein mußte, sie zu er
fassen. Er hielt sich Indessen auch gar
nicht dabei aus, sondern saßte mit einer
entschlossenen Bewegung ihre beiden
Hände und zog si« näher zum Fe»ster,
In das entflieh«nde Licht.
.Ich will Si« fthen, Fräulein Frie
derike." sagleer, „will vergleichen, ob
Ihr Gesicht dem noch ähnlich ist, das ich
dies« lange Zeit her im Gedächtniß ge
tragen. Aber Sie scheine» nicht den
selben Wunsch mir gegenüber zu haben,
denn Sie senken die Wimper."
Was war das? Das war doch nicht
der Ton eines Bräutigam«? Friederike
«ntzog ihm verwirrt di« Hände und sagt«
in dem Wunsche, ihn zu einen Geständ
aitz zu zwingen: .Lasse S>« mich! ich
dllt'. Wie wi« geht «S Natalie?"
.Natalie?" Er that seinersril« «in«n
Schrill zurück- .Gräfin Waldrn, mei
nen Sic?" sragte er besremdet. „Ich
tächte, S>e müßten das besser wissen
»ls ich?"
.Aber Sie kommen doch von ihr?"
sragte sie. tmmei verwirrter „erdend.
.Nein. Sie ha« mich »or »i«r Wo
che» »«rlosscn. Seitdem habe ich sie
»icht gesehen."
.Ah so," murmelte sie, .dann befinde
Sie sich aus dem Weg zu ihr, nach Wal
de»«au?'
.Auch das nicht, - aiitwortile «r ver
wundert, .ich habe kein« Urjache, Grä
fin Waiden z» kejuchen."
.Nicht?" Die braunen Augen hoben
sich in maßlosem Erstaunen. „Aber
aber sie wird das übelnehmet"
Ein Verdacht wurde in ihm rege, und
tin zweifelnder Blick begegnete ihrem,
Erlauben S«« mir jetzt auch «in» Fi age
»Hat Ihne» die Gräfin etwas von mir
tiner Beziehung zu ihr?"
Die Befragte wurde wieder verlegen
„WaS soll ich daraus erwidr«? Es
ist mir ja «erböte, davon zu rede. ES
soll ja »och ein Geheimmß bleibe!'
Er lächelt« ein wenig.
.Nu», aus mich erstreck! sich da» Verbot
Der Ausdruck «iixr jchmtrzllchen
Bitterkeit trat auf Frideriken» Gesicht:
,Da» ist wahr,- sagte sie, »Sie müsst
>l«m dem heimliche Glück ja wlst« Ex
Eine dunkle Röth« überzog leine
liebt halte....
.Hören mich, Fräul«in Fried«-
Kars, ich millheiten, und daran.
jetzt incii Geschick. Ich stand im Be.
griff, mich mil Gräfin Wallx» z» vrr
»kr si« Hai»« ml« zweimat da« L«b«n
I«rett«t, und ich meint« ihr diese«
Leben schuldig zu sein, wenn sie e<
begehrte . E« war die Ansicht weniger
Die Bitterkeit schwand aus ihrem Ge
sicht, aber «in tieser Ernst blieb darin
zurück, und aus den bleichen Zügen
„Ah. das sreilich. da« hat sie mir
Er näherte sich ihr wied«r mit «rwar
rungSvollir Wärm«: .Werden S',e sich
damit jusriedengebea, mir wieder ver
drängt?"
Der blonde Kops senkte stch nicht
Locke von ihm schnitt, dt« er nachher bet
sich trug, bis Natalie sie oon sein««
Brust entfernte, «der der Major konnt»
di« Blick« nicht «ntschltiern, und die
Hand, die sich einst v«rtrauen«ooll in
seine gelegt, zog sich jetzt scheu oor dies«r
zurück. Di« Wort«: „Gewiß. Warum
WaS hatte si«? Wenn ihr Herz sich
iür iha legt«, warum zeigte sie e» ihm
nicht? In Asten erwacht« wirder die
Eifersucht Er dachte nicht an die Mög»
llchkeit.daß sie ihm noch nicht völlig traue,
daß sie e« etwa nicht «inmal sür schicklich
halt«, sich ihm gleich wieder so zutraulich
wie früher zu z-igrn, nur daran dachte «r.
daß sie doch imStillen jenem anderen be
reit« gehöre und sich nur vor dem offenen
Bekenntniß scheue. Hatte Natalie doch
nicht gelogen, sollte j«n«r Pfälzer Recht«
auf Friederikie hab«» ...Bei dem G«>
Wenigstens m«tnt« Asten zu bemerken, daß
ihr feines Gesicht vom Augenblick an. tn
welch«m si« den Neueingetretenen vor
stellte. einen hofsensfreudtgeren Ausdruck
annahm. Ihm selbst war die Störung
Drr Fremde war ein Südsranzose und
hieß Desorbe». Asten erkannte seine
nationale Abkunft aus den ersten Blick;
Dem Beispiele anderer Gutsbesitzer fol
gend, hatten die Waibach« aus jenem
überfüllten Lazareth einige ReconvnleS
zenten erbeten, damit diese sich in Fami,
ltenpflege vollends erholten. Aus beson
dere Verwendung des alten Enkerl«,
welcher die Bekanntschaft des Herrn ge
mach! hatt«, war der verwundete Kapi
tän nebst einem bayrischen Jägerlieute
nant Ebereschen»» überwiesen worden.
Deutschland vor Abschluß des Kriege«
nicht zu verlasstn, in Freiheit gesetzt.
Asten bekam indessen den Eindruck von
ihm, daß «r kein «ngenehmer Hausg«-
n»is« s«t.
Der Franzose fing nach der Vorstel
lung s«hr bald an, in düsterer Tonart
brzichiigt«, jew Vaterland verkauft zu
habt», und beklagte sich lchließlich bliter
auch über die deullchcü Arineen, ldeil
diese gewagt. Paris anzugreiseu Das
.Ein tlwa<> stürmlsckitr Gejelltchatler. '
häufig so benimmt '
tst »r auch nicht,' antwrrtet«
Friiderike. ,n-«»>' er nämlich annxlend
>stl da» tst «i ober ftlt« Unser Inspek.
lern« Si« werd« >ihc. El ist der
Fried« selbst ... "
„Ich wt»d, leider doch dar»us rerzlch-
wollen, Kricdericke,» sagk« «r, »ahm Vi«
Hand und küßt« fi«.
Ein nno«rkennbar«r Glanz b«r Freud«
erhellt« nach diesem Versprechen ihr klei
ne«, blasses Gesicht. Dann aber erhob
sie sich und schritt, ihm die Hand wieder
entziehend, an ihm vorüber. „DaS ist
Ihr. Als er über de» Hof htinschritl,
war «in« groß« GlückSsich«rh«it in ihm
Verlebt war si« mit j«n«m Saltentck
sicher nicht. St« hätt« ihn. Asten, sonst
nicht mit solch«« Worten aufgefordert..
Nun war thm alle» r«ch«, wi« e« war,
und er k«hrt« zu jeiner «rsten Absicht
zurück: er wollt« ihr voll zum Bewußt
bald sie dies erkannt hatte, würde sie
oon selbst sich ja entschließ«», sich »ssen
ging in da« Wohnzimmtr und sand dort
auß«r Fri«d«rik» den bayrische« Jtgee
und ein alte« Friuletn, «ine Sch««st«r
«l» Tante Mathilde b«z»lchnet ward.
Behagen der gtlellschastlichen Stim
mung «ntschiidea erhöht«.
Der bayrisch« Jäger, ein blutjunger
M«nsch von seinen Glieder« und mit
der Franzose, ab«r bescheidener Er
h««te «in Lachen aus d«n Lippen, da»
nur «in häufiger Husten aus Augenblick«
»«rlchtuchte, erzählt« all«rl«I Schnurren
und lustige Geschichten und war geradezu
glücklich, wenn dies« Fri«d«rik«n» zarten
Lippen «in Lächeln entlockt«». Da« alte
Fräulein. Tante Mathilde, schien «In«
b«wund«rnde Zärtlichkeit jür ihn zu ha
ben, obgleich sie von seinen G«schicht«n
wenig verst«hen konnt«, d«nn si« war
taub In ihr«m milden, alten Gesichte
stand schon gewohnheitsmäßig ein Lä
cheln, und es genügte ihr augenscheinlich,
cheln bisweilen sreundlich, al« wolle
sie ausdrücken, alle« waS um si« h«r
gesagt werd«, s«t >«hr gut. Den
Rest ihrer Befriedigung wußt« sie in
«inem großen grünen Strickbeutel zu
finden, aus dem sie wi« Asten später
ersuhr alle möglichen Dinge heraus
kramte, die ihr die Zeit angenehm ver
trieben od«r sich jür ihre Nebemnenjchen
nützlich erwiese».
Dies« friedliche alte Dame lebte ge
wöhnlich ln einem Stifte, auS welchem
Friederike sie hergebeten hatte, als die
Einquartierungen in Ebereschen»» sich
immer erneuten. Vielleicht, damit Herr
von Weibach keinen Vorwaud mehr
halte, um die hübsche Tochter allzuhäu
ng nach Engersweil zu verbannen, dachte
Asten im Stillen.
Unter der Einwirkung dieser liebens
würdigen Mensche» wurde es gemüthlich
«« dem lampenerhellten Zimmer. Dt«
Kaijeemaschine summte aus dem Tisch«,
und in ihrem dicken M«sst»g!eibe, des
sen Schnabel «in aromatisch«? Dust
««islrinut. spiegelte« 'lch vier glücklich«
Gesichter. Auch von Friederike war der
Druck genommen, der vorher aus ihr ge
tastet liaite-. wenigiten« sür diese Stunde.
Sie b«sand sich in «<n«r Umgebung wie
si« sie »er Kurzem tn «insainev Sinn«»
heig, aber hoffnungslos herbeigesehnt
hatt«, und es war ersichtlich, daß st« g«.
will! war. da» unerwartet« Gesckenk »01l
und .ganz zu genteßen Franz Wegmeter,
ss hieß der junge Jäger, sah dies mit
ebensoviel Freude wie Asten und wurde
dessen duich jetn vieles Sprechen immer
häu'lzereH.-stinanjäUe zuzog droht« thm
i-iii« Mach !d« mi! dem Finger und zog
voll Nosenbondon», derer. jü?«a Inhalt
er kost«» -Pichl«,
Währenldelle.i neigte Friederike
lächelnd zu Asten und lagie, chi» dea
Beulet zeigend „DiejeS grün« Wunsch,
sücklcin ist das groß, Mysterium meiner
Kindheit Ich sah die Taute
VI«! öftl!ch-z daraus liehine. daß >ch
daß «o in dem groß«, grün«, mit Ros«
bestickte Beutel steck«, und eS sehlt mir
n»>r di« Hand, die ei mi« herausziehe
H.lst . .."
Asten betrachtet« da«
Familienstück mii ?nt«r,s>« und üderjah
dir Kurien gelt? Und WII machen «Ine
gemiithliche Parihi« . . "
I» du Thal holte Taille Mathilde
Kasstitisck» wurde abgeräum' und «nun
lpielte ein«» Whist
D>« Ze>> «eiginy wie im Märchen
atH der alt« D»«nu lvellxi«. »er The« ftt
servirt, und da« Erscheinen oon Desorle»
«nd Enkerle da« B«hagen stört« De«
einzige, w«lch«m diese beide.- Gesellschaf
ter «ngenehm schien«», war Herr von
Waibach. der Herr oou Asten mit d«r
selbtn geistesabwesenden Freundlichkeit
begrüßte wie einige Monate früher.
Die Gesprächigkeit deS Franzosen,
welche ihn aller Theilnahme an der
Unterhaltung enthob, war ihm offenbar
bequem. Er machte abwechselnd ein
«rntt.'S oder mild hett«r«S Gesicht, je
nachdem jener in tragischen Tönen rast«
odrr >» weichen siuthe»den Worten elegisch
über das llngl»-.' jetneS Heimathlande«
klagte D«r alt« Znk«rle dagegen neigi«
st'.n zraustvppelige« Gesicht wett vor.
als fürcht« «r, e« könne ihn-, einer der
langstieligen Sitze «ntgehen. S» war
sichtlich schon wsnnesoll b«w«gt, di«
srrmde Sprache hören zu können. Friede
rike mochte da« verdrietzen, denn sie ver
suchte verschiedene Mal, den Marseillai
se- zum Eindämmen de« en!s«ss«ltin
Redeströme« zu bewegen, und al« fie
lah. daß «r, einmal losgelassen, nlch!
auszuhalten war, bewog sie Tanl« Ma
thilde, sich mtt ihr zurückzuziehen. Da
durch veranlaßte si» auch die Herren, sich
zeitig von »inander zu trennen.
Am and '.'«» Tage iuchte Ästen dea
Jäger in i->nem Zimmer aus. Der-
I«lbe war oöt?ig an da« HauS gebannt.
Er halte einen Schuß in dte Lunge be
kommen, und e« war etne bedenklich»
Schwäche tn ihr zurückgeblieben, so dag
thm dte Aerzt« gerathen hatten, noch ein«
Zeitlang in der m>l»«ren Psalz zu blei
be». ehe ,r in da« rauhe Klima je>n«t
oberbayrischen Heimath zurückkehrt«.
„Wi< geht «S Ihnen heut«?" fragt«
Asten, in da« rosig angehauchte, heiter«
Geiicht sehrnd, während «r di« ihm hin»
zerticht» Hand schüttelt«.
.Nun, so so," sagt« der Lieutenant
v«rgnügt, „ich hab« Stich«, und 'der
Huster plagt mich wltder gar sehr. Aber
«v» will ma» machen? E« kann nicht
alle Tage schön Wetter jein; nicht?"
.Sie lragen Ihr L«td«n mit vi«l Hu
mor. < bem«rkt« der Major, indem er sich
setzt«, aber di« ihm angebotene Eigacce
ausschlug.
.Ja, der Humor, da« Ist das bist«
am L«ben. DaS andere kann man sich
nicht selbst verschaffen, such wenn man
den besten Willen dazu hat; aber der
Humor oder „dte Schneid", wie wir
Bayern 'S heiße», de» kann sich ja ein
jeder jelbst bewahren, geht S gut oder
schlecht. -
Ästen betracht«!« den Sprecher. Sein
sonniges Temperament zog ihn an. In
tem Gesicht« de« jungen Mann«« sand
«r aber unter dem Glanz« dieser glück
lichen Laune nu, beunruhigend« Zeichen.
DaS Noth, das »och aus beiden Wangen
glühte, bildete zwei runde, scharf ab
g«grrnzt«, bedenklich hervorspringend«
Flecken, und die übrige Haul war gelb,
welk und trocken. Die schönen, hellblauen
Augen hallen bet aller Lebhaftigkeit
einen fieberhaften Blick, und die Mus
keln des mageren Halses waren in fort
dauernder, unruhiger Bewegung, um
der Brust den sehienden Alhem herbei-
ln dem Wunsche, da» Ergebniß sein««
Beobachtung nicht zu vkrrathcn, glitt
Ast«n» Blick von de» Zügen des Leiden
den aus dessen Umgebung. Er suchte
den Talisman in ihr. der eS dem lungen
Manne möglich machte, da« Leben,
daS er mit so viel Leiden erkau
fen wußte, in so rosigem Lichte zu sehe».
Den Tisch, a» dem sie saßen, bedeck
ten Zeichenutensilie», Blätter -e.
.Sie sind Künstler," sagte Ast«n,
' .Bitte, so viel zu bcwi>nd«rn ist. "
Der Major betrachtete die Zeichnn»
gen. Sie stellten meist militärische Er
«ignisse dar. Es zeigte sich in den Skiz
zen eine seine Beobachtung und ein kecker,
da» Leben leicht festhaltender Strich.
„Sie haben keine unbedeutende Bega
bung. " bemerkte Aste» erstaunt.
.Ich glaube da» selbst," meinte der
Jäger. „Stur hatte ich teider nicht die
Mittel, sie auszubilden. Ich bin in be
drängten Verhältnissen aujgewachsen und
lebe noch letzt >n solchen."
doch habxn Pe sich dies« köstliH«
Laun, dewa^r!?^
Uebte das Gesicht dcS Bayern zog ein
Lächeln. d , l ,
Ding lo gilt mache», daß wir selber auf
tu letzt nicht mehr gespüri haben, wie
bi'S «S war. Man glaubt eben nicht,
wa? ma« sich alles weglachcn kann,
h«jt,g sind."
El ji'bte sich mit rothen Flecken.
,Si« spucken Blut?" fragte Asten er«
schreckt.
.Ja,' jagt« der Jäger, nach Athem
de« Major« „Wijjen Sie, ich werd'nicht
Brust „Und deshalb möcht ich bald
mehr Meine Mutter möcht' weinen
ch mich «inrrihe« gegen ihren Willen.
Gortsetzung folgt.)
Da««»«» «-»e Kr«»«.
Bei der letzten Debatte im französi«
scheu Senat über Danton griff ein kleri
kaler Redner den berühmten Revolutio
när auf das Heftigste an, indem er un
ter Anderen« behauptete, derselbe habe
nie geliebt und kein/ anderen Frauen
gekannt, als Dirnen, mit denen er eben
soviel Faustschiäge al» Liebkosungen
austauschte. Von Seiten »»parteiischer
Geschichtskundiger wird jetzt die Falsch
heit dieser Behauptungen nachgewiesen
und dargelegt, daß der Führer der
Bergpartei ein Herz hatte, das für die
Reize holder Weiblichkeit empfänglich
war wie nur irgend eines. Einer Frau
vor Allen, welche «ine unvergleichliche
Schönheit und eine engelhafte Sanft-. .
muth besaß, war e» beschieden, diesen
'»arten Mann zu erweichen. Sie war
-ine Pariserin von bescheidener Her«
kunst, die Tochter eines Limonaden-
Händlers vom Pont-Neuf, wohin Dan
ton manchmal kam, um nach Schluß
der Clubfltzungen eine Erfrischung ein
zunehmen. Er sah sie und wurde
augenblicklich von Leidenschaft für sie
ergrissen. Seitdem er ihr zum erste«
Mal begegnet, liebte er sie mit einer zu
gleich tollen und respectvollen Zärtlich
keit.
Ihr gegenüber fühlte er sich einge
schüchtert, wurde er demüthig und un
terwürfig. Er fügte sich allen Laune»
de« schönen Kindes; und au» Dank
dafür, wie auch au» Neigung zu ih»,
reichte ihm da» Mädchen eines Tage»
die Hand zum Ehebunde. Von da an
begann zwischen diesen beiden so grund
verschiedenen Wesen ein Leben voll ver
schwiegener Seligkeit. Während i»
Paris da« SchreckenSregimeat sein«
blutigsten Thaten ausführte, wanderte«
die Zwei Arm in Arm durch die Wäl
der ,n der Umgebung der Stadt. Und
nachdem sie den Tag über in Vincenne»
oder Meudon gelacht und geschwärmt
hatten, kehrten ste am Abend heim No
sen> und Geißblattsträuße in dev Hän
den, mit den-n sie ihr Kämmerlein
schmück-en. Manchmal dehnte Dan
ton diese Ausflüge bi» in sein
burtShauZ in Bar-sur-Aube au»
und führte stolz und glücklich seine
„kleine Frau- durch all' die Pfade, die
er als Kind o'ine sie durchlaufen. Diese
intimen Freuden sollten uicht von
Dauer sein. Eine! Nachts kam Dan
ton von einer stürmischen ConventS
sitzung heim, in der er seine Feinde er
zittern gemacht hatte, und fand seine
Frau, von ene n hitzigen Wochenbett
fieber befallen, sterbend vor- Er nahm
sie in seine Arme und bedeckte sie mit
Küssen, heulend vor Verzweiflung. Sie
lächelte ilm sanft zu, strich ihm mit
ihrer kra't oscn Hand über die Augen»
um die Tdränen abzuwischen, und ver
schied. Zehn Tage nach dieser herzzer
reißenden Trennung wollte Danton
so erzählte Wickelet in seiner berühm
ten RevolutionSzeschichte in einem
wilden Anfall von Fieberdelirium die
arme Todte zum letzten Mal küssen.
Er scharrte sie aus dem Grabe aus,
brach ihren Sarg aus und drückte seine
Lippen aus den Mund der Leiche. Und
dem gegenüber sagt man, daß Danton
ein Mann gewesen sei, der »niemals ge
liebt" Haie!
Et« Idiot al» Rechenkünstler.
Schopenhauer tröstet sich und andere
begabte Leute einmal über ihren Man
gel an mathematiicher und rechnerischer
Befähigung: Man könne in der Ma
thematik in der Tertia, in allen anderen
Kächern in der Prima fitzen. Bekannt
'st, daß große Dichter »nd Künstler und
»«deutende Philosophen schlechte Rech
ner waren. ES scheint also in der That,
daß die Begabung sür Maß und Zahl
eine ganz besondere Anlage ist, die mit
hervorragendem Können auf anderen
Gebieten wenig zu thnn hat. Mancher
Leser enrsinnl sich wohl auch aus eige
ner Schulzeit, dak der beste Mathema
tikus s iner Klasse sonst gerade
Leuchte gewesen war und q„
dem Prüfstein Geister, den«-
'«ussatz. einen nur sehr dürfti
gen Goldgöhalt zu erkennen gab. Me
dem nun üllch sei: daß man geradezu
eiii Wunder in der Kunst des Rechnen»
und dabei sonst ein Idiot ist, da» dürft«
überraschend klingen.
Und doch stand dieser Tage vor dem
Amtsanwalt des Berliner Polizeipräsi
diums der Rechenkünstler Friderici, ein
Italiener von Geburt, der seit Jahren
in Berlin und Umgegend seinen Aufent
halt hat: er sollte gebettelt haben. Nach
einem amtlichen Zeugniß seiner Hei
mathsbehörde ist Friderici, der Rechen
künstler, schwachsinnig. Bei der Beur
theilung des Vergehens mußte man da«
in Betracht ziehen, andererseits auch be
rücksjchligen. daß der angebliche Schwach
sinnige ein Rechenkünstler ist. Freilich
will er nicht gebettelt, sondern nur Pro
ben seiner Kunst in Schanklokalen ab
gelegt und hierfür Geldgeschenke genom
men haben. Für seine geistige Eng«
sprach das durchau» echte, amtliche Attest
und sogar sein Benehmen. Friderici
legte trotzdem sofort glänzende Beweise
seiner Rechenkunst ab; er sagte dem
AmtSanwalt und mehreren andere«
Personen, al« man ihn aus die Probe
stellte, binnen einer Minute, wie viel
Sekunden Jeder bi» zum Augenblick ge
lebt hat. sobald man ihm Geburtstag
«nd Jahr angegeben hatte. Alle seine
,Rechnung« wurden sofort geprüft «nd
richtig befunden. Kopsschüttelnd sah
mau einander an; nachdenklich blättert«
der AmtSanwalt in den Acten. Der
Mann wurde freigesproch««.—Vielleicht
besaßt sich die Wissenschaft einmal mit
ihm.
Doppeltes Porto. Bevor
Sie diesen Brief schreiben. Jack, wa
schen Sie gefälligst Ihre Hände, sonst
haben wir doppelte« Porto zu bezah
len."
Beim Eramen. Der Nro
sessor: „In welcher seiner Scklcch en
wurde Gustav Adolf getödiet?"
Kandidat (nach längere« Sinnen):
„Ich glaube e« war iu keiner letzten."