Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 08, 1891, Page 2, Image 2

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    s
"»»««scheüithnUche «ffe».
Veränderungen im Knochenskelett,
sie nicht das Wachsthum bedingt, son
dern die Folge äußerer Einwirkunge»
»der KrankheitSvorgänge sind, die sich
am Knochen abgespielt haben, hinter
lassen für immer mehr oder weniger
deutliche Merkmale, aus denen sich die
Natur des Leidens später noch erkennen
läßt. Diese Kenntniß benutzte Etienne
Rollet, wie man nach der „Revue
Scientifique" schreibt, um aus solchen
Veränderungen an den Skeletten men
schenähnlicher Affen auf KrankheitS
vorgänge zu schließen, denen diese Thiere
im wilden Zustande und unter ihren na
türlichen Lebensbedingungen am mei
sten unterworfen sind. Von den 79
Skeletten menschenählicher Affen, di«
die Sammlungen und Museen Frank
reich» beherbergen, und die Rollet sür
feine Zwecke zu Rathe zog, stammten 42
»on Schimpansen, 26 vom Gorilla und
11 vom Orang-Utang. Tie Verände
rungen, die wahrgenommen wurden,
befanden sich meist an den Skeletten von
älteren Thieren, während 24 Skelette
von jungen nichts Auffälliges erkennen
ließen. Bezüglich de» Knochenwach»-
thumS ließ sich feststellen, daß eS sich
unter denselben Gesetzen vollzi»ht, wi«
dein» Menschen. BemerkenSwerth ist
aber, daß die Merkmale von Knochen
brüchen, die allerdings gut und ohne die
Gebrauchssähigkeit der Glieder zu be
schränken, geheilt waren, sich nur beim
Schimpansen und Orang-Utang sanden,
während der Gorilla wieder auffallend
häufig deutlich ausgesprochene Erschei»
NU ge l rheumatischer Knochenerkran
kungen zeigte, die deim Schimpanse»
und Orang-Utang sehlen. Diese auf
fällige Thatsache ließe sich vielleicht aus
der verschiedenen Lebensweise der Thier«
erkläre».
Nach den Berichten der Reisenden
hält sich der Gorilla meist an dem Erd
boden auf, verbringt die Nächte nieder«
gvhockt am Fuße eines Baumstumvses.
bewohnt mit Vorliebe dichte feucht«
Wälder und zieht das Halbdunkel dem
hellen TcgiSlicht vor, während der
Schimpanse als gewandter Kletterer im
lichten Gehölz auf dem Gebirge, und
der Orang von Baum zu Baum wech
selt, ohne jemals auf den Boden zu
tommen; beide leben also in den Gi
pfeln der WaldeSriesen in einem Ueber
fluß schönster Luft, und der Orang be
deckt sich, wenn er schläft, mit Zweigen
und abgerissenen Blättern, wie man be
hauptet, um sich gegen die Nachtkühle zu
schützen.
In dieser verschiedenen LebenSweis«
könnte wohl die auffallende Verschieden
heit der Knochenleiden bergründet sein;
bei den auf Bäumen lebenden Brüche
und ausschließlich bei dem meist auf d»i
?rde lebenden Gorilla (
die rheumatischen Knochener
krankungen, an denen ja der vorge
schichtliche, Höhlen bewohnende Mensch
ten Haben soll. Auch die Knochenvcr-
Änderungen infolge entzündlicher Vor
gänge (Knochenhautentzündung, Kno
chenfraß n. s. w.) zeigten dieselbe Er
scheinungsform wie beim Menschen;
allerdings ließ sich die Frage nach der
veranlassenden Ursache naturgemäß nur
unsicher beantworten; in zwei Fällen
lagen jedoch mit Bestimmtheit tuberk».
löse Knochenerkrankungen vor.
Das Vaterland dieser großen Affen
(Schimpansen und Gorilla), die unge
heuren Wälder des westlichen Afrika,
beherbergen also dieselben Krankheits
erreger, die uns umgeben, und wenn
alle jungen menschenähnlichen Affen in
unseriln Klima an Lungenschwindsucht
l« Grunde gehen, so darf man hiernach
»nnehmtn, daß dasselbe ebenso oft in
ihrer eigenen Heimath vorkommt. Die
Sbrigen Fälle von Veränderungen durch
Knochenhautentzündung u. f. w. schienen
ihre Veranlassung in alten eiternden
Geschwüren zu haben, besonders das
Schienbein war, wie beim Menschen,
auffällig als LieblingSort bevorzugt.
Lassen überhaupt die beobachteten Fälle
einen Vergleich auf die Häufigkeit des
Borkommen» der verschiedenen Knochen
leiden beim menschenähnlichen Affen zu,
so müßten allerdings die Affen außer
ordentlich häusig von solchen Leide»
heimgesucht werden.
Scheiden und Meioen.
Nicht nur Bücher haben ihre Schicksale.
Eine ganz eigenartige Fülle dramati
scher Berwickelungen und Zufälle hat,
so wird aus der Rheinpsalz geich icben,
ein Briestaubenpaar zu verzeichnen, das
sich dieser Tage auf einer delanntcn
pfälzischen Briestaubenstativn nach mehr
al» jadrelanger Abwesenheit wieder
eingestellt hat. Im Monat Mai des
vorigen JahreS wurde dieses Paar in
Bremerhaven ausgelassen. Durch starke
Winde, Höhenrauch und sonstige
widrige Umstände verschlagen, wurde
die Taube am Strande der Ostsee einge
fangen, während der Täuberich bis zum
Januar bei Uälte und Schnee umher
irrte und schließlich in Belgien ausge
sangen wurde. Der Besitzer der Taube
ließ sich einige Monate später aus Bel
gien eisen Täuberich gleicher Rasse und
Farbe kommen und erstaunte nicht
wenig, al» er beim Zusammensparen
der beiden Thiere ganz ausfallende
Freudeäußerungen an ihnen wahrnahm.
Er versah nun die beiden TaubK mit
keinem Firmenstempel und ließ si« tan«,
u» der Hoffnung, daß sie sich zusammen
halten würden, ausfliegen. Zu seiner
großen Betrübniß kehrte da» Tauben
paar jedoch nicht zurück, dafür langte
nach Einigen Tagen au» der Rheinpfalz
ein Brief an, in welchem ihm der alt»
Besitzer mittheilte, daß seine beiden
Tauben, die ihm schon lange gefehlt
Hittten, mit seinem Firmenstempel ver
sehen, wohlbehalten aus ihrem heimath
lichen Schlage wieder angekommen
seien; er danke bestens für die gute Ver
pflegung. DaS auffallende Benehmen
der Thiere bei ihrem Wiedersehen war
dem Norddeutichen hiernach kein Räth
sel mehr. Das erstaunlich« Gedächtniß
der Tauben in der Aussindung der Hei
math hatte ihn aber um den ihm liebge-
Dordeueu Besitz gebracht.
»ovpelled««.
Erzählung -u» dem ameri
laqischen Leben.
„Wa» sür ein grauenhafte» Wetter!"
rief Mr. George Walkott, ein kräftiger
Herr in der Mitte der vierziger Jahre,
und wandte sich von dem Fenster, an
welchem er mehrere Minuten gestanden,
dem Tisch zu, in dessen Nähe seine Frau
in einem Wiegenstuhle saß. „Ich bin
nur froh, daß ich nicht nöthig habe,
heute noch da» Hau» zu verlassen.
Hörst Du, wie es regnet, Frances?
Und der Wind ist so stark, daß er
einen krästigen Mann umwerfen
kann!"
„Ich zweifle nicht daran, denn frlten
«arbeitet der Sturm so mit den Fenstern,
wie heute Abend," erwiderte die Ange
redete, während sie da» Buch, in dem
sie bis dahin gelesen, in den Schooß
sinken ließ.
„Es liegt doch ei« sehr angenehmes
Gesühl in dem Bewußtsein, daß das
schlechte Wetter un» wenig anhaben
kann; ich würde jedem Sturm Trotz
bieten, der den Frieden diese» Hansei
stören wollte! Mit Dir, Frances, und
einem guten Feuer im Kamin kann ich
mich nicht anders, al» ganz gemüthlich
sühlen," suhr Mr. Walkott sort und
warf einen zufriedenen Blick auf da»
elegant eingerichtete Gemach.
MrS. Walkott öffnete die Lippen zu
einer Antwort. Bevor sie jedoch spre
chen konnte, trat eine Dienerin in'S Ge
mach und meldete: „Unten im Haus
flur ist ein Knabe, der mit Ihnen, Herr,
zu sprechen wünscht."
„Führe ihn herauf," befahl Mr.
Walkott. Doch schon im nächsten Mo
ment rief er, die soeben ertheilte Wei
sung zurücknehmend: „Nein, er mag
unten bleiben; ich werde zu ihm gehen
und hören, was er will." Er hatt«
sich während der letzten Worte erhoben
und verließ das Zimmer. Dem im
Grunde seines Herzens wohlwollenden
und mitleidigen Manne war der Ge
danke gekommen, der Knabe möge seine
Hilfe in irgend welcher Art in Anspruch
nehmen wollen, und er hatte überlegt,
daß e» gerathener sei, seine Frau d«n
Bericht über Elend und Noth nicht
hören zu lassen.
Obgleich der Laut der Stimmen
Mr». Walkott's Ohr durch di» offen ge
bliebene Thüre erreichte, zeigte sie keine
Neugierde zu wissen, wer der fremde
Knabe sei und was er wolle. In dem
Augenblick, al» ihr Gatte das Gemach
verließ, fielen ihre Arme schlaff zur
Seite herab, und ihr Kops sa«k an die
Rücklehne des Stuhle», während ein
tieser Seufzer ihrem Munde entströmte:
ihre großen, grauen Augen starrten
auf de» Teppich unter ihren Fußen,
und ihre breite weiße Stirne lag in tie
fen Falten. So sah sie, bis das Ge
räusch der sich schließenden Hansthüre
sie aus ihrer Versunkenheit riß; fie er
griff hastig das Buch und schien in das
selbe völlig vertieft zu sein, als ihr Ge
mahl eine Minute später eintrat. „Wer
war es," fragte sie, ohne aufzublicken.
„Das ist eine höchst sonderbare Ge
schichte!" antwortete George kopfschüt
telnd. „Ein Knabe, noch ein halbes
Kind, kam hierher, um sich nach seiner
Mutter zu erkundigen. Er behauptete,
daß ich der Berather derselben in allen
'ihren Geschäftsangelegenheiten sei, und
ich bin dessen sicher, daß ich in meinem
ganzen Leben »och nie von einer Frau
gehört habe, die sich MrS. Wardrop
nennt!"
In dem Augenblick, in welchem die
ser Name über seine Lippen kam, sprang
FranceS von ihrem Sitze aus und sprach
heftig: „Warum verlangte der Knabe
nach seiner Mutter?"
„Er erzählte mir, seine kleine Schwe
ster sei Plötzlich krank geworden aber
was ist Dir, Liebchen?" Mr. Walkott
blickte erschrocken auf seine Frau, die,
leichenblaß im Gesicht, ihn mit Augen
ansah, aus welchen die Angst sprach.
„Es ist nichts! entgegn-te sie und
machte die'lgrößte Anstrengung, ihr»
Rühe wiederzugewinnen; „ich fühle
mich ganz wohl! Aber ich mnß zu dem
kranken Mädchen, um nach demselben
„Was? Du beabsichtigst, Dich zu
ganz fremden Leuten zu begeben? Und
noch dazu in solch' fürchterlichem Wet
ter?" rief der Gatte kopfschüttelnd.
„France?, ich sanze an, zu fürchten, daß
Du Deinen Verstand verloren hast."
„MrS. Wardrop und ihre Kinder
sind keine Fremden für mich! Ich kenn«
dieselben schon seit langer Zelt."
„Aber, FranceS, ich habe Dich nie
von dieser Dame sprechen hören; wo
hast Du sie kennen gelernt und wer ist
sie?"
„MrS. Wardrop ist «ine alte Freun
din von mir; ich habe als Mädchen mit
ihr lange dasselbe Zimmer bewohnt,
und es ist meine Pflicht, ihre Kinder
auszusuchen, wenn sie krank sind."
„Ich sehe es nicht gern, daß Du in
diesem Sturme das Hau» verläßt!"
„O, ich mache mir nichts aus dem
schlechten Wetter," erwiderte MrS.
Walkott, mit ihren zitternden Fingern
an der Uhrkette spielend. „Ich bitte
Dich, George, widersetze Dich nicht mei
nem Vorhaben! Ich weiß, sie werden
mich erwarten l die Kinder betracht«»
mich wie ihre Mutter."
„Wo wohnt denn diese Mr». War
drop?" fragte der Gemahl.
„Draußen in Hartem, antwortete
France», während sie bereit» da» Lim
mer verließ, um Weisung zu geben, daß
der Kutscher anspanne.
AIS sie eine Biertelstunde später, i»
einen weiten Regenmantel eingehüllt,
die Treppe herabkam, stand ihr Gatt«
an der Hausthüre im Korridor, mit
dem Hut auf dem Kops und dem Ueber
»ieher ans dem Arme. .Ich denke, daß
ich Dich begleiten muß, France?/ sagte
er, ihren erstaunten Blick bemerkend.
.Nein! Ich wrrdt dazu n'.än ,n-in«
Einwilligung geben!'' entgegnete sie i»
sehr bestimmter Weise; „Deine Beglei
tung würde ganz zwecklos sei«. Und
dann, die Fahrt bei diesen, Wetter wär«
für Deine Gesundheit schädlich »nd
würde Dich leicht einem neue« Sichtan
fall aussetzen.' Si» hatte h«stig ge
sproch«n, und devor ihr Gemahl noch
«inen Widerspruch laut werden lassen
konnte, hatte sie die HauSthür geössnkt
und wi«der hinter sich geschlossen. In
der nächsten Minute hörte man, wie der
Wagen schnell davonfuhr.
„Das sieht France» ganz ähnlich!"
sprach Mr. Walkott vor sich hin, al» er
wieder nach dem Wohnzimmer schritt;
„in keine» WeibeS Brust schlägt ein
liebevolleres und gütigeres Herz, als
da« ihre. Ich darf den Tag segnen,
an dem ich sie geheirathet habe."
Nichtsdestoweniger war George Wal
kott» Berehelichung in den Augen seiner
Freunde der gewagteste Schritt seines
Lebens gewesen.
Er war Ingenieur und der Inhaber
eine» angesehenen Brückenbau-Geschäftes
in New Aork. Al» solcher hatte er
vielfach in selbst entfernten Theilen des
Landes zu thun und mußte sich ost ta
gelang an Orten aufhalten, die sonst
wenig Anziehungskraft sür ihn besaßen.
Eine» Abends, während er sich in einer
der größeren westlichen Städte Ohio»
befand, ging er, um die Zeit hinzubrin
gen, nach einer Musikhalle, in welcher
daS erste von drei Concerten, die eine
reifende Sängergesellschaft dort geben
wollte, stattfinden sollte. Die erste
Sopranistin erregte sofort bei ihrem
Auftreten sein ganzes Interesse; er
hielt sie sür das weitaus schönste Weib,
das er jemals gesehen, und ein gewisser
leidender Ausdruck in ihrem Auge rührte
sein Herz.
Er besucht« auch daS zweit« Concert,
aber nur, um FranceS Robin wieder
fingen zu hören und sich an ihrem An
blick zu erfreuen. Nach Beendigung
der Vorträge veranlaßte er den Kapell
meister, dessen Bekanntschast er inzwi
schen gemacht, ihn der jungen
Dame vorzustellen. Ihr von einer
gnlen Erziehung zeugendes Benehmen
und ihre geistreichen, w nn auch in be
scheidener Weise gegebenen Antworten
verstärkten den günstigen Eindruck, den
ihr schönes Gesicht und ihre klangvolle
Stimme schon vorher auf ihn gemacht
hatten. Er bedauerte, daß seine ge
schäftlichen Pflichten ihn schon am näch
sten Tage zwangen, von jenem Orte ab
zureisen.
Zwei Monate später mußte Mr.
Walkott nach einer der nördlich gelegenen
Städte des Staates New Aork reisen,
und der Zufall wollte eS, daß gerade in
dem Augenblick, als er vom Bahnhof
nach einem nahen Hctel s hritt, ein Zet
tel an die hierzu bestimmte Fläche eines
Hanfes geklebt wurde, in welchem das
Auftreten FranceS RobinS in einem
Concert angekündigt wurde, das an
demselben Abend stattfinden sollte.
Es war ganz selbstverständlich, daß
er hin ging; aber statt des erhofften
Vergnügens brachte ihm der Abend nur
Schmerz, denn in dem Moment, als die
Sängerin ihren Vortrag beginnen
wollte, versagte ihr die Stimme. Fran
ceS war erbleicht; aber nach wenigen
Secunden machte sie einen zweiten Ver
such, zu singen, der jedoch in einem
Schrei so voll Schmerz und Verzweif
lung endete, daß die Augen Aller, die
denselben hörten, sich mit Thränen füll
ten. Tann fchritt sie nach rückwärts,
aber sie wankte und wäre niedergestürzt,
wenn der Hinzufpringende Jmpressario
der Gesellschaft sie nicht in seinen Armen
aufgefangen hätte. Ohne das mindeste
Vorzeichen hatte sie die Fähigkeit, zu
fingen, verloren.
Am nächsten Tage suchte George' die
Sängerin in ihrer Wohnung auf, und
obgleich sie sich anfangs ganz entschieden
weigerte, ihn zu empfangen, gelang es.
ihm durch seine Beharrlichkeit, sie zu
sehen. Er verweilte eine ganze Stunde
bei ihr und suchte sie nach Möglichkeit
zu trösten; aber ihre Verzweiflung
schien, statt sich zu vermindern, noch
zrößer zu werden.
Tage vergingen, während deren
FranceS stundenlang bleich und bewe
gungslos auf dem Sopha in ihrem
Zimmer im Hotel lag; die Thränen
canncn dabei unnnterbrochen an ihren
Wangen herab und ein Ausdruck der
gröhlen Qual lagerte auf ihrem Antlitz.
Mr. Walkott fürchtete, sie würde den
Verstand verlieren, und sein Mitgefühl
für die Unglückliche halte schließlich die
Wirkung, daß er ihr einen HeirathS
anlrag machte. Frances bat zwar um
drei Tage Bedenkzeit; nach Ablauf
derselben beglückte sie aber ihren An
beter dadurch, da s sie seine Hand an
nahm.
Mr. Walkott hatte den hastigen
Zchritt bisher während der zweijähri
gen Ehe nie bereut, denn Frances war
eine vorzügliche Hausfrau, bescheiden in
ihren Ansprüchen und stets liebenswür
dig; er lielte sie auch, wie es Männer
thun, die ihr Herz nur einmal im Leben
verlieren können. Aber er wünschte
ost, sie wäre lebhafter und aufgeräun--
ler; eS bekümmerte ihn, ihr Gesicht so
oft bewölkt zu sehen und in ihren Au
zen eine nicht zu verscheuchende Schwer
muth zu lesen. „Sie kann den Verlust
ihrer Stimme nicht verwinden," sprach
er häufig zu sich selbst; „ich würde mein
halbes Vermögen dem Heilkünstler ge
ben, der ihr wied«r zu ihrer Stimme
verHelsen könnte!"'
Jedesmal, wenn er verreisen mußte,
erfaßte ihn ein Bedauern über dies«
Nothwendigkeit, und während seiner ost
mehrere Wochen dauernden Abwesenheit
erfüllte ihn die Sehnsucht nach seinem
geliebten Weibe. Sein Geschäft hatte
aber ln den letzten zwei Jahren bedeu
tend an Ausdehnung gewönne» und
hielt ihn sehr ost von Hause fern.
Aber auch France» weilte zu diesen
Zeiten nicht in der Stadt; am Tage
»ach seiner Abreise theilte sie ihm jedes
mal mit, daß sie beabsichtige, sich bis zu
seiner Rückkehr bei einer Freundin,
einer MrZ. k>enstall, die in Greeirville
in New Jersey wohnte, auszuhalten.
Sie schien eine außerordentliche Rei
nting kür diese Dame zu empfinden, ob
gl:ich ihr Ga'.te diese Freundschaft nicht
verstehen konnte, denn obzwar er Mr».
Tunftall nur ein einzige» Mal gesehen,
konnte er doch beurtheilen, daß sie in
leiner Weise zu France« passe. Wäb
rend die Letztere Bildung vesaß und
sich elegant bewegte, war die Erstere
ein äußerst gewöhnliches, schwatzhaftes
und langweiliges Weib mit ungebilde
ten Manieren; dieselbe konnte nur ab
stoßend wirken, und er wunderte sich,
daß seine Frau si: so ost besuchte. Bis
her hatte er sich >edoch ihrem Vorhaben
noch nie widersetzt: er liebte sie zu sehr,
um ihr die Erfüllung ihrer Wunsche zu
versagen.
Der Wagen, mit welchem Frances
sortgesahren war, kam allein zurück,
und der Kutscher meldete seinem Herrn,
Mr«. Walkott würde erst am nächsten
Tage zurückkehre».
Des Morgens mußte George sein
Frühstück allein einnehmen ; dann begab
tr sich nach seinem Geschäfte in der un
tern Stadt. Als er jedoch gegen Abend
nach Hause kam, sand er FranceS seiner
im Wohnzimmer wartend. „Nun",
fragte er, nachdem er sie begrüßt hatte,
„warst Du bei dem kranken Kinde von
irgend welchem Nutzen?"
„Ich bin überzeugt, daß dies der
Fall war," antwortete die Gattin." Ich
hosfe, daß Du mich nicht allzusehr ver
mißt hast."
„Ich entbehre Dich stets ungern,
Frances! Offen gestanden, ich wundre
mich jetzt oft, wie ich bis z» unserer
Verheirathung obne Dich zufrieden
leben konnte!" versetzte George, feine
Frau küssend. „Wie besand sich das
Kind, als Du es verließest?"
„Es geht dem Mädchen besser; sie
schlief, als ich fortging."
„Und hat der Knabe seine Muttsr
gefunden?" fuhr Mr. Walkott fort.
„Es erscheint mir so sonderbar, daß er
nicht wußte, wo er sie zu suchen hat."
„Sie ist gezwungen, meistens von
den Kindern entfernt zu sein," antwor
tete Frances in ruhigem Tone.
„Eine geheimniß olle Frau, diese
Mr». Wardrop!" rief George. „Also
Du kanntest sie bereits vor unserer Ver
heirathung?"
„Ich sagte Dir bereits gestern, daß
dem so ist und daß wir seit viele», vie
len Jahren auf's Engste befreundet
sind!"
„War oder ist sie eine Coiicertsänge
rin, wie Du es gewesen, meine geliebte
Frances?"
„Ja, ihr Loos war ein sehr hartes,"
antwortete Mrs. Walkott. Aber frage
mich nicht mehr über sie. George; eines
TageS wirst Du AllcS, was sie
trifft erfahren."
„Nun, ich bin überzeugt, daß sie
Deiner Achtung und Zuneigung würdig
ist," versetzte der Gatte ernst. „Du
weßt, daß ich Deine Mildthätigkeit
nicht beschränke; hilf ihr, wenn sie in
Noth ist, so weit, wie es Dir passend
erscheint, mein Liebchen!"
„Ich weiß, daß Du die Güte selbst
bist," erwiderte FranceS, an ihn heran
tretend und ihn küssend ; „keine Frau
aus der Welt kann einen besseren Gatten
haben!"
Am nächsten Tage, als Mr. Walkott
von der Hochbahnstation a»S seinem
Geschäftslokal zuschritt, begegnete er
dem Knaben, welcher zu ihm gekommen
war, um noch Mrs. Wardrop zu fra
gen. Derselbe würde an ihm vorüber
geschritten sein, ohne ihn wiederzuerken
nen ; aber George legte seine Hand aus
dessen Schuller und sagte: „Hallo Klei
ner! Wie befindet sich Deine Schwe
ster?"
„Ich danke, Herr; Josie ist beinahe
wieder ganz gesund," antwortete das
Bürschchen. „Ich bedaure übrigens
sehr, Sie belästigt zu haben! Die Mut
ter hat mich dafür ausgeschalten, daß
zu Ihnen gegangen bin; aber ich
wußte wirklich nicht, wo ich sie suchen
sollte, und dachte, Sie könnten mir dar
über Auskunft geben, wo sie singe. Si«
ist eine Coiicertsängerin, mein Herr,
ind reist als solche von Stadt zu Stadt
so daß wir nie genau wissen, wo
fie g>ride weilt; sie kommt auch nie
mals nach Hause, außer wenn sie kein
Engagement hat."
„Unter welcher Obhut befindet Ihr
Kuch denn in Eurer Mutter Abwesen
heit?"
„Sie hat eine alte Frau gemiethet,
die bei uns ist," war die Antwort, und
seinen Hut ziehend, eilte das Bürschchen
fort.
.Diese geheimnißvolle MrS. Ward
eop!" murmelte der Brückeningenieur
vor sich hin, während er seine Office
betrat. „Ich bin eigentlich neugierig
su Wissen, wie der Kleine dazu kam,
vorgestern Abend zu behaupten, ich be
sorge die GeschästSangelegenheiten sei
ller Mutter."
An demselben Abend, al» er mit sei
i»er Frau bei der Mahlzeit saß, sagte
er: „Ich begegnete heute jenem Knaben,
Frances."
„Welchem Knaben?"
„Demjenigen Deiner besten Freun
»in, der Mrs. Wardrop. Er ist ein
»ettrZ und lluges Bürschchen; «r er
zählte mir, daß seine Schwester beinahe
vieder gesund sei."
„Ich sreue mich dessen sehr," versetzte
KranceS ru >ig. „Doch um am etwas
KndereS zu tommen, Georg«, darf ich
nir die Frage erlauben, wann Du wie
»er zu reisen gedenkst?"
„Bist Du so begierig, mich auf einige
läge lo» zu sein?" entgegnete Mr.
Waltott lächelnd. „Ich bedaure sehr,
Vir mittheilen zu müssen, daß ich bereits
morgen fort fahren muß; ich erhielt
nne Depesche, die jeden längeren Aus
schub verbietet."
„Du wirst doch nicht lange vom Hause
»bwesend sein, George?"
„Bis zum nächsten Sonnabend, und
ich hoffe, Du wirst während dieser Zeit
Nich nicht zu einsam fühlen, France».
Nach GreenviS« wirst Du doch in der
jetzigen JahreSjeit nicht gehen wollen;
i« ist draußen schon langweilig genug
im Sommer, im Winter muß es ge
radezu schrecklich sein!"
„Nicht für mich!"
„Du mußt ein außerordentliches In
teresse für Mr?. Tunstall haben, um sie
im Winter zu besuchen; ladest
Du sie nicht ein, einige Zeit bei Dir
hier in dek Sladt zu verbringen? Ich
denke, dies würde für Euch Beide viel
angenehmer sein, und außerdem schul
dest Du ihr doch die Erwiderung sür
ihre vielfach Dir erwiesene Gastsreund
scha't während der verflossenen zwei
Jahre, die wir verheirathet sind."
„Ich will sie sür später zu mir ein
lade», aber nicht jetzt." entgegnete
FranceS; „bitte, laß mir meinen Wil
len !"
Mr. Walkott lächelte und sagte:
„Thue. n»S Du willst, Liebcken." -
Am nächsten Morgen reiste er ab,
nachdem er seiner Frau nochmals ver
svrochen hatte, den kommenden Sonn
abend wieder zu Hause zu sein.
Am Ziel seiner Reise angelangt, fand
er. daß sich seine Geschäfte glatter und
schneller abwickelten, als er erwartet
hatte, »nd daß er bereits am Freitag
wieder in New Aork sein konnte. Wäh
rend der Rückfahrt bedauerte er beinahe
sein verfrühtes Eintreffen, denn e»
schien ihm, daß sein Heim ohne France»,
die noch bei Mrs. Tunstall wohnte, ihm
recht einsam vorkommen würde. Als
er in Jersey City anlangte, kam ihm
plötzlich «in eigenthümlicher Gedanke;
warum sollte er nicht direkt nach Green
ville fahren und sie abholen? Dies
würde sür seine Frau jedenfalls eine
sehr angenehme Ueberraschung sein, zu
mal er glaubte, sich überzeugt halten zu
dürfen, daß sie ihres Aufenthalts in
dem kleinen Orte bereits überdrüssig
sein müsse. Fünf Minuten, nachdem
ihm dieser Gedanke gekommen, saß er
bereits in einem nach jenem Dorfe ge
hend,m Straßenbabn-Wagen.
Zn Greenville ging er die völlig mit
Schnee bedeckte Hauvtstraße hinaus,
ohne einer einzigen Person zu begeg
nen, bei der er nach der Wohnung der
Mrs. Tunstall hätte forschen können,
und er fragte sich kopfschüttelnd, wie
seine Frau es hier beinahe eine ganze
Woche aushalten könne. Endlich stieß
er auf ein paar Knaben, die sich mit
Schneeballwersen belustigten; bei diesen
erkundigte er sich nach dem Hauc, in
welchem tue Freundin seiner Gattin
lebte. Einer der Kleinen führte ihn
in eine schmutzige Nebenstraße, und wies
nach einem sich in schlechtem baulichen
Zustande befindlichen, hölzernen Häus
chen; dann eilte derselbe zu seinen
Spielkameraden zurück.
Zu seinem Erstaunen fand George
das HauS vollständig geschlossen, und
ein Mädchen, das aus dem Nachbarge
bäude trat, theilte ihm mit, daß Mrs.
Tunstall bereits seit einem ganzen Mo
nat verreist sei; dieselbe halte sich bei
Freunden in New Aork auf. „Das
war ein Reinfall!" sprach er vor sich
hin, als er zur Pferdebahnstation zu
rückschritt; wie wird FranceS über mich
lachen, wenn sie von meiner verfehlten
Fahrt hört! Aber es ist doch sonder
bar, daß sie nichts davon wußte, daß
ihre Freundin in der Stadt ist!"
Als Mr. Walkott jedoch zu Hause
ankam, fand er die Zimmer dunkel und
kalt; seine Frau war noch abwesend und
die Dienstmädchen konnten ihm keine
Auskunft über sie geben. „Es ist recht
eigenthümlich," dachte er, „daß FranceS
nicht nach Hause zurückgekehrt ist, nach
dem sie MrS. Tunstall nicht angetroffen.
Vielleicht hat sie sich zu den Kinder«
der Wardrop begeben.
Er hatte seinen Aerger beinahe ver
gessen, als ihm am Nachmittag des
nächsten Tages in seiner Privatosfice
eine Dam« gemeldet wurde.
Die in der nächsten Minute Eintre
tretende war Mrs. Tunstall. „Ich ging
soeben durch diese Straße und sehe zu
fällig Ihr Firmenschild, Mr. Walkott,"
begann sie; „da dachte ich, ich wollte
einmal bei Ihnen vorsprechen, um mich
nach dem Befinden Ihrer Frau Gemah
lin zu erkundigen. Es ist schon lange
her, daß ich sie nicht gesehen habe."
„Warum besuchen Sie nicht mein«
Frau? FranceS würde erfreut sein,
Sie bei sich zu sehen," erwiederte der
Ingenieur.
„Wenn ich noch di« nöthige Zeit
hierzu finde, will ich eS thun. Sie
müssen nämlich wissen, daß ich mich
beeilen muß, wenn ich mit dem Ordnen
meiner Angelegenheiten bis zu meiner
in drei Tagen stattfindenden Abreise
nach Omaha fertig werden will. Mein
Sohn, zu dem ich gehe, kommt mir bis
Chicago entgegen und aus diesem
Grunde muß ich zur bestimmten Zeit
abfahren."
„Gedenken Sie für immer dort zo
bleiben?"
.Ja."
„Dann beabsichtigen Sie wohl, Ihr
Haus in Greenville aufzugeben?"
„Sicherlich, e» steht bereits seit einem
Monat zum Verkauf, aber ich glaube,
es wird recht lange dauern, bis es an
den Manu gebracht ist, denn es liegt
leider in einem ziemlich vernachlässigten
Theile des Dorfes."
„Ich muß gestehen," sagte Mr. Wal
kott, „daß schon der ganzeOrtan und sür
sich aus mich niemals einen günstigen
Eindruck gemacht hat, und ich wunderte
mich deSbalb auch oft, wie meine Frau
so häufig nach dort zum Besuch fahren
konnte; aber natürlich ihre Zuneigung
für Sie —"
„Sollte Ihre Gattin mindesten» ver
anlaßt haben, bei mir auf einige Minu
len vorzusprechen," fiel ihm die Dame
erregt in's Wort. „Können Sie nnr
sagen, wen Mr». Walkott in Greenville
besucht hat?"
„Ich versteh» Sie nicht Mr». Tn«-
ßall," versetzte George, dessen Ant
litz das größt« Erstaun«» z«>gt«; „ich
dachte immer, meine Frau fahre zu Ih
nen."
„Dann waren Sie in einem großen
Irrtlium besangen; ich habe Ihre
Frau feit länger als einem Jahre nicht
,«sehen."
sie sich denn nicht im letzten
hervst drei Wochen bei Ihnen aufge
hallen?"
„Nein," antwortete die Dame; „Sie
müssen m-iien Namen mit einem an
der-' i i-r,t>>ch ,-ln "
Mr. o:t iprang «>>>f ein svderst
Thema üöer, aber seine Geoanke» blie
be» an dem soeben besprochenen hasten,
und nachdem sich der Besuch entfernt,
verschloß er die Thür hinter demselben,
um ungestört Überlegen zu können, wa?
er nunmehr zu thun habe. Erst spät
begab er sich nach.pause.
Frances war inzwischen zurückgekehrt
und eilte dem Galten in den Hausflur
entgegen, um ihn zu begrüßen. Als sie
ihr Antlitz seinem Munde näher brachte,
um den üblichen Kuß zu empfangen,
drängte er sie jedoch beinahe mit Ge
walt zurück; er schritt daraus, ohne ein
Wort zu sprechen, mit finsterem Gesicht
nach seinem Arbeitszimmer und machte
die Thüre hinter sich zu.
Jeder Schimmer von Farbe wich aus
dem Gesicht der Frau; eine Minute
lang stand fie wie zu Stein erstarrt da.
dann schlug sie mit einem lauten Auf
schrei die Hände über dem Kopfe zu
sammen, und in klagendem Tone kam
es über ihre Lippen: „ES ist gekom
men! Es ist endlich eingetreten, WaS
ich so lange befürchtet habe! Was soll
ich thun?."
Nach einer geraumen Weile hatte sie
sich einigermaßen gesaßt und schritt,
wenn auch noch immer mit leichenblas
sem Antlitz, zu der Thür des Arbeits
zimmers. Als sie dieselbe öffnete, sah
sie ihren Mann bewegungslos, die
Arme auf den Tisch gestützt und daZ
Gesicht in den Händen vergraben, da
sitzen ; er rührte sich auch nicht, als sie
an ihn herantrat und die and aus seine
Schulter legte.
„Ist etwas Besonderes vorgefallen,
George?" fragte sie mit sonderbar ruhi
ger Stimme.
„Ja," erwiderte der Angeredete, in
dem er ausspranz und sie mit vor Zorn
glühenden Augen anblickte, „ja e» ist
etwas Besondere» vorgefallen. Ich
habe auSgefunden, daß die Frau, welche
ich wie mein Leben liebte, eine wan
delnde Lüge ist! Du hast mich grausam
getäuscht; ich weiß zwar nicht, welche»
Deine Beweggründe dafür waren, aber
ich bin mir dessen bewußt, eine derar
tige Behandlung von Deiner Seite nicht
verdient zu haben!"
Etwa eine Viertelstunde herrschte
im Zimmer vollständiges Schweigen,
bis dasselbe schließlich durch Mr. Wal
ko» unterbrochen wurde. „Ich sehe,
Tu hast nicht einmal eine Entschuldi
gung für Deine Aufführung," kam es
in bitterem Tone aus seinem Munde.
„Du machtest mich zu Deinem Narren
und fühlst nicht einmal Reue über den
Schmerz, den Du mir durch Dein«
Täuschung verursacht hast!"
In diesem Momente wandte sie sich
ihm wieder zu mit einem Gesicht, das
so verstört und entstellt anSsah, daß
er erschrocken zurückfuhr: „So höre
denn!" sprach sie, „ich werde Dir
Alles erzählen, und dann, wenn es
Dir beliebt, weise mich für immer aus
dem Hause. Ich werde mich über den
Urteilsspruch, den Du über mich fällst,
nicht beschweren, so streng derselbe auch
sein möge, denn ich weiß, daß ich nicht
nur Deinen Zorn, sondern auch Deine
Verachtung dasür verdiene, daß ich seige
genug war, ein Geheimniß mit mir her
um zu schleppen, statt den Muth zu ha
ben, cs Dir vertrauensvoll zu beichten.
Der Himmel weiß, daß ich keine böse
Absicht dabei hatte, und wenn Du dar
unter leide» mußt, so geschah es gegen
meinen Willen.
Als ich sechszehn Jahre alt war, star
ben mir kurz hintereinander Vater und
Mutter und ließen mich arm und freund
loS zurück; schließlich nahm mich eine
entfernte Verwandte zu sich, die aber
über jeden Cent, den sie für mich aus
geben mußte, jammerte und mich stund
lich sühlen ließ, daß ich ihr eine Last
sei. Unglücklich, wie ich mich sühlte, war
es ein Leichtes, mich zu eiuer Heirath
mit einem ganz alten Man« zu über
reden, den ich erst seit ganz kurzer
Zeit gekannt. Zu spät erkannte ich
seinen wahren Charakter, »nd es ist
mir unmöglich zu beschreiben, was ich
während der fünf Jahre, die ich mit ihm
gelebt, gelitten habe.
Nach Ablauf jener Zeit fand ich aus,
daß er noch eine andere Frau Halle, de
ren Rechte an ihn, den meinigen vor
gingen. Selbstverständlich verließ ich
ihn augenblicklich, und eine gütige Vor
sehung bewahrte mich vor weiterem
Elend durch ihn, denn einige Monate
später wurde er bei einer Rauferei in
einer ordinären Schenke durch einen
Revolverschuß getvdtet. Zwei Jahre
lang erhielt ich mich und meine beiden
Kinder durch meine Stimme, bis mir
dieselbe, wie Du weißt, in Deiner Ge
genwart versagte. Ich habe nicht nöthig
zu erwähnen, wie ich durch das zuletzt
eingetretene Unglück in die größte Ver
zweiflung gerieth; ich glaubte irrsinnig
werden zu müssen, als Du mich aussuch
test. Einige Tage später trugst Du mir
Deine Hand an, und ich sah darin, daß
ich Deine Frau wurde, den einzigen
Ausweg aus meiner traurigen Lage."
„Unter diesen Umständen hast Du
mich niemals geliebt, Frances. War
es nur die Sorge um Deine Kinder, die
Dich meine Frau werden ließ?" ver
setzte Mr. Walcott mit verhaltenem
Athem.
„ES ist wahr, als ich Dich beirathete,
liebte ich Dich noch nicht George", ant
worte>e sie, die Augen mit einem zärt
lichen Blick zu ihm aufschlagend, „und
wie hätte dies auch der Fall sein kön
nen, kannte ich Dich doch nur höchst
oberflächl.ch. Aber Deine sich nie wan
delnde Freundlichkeit. Deine selbstlose
Liebe, die sich mir in tausend kleinen
Dingen zeigte, gewannen Dir mein gan
zes Herz, bevor wir noch ein Jahr ver
ehelich. waren. O, wenn Tu wüßtest,
wie ich di« ganze Zeit über dai Ver
langen in mir getragen habe, Dir mein
Gehe»»»»', zu beichten I Mehr als
hundert Mal lagen bereits die Worte
mir auf meiner Zunge, aber ich ver
mochte ditselbcn nicht über meine Lip
pen zu bringen."
„Du iürchtetest wohl den Unterhalt
für Deine Kinder zu verlieren?" fragte
der Gatte mit einem Anflug von Hohn.
N'iii!" schrie FranceS, sich
- :i die Knie werfend und ihr
l Aesich: !'.i, cn Händen bedeckend, „ich
hatte nur ..ugst, ich würde Deine
tinbüße», die ich über Alles in tw j
Welt »u schävtn aelerut Habel"
„France», ist die» wahr?" rief Mr.
Walkott, sie aushebend und in sei«»
Arme ziehend.
„Ja, es ist die lauterste Wahrheit,
so wahr mir Gott helfe!" erwiderte
sie. Dabei sah sie ihn mit Blicken an,
die mehr fagten, als tausende von Wor
ten hätten ausdrücken können.
Mit einem Schrei, in dem sich sein
Glück kundgab, preßte George sie noch
enger an sein Herz. „Mein," sprach
er dann, „mein für immer und ohne
ein solch' fürchterliches Geheimniß zwi
schen uns!"
„Und meine Kinder?" kam eS zögernd
au» ihrem Munde.
„Ich werde dieselben nun al» meine
eigenen betrachten, und Deine beste
Freundin, die Mrs. Wardrop, soll
ebenfall» einen nicht zu kleinen Theil
meines Herzens besitzen," versetzte er
mit einem schalkhaften Lächeln um den
Mund.
„Erwähne diesen Namen nicht wie
der, George!" bat sie, zusammenschau
dernd.
„Warum denn nicht, mein Lieb»
chen?"
„ES ist der Namen jenes ManneS,
dessen Andenken sür mich so bitter ist.
Robin war mein Vatername; diesen
nahm ich wieder sür mein Austreten aIK
Concert-Sängerin an. Meine Kinder
wissen mcht von meiner zweiten Verhei
rathung mit D>r und daß ich meine
Stimme verloren habe; während Dei
ner jedesmaligen Abwesenheit verweilte
ich bei denselben, und Richard, der für
sein Alter von noch nicht neun Jahre»
ungemein geweckt ist, glaubt, ich ruht«
mich bei Jhiktn von den Anstrengungen
meines Berufes au». Dem Himmel sei
Dank, daß die Qual dieses Doppelleben»
sür immer zu Ende ist!"
In dem Herzen George Wallkott'»
hallten die letzten Worte seiner innig
geliebten Frau lebhaft wieder und er
zog sie von Neuem an seine Brust, er
preßte einen herzlichen Kuß aus ihre
Lippen, als ein Zeichen seiner vollstän
dige» Verzeihung und seines wiedcrher»
gestellten, unendlichen Vertrauens.
Am nächsten Tage fuhr er mit Fran»
ce» nach Harlem hinaus, um deren Kin
der zu sich iu'S Haus zu holen, wo sie
fortan unter der ständigen Aufsicht der
Mutter erzogen werden sollten, al»
sie die seinigen wären.
Verey»i«ler Schmerz.
„WaS heulst so Peppi?" ,J»
woaßt, Onkel, der Batcr hat mi ge
schimpft und hat g'sagt, i sei so an sau
dummer Aua!" „Weiter nix?"
„Doch und des kränkt mi z'meist; er
hat g'sagt, i hätt' grad so 'n Charakter
wie Du I"
Er hat «»«»ine.
Gauner (nachdem er im (Aasthau»
«ach Gesallen gegessen und getrunken)».
„Zählkellner 'ilaiiSwerfen l"
Ter ehrlich« Finder.
Schusterjunge: „Herr
Ihre Danie oder Zhr Fuch» hat wa»
verloren !"
O b er-B a y r i»f che Sprüche
ES gibt nur nn böfeS Weib auf
der Welt, aber Jeder glaubt er
Hat'S.
Wer dem Teufel den Schwanz,
ausreißen will, muß grob zufafs'n!
Er ein Hund, wenn er
nur einen Schweif zun« Wedel»
Eheliche Disharmonie.
Aber Weibchen, wa» ist denn mit dir
lo»? Du hast mir heute Abend noch
keinen Kuß gegeben und nicht ein
freundliche» Wort mit mir gesprochen?
Laß mich, Emil, ich bin verstimmt.
Verstimmt? Hab' ich vielleicht ein
Klavier geheirathet?
Aufrichtig. Hau»fran: Leug
nen Sie eS nicht, Sie haben mit mei
nem Manne heimlich Rendezvous?
Dame: >l»i> Oi«u! In der ehrlichsten
Absicht von der Welt er hat mir die
Ehe versprochen, wenn er erst Wittwer
sein wird.
Au» der Reitschule. Un«
terofficier: „He, Strohhobel, Sie sitzen
mit einem Selbstgefühl auf dem Gaul,
«l» ob Sie der einzige dumme Kerl in
ganz Europa waren!"
Umschreibung. A.: „Wo
hast Du henn Deinen Brillantring?"—
B.: „Ich trage ihn jetzt am Mittelfinger
der kleinen Tänzerin."