Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 01, 1891, Page 2, Image 2

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    »er »««ft«.
Den Schauplatz einer für alle Be
iheiligten höchst peinlichen Scene bildete
an einem Abend eines der größten Re
staurant» der Friedrichstraße in Berlin.
Die Vorgeschichte de» Drama» läßt sich
nur andeuten, zumal da» Personenver«
zeichniß stadtbekannte Namen ausweist.
Der sehr angesehene Ches eine» Berli
ner Bankhauses, da» durch seine Hausse
spekulation in „Russen" eine schwindel
haste Höhe de» Glücke» erklommen hat,
hatte von seiner jüngsten Reise nach
Rußland, die zu Anfang diefe» Jahre»
unternommen wurde, zwei schöne Er
rungenschaften nach Hause gebracht: da»
Bewußtsein, daß der Rubel noch steigen
werde, und eine—bildschöne junge Frau.
Vor drei Jahren etwa wagte sie in
einem Theater de» Osten» —nicht Ruß
land», fondern Berlin» den ersten
Schritt auf die Bretter, die in Berlin
O. schon damals nicht mehr die Welt
bedeuteten. Die jnnge Dame trat
unter einem Pseudonym auf und gefiel
einem SportSman, der auf den Renn
plätzen in Westend und Hoppegarten
eine bekannte Persönlichkeit war, bis er
durch den Totalisator so ruinirt wurde,
daß er unter Kuratel gestellt werden
mußte; vor drei Jahren stand er jedoch
»och auf der Höhe der Situation, und
wo er erschien, machte er die Herzen der
jungen Mädchen höher schlagen.
Auch Fräulein nennen wir sie Ella
- lernte seine brillanten Eigenschaften
nach ihrem reellen Wertli schätzen, und
eS entspann sich eine jener kleinen Liai
lons, wie sie Boccaccio so reizend schil
fert. Die junge Dame konnte schon
kach kurzer Zeit ihr Verhältniß zur
Kunst lösen, das ohnehin ein sehr pla
tonisches geblieben war. Besondere
Umstände erforderten eS, dag sie sich
»on Welt und Scheinwelt zurückzog.
Zn ein Kloster ging sie nicht. Fräulein
Ulla, die damals 19 Jahre alt war,
jaßte da»» den Entschluß, nach St. Pe
tersburg zu gehen, wo sie in dem Hause
tiner deutschen Familie als Erzieherin
lin Unterkommen fand. Kurz vorher
dar auch der glückliche Liebhaber von
»er Bildfläche verschwunden, denn die
Bturmfluth war hereingebrochen und
Me viele Tausendmarkscheine fortge
chwemmt. In Rußland führte Fräu
ein Ella ein sehr zufriedenes Leben, bi»
ie jener russophile Berliner Bankier
ennen lernte und heirathete. Der
Herr Bankier, der über das Schwaben
»lter längst hinaus ist, trat seinen Ber
liner Verwandten mit dem kait »ecom
»li gegenüber. Er ist nämlich ein
freund von Ueberraschungen.
Eine solche sollte nun unlängst ihm
selbst zu Theil werden. Im Kroll
schen Garten traf die junge Frau zu
fällig ihren einstigen Liebhaber, der sich
setzt damit beschäftigt, bedrängten Ka
balieren Geld nichj unter SOO M. zu
beschaffen. Vor einigen Wochen erst
tvar er als einer der wenigen Menschen,
sie in diesem Sommer aus der Schweiz
lebendig nach Hause kommen, aus Genf
tiach Berlin gekommen. Das Wieder
sehen war ein sehr herzliche». Die alte
Liebe sann auf neue Mittel, sich wieder
zeltend zu machen. Am Sonnabend
boriger Woche stelle Frau Ella ihrem
Natten einen Cousin aus Rußland vor,
der sich einige Tage in Berlin aushal
fen, stwlle. Der Bankier luh den neuen
Russischen Vetter ein, sich im trauten
Familienkreise den Berliner Aufenthalt
so angenehm als möglich zu machen.
Der Vetter, der natürlich kein ande
rer war, al» Frau Ellas Liebhaber,
ließ sich das nicht zweimal sagen und so
tntspann sich in der Villa der Bellevue
straße eine liebliche ' » troi«!',
»i» der Bankier dahinter kam. Als
vorsichtiger Geschäftsmann wollte er
!edoch seine Frau nicht ohne zwingende
veweise der Untreue bezichtigen. Un
längst Abends befand sich der „Drei
ound"im Bräu; einigeFreunde des
vankierS waren gleichfalls zugegen. Als
pan gegen 12 Uhr ausbrach, blieb der
Herr Bankier etwaS zurück, um sich eine
Tigarre anzuzünden. Seine Frau ging
»m Arme des Cousins voran. „Also
morgen Abend, mein Engel! Einen
Kuß könntest Du mir noch rasch geben,
tr ist noch drin." Zärtlich flüsternd
Katte der Cousin seiner Geliebten diese
Worte ins Ohr geflüstert, als er plötz
lich eine schallende Ohrfeige erhielt.
Dann sauste ein Stock erst auf den Cy
linder und dann auf den Schädel de«
.Stockrussen" nieder. Die Freunde
wußten den „Kampf um die Frau", der
diele Neugierige angelockt hatte, schlich
ten; dann drückten sie dem Freunde ihr»
Theilnahme aus und gingen nachdenk
lich zu dem heimischen Penaten. Wie
vir hören, ist ein EhescheidungSprozeß
lind ein Duell daS Resultat des „ge
müthlichen Abends".
(Berliner Kl. Jurnal.)
Die Ehe und der Beruf.
Der Arzt nennt die Ehe ein verkehrtes
Lieber, das mit Hitze ansängt und mit
Bälte endigt. Der Chemiker: eine ein
lache Wahlverwandtschaft. Der Apothe
ler: ein niederschlagendes Pulver. Der
Mathematiker: kine Gleichung, wo bei
twei gegebenen Größen sich leicht eine
iritte findet. Der Jurist: einen Con
tract. Der Kaufmann: eine Speku
lation, die ebenso sallirt, als glückt.
Ver Dichter: einen Roman, der manch
mal mehrere Auflagen erlebt. Der
Schauspieler: eine Tragikomödie, die
stets vom Publikum beklatscht wird.
Der Theaterdirector: ein Abonnement:
theliche Untreue ist ein »boniismsnt
»uspsnclu. Der Musiker: ein Concert,
in welchem die Liebe die Flöte bläst,
die Kinderchen die Querpfeife, die Nach
darn die Trompete und der Mann zu«
deilen ein Hornsolo. Der Soldat:
einen Feldzug. der sich bald zum sieben
jährigen, bald zum dreißigjährigen
krieg ausdehnt. Der Reporter: ein
breigniß, das vielleicht später viel Stoff
M Berichten gibt. Der betrogene Ehe
mann meint, daß er im siebenten Him
im Anfange den Eh- za sein glaubte.
Ab er aber rur eine bös«
Bieben bekommen hc?.
«dr»«««» «rSuttgam.
Si« hieß Adriana und war weder
jung noch schön, auch fehlten ihr ein
paar was, so zahnärztliche
Hilfe nicht gleich zur Hand ist, immer
hin ein Mißgeschick genannt werden
muß. Aber Alles in Allem war sie
doch nicht übel. Der Mund war sonst
hübsch, die Augen waren schwarz wie
die Erde der fruchtbaren Aecker ihres
Heimathslandes zwischen dem Golf von
Tarant und der Bucht von Bajä und
ein liebebedürftiges Herz besaß sie oben
drein, das sie gleich Epheu überall fest
nestelte. Der Kampf des Leben» halte
früh für sie begonnen; sie zählte noch
keine acht Jahre, so stand sie schon in
fremder Leute Dienst, denn ihre Mut
ter, eine stille Näherin, war in jugend
lichem Alter geworben und ihr Vater,
ein Landglaser und Dudelsackpfeifer,
wurde eines Tages, als er mit etwas
Geld in seinem Lederbeutelchen vo»
seiner Fastenconcerttournee heimkehrte,
auf offener Landstraße erschlagen. Ad
rianas zierliche» Figürchen öffnete ihr
das Haus eines kalabresifchen Edkn,
der eine schöne Tochter besaß. Adriana
aß nun Orangen früh und spät, kleidete
ihre hübsche junge Herrin an und aus
und hütete sie mit einer Näharbeit
beschäftigt vor den Liebeserklärungen
ihrer Sing- und Clavierlehrer.
Sechzehnjährig verliebte sich die Toch
ter des Edelmannes in einen schmucken
Karabinierelieutenant, heirathete ihn
und zog sammt Adriana aus dem El
ternhause. Für Letztere brach nun eine
harte Zeit an; sie wusch und plättete,
kochte und fegte, trotzte den Zoritesan
fällen ihres kriegerischen Herrn mit Un
erschrockenheit und zog dem jungen
Paare drei Kinder auf, die sich mit er
staunlicher Schnelligkeit nach einander
eingestellt hatten und nebst einem Heiden
lärm auch eine große Geldknappheit in
ihrem Gesolge führten. Adriana, welche
mit großer Liebe an ihrer Gebieterin
hing, die sie nach Landesbrauch mit
Excellenz ansprach und im weiteren
Verlaufe jedes Gespräches regelmäßig
dutzte, sparte sich den Bissen vom
Munde ab, um ihn der jungen Mutter
zuzustecken. Das Ei, welches ihr die
Herrschaft zum Nachtessen bewilligte,
prakticierte die Dienerin bei Seite, um
eS am anderen Morgen der Herrin in
den Kaffee zu quirlen. Dessenungeach
tet setzte man sie nach Jahren auf die
Straße, weil sie sich geweigert hatte, zu
ihren hundert Beschästigungen, die Hun
dertundeinste zu übernehmen. Sie ging
ohne Groll, mit Thränen im Auge und
miethete sich im gegenüberliegenden
Hause ein, um die Kinder, welche sie
groß gezogen, wenigstens aus der
Ferne zu sehen. Sie nähte damals
Weißzeug für den Verkauf und läutete
Nachts am HauSthor des Karabinier
officierS lui, wenn die Kinder schrien
und die neue Wärterin sie nicht hörte.
Eines Tages hatte auch das ein
Ende und von da ab wurde Adriana
härter. Sie diente nacheinander bei
vielen Familien, welche alle mehr oder
weniger mit ihr zufrieden waren, aber
sie vergaß darüber ihr eigene» Interesse
nicht länger. So kam es, daß sie nicht
allein an Jahren, sondern auch an Bar
geld und allerlei Geschmeide, salschem
wie echtem; sür das sie eine ganz
sondere Vorliebe hegte, zunahm. Zur
Zeit, von der hier die Rede ist, war sie
das Faktotum im Hause einer Beamten
familie. Sie sah mehr auf gute Be
handlung, als auf Gehalt, insbesondere
wollte sie in Alles dreinreden. Die
Familie Pansecco kam allen diesen
Wünschen getreulich nach, sie räuinte ihr
das große Wort im Hause ein, zahlte
ihr den Lohn höchst unregelmäßig und
verabreichte ihr die denkbarst frugalsten
Mahlzeiten.
An Sonn- und Festtagen, wenn Ad
riana Ausgang hatte, gmg ein Glitzern
und Funkeln von ihrer Erscheinung
aus, das im Vereine mit der Fama
ihrer Ersparnisse die Blicke Vieler auf
sie lenkte und Adriana selbst über ihre
zunehmenden Jahre und Runzeln hin
wegtäuschte. Ihre eigene Herrschaft,
die doch den Tand aus nächster Nähe
kannte, ward geblendet, wenn sie nnt
all' ihren Jnsignien angethan, vor der
prasselnden Flamme des offenen Feuert
Herdes stand oder die niedrigsten Ar
beiten im Hause, also geschmückt, ver
richlele. In dem nock immer üppigen
Schwarzhaar funkelten neben einem
silbernen Löwen zwei blanke Thaler,
die zu Zitternadeln adaptirt worden,
überdies aber auch noch einige ausge
sucht glänzende Glasknöpfe, welche
Adriana mittels Haarnadeln an ihrem
Kopse zu befestigen wußte. In den
Ohren sunkelten ein paar falsche
Dwmanten, am Halse zwei echte
Goldketten. Von der einen Hand
hing ein großes Prälatenlreuz
aus Halbedelsteinen herab da» Ber
mächtniß eines Dienstherr» voki der
zweiten baumelten unterschiedliche Hör
ner au» Korallen und Perlmutter gegen
die Jettatura, denn al» Süditalienerin
sürchtete Adriana, die weder lesen noch
schreiben konnte, nicht» so sehr, als den
dösen Blick. Die Finger beider Hände
endlich waren theils mit echten, theils
mit falschen Ringen bis an die Knöchel
hinauf besteckt.
Eben saß die Familie patriarchalisch
in der geräumigen Küche um den eiche
nen Tisch und wartete auf den Abend
imbiß, ein ausgesottenes Stück Rind
fleisch, dem Adriana auf dem Roste das
Ansehen cine» Bratens zu geben suchte.
Sie schien in gehobener Stimmung und
sie war gerade erst von ihrem Au»
gange nach Hause gekommen und stand
jetzt funkelnd und glitzernd wie eine
Thcaterkönigin, über die rothe Glulh
gebeugt da, welche ihre Talmipracht
zur vollsten Geltung kommen ließ,
machte derselben, ganz unbekümmert um
ihre nur einige Schritte entkernt sitzende
Herrschaft, in lauten Worten Lust.
„Meinetwegen ein Stück harten
Brodes, aber nur für sich, u«r sür sich
sein!" Signora Pansecco, an derglei
chen Ausfälle gewöhnt, legt ktip G»
l 'Licht daravs rad «atz;« janft:
„Adriana, sieh' zu, da» Flesch wird
zur Kohle!"
„Es hat Dir wohl heute wieder Je
mand einen Heirathsantrag gemacht,
weil Du so aus dem Häuschen bist?"
„Das Fleisch, Avriana!" ruft der
Herr des Hauses, der es nun gerade
satt hat, kategorisch. „Gleich, Sig
nor, gleich!" Oh, in diesem Hause ist
ein Appetit, eine Eile mit dem Essen
da, Signor, wünsch' wohl zu spei
sen!" Die Frau will Adriana ihr
Theil geben, diese protestirt heftig:
„Mir nichts, mir nichts! Ich habe
schon zu Nacht gegessen, geben Sie eS
Bino."
Signora Pansecco schneidet das von
oer Magd verschmähte Stückchen
Jüngsten zurecht und- sagt ärgerlich:
„Wußt ich s doch, es angelt wieder
Einer nach Deinem bischen Gelde!"
„(Zignora, Jeder ist gxrn sein eigener
Herr, übrigens so weil ist es noch gar
nicht. Ich war mit meiner Freundin
Pepa, ihrem Manne und einem artigen
Herrn, den ich bisher noch nicht kannte,
ein Glas Cipro trinken, das ist Alles."
„Genug, um Dir den Kopf zu ver
drehen." „Ja, ein artiger Mann,
das muß ich sagen, auch trägt er vier
goldene Uhren aus sich, daraus können
Sie schon ersehen, wer er ist." „Biel
leicht einTaschendieb?" scherzt der Herr,
grimmig ob des zähen Rindfleisches.
„Nein, Signor, ein Uhrmacher. Ich
habe ihn auf morgen hierher bestellt, da
Sie ja doch lmmer die Uhr im Vorsäl
rben repariren lassen wollen uns dieser
sie uns umsonst macht." „Urav»,
l>e-tvit!" rufen diesmal die Gatte» ein
stimmig.
Als Frau Pansecco am folgenden Tag
von einem Gange heimkehrt, findet sie
einen kurzen, dicken Mann, welcher auf
ihrem Gartensopha in der Weinlaube
sitzt und einen vor ihm auf dem Tische
liegenden Gegenstand mit Aengstlichkeit
prüft. Er schnellt in die Höhe und
stellt sich als Ninolo, der Uhrmacher
vor."
„Ich bin eben im Begriffe, Ihre Uhr
zu repariren, Signora. Adriana wird
Ihnen wohl schon mitgetheilt haben,
vaß ich sie gestern kennen gelernt und
alsogleich den Entschluß gesaßt habe,
5ie...." „Ja, ja —Adriana. schnell,
man läutet." „O Signora Caterina,
wie mich das freut!" Der Uhrmacher
flüchtet mit seiner Pendeluhr in die
Küche, während die Damen auf dem
Bartensopha Platz nehmen. Doch es
währt nicht lange, so wälzt sich der
kurze Mann auch schon wieder mit einem
artigen Knix «y dem Tische vorbei und
zu der gegenüber liegenden Hausthür
hinaus. Obgleich in eifrigem Gespräche,
zerbricht sich Signora Pansecco doch im
Stillen über das Päckchen den Kopf,
welches der Uhrmacher unterm Arm
fortgetragen: „Die Uhr kann es nicht
fein, es war zu lang und zu schmal.
Sollte ihm Adriana etwas zugesteckt
haben? Nein, sie ist dessen unfähig
und überdies sie wollte hinzudenken
ist ja im ganzen Hause nichts, das
des Weglragens werth ist" aber sie
unterließ es. Als der Besuch sortist,
ruft Adriana triumphirend: „Signora,
unsere Uhr geht! Und keinen Soldo
wollt' er nehmen. O ein Galantuomo!"
„Es scheint so, aber was trug er
denn unter dem Arm davon?" Adriana
wird seuerroth und will nicht mit der
Sprache heraus. Abends, als die Gat
ten sich zur Ruhe begeben, sagt Frau
Pansecco: „Ich fürchte wir verlieren
diesmal Adriana allen Ernstes, ein
Gnom von einem Uhrmacher spekulirt
auf ihre Hand." „Schade," sagt der
Ehemann, „eL war cine große Bequem
lichkeit." „Das glaub' ich," entgeg
net seine Halste. „Oä sie den Lohn
heute oder über'» Jahr bekommt, gilt
ihr gleich." Der Mann seuszt und sagt
bekümmerten Tones: „Wo wird man
in Znkunfr im Nothfalle schnelle!» bis
chen Geld zu leihen bekommen?" —-
„Adriana hatte stets welches!" bestätigt
die Signora mit Rührung. Bon der
Küche herauf tönt das Lied, welches
eben die Runde durch Italien macht:
z>>oi-ü»!" „Da hastDu'S, die Person
ivird ganz verrückt aus ihre allen Tage."
„A bah, doch nicht, weil sie singt: Die
Liebe ist eine Kette, die nicht zu spren
gen ist?"
Samstag bügelt Adriana srisch drauf
IoS, damit ihre Herrschaft für Sonntag
Wäsche zum wechseln vorfindet. Da
wird heftig geschellt und gleich darauf
oernimmt die Frau ein lebhastes Ge
spräch zwischen ihrer Magd und einem
anderen Frauenzimmer. „Signora!
Signora!" kommt Adriana in's Zim
mer gestürzt, „der Uhrmacher Ninolo
schickt mir durch seine Verwandte
denn sie heißt auch Ninolo— ein nagel
neues Kleid, sehen Sie, deshalb ent
wendete er mir den Leib und trug ihn
Sie nur, diese Liebe! Ich soll's mor
gen anziehen, denn er denkt mir eine
große Ehre zu sagt die Schneiderin
die es gebracht hat und bei der er auch
zu scheint." -
„Du kennst ja den Menschen noch gar
nicht." dämpft Signora Pansecco „und
biß gi: alt sür ihn." Adriana überhört
diesen Einwand und sagt: „Sehen Sie
aber daß sich die Sache so schnell machen
würde, kälte ich —" „Laß die Per
son nicht so lange allein." „Ich geh'
schon darf ich sie Ihnen nicht herein
schicken? sie scheint eine sehr geschickte
Schneiderin zu sein. Signora Pan
secco erwägt sofort, daß eine Schneide
rin, der man noch kein Geld schuldet,
unter Umständen nützlich werden kann
und eilt hinau?. Auf der Gartenbank
sitzt ein hübsches junges, Weib, ein grü
nes Einbindtuch über dem Arm. Sie
entschuldigt ihr Sitzen mit ihrem
Zustande.
Adriana hat letzteren in ihrem Hei
rathseiser gar nicht bemerkt. „Ich hab'
schon sünfKinder" erUSrt die Schnei
derin „aber allemal, Wenn'S zu End'
geht" —Adriana hört tkeilnehmend zu
'>nd schlägt ihrer Fra'a >r Sckm.»'>
scsvttt tt'.j.- »Ss dn
Laube herabzuschneiden, denn manch
mal man wisse nicht —.
Diese nimmt die süße Frucht freudig an
und hinterläßt als Gegenleistung ihre
Adresse, welche zugleich die des Uhr
machers ist. Noch am Thore ruft sie
Adriana zu: „Wir erwarten Sie also
morgen bestimmt, denn ich sehe schon,
es wird Ernst!" —'und sie drücken ein
ander verständnißinnig die Hand. .
„Es wird Ernst, es wird Ernst!"
jubelt es in Adrianas Brust. Tags
darauf um drei Uhr keucht sie die drei
Stockwerke zu ihrer neuen Freundin
Ninolo hinauf, wo sie ja auch ihn fin
den soll. Ehe sie noch den letzten Trep
penabsatz erklommen bat, beugt sich eine
alte Frau über da» Geländer und rust.
Adriana zu: „Machen Sie schnell, die
Anderen sind schon alle voraus zu San
Eustachis gegangen!" „Zu San
Eustachis?" „Nun ja, in die Kirche
hinüber." „In die Kirche ?" frägt
Adriana erstaunt „ist es denn jetzt
Mode, daß man sich in der Kirche ver
lobt?" Aber sie wertet die Antwort
nicht ab und hastet die Treppe hinunter,
über den Weg hinüber und in die
Kirche hinein. Diese ist leer bis aus
eine kleine Gruppe Leute, welche, vor
dem ersten Seitenaltarc stehend, aus
etwas zu warten scheinen. Soeben
kommt auch ein Pciester im Chorhemd,
das viereckige Käppchen auf dem Haupte,
aus der Sakristei und fragt die Umste
henden, mit dem Zeigesinger aus Adri
ana deutend, barsch: „Ist das die Per
son, welche erwartet wurde?" Anstatt
aller Antwort erfaßt der Uhrmacher
Adrianas Arm und zieht diese gegen den
Altar, ihr mit gewohnter Liebenswür
digkeit in's Ohr slüsiernd:
„Nicht wahr, das ist schnell gegan
gen?" Dabei läßt er seinen Blick lieb
kosend aus ihrem Kleide ruhen. „Sitzt
Ihnen vortrefflich!" Adriana will
fragen sprechen eS flimmerte ihr
vor den Augen da tritt eine bejahrte
Frau auf sie zu und legt ihr einen
schreienden Säugling in den Arm. Der
schreckliche Uhrmacher aber spricht froh
lockend: „Die kleine Adriana, Frau
Gevatterin, unser Sechstes!"
Sie will Reißaus nehmen, fliehen,
zu Boden Wersen, aber sie
thut nichts von alledem und läßt das
Unvermeidliche mit glühendrothen Wan
gen über sich ergehen, und kaust der
kleinen Adriana tagsdarauf ein Paar
Ohrgehänge mit erbsengroßen Kapdia
iianten. Henrn Verl.
Seltsame Hausthiere scheint man ir,
Rußland zu halten und frei herumlau
fen zu lassen. Ein sogenannter „ge
zähmter" Bär hat kürzlich bei Wilna
unsägliches Unglück angerichtet. Bor
zwei Jahren wurde, wie ein baltisches
Blatt erzählt, auf einer Bärenjagd in
den grvdnoschin Wäldern ein junger
Bär eingefangen, den Herr 0., der Be
sitzer des Gutes Juchanowschtschina, auf
zuziehen beschloß. „Mimi", so nannti
man den Zögling, wurde bald ein allge
meiner Liebling, trotz der Streiche, di«
er nach und nach loszulassen begann und
die oit mit bedeutendem Schaden ver
knüpft waren. So zertrümmerte
„Mimi" eines TazeS einen großen
Pfeilerlviegel im Saal, eifersüchtig aus
den Bencr, der ihm aus dem Glase ent
gegensah. Ein anderes Mal stand d.e
mit zwei Pferden bespannte elegante
Equipage des Gutsherrn vor der
Treppe, in Erwartung des Besitzers.
EtwaS am Geschirr in Ordnung zu
bringen, war der Kutscher Bock
gestiegen. In demselben Augenblick
schwang sich „Mimi" stellvertretend aus
den Bock. Die erschreckten Pferde rissen
aus. Man fand später den vollständig
zertrümmerten Wagen und eins de»
schönen Pferde, schrecklich entstellt, ver
endet. Die Bedienung hatte „Mimi"
des Spaßes halber an Branntwein ge
wöhnt.
Bor einigen Tagen trollte ein Arbei
ter des Gutes in den nahegelegenen
Krug und nahm „Mimi" mit. Er
traktirte de» Bären mit einem Schnaps
und kehrte dann wieser heim ' Zwei
Tage später begab sich „Mimi" schon
aus eigene Faust in den Krug. Ohne
sich weiter um die dort anwesenden
Bauern zu kümmern, schritt er gemäch
lich direkt auf das Fäßchen zu, aus wel
chem seinem Begleiter und ihm vor zwei
Tagen eingeschenkt worden war. Eme
Wendung der Tatze und das Fäßchen
lag am Boden. 'Nun aber sprangen
der Krüger, Jtza Rabinowitsch, ebenso
dessen ISjähriger Sohn, dann auch die
Frau und Tochter h«nzu, um den
Branntwein zu retten, denn „Mimi"
schlug immer ungeduldiger aus da»
Fäßchen IoS, so daß die Vernichtung
desselben vorauszusehen war. Der Bär
jedoch wollte die Einmischung nicht dul
den. Ein wüthender Hieb mit der
Tatze streckte den Krüger zu Boden, ein
zweiter Schlag traf den Sohn, so daß
Beide gleich daran», schrecklich zugerich
tet, den Geist ausgaben. Schwer ver
letzt wurden dab.i auch die Frau und
die Tochter des Krüger.
Ali der Kamps um da? Branntwein
fäßchen zwischen den Wirthsleuten und
den Bärem begann, lachten die anwe
senden Bauern und freuten sich der an
genehmen Unterhaltung, doch bald er
kannten sie den Ernst der Lage und lie
fen davon, auf dem Gute von dem Bor
gefallenen Meldung zu machen. Herr
O. nebst einigen Leuten war sofort zur
Stelle, doch das gräßliche Unglück war
nicht mehr abzuwenden. In dem mit
Branntwein vermischten Blute lagen
der Krüger und dessen Sohn todt, die
Frau und deren Tochter sehr schwer ver
wundet, der „zahme" Bär aber ein paar
Schritte davon, völlig betrunken. Er
wurde auf die Straße hinausgeschleist
und dort von Herrn O. erschossen. Die
Tochter des ZtrügerS erlag auch noch
ihren Wunden, nur die Krügerin blieb
am Leben. Für deren Existenz wird
der Gutsherr D. nun wohl sorgen
müssen.
Diejenigen, die selbst kein«
Ebr? besitzen, können auch der Wahrbr»
Jngenverinnerunge«.
A.: Halloh! alte» Takel, wie geht»?
Mich freut immer, wenn ich Einen sehe,
mit dem ich alte Erinnerungen au»tau
schen kann!"
B.: „Ja, weißt Du noch, wie ich
Dir Einen unter die Gamaschen gab?
So! von unten herauf!"
R.: „Ganz richtig; und ich gab Dir
einen auf's Nasenbein; weißt Du noch?
To! von oben herunter!"
B.: „Na. und ob! Wie wenn'S heute
gewesen wäre!"
A.: „Ja ja, es waren doch schöne
Zeiten! Prost, ake Thrantonne!"
«am an die Unrechte.
Er (im Tone der Verzweiflung):
.Nur Dich mein Engel, dich allein bete
ich an!"
Sie (viel ruhiger): „Wenn da»
wahr ist, so bin ich aber nicht die Ein»
iqe, die Sie anlügen!"
Dann muh eS wahr sein!
Besucher: Nicht wahr, liebe Ne te,
Du bist auch immer ein artiges kleine«
Mädchen?
Neltie: O ja, gewiß, denn Papa sagt
i» »er, ich sei ein entsetzlicher Tollkopf!
Zatte Andeutung. Der
Kaufmann Lilienthal ist mit seinem
Buchkaller beschäftigt, die Bücher ab
zuschließen und findet, daß ein sonst
pünktlich zahlender Kunde nicht regulirt
hat. „schreiben Sie 'mal dem Man»
sofort eine Postkarte!" forderte er den
Suchhalter auf. „Aber Herr Lilien
thal", wendet dieser ein, „man darf doch
eine Mahnung nicht auf eine offene
karte schreiben!" „W eso nicht," er
widert Lilientbal, „schreiben Sie nur
»ie Adresse werd' ich S Ihnen zei
zen!' —Der Buchhalter thut es, und
L>lienthal schreib: auf die Rückseite der
Karte nur das cine bedeutungsvolle
Wort: „Nu?! Ergebenst Jakob Lilien
that."
Raffinirte Eitelkeit.
Mein Fräulein, wo» darf ich Ihnen
einschenken, wünscheü Sie Rheinwein
.-'.e? Kzr!)tarx? - Ich um Sitzen
.Aordessz »»'.bedingt
id rnnnr Toilette.
Der SteSdrtrf.
junger, unverheiratheter Man«,
mit vorzüglicher Handichrist, zuverläs
sig, nüchtern und bescheiden, der über
seine bisherige Stellung die besten
Zeugnisse aufzuweisen hat, wird für eine
verantwortliche Stellung, acf sofort ge
sucht. Persönliche Vorstellung erfor
derlich. Gehalt anfänglich IM Mark
monatlich. Meldung Aldertstraße 7»
im Büreau, Vormittags 1t)—11 Uhr."
Ja, da stand es wirklich mit deutli
chen Lettern groß gedruckt! Zwanzig
Mal hatte er die Annonce nun schon
durchstudirt, sich in die Ohren gekniffen,
um zu erproben ob er auch wache und
das Ganze nicht etwa ein schöner Traum
sei, aber nein, es zerfloß njcht wie ein
Truggebilde in Dunst und Nebel, son
dern blieb bombenfest vor seinen strah
lenden Augen stehen. Besagte strah
lende Augen, die noch vor einer halbe»
Stunde recht trübselig und hoffnungs
los in die Welt, respektive in das vor
ihm stehende mit Dünnbier gefüllte
Glas gesehen halten, gehörten nämlich
erb- und eigenthümlich einem arme»
Schlucker mit dem Clownnamen August
und dem Sammelnamen Müller an.
Zu seiner Naturgeschichte gehört, daß er
alias Buchhalter eines kleinen Kauf
manns war, der vor acht Tagen einen
redlichen Bankrott gemacht hatte. So
war er stellenlos geworden und hatt«
sich mit Beharrlichkeit und schies hän
genden Magen schon em Paar Stiesel
sohlen nach einem anderen Unterkommen
abgelaufen.
Unverheirathet, Gott sei Dank, daZ
konnte er beschwören, kein weibliches
Wesen härmte sich um ihn; vorzügliche
Handschrift: er schmunzelte selbstbe
wußt, und Besitzer der übrigen Eigen
schasten war er in hohem Grade, beson
ders was Nüchternheit und Bescheiden
heit anbelangte, da ihm zum Gegentheil
von Beiden stets unerlässigen Mittel
gemangelt hatten. Ach, wenn es ihm
doch gelänge, diese herrliche, reich dotirte
Stelle zu erringen!
Doch, wie nun die Zeit bis morgen
hinbringen? Der Zeiger seiner llhr
wies unerbittlich erst auf fünf Uhr
Nachmittags und das Local mußte er
nun auch räumen, da der Wirth sich be
reits mehrere Male sehr auffällig nach
seinen weiteren Wünschen erkundigt
hatte und das kranke Beutelchen partout
keinen Wunsch mehr bewilligen konnte
und durste. Nun also schnell Notiz
buch und Stist hervor und die kostbar«
Adresse genau aufgeschrieben. Als auch
dies Geschäft mit der größten Umständ
lichkeit bewirkt worden, fiel ihm unwill
kürlich die nächste Rubrik der Zeitung
in die Augen, die in gesperrten Lettern
einen Steckbrief enthielt, daneben im
schlechten Holzschnitt das Portrait des
Betreffenden, sür dessen Auslieferung
dem „ehrlichen Finder" cine Belohnung
von fünfhundert Mark zugesichert wurde.
August Müllers Blut gerieth in Wal
lung. O, wer doch solch ein horrender
Glückspilz sein könnte! Da soll man
nun nicht sagen, daß das Geld aus der
Straße liegt! Uebrigens mußte der Ge
suchte, der Beschreibung nach, ein ganz
hübscher Kerl sein, hohe, sreie Stirn,
brauzie Augen, dunkler wohlgepflezler
Schsurrbart, elegant angezogen und
wie obligat: Besondere Merkmale keine.
Nun rüstete er sich zum Heimweg,
nach seiner, im fernsten Osten der Stadt
gelegenen kleinen Dachkammer, schlen
derte aber vorerst noch, da es ein herr
licher Sonntag war, planlos an der
Promenade umher. Plötzlich würd«
seine Aufmerksamkeit erregt durch einen
hocheleganten Herrn, der einen Augen
blick mil einem zweiten Herrn sprach,
diesem hinter der vorgehaltenen Hand
etwas zuraunte und dann schnell in die
Anlagen hineinschritt. August Müller,
der neben dem Pferdebahngeleise einher
schritt, schaute ihm plötzlich befremdet
nach. Der hochgewachsene Herr schleu-'
derte plötzlich etwas in die Büsche. DaZ
hatte entschieoen etwas zu bedeuten!
Wa» halte der Elegante weggeworsen,
warum das sichtliche Erschrecken und die
Angst? Der hat entschieden lein gutes
Gewissen! Herr Gott im Himmel, Au
gust, wo hast du denn de ne Augen und
deine Gedanken! Hohe sreie Stirn,
braune Augen, wi- scheu hatten sie ihn
angeblickt! Dunkler Schnurrbart, na
türlich hatte er den, elegant angezogen,
na und wie! Dazu alle die verdächtigen
Umstände, Wegwerfen, geirnß kost-
Erschrecken und das rasche Vorbeihasten,
außer allem Zweisel wird es der ge
suchte Verbrecher sein! Beinahe hätte
August Müller laut aufgeschrien vor
innerlichem Jubel, Fortuna» Sonne
lächelte ihm.
Wie elektrisirt sprang er auf, holte
mit langen, unhörbaren Schritten den
ahnungslos Dahinschreitenden ein und
schob mit einem kühnen, energischen
>»tuck seinen Arm in den des zusammen
fahrenden Verbrechers. Langsam und
niederschmetternd raunte er ihm zu:
„Mein Herr, Sie sind verhaftet, folgen
Sie mir!" Mehr belustigt als wie er
schrocken sah der Angeredete ihn von
oden bis unten an, erlaubte sich die be
scheidene Frage, ob sein Angreiser viel
leicht verrückt wäre und verlangte so
fortige Freilassung. Eine solche un
verschämte Zumuthung versetzte unseren
August nun aber in leicht begreifliche
Empörung.
„Nein, mein Lieber, davon ist vor
läufig keine Rede, machen Sie keine
Flsematenten, sondern kommen Sie
gutwillig mit mir, ich habe Riesen
träsre!"
Dabei umspannte er allerdings den
Arm seine» unglücklichen Opfers wie
mit einem Schraubstock. Maßloses
Staunen und Aerger kämpsten in dem
Gesicht des Fremden, vergebens ließ er
seine Blicke umherschweisen, weit und
breit war kein lebendes Wesen zu sehen,
von dem er hätte Hikse erwarten kön
nen. Unumstößlich drängt sich ihm die
Gewißheit aus. daß er es mit einem
.ir??« Irrsinnigen;>i »ki-u hätt? w-d
die unheimlich suulel'ive.i Blicke,!
mit denen der Wahnsinnige ihn
! musterte. Er hielt es nach Ueberlegung
daher sür das Beste, sich in sein Schick- ,
sal scheinbar zu ergeben, um die Wuth "
des Unglücklichen nicht zu reizen und j
weiteres Unheil zu verhüten. Arm in
Arm wandert er daher mit seinem son
derbaren, jetzt ganz schweigsamen Be
gleiter der nächsten Polizeiwache zu, dl«
sie nach einer kleinen Viertelstunde I
glücklich ohne Unfall erreichen.
Beim Erblicken des dienstthuenden
Schutzmannes ließ aber der Fremde
jede Rücksicht fahren, befreite sich mit
hastigem Ruck von seinem unheimlichen
Kameraden, faßte ihn wuchtig am Rock
kragen und übergab den verdutzten
August Müller dem herbeieilenden
Diener der heiligen Hermandad mit den
Worten- „Da Meyer, nehmen Sie sich
mal dieses jungen Mannes an und be
obachten Sie ihn auf seine Gesundheit
im Oberstübchen!"
„Zu Befehl, Herr Justizrath," lau
tete die prompte Entgegnung und wi«
der Blitz wurde August Mülter, kreide
bleich wie ein Gespenst und vollständig
niedergedonnert von diesem, himmelweit
von seinem Programm abweichender
Vorgang, mit nervigen Fäusten ergris
sen und in das innere der Wachtstubi
besördert. Ihm wurde schwarz vor den
kugen! Schwindel ersaßle sein armes
Gehirn! Großer Gott, was hatte er
angerichtet! „Herr Justizrath" hatt«
der Schutzmann ehrfurchtsvoll seinen
eingesangenen Verbrecher angeredet, bei
also eine bekannte und angesehene Per
sönlichkeit z» sein schien! Ein derbei
Rippenstoß des ihn bewachenden Schutz
manns brachte ihn wieder zu sich und
durchbohrend sah er die verhängniß
vollen braunen Augen des von ihm
maßlos beleidigten Herrn aus sich ge
richtet.
„Nun sagen Sie mal gefälligst, mein
lieber Mann, welchem Umstände hab«
ich dean eigentlich meine Verhaftung zu
danken und wosür haben Sie mich ge
halten?" fragte er lächelnd, aber in
einem so wohlwollenden Tone, daß
August Müllers vor Angst laut pochen
des Herz wieder in etwas ruhigerem !
Tempo zu schlagen begann. In tiefste,
Reu« und ganz zerknirscht, ein Bild dei
höchsten JammerS, begann er nun zu
berichten, wie er zu der Kenntniß des
fatalen Steckbrieses gekommen, wi«
alles so prachtvoll auf den feinen ele
ganten Herrn gepaßt hätte und
zögernd und zaghaft kam es über sein«
Lippen wie er gesehen, daß der Her,
etwas heimlich in die Büsche geschleu
dert hätte, wodurch hauptsächlich seir
Argwohn rege geworden sei.— Bei die
sem letzten Passus war es mit der, bis
jetzt mühsam behaupteten Fassung des
Herrn Justizraths vorbei und er lachte
aus vollem Halse, in welche» Gelächtei
Alle, außer August Müller, dröhnend
einsiimmten, als er erzählte, daß er
allerdings etwas sortgeworfen hätte und
daß dieses schauerliche Etwas ein
Cigarrenstummel gewesen wäre!
Einer strafbaren Handlung hätte er sich
insofern schuldig gemacht, als es ver
boten sei in den herzoglicyen Parkanla
gen zu rauchen und opfere er hiermit
nachträglich auf dem Altar der heiligen -
Hermandad die auf dies Vergehe»
stehenden drei Mark.
Demüthig bat August Müller de?
Herrn Justizrath um Vergebung seines
unbegreiflichen Irrthums und als ihm
diese mit einigen ernsten ermahnenden
Worten gewährt worden war, wollte e,
sich eiligst aus dem Staube machen, um
der peinlichen Situation endlich zu
entrinnen. So leicht ging die Sach«
aber doch nicht, denn mit ihm zusam
men verließ der Justizrath das Wacht
local und legte draußen, als sie außer
Hörweite der höchlichst amüsirten Schutz
leule waren, seine Hand auf August
Müllers Schulter, ihn am Weitergehen
„Nun, mein Herr Haltefest, gestatten
Sie mir 'mal eine offene Frage! Was
hat Sie bewogen, sich an einem Harm
losen Spaziergänger zu vergreisen, um
in Besitz der ausgesetzten fünfhundert
Mark zu kommen ? War es wirklich nur
der eitle Glanz des Geldes, der Ihre
Sinne so verwirrte?"
Mit Thränen in den Augen gestand
August Müller nun dem freundlichen
Herrn seine traurige Lage und seine au
genblickliche Stellenlosigleit.
Nach einiger Ueberlegung meint«
dieser: „So, also eine vorzügliche
Handschrist glauben Sle zu besinn?"
»Ja-" „Verheirathet sind Si«
nicht?" „Nein." „Sind Sie zu
verlässig, nüchtern und bescheiden ?"
Augusts Augen bekamen einen eigen
thümlichen Glanz. „Ja, in vollstem
Umfange" erwiderte er schnell.—„Nun,
ich brauche nämlich Jemand sür eine
verantwortliche Stellung, der die besten
Zeugnisse über seine bisherige Thätig
keit aufzuweisen hat, monatlicher Ge
halt IÄO Mark" Nun konnte e»
August Müller nicht länger aushalten!
„Ach bester, hochverehrtester Herr Ju
stizrath" jubelte er herau». „Darf ich
mich morgen melden, Albertpraße 7l>
im Bureau, Vormittags 10—11 Uhr,
darf ich wirklich?"
Jetzt war die Reihe de» Erstaunen»
an den Jnstizrath gekommen! „Aber
Mensch, woher wissen Sie denn plötz
lich meine Adresse so genau ?" „Ach,
Herr Justizrath, Ihre Annonce in der
Zeitung", hier zog er sein abgerissenes
Notizbuch vor „war es ja, die mir in
meiner Hoffnungslosigkeit als leuchten
der Stern ausging und die mir meine
ganze Vernunft benahm! „So. so,"
schmunzelte der Angeredete schelmisch,
„da bin ich ja eigentlich selber schuld an
vem ganzen Malheur! Nun gute Nacht,
Herr August Müller, aus wiedersehen
morgen in meinem Bureau, wir wollen
es mal zusammen probiren!"
In der Hitze. Frau: „Wie
können Sie nur so dumm sein und auf
den-neu angestrichenen Tisch etwas
stellen! ?"—Magd: „Der. gnädige Herr
bat vorhin auch schon 'was d'rauf ge
stellt!" — Frau (in höchster Wuth)-
mein Mann e ». Eie! 'st,
i". wenigsten» ein. Recht duzn,
«te «'.HI, Sie dumme Person l"