Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 08, 1891, Page 6, Image 6

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    v
Der «aubfrasq.
In der Selekta herrschte groß« Auf
regung. Der Streich, den die „jungen
Danietl" ihrem Literaturlehrer gespielt
hatten, war der Vorsteherin zu Ohren
gekommen, und diese „spie Feuer und
Flamme", wie Gertrud Schröder sich
auszudrücken beliebte.
Es war aber auch gar zn bunt, was
da mal wieder „ausgefressen" worden
war. Unter Anführung von Gertrud
Schröder hatte man einen jungen Laub
frosch in den Hut des Lehrers gesetzt,
der, als der Eandidat seine Kopfbe
deckung am Ende der Stunde von dem
Schranke nahm, wohin er ihn stets zu
setze» pflegte, diesem in kühnem Satze
in's Gesicht sprang.
O. wie man dieses Vorkommniß all
seitig bedauerte, und wie man sich ver
wunderte, daß der Laubfrosch in den
Hut gekommen war. Aber dieses Mal
yattcn die Selektanerinnen die Rechnung
ohne den Zorn ihres Lehrers gemacht.
Spornstreichs war er zur Vorsteherin
geeilt, und hatte ihr mitgetheilt, wie
weit man sich vergessen halte.
Fräulein Erica Weißbrot hatte bei
der Erzählung die Brille hin und her
geschoben, was stets ein Zeichen von
großer Erregtheit bei ihr war, und eine
exemplarische Bestrafung der Missethäte
rinnen zugesagt. Sie war dann hinaus
gegangen in die Selekta und hatte Auf
klärung verlangt. Aber trotz ihres
Zornes und trotz alter Drohungen war
nichts zu erreichen. Die jungen Mäd
chen blieben bei ihrer Behauptung, daß
sie nicht wußten, woher der Frosch ge
kommen war.
„Wissen Sie es auch nicht, Gertrud
Schröder?" fragte die Vorsteherin mit
besonderer Betonung: und ein „ganz
gewiß nicht" war die Antwort.
Die Vorsteherin wußte genug. Näm
lich, daß sie doch nichts erfahren werde.
Aber ungestraft sollte diese Freveltbat
doch nicht hingehen. Die ganze Klasse
mußte zwei Stunden nachsitzen. Man
denke. Die Selekta, die ganze Selekta
zwei Stunden nachsitzen. Mäuschenstill
war es geworden, als die strenge Leh
rerin die Strafe diktirte. „Und dann
werden Sie Ihren Lehrer um Verzei
hung bitten, verstanden?" hatte sie hin
zugesetzt, „und Gertrud Schröder wird
Das war zu viel. Um Verzeihung
bitten und Gertrud Schröder die
Sprecherin!
Und dann war der gefürchtete Tag
gekommen. Sie hatten olle ihre Strafe
abgesessen in stummem Trotz, und jetzt
sollte die Literaturstunde beginnen. O,
wie Gertrud das Herz klopfte! Warum
geschah kein Wunder? Warum that sich
die Erde nicht auf, um sie zu verschlin
ge»? Und dazu noch die stille Schaden
sreude der Mitschülerinnen!
Die Thür wurde geöffnet, und herein
trat der Mann, dem sie, ehe der Unter
richt begann, ihre Bitte im Namen der
ganzen Klasse vortragen mußte. Sie
schluckte mehrere Male etwas, das ihr
in die Kehle gekommen war, hinunter
und begann dann zu sprechen:
„Im Namen der ganzen Klasse bitte
ich Sie, Herr Doctor, um Verzeihung
für das Unrecht, das wir Ihnen ange
than, indem wir in der letzten Stunde
.Ihnen" —weiter kam sie nicht.
Der Lehrer war erst überrascht, als
«r bemerkte, daß Gertrud Schröder, die
Unbändigste von der ganzen »lasse, ihn,
der keiner Fliege etwas zu Leide thun
konnte, um Verzeihung bat. Dann
siegte seine Gutmüthigkeit, und lächelnd
auf das wie mit Feuer übcrgossene
Mädchen zutretend, bat er die Sache
auf sich beruhen zu lassen und zum Platz
zu gehen.
Gertrnd athmete auf und eiligen
Schrittes kam sie der Aufforderung
nach, um dann in heftiges Schluchzen
auszubrechen.
Seit dxr Zeit hatte der Herr Eandi
dat Bruno Armleder Ruhe vor seinen
Schülerinnen. Keine dachte mehr da
ran, ihm einen Streich zu spielen, denn
Gertrud, die sonst Nimmermüde im
Auehecken bvser S'reiche. ließ die Flu
gel hängen, und die Anderen waren zu
indifferent.
Als der Frühling seine ersten Boten,
die Sonnenstrahlen in's Land sandte,
und Ostern gekommen war, da verließen
die meisten Schülerinnen der Selekta
die Anstalt; und unter ihnen war auch
Gertrud Schröder. Die Sitte ver
langte es, daß die abgehenden Schü
lerinnen von ihren sämmtlichen Lehrern
Vorschrift nachgekommen. War es doch
den meiste» junge» Mädchen ein Gau
dium, sich von ihre» Quälgeistern, wie
sie die würdigen Herren, und von ihrem
Oberqualgeist, wie sie die Vorsteherin
nannten, zu verabschieden.
Auch Gertrud fühlte ein geheimes
Wohlbehagen, als sie zum letzten Male
vor ihren Lehrern stand. Nur als die
Reih« des AbschiednehmenS an den letz
sie Kehrt und entrückte der Schule aus
Nimmerwiedersehen.
.
Ein volles Jahr war ins Land ge
ga»,cn. Gertrud hatte ihren ersten
tpaU, aus dem sie sich köstlich amüfiri
hatte, „längst" hinter sich, und hätte Hei
na le sogar einen »orb ausgetheilt.
Es war aber nicht dazugekommen, weil
Thekla Land, ihre beste Freundin, dem
Anbeter, der so »furchtbar" ungeschickt
W einen Wink gegeben hatte. Tie
te.de» Freundinnen hatten sich hierüber
eruirnt, denn Gertrud hatte Thekla
Vorwurf« über ihr Verhalten gemacht
und diese hatte sich das nicht ge alle''
lassen mollen. Es war aber auch zu
ärgerlich. Einen Korb zn ertheilen ist
sür ein junges, kaum der Schule ent
wachsenes Mäd.-den keilte Kleinigkeit,
und sich darum gebracht zu sehe», taun
selbst ein Lamm in Zorn bringe»; nna
Gertrud Spröder war durch aus kein
Lamm. Sie hatt« ihre Freundin dann
gänzlich, oder auch gänzlich ignorirt,
bi» dies« ~ch mit einem jungen Arzt,
verlobte. Da siegte die gute Natur
Gertruds. Voller Freude war sie zu
Thekla geeilt und hatte sie umarmt und
geküßt und von ganzem Herzen Glück
gewünscht. Tann kam der Bräutigam
„strahlend wie ein junger Gott", und
es tegann ein Plaudern und Scherzen
wie zwischen alten Bekannten.
Im Laufe des Gesprächs kam man
auch auf die Schulzeit zu sprechen, in
dem man sich die Freuden und Leiden
dieser Periode theilweise in'S Ge
dächtniß zurückrief, theilweise mittheilte.
Natürlich wurde auch die Froschge
schichte erzählt, wobei man sich herrlich
amüsirte. Doch als der Name Bruno
Armleder genannt wurde, da horchte
fsranz, so war der Name des jungen
-Verlobten, hell auf, und dann in ein
schallendes Gelächter ausbrechend,
meinte er, daß dieser sein bester Freund
sei, dem allerdings so etwas leicht Yas
siren könne. „Aber ein herzensguter
Mensch ist er", setzte er hinzu; „und
dem hättet Ihr eigentlich nicht solchen
Streich spielen sollen." Gertrud und
Thekla sahen daS allerdings auch ein,
aber an dem Faktum war leider nichts
mehr zu ändern. Zudem waren sie der
Schule entwachsen (Thekla war ja fo
zar verlobt), waS sollten sie sich also
mit solchen Angelegenheiten noch ab
geben.
Die Vorbereitungen zu der Hochzeit
wurden mit großer Energie betrieben,
denn, da der Bräutigam eine Stelle als
Assistenzarzt an einem namhaften In
stitut in der Residenz angenommen
hatte, so mußte, wenn da» junge Paar
zur rechten Zeit eintreffen sollte, Eile
zeinacht werden.
Gertrud kam sich ungemein wichtig
iwr. Ihre Freundin berieth Alles mit
ihr, und mit einer Sicherheit, als wäre
ihr daS Verheirathen ihrer Fveundin
ien eine tägliche Beschäftigung, nahm
ie die Führung der Geschäfte in die
band. Ein Glück nur, daß die Mutter
Thekla'? da war. ES wäre sonst wohl
!in sehr buntes Arrangement geworden.
Und dann war der Tag der Hochzeit
da. Früh Morgens war Alles auf den
Beinen, und soviel war zu thun, daß
»an kaum fertig war, als eS zur Trau
ing ging. Die Kirche war gefüllt mit
Hochzeitsgästen und Neugierigen, und
Gertrud fühlte in der allgemeinen Rüh
rung, die auch sie befiel, so etwas wie
den Wunsch, recht bald ebenfalls vor
sein Altare zu stehen und mit dem
Manne ihrer Wahl für'» Lebe» verbun
den zu werden.
Man war dann zum HochzeitSsaal ge
fahren, wo die Stimmung allerdings
tiicht mehr so feierlich war, wie in der
Kirche, dafür aber einer heiteren Laune
ZZlatz gemacht hatte. Der Knäuel, der
sich um daS eben getraute Ehepaar ge
bildet halte, löste sich allmählich in klei
nere Gruppen auf und die Vorstellun
gen begannen. Auch Gertrud machte
icue Bekanntschaft und plötzlich stand
nn Herr vor ihr, den sie sofort als
ihren früheren Lehrer, den Kandidaten
Bruno Armleder erkannte. Sie war
ganz befangen geworden, als er ihr die
Hand zum Gruße bot, und mit stocken
der Stimme gab sie auf seine Frage
»ach ihrem Befinden Auskunft.
ES war aber auch zu fatal, daß dies«
Begegnung hier stattfinden mußte.
Sie mochte gar nicht aufsehen zu dem
großen, stattlichen Mann, der ihr jetzt
ganz anders vorkam, als zur Zeit, da
sie noch seine Schülerin war Sein
Wesen war überhaupt ganz anders ge
worden. Er war gar nicht mehr so
ungeschickt, wie in der Schule, wo er
den unbändigen Mädchen gegenüber
eine so eigenthümliche Rolle spielte. Er
sprach und benahm sich so sicher; ganz
anders als früher, und sie fühlte, daß
sie sich ebenfalls anders benahm; aber
,u ihrem Nachtheil. Sie war befangen
diesem Manne mit der großen Ruhe
gegenüber, nnd da-Z ärgerte sie. Am
liebsten wäre sie heute auch davon ge
laufen, wie damals aus der Schule;
aber das ging doch nicht. Sie hätte
sich ja unendlich blamirt. Und jetzt
fing er sogar von ihrer Schulzeit an zu
sprechen, und fragte sie ganz ruhig,
warum sie denn bei der Abschiedsfeier,
ohne ihm Adieu zu sagen, fortgeeilt
war. Sie wußte eS nicht mehr genau.
Sie glaube, sie sei von eWin plötzlichen
Unwohlsein befallen worden.
Sie halten sich inzwischen gesetzt,
und Gertrud wurde immer unbehag
licher zu Muthe, und er redete immer
mehr aus sie hinein, und plötzlich sagte
er ganz naiv, daß sie doch nicht immer
i l ihren Schooß sehen solle, und doch
vergessen möge, daß er einst ihr Lehrer
gewesen war. Sie ärgerte sich über
diese Bemerkung, und mit aller Krast
nahm sie sich zusammen und schüttelte
ihre Befangenheit ab. Sie lachte und
plauderte mit ihm und sah ihm inS
Aesicht; denn sie war ja eine Dame,
und er war ein Herr, der zufällig mal
früher ihr Lehrer war. Freilich, daß
sie ihm öfters einen Streich gespielt
hatte, zuckte ihr dann und wann durch
den Kopf, und dann mußte sie sich je
desmal zusammennehmen,um ihre Würde
zu bewahren, weil sie sich schämte. Pah,
warum wohl! und dennoch: sie fühlte
sich immer und immer wieder besangen
und wünschte sehnlichst von dieser Ge
sellschaft befreit zu sein. Es konnte ji
auch gar nicht lange mehr danern, daß
man zu Tische ging, und dann wollte sie
sich entschädigen und mit ihrem Tisch
herrn Champagner trinken und Knall
bonbons entzwei reißen und überhaupt
ausathmen. Denn jetzt war eS gerade
zu schrecklich. Endlich nahte der ersehnte
Augenblick heran. Ein Diener hatte
zeineldet. daß angerichtet sei, und nun
ergoß sich der Schwärm der Gäste in
den Speisesaal. Bruno Armleder war
ebenfalls ausgestanden und mit einer
eleganten Verbeugung bat er Gertrud
um ihren Arm, da ihm die Ehre zu
Theil geworden sei, sie zu Tische zu
führen.
O. w: schrecklich! Das mußte ih,
passire», ihr, die Alle» arrangirt hatte
nnd nicht einmal wußte, daß dieser ent
setzliche Mensch überhaupt geladen war,
and jetzt sogar an ihrer Seite sitzen
sollte, mehrere fürchterlich« Stunde«
lang.
Sie waren dann zusammen zu Tisch«
gegangen und schweigend verzehrten sie
die Suppe. Er hatte ihr dann ein
Gla» Mein eingeschenkt, und sie mußt«
mit ihm anstoßen und trinken. Dai
war schrecklich, aber eS hals doch etwa»
über die Situation hinweg, denn de,
Wein that seine Schuldigkeit; und bei
dem zweiten Glase wurde sie schon et
was aufgeräumter. Dann wurde de,
erste Toast auf das junge Paar ausge
bracht und Gertrud stieß wieder an und
nickte ihrer Freundin und deren Gatten
zu und diese nickten wieder, als besteh,
ein leichte« Einverständniß zwischen
ihnen.
Als die Tafel sich dem Ende näherte,
befand sich Gertrud in einer Laune, du
gänzlich von Befangenheit frei war. Si,
stieß mit ihrem Tifchnachbar an und riß
Knallbonbon« entzwei, ganz wie sie ei
sich vorgenommen hatte.
Nachdem die Tafel aufgehoben war,
ging man in den Garten. Bruno hatt«
Gertrud den Arm gereicht, und sie lach
ten und scherzten, als hätte es nie eine?
Laubfrosch gegeben. Eigenthümlich
wie der Herr Eandidat sich aber anet
in einem Jahre verändirt hatte. Et
trug das Haar nicht mehr wie früher
glatt an den Kopf gescheitelt und war,
wie sie jetzt erst bemerkte, überhaupt ei«
hübscher Mensch. Besonders wenn er
lachte. Dann kamen seine herrlichen
Zähne wieder zum Vorschein, und um
seinen Mund legte sich ein so hübscher,
gutmüthiger Zug. Und lustig war er,
und erzählte Schnurren und Geschichten,
daß man sich ausschütten mochte vvl
Lachen.
Der erste Tanz gehörte natürlich
ihrem Tischnachbar, und als sie zum
zweiten Male mit einem andern tanzen
mußte, da amüsirte sie sich garnicht, und
freute sich, daß Bruno garnicht tanzte,
sondern vom Büffet eine Erfrischung
holte, die er ihr dann, sobald sie Wiedel
saß, überreichte.
ES war doch ein herrlicher Tag
worden. Viel schöner als sie geglaubj
hatte, und sie hatte sich von dieser Hoch
zeitofeier sehr viel versprochen. Be
fonderS wollte sie sich von all' der
schneidigen Herren tüchtig den Hof ma
che» lassen; und jetzt, wo Alles auSge
blieben war, vermißte sie eS garnicht
Wie das wohl eigentlich gekommen
war? Sollte sie vielleicht sur Bruno,
ihren früheren Lehrer, so viel Jnteress«
gefaßt hatea, daß sie die Anderen gar
nicht vermißte? Nein, nein! DaS
konnte ja garnicht angehen. Und den
noch, es war so, cs mußte so sein! Ein
wonniges Gefühl kam über sie, als si«
die Vorgänge des heutigen TageS an
ihrem Auge Revue passire» ließ.
Sie hatte garnicht gemerkt, daß si«
neben ihm saß, und daß er sie unver
wandt ansah, und jetzt leise, ganz leis«
ihre Hand faßte und heinilich drückte,
ein-, zweimal; bis sie sich darauf er
tappte, daß sie den Druck erwiderte.
Und plötzlich war eS gekommen, sli
wußte nicht wie, daß sie draußen in
dunkeln Garten stand, wo der Flieder
duftete und die Nachtigall sang, und ?i
neben ihr, und ihre Hand gefaßt hatte.
Und plötzlich hatte er sie in seine Arm«
genommen und sie auf die Lippen ge
küßt, unv sie hatte es gelitten und dann
Kuß um Kuß mit ihm getauscht uuzäh
lige Mal.
Ein Jahr später war Gertrud dii
Frau des wohlbestallten Pfarrers
Bruno Armleder, und war glücklich; so
glücklich, wie nur wenige Menschen, di,
ihrem Lehrer einst einen solchen Streich
gespielt hatten, wie sie.
An Sie, oderLiebe überwittdet all«
Hindernisse.
Und würd' ich am Nordpol segeln,
Md Du hätt'st am Südpol Quartier
Ich kratzt' mit den Fingernägeln
Mich durch den Globus zu Dir.
Und wenn cs Dein Vater nicht litte,
Weil ich nicht so reich bin wie Du,
Ich sammelt' Cigarrenabschnitte,
Bis mir die Million fiele zu.
Und wenn auf dem Meeresgrunde
DL wohntest, und ich am Strand,
Ich wurde mit eigenem Munde
Austrinken das Meer bis zum Land,
Und läge auf Deinen Wangen
Der Puder auch noch so dicht,
Ich würde Dich küssend umsanges..
Bis reinlich wär' Dein Gesicht.
Ein tüchtiger Jagd
hund. Als ich vor zehn Jahren noch
in englischen Diensten stand, erzählt«
der Seecapitän Buller, benutzte ich einen
längeren Urlaub, um auf meinem Gute
in Hampshire der Jagd obzuliegen.
Eines Tages stand mein Hektor, ein
vorzüglicher Vorstehhund, vor einem
Volt Hühner. Eben will ich schießen,
da kommt ein Bote von der Admirali
tät, ich solle mich sofort an Bord bege
be» und absegeln. Ich gehorchte na
türlich. Nach einer einjährige» Ab
wesenheit kam ich wieder auf das von
mir zuletzt bejagte Feld. Und was finde
ich da? Das Skelett meines Hektor in
derselben Stellung, in welcher ich ihn
verlassen hatte. Ich hatte damals ver
gessen, den Hund abzurufen, und im
Eifer feiner Pflichterfüllung war er
stehen geblieben, bis er verhungerte.
Postalische Findigkeit.
An den Professor M. kam ein unbe
fchriebenS Eouvert, in welchem ein un
beschriebener Briesbogen steckte, mit de,
Aufschrift: „Adressat nicht zu finden."
Nach langem Grübeln und nach ein
gehender Prüfung des Papiers mußti
sich Professor M. sagen, daß er wirklick
Absender dieses unbeschriebenen und un
adressirien Brie-eS sei. Aber wie wuß
ten Sie eS, fragte er den Pofidirector,
daß ich der Absender bin? Nun, wei
wäre hier am Orte sonst woyl so zer
streut, einen Brief abzusenden, den ei
zu schreiben vergißt?
Hinter sich bringt, wer et
was vor sich bringt.
«t« dtlltg«« »N».
ES war bei einer letzten Gemäldever
steigerungen im Hotel Drouot. Herr
Maurice, ein unermüdlicher Liebhaber
und Sammler von Gemälde», hatte ei
nen kleinen Prüdhon um den Preis von
7057 Francs erstanden.
Nach beendigter Licitation übergab
Maurice dem betreffenden Auktionator
7000 Francs -» conto mit dem Ersu
chen, ihm daS kleine Meisterwerk so bald
als möglich zu üb«rsenden, damit er eS
in seiner Bitdergalerie aufstellen könne;
zugleich bat er ihn, er möge ihm die
Quittung auf nur 5? Francs ausstel
len, damit seine Frau, welche die Paf
fion ihres Gatten nicht theilte, über den
Preis des BildeS getäuscht werde.
Der Beamte befolgte aufs Genaueste
die Weisung des Herrn Maurice, und
einige Minute» nach dessen Heimkehr
erschien auch schon der Commissionär,
»er ihm das Bild und die gewünschte
Quittung überbrachte.
Julie," sagte Maurice zu seiner Fra >,
.gieb mir gefälligst 57 Francs, Du wir>t
o viel Kleingeld in meinem Zimmer
linden."
„57 Francs für ein so kleines Bild!"
rief Frau Maurice aus, nachdem der
Tommissionär sich entfernt hatte, „57
iaare Francs! Du weißt wahrhaftig
»icht, was Du mit dem Gelde anfangen
sollst."
„Ich weiß schon, wa» ich thue, liebes
lkind; sei ohne Sorge. Ich habe ein
zortreffliches Geschäft gemacht, und
venn ich daS Bild verkaufen wollte,
vürde ein hübscher Gewinn heraus
schauen; aber ich bitte Dlch, laß zu
Tisch decken, ich habe einen sehr achtba
ren Hunger."
Man setzte sich zu Tisch und speiste
mit Appetit; aber Madame Maurice,
die noch immer nicht überzeugt und
itwas ungläubig war, hatte immer die
57 Francs und daS Bild vor Augen,
das sie ganz abscheulich fand.
Tags darauf erschien Madame Mau
rice ganz freudestrahlend vor ihrem
Nanne.
„Umarme Deine Julie, lieber Mann,"
:ief sie ihm zu, „sie hat soeben ein glän
>endeS Geschäft abgeschlossen. Du weißt
»och, Dein kleines Bild, da» Du gestern
lach Hause brachtest."
„Ja wohl, nun?"
„Ich habe es dem alten AnselmuS
im 15? Francs verkaust."
„Dem alten AnselmuS?" fragte
Maurice in fieberhafter Unruhe, „wer
st der alte AnselmuS, wo wohnt er?"
„Aber, lieber Freund, was hast Du
>enn? Der alte AnselmuS ist der
Schwiegervater meiner Näherin und
vohnt in der Chaussee d'Antin N 0.68."
Maurice gibt weiter keine Antwort,
sondern stürzt die Treppe hinab, wirft
iich in einen Ziaker und eilt, um den
»lten AnselmuS aufzufinden. Bei der
Häherin seiner Frau erfährt er, daß ihr
Schwiegervater nicht bei ihr wohne,
sondern in der Rue Mousieur le Prince
)!o. 37.
„Rasch, Kutscher, nach der Rue Mon
sieur le Prince," ruft Maurice dem
Fiaker zu, „tummle Dich, fünf Francs
sür Dich extra, wenn wir rechtzeitig
inkommen."
Der Kutscher gehorcht, und in kaum
zwanzig Minuten hält der Wagen vor
der Wohnung des alten Anfelmus. Er
trifft ihn glücklicherweise zu Hanse
»ber eine neue Enttäuschung wartet
seiner. AnselmuS hatte bereits das
kild einem Kausmann vom Boulevard
Beaumarchais sür 1000 Francs ver
tust.
Indessen versprach er ihm, das Bild
legen eine geringe Draufzahlung wie
»er zu verschaffen und erbot sich sogar,
hn zu dem Käufer zu begleiten.
Aber auch hier war eS schon zu spät,
>enn der Kaufmann hatte das Bild
»nein bekannten Freunde aus Lyon für
ZOOO Francs verkauft, unl> dieser Freund
var soeben abgereist.
„Sein Name ?" fragte Maurice.
„Ni»o!auS Palu. Kaufmann aus
Lyon."
.Und er ist schon abgereist?"
„Leider ja, er ist schon auf dem Bahn
jofe, ich selbst habe ihn zum Wagen be
zleitxt."
„Da bleibt nicht» übrig, als ihn ein
zuholen; wohlan, Monsieur AnselmuS,
»egleitxn Sie mich zum Bahnhof."
Rasch wie der Blitz eilt der Fiaker
dahin, man kommt auf dem Bahnhofe
>n, und eben soll der Zug den Bahnhos
oerlassen.
Es ist unmöglich, sich durch die
Nenge der Packer und Bahnbeamten
durchzudrängen, um den Gesuchten auf
jufiuden.
ES bleibt nicht» übrig, als schnell
iine Karte zu lösen, in den Wagen zu
steigen nnd mitzufahren.
„„Da," sagte Maurice zu AnselmuS,
„geben Sie diesen Zettel an den Eon
nerge für meine Frau; aber kein Wort
oon unserer Spazierfahrt, noch von dem
Bilde, hören Sie!"
Maurice hatte auf den Zettel nichts
,lS die Worte geschrieben: „Ich reise
nach Lyon."
Ganz mit seinem Bilde beschäftigt,
machte Maurice die Reise, ohne auch
itur ein Wort mit seinen Reisegenossen
zu wechseln. Sein stummer Aerger er
regte ein gewisses Interesse bei einem
Mitreisenden, der sich an ihn mit den
dorten wandte:
„Nun werden wir bald an'S Ziel ge
langt sein."
„Ah, ja wohl," erwiderte Maurice,
der aus feiner Lethargie erwacht«, „ja,
wenn ich nur meinen Mann finden
tonnte."
„Wenn Ihr Mann ein Lyonefer ist,"
meinte sein Reisebegleiter, „so will ich
ihn in vierundzwanzig Stunden ausfin
dig gemacht haben, vorausgesetzt, daß
rS ein halbwegs bekannter Mann ist."
„Er »st et» Kaufmann."
„Kausmann bin ich selber; wie heiß!
er denn?"
„NicolauS Palu."
.NicolauS Palt»?"
»Sie kennen ihn?"
»Ich habe keinen besseren Freund
Er, seine Frau, seine Kinder, seine Fa
milie sind Diejenigen, die ich mehr liebt
al« Alles aus der Welt."
„Gut, gut; aber eS genügt mir nicht,
mit ihm blos zusammenzutreffen. Wird
er wohl den Schmerz würdigen, den
Jemand empfindet, der sich eines Bil
des beraubt sieht? Denn sehen Sie,
mein Herr, ich bin in dieser Lage."
„Trösten Sie sich, wie ich Herrn
Palu kenne, wird er Ihren Schmerz zu
würdigen wissen, und Sie sollen Ihr
Bild sofort zurück erhalten."
.Sofort? wie verstehen Sie da»?-
„Ich verstehe darunter, daß Sie da»
Bild erhalten können, ohne daß Sir den
Wagen verlassen brauchen, vorausgesetzt,
daß «S ein Prudhon ist."
„Ein Prudhon," ruft Maurice freu
big aus, „ja es ist ein Prudhon, aber
woher wissen Sie das?"
„Ein Prudhon, ver gestern auf dem
Boulevard Beaumarchais sür 3000
Francs gekauft wurde?"
„Ja, aber mein Herr, woher wissen
Sie das Alles?"
„DaS ist sehr einfach, denn der Herr,
mit dem Sie sprechen, ist Niemand an
deres, als Nicolaus Palu!"
„Ah, mein Herr, und Sie wären
wirklich so gut?"
„Ihnen Ihr Bild zurückzugeben, so
bald wir aussteigen, es befindet sich un
ter meinem Gepäck."
Maurice wußte nicht, wie er seinem
liebenswürdigen Reisegefährten danken
sollte.
„Ich habe schon mehrere Prudhon?
und kann diesen leicht entbehren; ich
habe ihn mit 3000 Francs bezahlt. Sie
sehen hier die Quittung. Er steht
Ihnen für dieselbe Summe wieder zur
Verfügung."
Herr Maurice bezahlt die Rechnung
und kauft so sein Bild zum zweiten
Male; kommt auch damit nach Hause,
aber diesmal nicht heiter und triumphi
rend, sondern sehr, sehr verstimmt und
mürrisch. Alle Fragen seiner Frau
läßt er unbeantwortet, und diese zer
bricht sich noch immer den Kopf, wie
die merkwürdige Geschichte denn eigent
lich zusammenhängt.
Die Braut des MilltoiiSrS.
Folgende kleine Geschichte spielte in
Ems; die Hauptbetheiligten sind drei
in Berliner Schauspielkreisen bekannte
Persönlichkeiten: In Ems weilten die
Schauspieler L. und R. Sie begleite
ten einen abreisenden Freund zum
Bahnhof. Dem ankommenden Zuge
entstieg ein sehr elegant gekleideter
Reisender, der den Schauspieler R. mit
oen Worten begrüßte: „Mein lieber
R„ wie geht es Ihnen kennen Sie mich
nicht mehr, ich bin der Baron Stieglitz"
(bekanntlich einer der reichsten russi
schen Millionäre). „Jawohl", ant
wortete Herr R. und stellte den Baron
seinem Begleiter L. vor. Sie gehen
zusammen in die Stadt, gehen in ein
seines Restaurant, dort wird fonpirt;
mehrere bekannte Herren und Damen,
die zufällig in demselben Lokale erschei
nen, werden eingeladen, der Sekt fließt
in Strömen. Inzwischen ist es fpät
Nachts geworden, der Baron hat noch
keine Wohnung, er zieht auf Veranlas
sung de» Herrn R in dessen Haus, in
welchem auch eine bekannte, früher am
Lefsing-Tlieater engagirte, Schauspiele
rin Fräulein Be., wohnte. Diese
lernte der Baron kennen, zeigte sich mit
ihr sehr oft auf der Promenade; sie
fuhren zusammen aus und kamen in
das Gerede der Leute. Als Herr R.
dem Baron deshalb Vorhaltunzen
machte, erklärte er: „Niemand hat das
Recht zu sprechen, ich habe mich mit
Fräulein Be. verlobt."
Die Schauspielerin war die vielbe
neidete Braut des weltbekannten Millio
närs Stieglitz Die kostbarsten Ge
schenke, werthvolle Geschmeide, Juwelen
ic. wurden ihr in Hülle und Fülle von
dem Bräutigam überreicht. Diners,
Soupers, m-iil-00-Uoli Wechsel
ten mit einander ab. Inzwischen war
in dem Hause, in welchem der Baron
Stieglitz logirte, ein älterer Herr eines
TageS ganz früh am Morgen vorge
fahr«n und wollte den Baron Stieglitz
sprechen. Man führte ihn zu demsel
ben, und einige Stunden später machte
der Baron Stieglitz am Arme des älte
ren Herrn einen Spaziergang durch die
Stadt, was nicht auffallen konnte. Der
Weg sühr!e zum Bahnhof, beide Herren
fuhren ab. Man erwartete in der
Wohnung vergeblich die Rückkehr des
Baron Stieglitz. Er war verschwun
den! Jetzt macht der Schauspieler R,
seinem Freunde L. das Geständniß,
daß fein Geld alle sei, weil er seinem
Freunde Stieglitz zweitausend Mark ge
borgt hätte.
Eine Menge von Gläubigern fand
sich «in, Juweliere, Modisten, Fuhr
werkSbefitzer :c. Zwei Tage später er
schien der ältere Herr wieder, ließ alle
Gläubiger zusammenrufen und be
zahlte deren Nechnnngen (im Betrage
von 31,000 Mark) auf Heller und
Pfennig. Nun wollte Jedermann wis
sen, wer denn eigentlich der ältere Herr
sei, der sich hier als Wohlthäter des
Baron Stieglitz erwies. „Meine Her
ren," sagte der ältere Herr, „ich bin der
Irrenhaus Direktor von Nassau, der
Herr, der sich Ihnen als Baron Stieg
litz vorgestellt hat, ist meiner Obhut an
vertraut, er ist ein harmloser Geistes
kranker, der sich einbildet, der Baron
Stieglitz zu fein, selbst aber sehr reich
ist und der jährlich ein- oder zweimal
solche heimliche Exkursionen aus der
Irrenanstalt unternimmt, bis ich einige
Tage später, wenn ich über den Ort sei
ne» Aufenthaltes unterrichtet bin, ihn
wieder zurückhole." Der Vorfall ist
für alle Betheiligten ohne weitere Zwi
schenfälle abgelaufen, nur Fräuleiu Be.
scheint von demselben, wie der Eonfec
tionair meint, tiefer ergriffen worden
zu fein. Sie hat sich nach Amerika be
geben und ein Engagement in
waukee angenommen.
Thränen sind Perlen.
Kein Wunder, daß man bösen Meujcheo
'eine Thränen erpresse» kann.
Da» L»ch«l«.
Da» Lächeln steht Ihnen entzücke»!»,
meine Gnädige l ES bringt mich aus
die Vermuthung, Sie hätten daS Ge
heimniß dieser Kunst Ihrer himmlischen
Schwester, der Sonne, abgelauscht!
Ein leichter Schlag mit dem Fächer
bestrafte meine kühne Huldigung.
Sie sind ein unverbesserlicher
Schmeichler! schmollte meine schöne
Nachbarin.
Und warum? wagte ich zu entgegnen.
Gibt es wohl etwas Bezaubernderes
als ein Lächeln von schönen Frauen
lippen? Es entstammt ja dem Para
dies.
Wissen Sie das so genau? fragte sie
lachend und mit sichtlicher Neugier.
Ich gerielh einigermaßen in Ver
legenheit, was ich darauf antworten
sollte, denn, offen gestanden, in all mei
nen vorgeschichtlichen Studien hatte ich
nirgends auch nur die leiseste Andeutung
gefunden, die meine Behauptung ge
rechtfertigt hätte. So half ich mir
denn mit einem diplomatischen Schach
zuq, indem ich die directe Quellenan
gHs vorsichtig umging.
Es unterliegt doch wohl keinem Zwei
fel, erwiderte ich, nur in den seligen
Gefilde» des Paradieses konnte das
Lächeln erstehen und wir verdanken diese
holde Gabe unserer liebreizenden
Stammmutter Eva.
War sie wirklich so fchön? unterbrach
mich meine wißbegierige ZuHörerin.
Selbstverständlich war Eva eine
Schönheit ersten Ranges, ging sie doch
unmittelbar aus oer Hand des Schö
pfers hervor. Und um ihre Schönheit
zu einer unwiderstehlichen zu machen,
verlieh er ihr noch ein besonderes Ge
schenk: aus ihren Lippen erblühte der
holdeste Zauber des WeibeS sie
lächelte. Und mit diesem Lächeln schlug
sie Adam in Fesseln, brach sie dem
strengen göttlichen Gebot: „Er soll dein
Herr sein!" für alle Zeiten die Spitze
ab. Was sie dann bei der Vertreibung
aus dem Paradies auch zurücklassen
muß!e dieses Lächeln nahm sie mit
und vererbte es auf alle Töchter der
nachfolgenden Geschlechter. Freilich
ein Tanaer-Geschenk. denn wer könnte
sagen, welche Verheerungen das oer?
sührerische Lächeln eines schönen Frauen
mundeS schon angerichtet hat!
Vielleicht nicht mehr als falsche Lie
besschwüre von Männerlippen! parirte
meine Nachbarin sehr geschickt den
Schlag. Sie hatte nicht ganz unrecht,
da« mußte ich gestehen, und da die Ga
lanterie mir verbot, mein eigenes Ge
schlecht zu vertheidigen, so beschloß ich.
daS gefährliche Gebiet zu verlassen und
eine harmlosere Saite des Themas an
zuschlagen.
Ich kann Ihnen allerdings nicht un
bedingt widersprechen, meine Gnädige,
sagte ich daher, obgleich sich ja darüber
streiten ließe, auf welcher Seite mehr
Unheil angerichtet wird. Aber ich
denke, fuhr ich fort, ohne ihre» kampf
lustigen Blick zu beachten, wir lassen
uns nicht darauf ein, sondern beleuchten
das Lächeln in friedlicher Weise von
einer andern Seite.
Elektrisch? warf sie ein.
Nur mit dem Schein der Diogenes
laterne! gab ich zurück. Sehen Sie, aus
dem ersten Paradieseslächeln haben sich
im Laufe der Jahrhunderte eine Meng«
Abarten entwickelt, die man aber recht
gut sämmtlich in zwei Kategorieen ein
theilen könnte.
Ah! lachte meine ZuHörerin spöt
tisch, haben Sie glücklich wieder einen
Stoff für Ihre ClassificirungSmani«
gesunden? Ich sehe es kommen, daß
Sie dieselbe demnächst auch noch auf den
Duft aus Blumenkelchen und den
Staub auf SchmetterlingSflügeln, aus
die Thauperlen der Wiese und die Son
nenstäubchen der Lust ausdehnen wer
den.
Das wäre allerdings ein reiches Feld
für meine Forschungen, aber ich sürchte,
mein kurze; Dasein würde für so ver
wickelte Arbeit nicht ausreichen.
Wie schade, es müßte so interessant
sein! Nu», vielleicht machen Sie wenig
stens den Versuch, sei es auch nur, um
mich zu belehren.
Sie sah mit schelmischen Augen zu mir
herüber und fuhr dann fort: Doch nun
lassen Sie mich hören, in welcher Weife
es Ihnen gelungen ist, den leichten,
flatterhaften Genius des Lächelns zu
zergliedern.
Wie ich Ihnen bereits sagte, begann
ich, gibt eS zwei Arten des LächelnS:
da» Herzens- und daS Verstande»-
lächeln.
Ah!
Da» erstere gedeiht nur auf der Son
nenseite des Gemüthes; es strahlt die
innere Seelenstimmung getreu und
drückt mit stummer Beredsamkeit die
Gefühle aus, die uns bewegen —es ist
wie ein Lied ohne Worte. Ost huscht
es nur unmerklich wie ein Hauch über
das Antlitz, wie ein Strahl, der kaum
ausleuchtend auch schon wieder erlischt.
Aver trotz dieser Flüchtigkeit besitzt e»
eine wunderbare Zauberkraft, verklärt
selbst das unschöne Gesicht und vermag
den härtesten Zügen einen mildern Aus
druck zu verleihen. ES kommt von
Herzen und geht zu Herzen.
Und das andere, das VerstandeS
kächeln?
O, das wächst nur auf der Schatten
seite unseres Innern, da, wo der Ver
stand fein berechnendes Spiel treibt.
Es ist so recht ein Erzeugniß des kon
ventionellen Leben», welcheSimter dem
Deckmantel der Berechtigung mehr
Sünden begeht, als ein Priester absol
viren kann. Mit rasfinirter Gewandt
heit hat eS der Mensch verstanden, aus
dem seiner innern Natur nach so offenen
und ehrlichen Lächeln eine Maske zu
fertigen, hinter welcher er mit Leichtig
keit das Gegentheil von dem verbirg»,
was er zur Schau trägt.
Sehen Sie, das ist da» VerstandeS
lächeln, und man konnte darauf recht
wohl mit einer kleinen Rariation da«
geflügelte Wort Talleyr«,d» anwende«
und sagen:
»Diese» Lächeln ist dazu d«, »« >t«
Gefühle zu verbergen."
Sie urtheilen zu scharf! Wie oft
lächelt man ohne jeglichen bösen Hinter
gedanken.
Da» gebe ich zu, trotzdem aber ent
springt eS weit öfter der Absicht, den
Nebenmenschen über unsere wahren
Empfindungen zu tauschen. Erlauben
Sie mir, Ihnen ein naheliegendes Bei
spiel anzuführen: Sie sind vielleicht
eine» Morgen» mit heftiger Migräne
erwacht, hatten dann verschiedene kleine
Verdrießlichkeiten und befinden sich in
der denkbar schlechtesten Stimmung.
Da klingelt eS Frau und Fräulein
x. lassen sich melden. Sie sind zwar
durchaus »'cht zum Empfangen aufge
legt. aber besondere gesellschaftliche
Rücksichten verbieten Ihnen, die Damen
abzuweisen. Und wa« geschieht? Mit
dem freundlichsten Lächeln begrüßen
Sie die Ihnen im Grunde genommen
unwillkommenen Gäste nnd bis zum
Schluß des Besuchs behalten Sie Ihr
liebenswürdiges Lächeln bei, so lästig
Ihnen auch die Störung ist. War Ihr
Lächeln nicht Maske?
Ja, allerdings! nickte meine schön«
Nachbarin zustimmend. Wa» Sie da
schildern, ist mir schon oft vorgekommen.
Nun wohl, so geht es durch alle Pha
sen des Leben». Mit dem verbindlich
sten Lächeln ertragen wir die unbe
quemsten Zumuthungen anderer und
belachen in höflichster Weife die faden
Witze eines langweiligen Schwätzer».
Am feinsten ausgebildet ist das Ver
standeilächeln wohl in jenen Sphären,
wo Hoflust weht. Von dem unterwür
fige» Lächeln des Lakaien bi» zum erge
benen des Kammerherrn, welche Fülle
von Empfindungen muß es verbergen!
Neid, Haß, Intrigue, gekränkter Ehr
geiz, beleidigter Stolz, alles flüchtet
sich hinter die glatte Maske des Ver
standeslächelnS. Doch wohin bin ich
gerathen? unterbrach ich mich plötzlich.
Statt einer kurzen Erklärung halte ich
Ihnen da einen langathmigen Vortrag
und ziehe mir am Ende noch den Tadel
zu, Sie gelangweilt zu haben.
O »ein, von diesem Vorwurf spreche
ich Sie frei! war die Antwort. Ihr
Vortrag hat mich lebhaft interefsirt.
Dann lohnen Sie ihn mir wohl auch
mit einem gnädigen Lächeln, aber bitte
von der Sonnenseite!
Und sie lächelte, ein bezaubernd an
muthigeS Lächeln! War es wirklich aus
der Sonnenseite erblüht? Ich weiß es
nicht, und wenn ichs wüßte, würde ich
eS doch keinem verrathen.
«lettrtettätS-Zleußerungen t« der
Layara.
In einem Aufsatz über „Elektrici
täts-Aeußerungen i» der Sahara", den
Gerhard RohlfS in der „Zeitschrift für
wissenschaftliche Geographie" veröffent
licht, spricht er den Wunsch aus, daß die
Reisenden in den Tropen und auch in
der deutschen westafrikanischen Colonie
sich künstig besser mit Instrumenten ver
sehen möchten, um über die auffallenden
in der Wüste
genaue Beobachtungen anstellen zu kön
nen. Bisher liegen nur wenige Mit
theilungen vor. Der englische Capitän
Lyon, welcher zuerst auf die elektrischen
Erscheinungen in der Saraha aufmerk
sam gemacht hat, sowie Henri Duveyrier
berichten über die Entladung elektri
scher Funken in den Händen und Klei
dern, sowie aus den Schwänzen der
Pferde, wenn sie damit Fliegen verja
gen, nnd Nachtigal beobachtete das Er
scheinen von knisternden Funken beim
Streicheln eines Hundes. Die Trocken
heit der Luft begünstigt außerordentlich
die Elektricitälserzeugung. Man findet
nach RohlfS namentlich nach einem bes.
tigen Samum, daß alle Gegenstände mit
Elektricität geladen sind. Auf der Reise
nach Kufra befand sich unser Forscher am
15. Februar 167 S in Sokna. Sein Be
gleiter, Dr. Stecker, hatte mit seinem
Diener einen Ausflug nach einem be
nachbarten Orte gemacht.
Es herrschte starker Samum, so daß
Stecker und sein Gehilfe nur mit Mühe
das Zelt aufrecht erkalten konnte. Die
Elektricitätsanhäufnng war- so bedeu
tend, daß die fast ein Decimeter langen
Haare Steckers wie Borsten zu Berge
standen und sein Diener ihm mehrere
Centimeter Funken ans dem Körper
lockte, ja, daß Stecker an der dem Sand
sturm ausgesetztem Wand des Zelte»
durch Darüberstreichen mit dem Finger
feurige Zchriftzüge hervorbrachte. Wäh
rend des Sturmes befanden sich RohlfS
und sein Diener in ihrer Wohnung in
Sokna; der feine Staub durchdrang
alles, obschon die Beiden unmittelbar
wenig vom Sturm« bemerkten, da die
Wohnung fest eingekeilt zwischen ande
ren Häusern lag. In der Nacht konn
ten sie nicht «ine Minute schlafen; ebenso
erging es den meisten eingeborenen Die
nern. Röhls» brinzt diese Schlaflosig
keit mit der Elektricität in Verbindung;
er habe häung genug unter den Tropen
auch in nicht wüstenhafter Gegend die
Beobachtung gemacht, daß Schlaflosig
keit fast immer in Begleitung von hefti
gen Tornados oder Gewittern austritt.
Mit den großen ElcktricitätSmengen
steht jedenfalls auch der starke Ozonge
halt der Wüstenlust in Verbindung.
Tröstlich« Aussicht.
Frau Gebeimrath (zu der neuengaqir
ken Köchin): S>e waren also früher
bei dem Grafen K'. Nrn. da wird ja
ein so exorbitant seiner Tifch geführt,
daß Sie sich wohl gar nicht darein fin
den werden, hier bei un» einlache
Mannskost zu kochen. Köchin: O
doch, gnädige Frau, ich kochte in dem
gräflichen Hause auch für die Dienst
boten.
Günstige Gelegenheit.—
Nun ist mir doch so, al« ob ich im
LZirthShause etwa« vergessen hätt«
waS mag daS nur sein? Hm! Hm!
Aha, nun weiß ich'S. ich habe vergessen,
daß meine Frau verreist ist und daß ich
nun «in paar Stunden länger kneipen
kann, da muß ich doch gleich zurück«
gehen.