Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 22, 1891, Page 7, Image 7

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    »«Atsch« «»ealNachrtcht«».
Provinz Westpreußen.
Gegen den Rechtsanwalt Peter Radtke
vo» Marienwerder und dessen Ehesrau
Sophie, geb. Kaulitz, verw. Duwald,
»st nunmehr ein Steckbrief wegen betrü
gerischen Bankerotts erlassen worden.—
In Bahrendorf erschlug der Stiefsohn
de» Besitzers D. feinen Stiefvater mit
der Axt und verwundete feinen Stief
bruder durch Axthiebe ebenfalls aus das
Schwerste. Jetzt hat sich herausgestellt,
daß er die Tbat im Wahnsinn begangen
hat und mußte nunmehr seine Ueber
sührung in's Irrenhaus erfolgen.
Bei der Prüfung der Confirmaiidcn in
der evangelischen Kirche zu Flatow
wurde die 15jährige Tochter des Ober
«imlinannS Becker-Klukowo vor dem Al
tar von einem Lungenschlage betroffen
und war bald darauf eine Leiche.
Provinz Pommern.
In Gködendirf bei Gützkow hat ein
Lrbeiterkrawall stattgefunden. Die
sämmtlichen Arbeiter erklärten, nicht
länger al» von Sonnenaufgang bis
Sonnenuntergang arbeiten zu wollen.
Der GulSherr richtete nichts aus,ebenso
Wenig der von ihm zu Hilfe gerufene
GendS'arm, der schließlich von der mit
Sensen bewaffneten Menge zurückge
trieben wurde und im Herrenhau»
Schutz suchen mußte. Da» Herrenhaus
wurde belagert; dem Gutsherrn gelang
es, zu entwischen und dem AmtSvorstc
her Anzeige zu machen, der dann Mili
tär von Greisswalde erbat. Die
Zahl der kleinen, au» ehemaligen Guts
dörsern hervorgegangenen Zwergge
meinden ist im CöSltner Regierungsbe
zirke sehr groß, z. B. im Kreise Lauen
burg, wo neben 23 selbstständigen Ge
meinden allein 42 au» adeligen Gütern
hervorgegangene bestehen. Im Kreise
Stolp sind deren gar 114, in Schlawe
4?, Rummelsburg 56, Neustettin 62,
Belgard 51 derartige Gemeinden vor
banden. Während der letzten Jahr«
sind im Colberg-CöSliner Kreise durch
zwei Colberger Kaufleute 14 Rittergü
ter angekauft und behus» Kolonisirung
parzellenweise wieder verkauft worden.
E» sind dabei neu entstandene 5 Be
sitzungen von je 200 bi» 300 Morgen,
2 von 100 bis 200, 40 Von 60 bis 100,
400 von 30 bis 60 und 40 Besitzungen
von 22 bis 30 Morgen ; endlich eine
größere Zahl Handwerkstellen bis zu 15
Morgen. Der Kaufpreis sür den Mor
gen Acker betrug durchschnittlich 300
Mark. Im hiesigen Kreise äußert sich
die segensreiche Folge dieser Colonisi
rung dadurch, daß die Auswanderung
fast aujgehört hat, und daß die Einnah
men a»s den KreiSsteuern beträchtlich
gestiegen sind.
Provinz Schleswig-Holstein.
Aus Fehmarn fällt die Ernte zur
Zufriedenheit aus. DaS Korn hat
zwar durch Nässe etwa» gelitten, beson
der? der Roggen, doch lohnt er gut und
liefert 25 b>S 30 Doppelcentner vom
Hectar. Mehr Ertrag noch verspricht
man sich vom Weizen und von der
Gerste. Daß das Deutschthum im
Norde» unserer Provinz Fortschritte
macht, gebt u. A. auch daraus hervor,
baß die Zahl der eingestellten Rekruten
mit Schulbildung in dänischer Sprache
von Jahr zu Jahr abnimmt. So wur
den im Eriatzjahr 1880 —81 in Schles
wig-Holstein Rekruten eingestellt,
darunter 67 mit Schulbildung In däni
scher Sprache, 1886—87 waren eS da>
gegen unter 402 S nur 50, und 188S—
l>0 waren von 3966 Rekruten nur 20
in der dänischen Sprache ausgebildet.—
Der Kaufmann Lippmann in Altona
wurde, nachdem er 200,000 Mark an
der Börse verspielt hatte, in seiner
Wohnung erhängt ausgefunden, nach
dem er drei Tage vermißt war. In
Apenrode fand unter großer Theil
nahme die EnthüllungSseier deS dem
verstorbenen Reichstags - Abgeordneten
Junggreen von der dänischen Protest-
Denkmals statt. KreisphysikuS Mad
vig hielt die Festrede.
Provinz Schlesien.
Der Bäckermeister Schulz in Sagan
nahm Arsenik, um sich zu vergiften.
Da das Gift nicht schnell genug wirkte,
so schoß er sich eine Kugel in den
Kops. Fällige Wechsel, die er nicht
einlösen konnte, haben Schulz in den
Tod getrieben. DaS in Sprottau zu
errichtende Denkmal sür Heinrich Laube
komint aus denjenigen Platz zu stehen,
wo der große Dramaturg durch eine
Kivmödiantenlruppe die ersten Anregun
gen zu seiner späteren Thätigkeit em
pfing Es ist daher das auf städtischem
Terrain stehende .MangelhauS" ange
kauft und niedergelegt worden. We
gen Uiiteischlaguiig erheblicher Spar
kassengelder ist der srühere Spar
lassen Controleur Jauer in Freystadt
verhaftet worden. Die Steinbruch-
Industrie hat sich im Glatzer Weber,
bezirk so stark gehoben, daß eine große
Anzahl von Webern diese lohnende Be
schäftigung mit ihrem ursprünglichen
Erwerbszweige vertauscht hab«n.
Der Bergwerksbesiyer Se.armond in
Kleinburg bei Breslau hat zahlreiche
Bohrverwche aus Steinkohle in den
umliegende» Ortschaften anstellen lassen
und emige sind, wie .Ostergrube" und
„Glüctfterngrube" in Trqnek uud an
der Sidönwalder Chaussee liegend, mit
großem Ersolge gekrönt gelvesen.
Provinz Sachsen.
Wahre Hnngerlvhne werden aus dem
Rittergut Wörmlitz bei Halle a. S ge
zahlt. Eine Frau erhält sür 13 Stun
den tägl'ch Arbeit 7v Psg., sage siebzig
Pfennige.
Die Gewerbe- und Industrie - Aus
stellung in Zeitz wurde durch den Re
gierungspräsidenten v. Dies» feierlich
eröffnet. Zeitz kann aus diese Ausstel
lung stolz sein. Die Hall^enthält fast
ausschließlich Erzeugnisse des hiesigen
Gewerbe?. In Delitzsch wurde unter
allgemeiner Beiheiligung der Emwoh
«erschast, der Vaterstadt des Gefeierten,
die Enthüllung des hier dem Gründer
und ersten Anwalt der deutschen Ge
nossenschaften, Dr. Schulze-Delitzsch,
'nichteten Denkmals vollzogen. Da»
bestebt aus einem Meter
!o!>cn Standbilde des Verstorbenen,
das von dem Bildhauer WeißenfelS in
'München, einem geborenen Delitzscher,
gefertigt und auö Bronze hergestellt ist.
Die vom Agenten Schmidt in Genthin
gemachten Veruntreuungen stellen sich
als viel größer heraus, als erst ange
nomnnn wurde; man spricht von etwa
100,000 M. Einige der zur Zeit der
Schmidt'schen Betrügereien zum Vor
stande gehörigen Mitglieder sollen in
den Anklagestand versetzt sein. Am
LI. Sept. sind !ZOO Jahre verflossen,
seitdem im Dom zu Halberstadt der
erste evangelüche Gottesdienst abgehal
ten wurde. Der Gedenkteg wurde in
würdigster Weise von der To »gemeinde
begangen.
Provinz Hannover,
112 In Güttingen Landschaftsmaler
Karl Eckermann. Derselbe war der
Sohn des Hosraths Eckermann in Wei
mar, der die Gespräche mit Goethe
herausgab. Im Dorfe Wahnebergen
bat eine große FeuerSbrunst fechs
Bauernhöfe mit allen Erntevorräthen
in Asche gelegt. Au» drei Dörfern
der Geest, Huium, Schessinghausen und
Gr. - Varlingen sind letzter Tage 40
Personen ausgewandert, um sich jenseit»
des OceanS eine neue Heimath zu grün
den. Unter den Auswandernden be
findet sich eine große Anzahl von Leu
ten, die über ei» ansehnliches Kapital
verfügen.
Provinz Westfalen.
Der Vorsitzende des Vereins „Ver
einigte Klempner-Gehilfen," in Dort
mui!o, Gustav Neumeyer ist wegen ver
schiedener UnreelliläteNj die er gegen den
Verein begangen, einstimmig aus dem
Verein ausgeschlossen worden. Beim
Herabspringen >. der Pferdebahn ge
rieth der Geldbriesträger Arnold in
Dortmund unter die Räder und wurde
tödtlich verletzt. Durch ein Schaden
feuer wurden in Dülken fünf Häuser
zerstört und zwei weitere erheblich be
schävigt.—ln dem holländischen Grenz
orte Aalten hat eine FeuerSbrunst in
nerhalb zwei Stunden sieben Wohn
Häuser in Asche gelegt. In Lüden
scheid hat sich der Schneider Meinert im
Kirchhose auf dem Grabe seiner kürzlich
verstorbenen Frau erschossen.
Rheinprovinz.
s In Bonn Leopold Arndt, ein Sohn
beS Dichters Ernst Moritz Arndt.
In Coblenz starben imVerlause einiger
Wochen drei Stadtverordnete, nämlich
der Gehennrath Adams, sowie die
Stadtv. Maner nnd H. Griesar. —ln
enchreckend. r Veise wächst die Berdienst
losigkeit unter den Haus- und Fabrik
strie in Creseld. Alle älteren Fabri
kanten versichern, daß sie einen solchen
schlechten Geschäftsgang noch nie erlebt
hätten, selbst 1848 und 1870 sei
niehr Arbeit und Verdienst gewesen.
Die Fabrikanten sind genöthigt, die
Lohne zu erniedrigen, die Arbeitszeit
zu kürzen, die Arbeiter aus lange
Wartezeit zu stellen, oder sie zu ent
lassen.
Hessen-Nassau.
Zu dem großen Brandunglück, von dem
das an der hannoverschen Grenze süns
viertel Stunden vor Münden gelegene
Dorf Wilhelmshasen betrossen wurde,
werden solgende Einzelheiten bekannt:
Die Brandstätte liegt direkt am User
der Fulda am Eingang des DorseS,
wenn man von Schule her kommt. Am
hellen Tage brach Feuer im Schasstall
des Anwesens deZ Ackermanns Flöther
aus und verbreitete sich sehr schnell bei
dem herrschenden Winde Weiler. Trotz
der unmittelbaren Nähe des Flusses
konnte da» Feuer eine große Ausdeh
nung gewinnen, hatte doch die einzige
Spritze de i DorseS nicht die Macht ge
nügenden Einhalt zu thun, weil sie kei
nen Sänger besitzt, sondern jedesmal
erst mit Wasser vollgesüllt werden muß.
Der nah« Brunnen war aus diese
Weise schnell ausgepumpt. Da» ver
heerende Element gelangte dazu, nicht
nur das Flöthersche Anwesen, Wohn
haus, Scheun«, Stallungen u. f. w.,
völlig einzuäschern, sondern auch noch
Anzahl anstoßender Scheunen- und
Stallgebäude zu vernichten, ebenso die
althistorische Kirche de» Ortes. Bi»
aus den Haser war die genannte Ernte
schon eingebracht, wodurch da» Feuer
natürlich große Nahrung erhielt. Der
Gesammtschaden wird sich abgesehen
von der Kirche — aus etwa 150,000
bis 200,000 Mark beziffern. Gegen 6
Uhr tra>n die Spritzen vo« deu Nach
barstädten ein, welche sich nur daraus
beschränken konnten, ein noch weiteres
Umsichgieiseii des Feuers zu verhindern,
da bei dem herrschenden Winde und der
eichten Bauart das ganze Dorf in Ge«
sahr war. Die Kirche »st sast gänzlich
zerstört. Jetzt ragen von dem LSng»-
schiss nur noch die kahlen Umfassungs
mauern in die Lüfte.
Thüringische Staaten.
Der Fabrikant W. Drescher, Inha
ber der Wollsirma Spindler >k Dre
scher, in Apolda hat sich erschossen.
Der in Buttstädt einquartierte Vice-
Feldwebel Stein vom Magdeburgischen
Pionierbataillon No. 4 stürzte gelegent
lich eine» Spaziergange» in den umlie
genden Bergen einen peilen Abhang
hinab und brach das Genick.-An Ent
schädigungen sür die durch di» Ueber,
schweinmung im vorigen Jahre Betrof
jenen in Camburg gelangten nunmehr
45.000 Mark zur Bertheitung. Der
! durch da» Hochwasser am 24. und 25.
November v. I. im Bezirke de» Land
' ralhsamteS Roda angemeldete und
> .ax>rte Schaden beläuft sich aus 169,
Mark.
Hesse n-D armstadt.
Oberlehrer Weckmann in Langen,
welcher wegen Fälschung eines Wechsel
accepts in Darmstadt zu einer füninio
> a lichen Freiheitsstrafe verurtheilt
Kurde, hat sich kürzlich dem Strajvoll.
Zuge durch die Flucht entzogen. Bor
25 Jahren zählte di« Stadt Mainz au
ßer den beiden Aktienbrauereien nnch 2K
selbstständige Brauereien. Von diesen
sind inzwischen IS eingegangen; ver
blieben sind die Brauereien „Weißes
Bierhau»", .Rother Kops", .Birn
baum", .Alte Krone", .Sonne",
.Schwarzer Bären" und dieMeyer'sche
Brauerei, früher „Stadt Mainz".
In der Provinz Starkenburg betrug
die Zahl der Fabriken und die
sen gleichgestellten gewerblichen Anla
gen, Bergwerke, Hütten und Salinen
am Ende des JohreS 1890 703. D>e
Zahl der beschäftigten Arbeiter war
32,234. Die Brauerschule in Worms
1865 von Dir. P. Lehmann gegründet,
war im verflossenen Semester von 47
Schülern au» fast allen bicrerzeugenden
Ländern besucht.
Königreich Baiern.
Die Feier des 700 jährigen Jubi
läum» der Heiligsprechung de» Bischofs
Otto 1., welche aus kirchliche Feste be
schränkt bleibt, fand in Bamberg vom
27. bi» 30. Zeptember statt. Haupt
festtag war der 30. September, an
welchem eine große Proceffion stattfand,
an der sich zahlreiche Bischöfe betheilig
ten. Wegen mehrfacher Betrügereien
wurde der Bankier Anton Ulrich in
Passau zu neun Monaten Gefängniß
und 2500 Mark Geldstrafe verurtheilt,
fowie zum Verluste der Ehrenrechte auf
die Dauer von drei Jahre. In einem
Anfall von Geistesstörung suchte und
fand die Gattin des Besitzer» Drescher
de« Gasthauses .Am See", in Schlier
see den Tod in den Wellen de« Schlier
see. Der Raubmord an Joses und
Maria Birnkammer in Münchsdorf bei
Altfraunhofen in der Nacht des 20.
August l. I. verübten nicht die in Hast
genommenen Strolche Spanner von
Gunthöring und Albrecht von Strau
bing, sondern der eigne Pslegesohn der
Birnkammer'schen Eheleute, welcher
bereits in Hast genommen wurde und
ein Geständnih abgelegt hat. Zur
Strafe sür einen Fehler in einer schrift
lichen Schularbeit schlug der in der
Münchauracher Schule anwesende geist
liche Lokalschulinspektor, Dekan des
Münch-Auracher Sprengels, ein 10-
jährigeS Mädchen hiesiger Elter» in
Anwesenheit der gesammten Schule
(Mädchen und Knaben) mit einem
Stock auf den entblößten Körper. Das
Mädchen, welches aus Scham vergeb
lich versucht hatte, den Körper mit den
Röcken zu bedecken, erklärte auf dem
Heimwege den Mitschülern, welche ob
der erlittenen Strafe höhnten, in»
Wasser gehen zu wollen. Thatsächlich
fand man die Leiche des Mädchens am
folgenden Tage im Flusse; der Leich
nam wies noch eine Anzahl blutun
terlaufener Striemen aus. Der Pre
mierlieutenant Gramich des 2' Feld-
Artillerie-Regiments in Fürth hat sich
erschossen. Welche Anziehungskrast
auch heute noch die bayrischen Königs
schiosser haben, beweist der massenhafte
Besuch derselben. So dürfte sich die Zahl
der Besucher des Schlosses Neu-Schwan
stein pro 1891 auf 10,000 stellen.
Die Noth über die obersränkiichen We
bern gestaltet sich Heuer größer als
sonst. ES mangelt den Webern die
Arbeit, und die Löhne sür Arbeitsleis
tung sind sehr niedrig, so daß es kaum
sür die dringendsten Bedürfnisse aus
reicht. Die armen Leute gehen einen
schlimme» Winter entgegen. Bei
Besteigung der HösfatSspitze, eineS
2260 Meter hohen, sehr gesährlichen
Berge», stürzte der CommiS in der
loh. Bichteler'schen Eisenhandlung in
Kempten, Karl Albert Müller aus
Tuttlingen, der älteste Sohn sehr ver
mögender Eisenhändlerseheleute da
selbst, ab ui.d blieb sofort todt.
Königreich Württemberg.
Die LeichedeS vermißten RegierungS
eopisten Letsch in Ludwigsburg wurde
am Rechen der Großingersheimer
Mühl« ausgesunden. Das Schiller
hauS in Marbach ersreut sich derzeit
eineS starken Besuches. Da» Ein
schreibealbum weist in den letzten drei
Monaten 1083 Einträge auf. Die Ge
sammtzahl der Besucher wird etwa
2500 betragen. Der länger« Zeit
verschwundene geisteskranke Prof. Dr.
Nördinger von Plattenhardt hat sich bei
seinen Angehörigen wieder eingefun
den. Er hat sich mehrere Wochen bei
einem Bauern zu Bernhausen aus den
Feldern versteckt gehalten. Die
Stadtverwaltung in Ulm beabsichtigt,
die bedeutenden Wasserkräfte der Jller
und Donau sür elekrische Kraftübertra
gung zu verwerthen.
Großherzogthumßaden.
-s- In Dettingen Krenzwirlh Lamben
Hamm. —s In Emmishosen Statthalter
Ignatz Eigenmann.—s In Engen Be
»irkSarzt Dr. Karl Hierlinger.—s Aus
feinem Gute in Untenbenthal der
wirkl. Gehe«mrath Frhr. Adolf von
Marschall. In Justetten machte der
««»jährige kath. Psarrer von Lottstetten
einen Selbstmordversuch, an dessen Fol
gen er inzwischen gestorben ist. —112 Der
Hauptlehrer und OrtSschulinspeetor
Ludw Wentz in Konstanz. Ferner der
Kunsthändler Friedrich schmidt. —-s-Jm
Altweiler (Elsaß), wo er sich zur Kur
aushielt, der älteste Ches deS
weltberühmten Hause» Bassermann
und Herschel aus Mannheim.
s Houptlehrer Joseph F«tscher von Rast
in Nollingen, wo er Heilung von einem
schweren Leiden suchte. In Nieder
schopfheim fand die EnthüllungSseier
de» Gedenksteins sür die Gefallen«« und
die Soldaten der Gemeinde Nieder
schopfheim au» den Jahre» IS70 —71
statt. 23 Verein» mit Fahnen in der
Stärk» von über SOO Mitgliedern waren
erschienen. In Linz würd» der Metz
ger Schmid, während er aus dem Acker
mit Pflügen beschäftigt war, vom
Schlage getrosten und war sofort todt.
Der Svjährige Landwirth Wendelin
Sieber in Groß Schönach fiel beim
Obstpflücken vom Baum und erlitt so
schwere Verletzungen, daß er nach we
nigen Minuten starb.
Au« der Rheinpfalz.
E» ist festgestellt, daß der wegen
Unterschlagung von 10,000 Mark flüch-
tig gegangene Briefbote RSller in
Blieskastel mit einem Verwandten das
Weite gesucht hat. I» Mannheim ha
ben sich Beide noch photographiren las.
sen. Ackerer Adam Sorg in Dann
ftadt wurde erhängt ausgesunden. Er
hinterläßt eine Wittwe mit 3 Kindern
In Landau wurde eine Frau Dreyer
von Etülzheim wegen mehrerer Sitt
lichkeitsverbrechen — sie hatte mehrere
minderjährige Burschen verführt —zu 3
Jahren Zuchthau« verurtheilt. De,
Presbyter und Kirchenrechner der Ge
meinde Meckenheim, I. Weruz, wurde
mitten in voller Thätigkeit aus freiem
Feld» durch einen Herzschlag au» dem
Leben abberufen. —Wegen Verbrechen»
der Nothzucht wurde der Bäcker Seb,
Graf in Osthosen zu 6 Monaten Ge
fängniß verurtheilt. Die Landeigen,
thümer in Ramftein beanspruchen fü,
den durch die Truppenübungen in de,
Gemarkung von Ramstein entstandene«
Flurschaden eine Gefammtentschädigung
im Betrag von 205,000 Mark. De>
Stationsverwalter Dahl in Weiden,
thal ließ sich vom Nachtschnellzuge über,
fahren uud war sofort eine Leiche. E>
soll sich eine ihm zu Theil geworden,
Rüge zu sehr zu Herzen genommen ha,
ben. Die Gattenmörderin Emin«
Marz. Kohl geb. Gras aus Weisenhein
wurde zu 2 Jahren Gefängniß ver>
urtheilt.
Mecklenburg.
Die Auswanderung aus Mecklenburg,
Schwerin stellt sich für die Zeit von An
fang des Jahres bis Ende Juli auj
637, für Juli allein aus 73
in Mccklenburg-Strelitz für erstere Pe
riode aus 134, für Juli aus 4 Perso
nen. Nach fast vollständig beendete.
Ernte stellt sich jetzt immer mehr her
aus, daß der Schaden, den da» ungün
stige Wetter in der ersten Hälfte de»
August verursachte, zwar ziemlich be
trächtlich, doch lange nicht so groß ist,
wie man ansang» befürchtete. Der Er
trag an Roggen wird aus Mittelernte,
an Weizen, Hafer und Gerste aber auj
eine sehr gute Mittelernte abgeschätzt—
Ein Feuer, das aus dem Boden des
RathhaufeS in Neustrelitz ausbrach, hat
daselbst werthvolle Actien vernichtet und
das Gebäude derart beschädigt, daß der
erste Stock abgetragen werden muß.
Braunschweig. Anhalt.
Lippe.
Der Kaufmann Johannes Brett
hauer in Braunschweig unterhielt mit
der Tingeltangelsängerin Helene Heim
aus Berlin, welche hier im Locale von
Elauditz allabendlich austrat, ein inti
mes LiebesverhSltniß. Ter Wider
stand der Eltern des jungen Mannes
gegen eine Verheirathung desselben ha>
nun ein tragisches Ende des Liebesver
hältnisses herbeigeführt: dieser Tag»
fand man in der Wohnung der Sänge
schossener Brust als Leichen. Di«
elektrische Beleuchtung der Straßen in
Blankenburg wird am 1. Ottober be
ginnen. In Emtinghausen hat sich
der Hofbesitzer I. K. Hoppe in einem
Ansall von Schwermuth ertränkt, nach
dem er zuvor einen Selbstmordversuch
mittels HalsabschneidenS gemacht hatte.
Die feierliche Enthüllung des Wil
helm Müller Denkmals in Dessau fand
am 30. September statt.
Schweiz.
s In Muri Herr Buchdrucker. I B.
Keller. Der Verstorbene, gebürtig von
sarmenstors, etablirte sich in Mur>
Ansang der 1850 er Jahre und über
nahm die Leitung des .Bolen sür Berg
und Thal." Ueber den Stand
der Kulturen wird aus ZizerS ge
schrieben: Die Weinlese wird dieses
Jahr eine überaus geringe werden.
In Revieren von 1V bis Mann
schnitz (1000 bis 1100 Klafter im
Maaß hallend) wird man leicht di«
Trauben in eine Tause bringen. Die
Kartoffelernte wird voraussichtlich
auch nicht ergiebig ausfallen.
Verschiedenen Blättern zufolge hat
sich Geineinderalhsschreibcr W. H. von
St. Margarethen aus dem Siaube ge
macht. Grund zur Entfernung: Eon
trahiru g eines Anlehen» vo» 1600
Fr. bei »er Sparkasse St. Margarethen
auf Rechnung der katholischen Schul-
Verwaltung und die Unmöglichkeit, den
im eigenen Nutzen verwendeten Betrag
wieder zu ersetzen. 112 In St. Gallen
Psarrer Johanne» Wartenmeiler, ge
bürtig von Kenzenau (Neukirch). Der
Verstorbene war von 1831 bis 1881,
volle 50 Jahre, Pfarrer der Kirchenge
meinde Lustdorf und trat Ende des
letzteren Jahre» von dem Amte zurück,
um den Rest seines Leben» im Ruhe
stand in St. Gallen zuzubringen.
—f In Walkringen Pfarrer A. Rüti
meyer. Der Verstorbene war ein vor
züglicher Kanzelredner und gewissen
hafter Seelsorger; auch als Ornitholog
war er geschätzt. Mit dem Ertrag
der Reben im Wallis steht es schlimm.
Die diesjährige Weinernte im Kanton
wird blos ein Viertel bis ein Drittel
des sonstigen DurchjchnittSertrageS lie
sern. Es bedeutet dieses einen Ausfall
von 4 bis 5 Millionen Franken. Der
StaatSralh hat die Errichtung einer
theoretischen und practischcn landwirth.
gastlichen Schule in Eeone beschlossen;
den Beitrag für die Abgebrannten in
Saxon hat er aus 500 Fr. erhöht.
Letzthin fanden Arbeiter bei den Aus
grabungen an der Stelle des ehemali
gen Tempels Jupiters aus dem St.
Bernhard eine sehr gut erhaltene Bron
zestatue vom Gott der Götter. Dies«
sein gearbeitete Statue ist 40 Cm. hoch.
Gleichzeitig wurden noch einige Medail
lons und ein bronzener Löwe ausgegra
ben von l 0 Cm. Höhe, ebensallS von
bemerkenlwerther Arbeit. Di« Fund
stücke gehöre» dem Kloster St. Bern
hard.
Oesterreich.
In Maria-EnzerSdors bei Wien ist
Frau Marie Mitterbacher, geb. Wag
ner, eine Schwägerin des einstigen Ju
m.nifter» Freiherrn von
>u» »8. Lebensjahre gestorben. Mit
der Verstorbenkn ist eine Reih? in
! teressanter Errinnerungen aus dem gei-
tigen und künstlerischen Leben Alt-
WienZ zu Grabe getragen worden; die
gr.ii, welche einst enie Schülerin der
blinden Klavierspielerin Paradis gewe
sen und als dreizehnjähriges Mädchen
schon mit Schubert aus dessen Manu
skripten am Klavier gespielt hatte, zählte
zu den Freundinnen von Körners
Braut Toni (Adamberger) und halte
unter Anderem zu Zacharias Werner,
Grillparzer, Lenau, Adalbert Stifter,
zu Schwind und Steinlein persönlichen,
theilweise sreundschastlichen Beziehur.»
gengestanden
Zu St. Eloud, in der
Villa Zimmermann, hat «in Mitarbei
ter de« .Figaro" den greisen, weißbär
tigen Gounod interviewt, um dessen
Meinung über die Lohengrin-Aufsüh
rung zu erfahren. Der Komponist de»
.Faust" hat leider durch starke Gehirn-
Congestionen so viel von seiner Seh
kraft eingebüßt, daß ihm da» Lesen
und Schreiben herzlich sauer wird. Er
erklärt sich außer Stande, irgend «ine
größer« Arb«it vorzun«hmen und ver
bringt sein« Tag« im Park der Villa
mit Spaziergängen oder Plaudereien
im Kreise seiner Familie. Die Ruhe
störungen bei Gelegenheit der Lohen
grin-Aufführung bezeichnete er al» kin
disch und erklärte, er verdamme sie .mit
aller Energie seiner Seele." Da»
Genie Wagner'S sei zu allgemein aner
kannt, als daß Paris sich länger sträu
ben dürfe, Wagner'S Werke kennen zu
lernen. „Lohengrin", "Tannhäufer",
„Die Meisterfinger" hätten schon
vor zwanzig Jahren ausgeführt werden
müssen. „Ihn fernhalten, weil er ein
Deutscher ist?" ruft Gounod. „Spielt
man nicht auch meine Opern in Deutsch
land, in Oesterreich, Italien und über
all? Ist „Robert der Teufel" nicht
da» Werk MeyerbeerS, eine» deutschen
Musikers? Hat den „Troubadour"
nicht ein Italiener componirt, Verdi?
Ich mißbillige Wagner» Betragen nach
dem Kriege, aber ich kann nicht zugeben,
daß das ein Grund sei, feine Werke von
unserer Bühne auszuschließen. Ich darf
mir schmeicheln, Franzose und Patriot
zu sein; ich habe nach dem Kriege Hym
nen geschrieben, in die ich mein ganzes
Herz legte, am meinen Haß gegen den
Feind auszudrücken, und meine ganze
Kraft, um in meinen Kompatrioten die
Hoffnung aus eine Wiedervergeltung
durch niisere Waffen zu beleben da
ru n aber spielt man den »Faust" nicht
weniger als zuvor in Deutschland."
Gounod erklärte zuletzt, daß er am
4. October die Große Oper besuchen
werde, um einer „Lohengrin"- Borstel
lung beizuwohnen.
Die Grube in Belgien,
auf welcher jüngst die Explosion schla
gender Wetter ersolgte, liegt 13km von
Charleroi entfernt, in der Gemeinde
Forchies-Lamarche und gehört der 2700
Arbeiter beschäftigenden Gesellschaft von
Moncean-Fonlaine, deren Anlage als
Musterwerse des Bergbaues gelten.
Im vorigen Jahre ist aus der ganzen
geche nur ein Mann verunglückt. Die
Katastrophe trat mo»genS 3j Uhr ein,
wurde aber, da die Explosion über der
Erde nicht vernommen wurde, erst gegen
S Uhr Vormittag» im Orte bekannt.
Diese Ursache deS Unfalls wird in
einem außergewöhnlichen atmosphäri
schen Lustdruck gesucht. Der Stollen,
in welchem die getödteten 27 Bergleute
arbeiteten, liegt in einer Tiefe von
Zoom. Arbeiter, welche in der Nähe
dieses Stollens beschäftigt waren, wur
den durch starken Geruch von Koh
tenwasserstoffgas aus di» Gefahr auf
merksam gemacht und konnten noch den
Förderkorb erreichen und zutage fahren.
D«e Rettungsarbeiten wurden von dem
Betriebsdirektor Riche sofort in's Werk
gesetzt. Außer den Getödteten, welche
sämmtlich durch größere oder geringere
Brandwunden entstellt waren, sanden
die Rettungsmannschaften auch eine An
zahl von Verletzten. Bis 11 Uhr Vor
mittags waren fämmtliche Leichen ge
borgen und im LöhnungSfaal auf Stroh
gebettet, wo sie gewaschen und mit
Todtenheniden versehen wurden. Unter
den Verunglückten befinden sich 16 Fa
milienväter. DaS jüngst« Opfer der
Katastrophe zählt 18 Jahre. Vierzehn
der Getödteten wohnten in Forchies, du
übrigen in der Umgegend. Drei der
Getödteten sind Gebrüder namens Bal
lst und zählen 18 bezm. 20 und 23
Jahre. Die Angehörigen der Getödte
ten wurden im Laufe des Tage» in
Reihen an den nebeneinander uusgebet
teten Leichen vorbdigesührt, wobei es zu
entsetzlichen Auftritten kam. DaS hie
sige Gericht hat sich an Ort und Stelle
begeben, um eine Untersuchung über die
Ursache der Katastrophe einzuleiten. In
der Gegend von Forchies war seit 23
Jahren keine Gruben-Explosion mehr
erfolgt.
Während Prinz Fried
ich August, der künftige Thronerbe
von Sachsen, dieser Tage aus Ritter
gut Berreuth bei Dippoldiswalde
weilte, brachten ihm die Militärvereine
aus der Umgegend ihre Huldigung dar.
Der Prinz sprach verschiedene Mitglie
der an, unter Anderen auch einen seiner
Originalität wegen bekannten dicken
Schmiedemeister, welcher früher bei der
Artillerie gedient halte. Vom Vice-
Vorsteher daranf aufmerksam gemacht,
daß dieser Kanonier be« deS Prinzen
Geburt mitgeschossen habe, sagte der
Letzter«: „Ah, da haben Sie also die
101 Kanonenschüsse mit abgegeben?",
Woraus unser Ex-Kanonier prompt er
widerte: .Jawohl, mir ham damals
oun Drei'n bis um Elfe uff Sie warten
müssen!" Diese im trockenstui Tone
gegebene Antwort amüsirte den Prinzen
und seine Umgebung außerordentlich.
Da» herrschende poli
tisch« Fieber hat auch die Pariser Kin
derwelt bis zum SäuglingSalter hüiab
ersaßt. Die Zuschauer der HauSwurst
bude im Tuileriengarten, von denen die
ältesten schwerlich acht Jahre zählten,
sorZerten am Zonntaz »in ZwUchenakt
mit großem Geschrei die Marseillaise
uns die Russenhymne. Der Biiden
besitzer ,nutzte dem kleinen Volke w»lt-
I laliren.
Damen an den Skatti.
schen der Berliner Bierwirthschaitei,
sind gegenwärtig durchaus keine seltenen
Erscheinungen. In den großen Garten
lokalen der Hafenhaide konnte man an
den schönen Abenden der letzten Wochen
diese weiblichen Skatspieler an niedreren
Tischen bemerken und dai Abiverse» der
Karlen macht sich bei der schnellen Be
wegung des rechten Armes und wenn
dieser mit einem funkelnden Armband
geschmückt ist, garnicht übel. Die be
kannten Ausdrücke am Skatttsch, die sür
gewisse Fälle und Vorkommnisse beim
Spiel gebraucht werden, aber sonst
eigentlich nicht für Damenohren be
stimmt find, schienen keinen Anstoß zu
erregen. Auch als eine solche Mitspie
lerin die ihr zufallende Sptelrause
einige Male zum Aufstehen benutzte,
waren die Mitspieler sofort mit einer
anzüglichen echten Skat-Redensart bei
der Hand, welche von der Mitspielerin
mit der harmlosesten Miene von der Welt
angehört wurde und als der Kellner
daS bestellte leere WeißbierglaS wirklich
brachte, lachte die Spielerin am meisten
über diesen Skat-Witz. Manche von
diesen Skat Damen wi'sen mit ihren
zarten Knöcheln so laut auf den Tisch
zu schlagen, daß man ernstliche Ver
ätzungen für eine zarte Hand besürch
n möchte. Als ein in der Nähe stehen
er Verwandter einer solchen Spielerin
die ungalante Bemerkung machte, daß
e» doch wohl für eine Frau passender
wäre, sich mit dem Strickstrumpf als
mit Kartenspielen zu unterhalten, ent
gegnete die Dame mit größter Seelen
ruhe: Beim Kartenspiel verdiene ich
mehr al» beim Strumpfstricken l Für
die nun einmal in Fluß gerathene Frage
der Frauen Emanzipation ist dies neue
berliner Kneipen Bild vielleicht nicht
ohne kulturgeschichtliche Bedeutung.
Man weiß, mit welch siren
zen Strafen heutzutage in Rußland all.-
die verfolgt und gemaßregelt werden,
deiche sich den Anordnungen des ortho-
Doxen Glaubensregimentes widersetzen,
besonders hart geht man augenblicklich
gegen Lutheraner und Protestanten
vor. Die religiöse Unduldsamkeit ist
jedoch durch die Ueberlieferung bei den
russischen Gewalthabern heimisch. Die
Kaiserin Anna, so schreibt man, be
strafte den Uebertritt deS Fürstenhauses
Galitzin zur rvmisch-katholischen Kirche
in den Angehörigen diese» Geschlechts
aus da» Schimpflichste uud mit erfinderi
scher Grausamkeit. Einen Galitzin inachte
sie zum Hosnarren und zwang ihn unter
empörenden possenhasten HochzeitSseier
lichkeiten zur Verheirathung mit einem
Mädchen au» der niedrigsten VolkS
klasse. E» war im Winter 1740, übcr
»essen Strenge man lange Zeit in ganz
Europa sprach. Anna ließ sich aus
Eis einen Palast erbauen und im In
nern mit allen Bequemlichkeiten, aber
ebenfalls aus Eis gefertigt, ausstatten.
Sogar vier Kanonen und zwei Mörser
hatte man auf diese Weise hergestellt
und vor dem Palast aufgestellt, starl
genug, mehrere Schüsse daraus abzu
seuern. AuS den Provinzen mußte»
die Gouverneure je einen Mann und
eine Frau in der Volkstracht schicke»,
und mehr als dreihundert solcher Per
jonen zogen vor dem Kaiserliche» Palast
vorüber und durch die Hauptstraßen der
Stadt. DaS Brautpaar schien hierbei
zuerst in einem großen Käfig einge
jchlossen, welchen ei» Elefant trug.
Einige Gäste ritte» auf Kamcele», an
dere fuhren zwei und zwei in Schlitten,
welche von Rennthieren, Ochsen, Hun
den, Böcken, ja selbst von Schweiue»
gezogen wurden. In der Reitbahn
Biron's, des ersten Günstlings der Kai
serin war ein Mahl bereitet, nach dessen
Veendigung Natioualiänze ausgeführt
wurden. Endlich brachte man die Neu
vermählten in den Eispalast, legte sie
in ein aus Eis säuberlich hergestelltes
Bett und zwang sie durch aufgestellte
Machen, es nicht eher als am anderen
Morgen zu vcrlassen.
Ein Selbstmord unter
angewöhiilichen Umständen wird sei,
einigen Tagen im Westend zu London
viel besprochen. Eine junge Dame Na
mens Ethel Bruce hatte mit einem un
gefähr 21 Jahre alten Deutschen Na
mens Otto oder Otter ein Verhältniß.
/ s des letzteren Freunde dahinter ka
men, bewogen sie den jungen Mann,
da» Land zu verlassen. Jüngst fuhr
nun Frl. Bruce niit ihrer Freundin
Frl. Maq Graham in einem Cab nach
Gonnerston Road, und als sie Edith
Road, Fulham, erreicht hatten, bat Frl.
Bruce ihre Freundin, ein Packet Musi
kalien in einem Hause abzugeben. Kaum
war Letztere ausgestiegen, so hörte sie
einen Pistolenschuß und man entdeckte
sosort, daß Frl. Bruce sich durch einen
Schuß in den Mund getödtet hatte.
Im Wagen lag ein sech»läufiger Re
volver, in welchem sich noch fünf Schüsse
befanden. Bei der Leiche entdeckt«
Briefe ergaben, daß eS sich um eine
LiebeSaffaire handelte. In einem der
selben drohte Frl. Bruce mit Selbst
mord. weil der Mann, mit dem sie ein
Verhältniß angeknüpft, dasselbe ab
gebrochen hatt«. Die Jury gab ihr
Aerdict dahin a!', daß die Dame Selbst
mord verübe habe während.zeitweili
ger Geistesgestörtheit", empfahl aber
gleichzeitig dem Leichenbeschauer, di«
Aufmerksamkeit des Ministers deS In
nern auf den Fall zu lenken, damit der
Verkauf von Revolvern in derselben
Weise geregelt werde, wie der Verkauf
Von Giften.
Ein französischer Mili»
lärarzt, Herr Longuet, hat dem Londo
ner internationalen hygienischen Kon
greß «ine interessante Statistik de»
Selbstmorde in den »«rschiedenen
Armeen Europas unterbreitet. Herr
Longuet hat solgende Durchschnittszahl
der Selbstmorde nach je Mann
ermittelt: Oesterreich 149, Deutschland
67, Italien 40, Frankreich 29 und Al
gier in Zolge klimatischer Einflüsse 63,
Belgien 21, England 23 und die Kolo
nien in Folge klimatischer Einflüsse 42,
Rußland 20. Spanien 14. An der
Spitze bieder Liste steht Oesterreich,
wenn sich die französische» Berechnun
gen als richtig erweisen.
7
»Uropa in der vorg«schichtitcht»
Ä«t».
Zu den sichersten Ergebnissen der
neueren geologische» Forschungen gehört
der Nachweis, daß in einer der jüngsten
Epochen der Erd-Entwicklung ein gro
ßer Theil Europa», besonders auch
Deutschland, von Eismassen und Glet
schern bedeckt war, ähnlich wie die»
heute noch bei dem hoch im Norden lie
genden Grönland der Fall ist. Au»
Ursachen, die wir gegenwärtig noch kei
neswegs genau kennen, wich später da»
Ei» zurück und e» stellten sich im Laufe
langer Zeitperioden allmählich diejeni
gen Verhältnisse ein, mit welchen Mit
teleuropa in das Licht der Geschichte
tritt. Eine genauere Kenntniß der Zu
stände, welche sich nach dem Zurückwei
chen des Eises hier zunächst herausbil
deten, ist jedoch erst durch die fast 17
Jahre umfassenden, höchst sorgsamen
Untersuchungen und Studien von Alfred
Nehring angebahnt worden. Dieser
ausgezeichnete Paläontologe hat au»
seinen Arbeiten den Schluß gezogen,
daß nach der Eiszeit Mitteleuropa zu
nächst eine tundra-ähnliche Vegetation
und Fauna trug, die später allmählich
nach Norden, Nordosten und auf die
Hochflälien der Gebirge zurückwich,
während sich in der Ebene auf geeigne
tem Boden eine Steppenvegetation von
dem Charakter der in den heutigen
srenburgfchen und westfibirifchen Step
pen heimischen Flora entwickelte.
Hochstämmiger, geschlossener Wald
war damal» in Deutschland auf lang«
Zeit hinaus gar nicht vorhanden oder
spielte nur eine völlig untergeordnete
Rolle. Die Steppe ist nach Nehring
auch zweifelsohne der damalige Haupt
aufenthalt deS Menschen gewesen und
nicht etwa der (gar nicht vorhandene)
Urwald. Die urwüchsige Cultur der
Jäger- und Hirtenvölker hat sich in
Steppengegenden, nicht in den Wäldern
entwickelt, und die Meinung, nach der
Eiszeit sei die Menschheit aus den Wäl
dern in die Steppengebiete gedrungen,
ist bestimmt irrig, ebenso wie ein angeb
liches Verjagen der Thier« d«S Walde»
durch di« Menschen in die Steppe nicht
ingenommen werden darf. Der Lem
ming, jene kleine Wühlmaus, welche
heute ihr Hauptverbreitungsgebiet in
den arktischen Steppen hat und al»
Characterthier der Tundren mit Recht
bezetchnet wird, war, wie die fossilen
Reste beweisen, unmittelbar nach der
KiSzeit in ganz Mittel- und Westeuropa
zu Hause. Schon vor Jahren hat
Nehring nachgewiesen, daß zwischen dem
Nordsuße de» Harzes und der heutigen
Stadt Braunschweig in einer gewissen
Zeit der Diluvialperiode tundra-ähn
liche Gebiete vorhanden waren, in wel
chen die Lemminge hausten.
An andern arktischen Säugethieren
fehlt e» in den diluvialen Ablagerun
gen Mitteleuropas auch nicht, denn
zahlreich finden sich Reste des Eisfuch
ses, de» Rennthiere», de» MoschuSoch
sen, deS Hermelin u. s. w. Nur all
mählich wichen diese Thiere in dem
Maße, als daS Klima wärmer wurde,
gegen Norden und Nordosten zurück,
am längsten scheint noch das Rennthier
ausgehalten zu haben, doch war eS zur
Zeit CäsarS gewiß nicht mehr in
Deutschland vorhanden. Ja der Steppe
schwärmten auch wilde Pferde umher,
deren Reste in den Ablagerungen der
Nacheiszeit Mitteleuropas zahlreich vor
kommen. Die Steppen boten diesen
Thieren reichlich Nahrung und Raum
für ihre Wanderungen; die tundra
ähnlichen Gebiete der Eisperiode schei
nen diese Pferde aber nur selten betre
ten zu haben, denn ihre Reste finden
sich nur selten zusammen mit denjeni
gen der arktischen Thierwelt. Schon
Middendorfs hat das wilde Pferd für
ein entschiedenes Steppenthier erklärt,
und Nehring behauptet, daß der eigen
thümliche Fußbau der Einhufer sich nur
i» steppenartigen Gegenden entwickelt
haben könne. '
Noch vor 100 Jahren gab eS wirk
liche wilde Pferde in den uralifchen
Steppen, aber seitdem find sie dort au«,
gerottet worden und kommen heute nur
noch im Innern Eentralasien» vor, wo
PrzewalZki kleine Trupp» angetroffen
hat. Nach Nehring reicht in Mittel
europa die Zähmung de» HauSpfcrde»
bi« in die jüngere Diluvialzeit zurück.
Da» Pferd hat ganz entschieden sein,
HeimalhSberechtigung in Europa, und
die srühere Meinung, daß eS au» Asien
stamme, ist ganz unhaltbar. Unter den
Bewohnern der ehemaligen Steppen
Mitteleuropas ist vorzugsweise auch di«
Gaiga Antilope zu erwähnen, die einst
bis nach Weftirankreich hin zahlreich
vorkam und mit den übrigen Steppen
thieren wahrscheinlich von Osten her
einwanderte. DaS Klima jener Zeit
war im Vergleich zu heute noch immer
»in rauhe«, auf den offenen Flächen
trieb der Wind ungehindert sein Spiel,
t« Sommer mit Sand und Staub, im
Winter mit Schneeflocken und Ei«
»adeln. Massenhafte Knochen der Wild»
vferde, deren Wirbelreihen sich oft noch
,n natürlicher Reihenfolge faiiden,
welche Nehring in den Ablagerungen
bei Westerezeln auSzrub, ließen es ihm
schon 1875 wahrscheinlich werden, daß
diese Thiere durch Schneestürme ihren
Tod gefunden haben und nachträglich
pon Sand und Staub überschüttet wo»
de« sind. Wie viel» Jahrhunderte mö
aen seitdem vergangen seinl Damal»
standen weder Babylon noch Niniveh
und die Gründung der Siebenhügelstadt
am Tiber ruhte noch im Dunkel ferner
Zukunft. Wa« sich im Einzelnen wäh
rend der folgenden Jahrhunderte und
Jahrtausende in Mitteleuropa ereig
nete, wissen wir nicht; wir wissen nicht,
wa» au» den thierisch wilden Jäger,
stämmen geworden, die in der Steppe
gehaust haben. Wie wir zuerst Mittel
europa wiederfinden, ist eS mit undurch
dringlichem Urwalde bedeckt, d>e Hei
math freiheitliebender Germanen, derni
Körperkraft und Kampfesmuth das
weltbeherrfchcnde Rom erzittern macht.
Auchim Ehehafen sollte der
Quarantainezwang eingeführt werden.