Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 16, 1891, Page 2, Image 2

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«lne M»ltk«»»rt««er»««.
Der „Soldatcnhort" berichtet in sei
«er letzten Nummer folgende wahre Be
gebenheit: In dem oberbayerischen
Städtchen Rosenheim herrschte an einem
Junisonntag deS JahreS 1882 eine
fieberhafte Aufregung. Kaiser Wil
helm I. war in Begleitung deS Fürsten
Bismarck und des Grasen Moltke im
Hotel „Kaiser-Bad" abgestiegen, um
mit Beginn des nächsten Tages die Reise
nach Gastein fortzusetzen. Unter den
Vielen, welche durch die festlich ge
schmückten Straßen der Stadt zu dem
hellerleuchteten Haufe hinauSströmten,
befand sich auch ein Madel von unge
fähr 21 Jahren, welches einen kaum
vierjährigen Knaben an der Hand sührte.
Auch sie wollte den Kaiser sehen, aber
mehr noch den berühmten Feldherrn,
unter dessen glorreicher Führung zwei
Brüder von ihr gekämpft. Verzweifelt
fah sie sich nach einem sicheren Obdach
nm, in welchem fie es wagen durfte,
ihren kleinen Bruder für eine kurze
Stunde „einzustellen". Mühsam kämpfte
He sich einen Weg durch das Gedränge;
da in der Nähe deS von der Polizei ab
gesperrten Gasthofes fiel ihr Blick auf
einen alten Mann, aus dessen Uniform
sie nicht klug werden konnte, ob er ein
.Finanzer" oder einer von d«r Eisen
dahn sei.
.Bei dem stellst dein Buam ein —"
dachte sie sich, und schon im nächsten
Augenblick stand sie mit einem zier
lichen Knix vor dem alten Herrn,
drückte ihm ein Geldstück in die
Hand und sagte: .Du, Finanzer, sei
so guat und b'halt mir amal dös Büa-
Verl bei Dir. In aner halben Stund
kumm i wieder; i möcht' ma nur den
Moltke anschau'n!" Ehe der alte Herr
noch eine Erimderung über seine bart
losen Lippen bringen konnte, war das
schöne Kind verschwunden. Der klei
ne Franzei hatte gar schreckliche
Furcht. Schließlich beruhigte sich der
Kleine, als ihm der Wärter seine Uhr
an'S Ohr hielt und versprach, ihm recht
süßen Lebkuchen zu schenken. Unter
dessen kämpste sich die muchige Aetple
rin durch den Menschenstrom in die
vorderste Reihe der ehrfurchtsvoll Har
renden. Wohl knixte sie vor dem Für
sten Bismarck und warf dem greifen
Kaiser Kußhände zu, aber der Erwar
tete, Gras Moltke, wollte nimmer er
scheinen.
Mit finsterer Miene kam sie wieder
beim Wärter ihres kleinen Bruders
an. „Gott sei Dank, weil nur Du mit
mci'm Franzei da bist. Ja weißt, Fi
nanzer, die Zeitungen lüg'n wie ge
druckt, Hab'ns g'fchrieb'n, der Gras
Moltke kimmt un , nit is er kummi,
Na, solche Leutsoppec ine soll'n dengerst
Schtrixn kriagn!" „Weißt Du,
Mädchen, die Zeitungen haben nicht ge
logen. Moltke ist hier >n der Stadt,
natürlich kennen ihn die Leute n,cht,
darum wird er auch nicht gesehen."
„Er ist da?" seuszte die Kleine schmerz
lich au', indem sie dem Franzei zärtlich
das blonde Lockenhaar streichelte. „O
Jessas, die schönsten Alpenrosen gab i
d'rum, wenn i den General seh'n
lunnt," „Gut, sei's darum," mein»
der alte Herr fröhlich und zog ein Bil
let aus der Tasche, auf welches er
einige Worte schrieb. „Hier! Mit die
fem Zettel gehst Du morgen früh um
L Uhr in das Hotel. Ich steh' Dir
gut dafür, daß Dn daraufhin zum
Feldmarschall vorgelassen wirst. Aber
vergiß nicht die Alpenrosen!"
.Ist'S auch wirklich wahr?" entgeg
uete die Kleine zögernd, „Na, i werd's
probir'n, aber dös sag' i Dir, Finanzer,
hast D' mi ang'logen, dann trau Dich
ja nimmer unter meine Anz'n. Ja, so
bin i! I kratz Dir's aus, wenn i Di'
sehg—und da — da hast noch a' Zwanz
gerl. Kauf Dir a Maßt dafür, aber
hörst, trink Dir koan Rausch an daool
So, nun b'hnat Di Gott! Gut' Nacht,"
Mit einein behaglichen Schmunzeln ent
fernte sich der so reichlich Beichenkte.
Pünktlich um die neunte Morgen
stunde stand die Veverl mit einem mäch
tigen Blumenstrauß ausgerüstet unter
der Thür des Hotels, vor der im gra
vitätischen Schritte zwei Landwehrsolda
ten auf- ii. lliederjchriuen. Mit schmun
zelnder Miene nahm der dienstthuende
Adjutant die Karte entgegen, und von
ihm begleitet, schritt Veverl alsbald die
teppichbelegte Treppe zu dem Salon
empor, in welchem sich der Feldmarschall
einquartiert hatte.
Nach einer lurzen Meldung des Of
ficierS öffnete sich die Thür, aber fch n
in dem Augenblick, als Veverl die
Schwelle überschritt, entfiel ihr, wäh
rend iie laut rief: .Jessas M iria und
a kloans Bi i'el Joief!" der Blumen
strauß. Sie stand vor demselben, der
ihr gestern das unartige „Franzei" ver
»ls sie sich von ihrem ersten Schrecken
erholt. „Herr General, gewiß lst'S
valir, ik' ja nix dafür, daß i Jhna nit
kennt la
Lächelns streckte ihr Moltke die Hand
entgeien, „Fürcht' Dichnichl, Kieme,"
sprach er, „wir bleiben die Alten Ich
dank' Dir iür Deine Blnmen und lner
dasür geb' ich Dir diesen «iegesthaler.
Pieniiig gefchentt hast, noch was werih
Ist," Mir einem huldvollen Lätieln
ward Veverl entlassen. Der Sieges
lhaler ist b,S jetzt als ein heiliges An
denken in ilirer Familie vereyri worden.
Gras Moltke bat aoer oft mir -Vergnü
gen erzälilt, wie er sich als ttmderjrau
Ausgebildeter Geruchs
sinn „Was ltiust
Du, il lga, wenn Dir Dein Anbeter ein
PiU'uei ictncti?" Eollegiin „Bor
it .in riech- ich daran, ob lein Armband
drin uc.il!'
Der beste Beweis für
die Unuachah nlich eit des Original»
nnd die—Nachahmungen.
»er Fetischismus in »srtk«.
Der Fetischismus in Mittelasrika re
sultirt aus den Bestrebungen der Einge
bornen, irgend etwas zu finden, was
ihrer Meinung nach geeignet ist, sie vor
den ringsum lauernden Gefahren der
Natur zu schützen. Naubthiere und
giftige Schlangen, Krokodile, Fluß
Pferde, gefährliche Jnfecten, mörderische
Fieber, der Neid der Nachbarn, all' das
bedroht den Wilden am Congo in seiner
körperlichen Sicherheit, und da dars es
nicht Wunder nehmen, wenn er aus
Schritt und Tritt Unheil ahnt und in
Folge dessen bemüht ist, die feindlichen
Gewalten sich günstig zu stimmen und
sich zu schützen vor den Schrecknisse»,
die ihm zu jeder Stunde des Tages und
der Nacht drohen. Vollgesogen mit
Aberglauben, vermeint der Eingeborene
in einer Welt von Hexerei und Zauberei
zu wandeln, in einer geheimnißvollcn
Echreckensatniosphäre, die alle seine
Boren durchtränkt und ihn solcher Art
reif macht für den blinden Glauben an
die Macht seiner Zauberer.
Auf feinen Wanderungen im dunklen
Erdtheil hat E. I. Glave, einer von
Stanleys Officieren, die Mysterien die
ser Tausendkünstler wit die überra
schende Einfalt der naivenVolksstämine,
bei denen erweislich noch niemals ein
Zweifel Raum gegriffen Hot, genau stu
dirt. Niemals wird, so erzählt er jetzt
einer amerikanischen Monatsschrift, ein
Eingeborener den Finger eines Anderen
berühren, denn diefer dZnnte ja vom
Teufel besessen sein und die teuflische
Influenz würde durch die Berührung
in den Körper des ersteren übergehen.
Und er wird eS niemals versäumen, ehe
er sich zur Ruhe begibt, um seine Hütte
einen Kreis aus Asche zu ziehen, denn
über diesen Wall vermag Moloki, der
Teusel der Nacht, nicht zu gelangen.
Die Zauberdoctoren werden bei eini
gen Congostämmen „Monganga", bei
anderen „Nganga Nksi" genannt. Der
Fetischmann ist dem Eingeborenen ge
genüber in allen übernatürlichen Din
gen eine Autorität, er ist der „ehrliche
Makler" zwischen dem Congo Neger
und den teuflischen Mächten. Dabei
hat jeder Stamm, jeder District seine
anderen Gebräuche und Ceremonien,
und ein Fetischmann, der beispielsweise
am untern Congo ein ganz hervorragen
der Zauberer ist und mit all den vielen
Teufeln nahezu aus dem Du Fuße steht,
wird zu einer Null, zu einem einfluß
losen Menschen, wenn es ihm beisall-n
sollte, sein Domicil zu verändern und
sein Geschäft mehr in das Innere des
Landes zu verlegen.
Bei dem Ba-Congo-Volke in der
Gegend des unteren Eongo, deren
Hauptstadt San Salvador ist, wo Kö
nig Ntela residirt, dem die Portugiesen
den Titel Pedro V. gegeben haben, fin
det man ganz curiofe Beifviele des Fe
tisch Systems. Eine der bemerkenswer
thesten Ceremonien ist die des „Ntimba",
die Einführung der Knaben und jungen
Leute einer Stadt in die Mysterien und
dcn Ritus ihrer „Religion". Jedes
Torf in dem Gebiete deS unteren Congo
besitzt eingeiriedete Plätze, in welchen die
Feltifchmänner wohnen. Hat nun ein
Jüngling Lust, sich dem ebenso einträg
lichen wie hochgeachteten Bernse eines
Fetiichinannts zu widmen, so braucht er
nur an einem Markttage oder gelegent
lich einer öffentlich«,, Ver ammlung
platt ans den Bauch niederzufallen und
eine Ohnmacht, einen Schlagansall oder
eine andere beliebige Krankheit zu siniU'
lircn.
Die Feiischmänner wissen dam:
schon, was sie zu thun haben. Im Nc
ist der Novize in von den Nganga
umringt, die ihn in ihre „Festung"
schleppen. Den Leuten wird erzählt,
Luemba oder Nsaki oder wie der Bursche
beißen mag. sei todt, mausetodt, hin
übergegangen in die Welt der Geister
von wo die Nganqa ihn aber, wenn
auch uiller einem anderen Namen, schon
zu, mtbringen werden. In der schule
des Fetischismus wird hieraus der
Jnglmg zu allererst mit Kreide
schneeweiß angestrichen und dann erhält
er -in Hemd ans Paiiiienblcuter» oder
einen Unterrock aus weit vom Körper
abstehenden Bambusstreifen, welch' letz
terer Toilettegegenstand auf ein Haar
einer Crinoline ähnlich ficht.
Weiter als zur Lieferung dieser sehr
sin pen Kleidungsstücke gehen die Fe
tiichiiiäi n r n>cht, denn die Vertösligung
de „Todten" überlassen sie dessen An
verwandten, welche sür den von hinnen
k, q>naenen läglich Nahrungsmittel bei
der unnauniing der Fetischmauu Behau
siiiig ablie ern müssen. Di« Novizen
durun sich in den Wäldern ergehen,
und vor il.rem eintönigen Gesang er
qrnien die Weiber eilendS die Flucht,
i. » leimn, weiblichen Wesen ist es ge
st., tel, einen Nkimba-Schüler von An
gl ».t zu Angesicht zu sehen.... All
n äbiich wird dem Lernenden die eigene
1r euerspraäe der Nganga beigebracht,
kno n enn er tue einmal inne hat, so be
ginnt die Lehre von den Doctrinen des
Flujiltemus, Nicht selten gejchieht es,
daß man einen ungläubigen »der be
gr, stufige» Zögling, der es z. B. nicht
bc greisen will, daß schwarz weiß ist,
zur Erk«riung dieser Lehre grüo und
blau schlägt. Hat der junge Mann ober
seine SiUdien zur Zuirledenheit der
Deisler vollendet, was, je nach der In
telligenz des Zauberlehrlings, Mona»e
»der Jahre dauern kann, so wir' er an
einem gewissen Tage unter Beobachtung
mannigiacher Ceremonien zu seinen El
tern zurückgebracht, jedoch nicht mehr
als Luemba oder Njaki, sondern «lS
.liinlila Luemba" oder „Nehama
Nsaki", Namen, die ihm während seines
Au entHalles in der Einsriedung gege
ben worden sind.
Run ist er selbst ein Fetischmann und
wenn er mit einem Kollegen zusammen
trifft, so wird er seine GesichtSmuskeln
wohl zu beherrschen wissen und an ihm
mit ernster Miene vorübergehen
Glave niinn't woyl nicht nili Unrecht
an. daß die mer geschilderte Art nnd
Weise, wie die Felischmäniier ihren
Gebräuche jener portugiesischen Missio
näre sind, welche nach Diago CamS
Entdeckung des Congo sich in San Sal
vador und Umgebung ansiedelten. Der
Nkimba ist unbekannt in den Gegenden
Manyanqa und Lukunga, zweihundert
Meilen von der Küste, wohin die Prie
ster in jenen Zeiten selbst l ei ihren ent
ferntesten Reisen nicht zu dringen ver
mochten. Aber zwischen diesen Distrie
ten uno San Salvador findet man di«
Nkimba - Umzäunungen fast in jedem
Dorfe.
Glave zieht Vergleiche zwischen dem
Anstreichen des Körpers mit Kreide und
den weihen Kutten der Mönche, dem
Verbot des Blickes eines Weibes auf die
Nkimba - Novizen und den, Umstände,
daß keines Weibes Fuß eines der Klö
ster im Gebiete von San Salvador be
treten durste, dem Erlernen einer neuen
Sprache und dem Latein des katholi
schen Ritus, dem Geben von neuen
Namen und der Gepflogenheit der Prie
ster. einen zum katholischen Glauben
übergetretenen Eingeborenen Bruder
Ignatius oder Vater Hyacinthe zu nen
nen, nnd schließlich zwischen dem angeb
lichen Tode des Nkimba - Novizen und
seinem Wiedererwachen zum Leben.
Man wird zugeben, daß die Nganga
dcn Jünglingen der Districte am unte
ren Congo den Eintritt in das „Ge
schüft leicht machen. Hingezen ist es in
allen anderen Gegenden der Congo Re
gion geradezu ein Kinderspiel, Fetisch
mann zu werden; es gehört dazu, wie
zu alle» Dingen in diesem Leben, nur
ein Bischen Glück, und jeder Einzelne
verma?, ein echter und rechter LoU
rnlrclo man, sich höchst eigenhändig zum
Zauberpriestsr zu „weihen". Wer da
Fetischmann werden will, der braucht
nur ein wenig mehr Erfolg aus der
Jagd, beim Fischfang oder im Kriege zu
haben, als die übrige Congo-Menschheit,
braucht nnr irgend einer hervorragende
That zu thun die Leute, die ja Alles
ans die Wirkung übernatürlicher Ge
walten zunicksühren, bekommen vor dem
„Auserwählten" einen heiligen Respect
.... und der Mann ist auch schon Zau
berer und eröffnet zugleich seine Nieder
lage von Fetischen, als da sind: Kräu
ter, Steine, Federn, Hölzer u. A. in.
Der Fetischmann, der seine Prosession
versteht, befleißigt sich eines bedächti
ge», würdevollen Ganges, einer tiefern
sten Amtsmiene, eines stets ge'ieimniß
vollcn Wesens und ei»er blumen- und
sprnchreichen Redeweise.
Interessant ist eS, daß die Eingebo
renen Mittelasrikas eine Ceremonie be
obachten, welche sehr an unser mittel
alterliches Gottesgericht erinnert. Wenn
man vermeint, daß ein Congo Neger
sich gegen eines der Gesetze seines Stam
m's vergangen habe, so sind gleich die
Nganga bei der Hand, um zu eruiren,
ob der Betreenffde schuldig oder un
schuldig ist. Um dies herauszubringen,
besitzen sie das Moundo oder Nkasa,
:in Pflanzengist, welches aus der Rinde
eines gewissen Baumes verfertigt und
mit W isser gemischt wird. Je weniger
Waffer dem Giste zugeschüttet wird
desto tödtlicher wirkt es, und in Folge
dessen liegt es ganz im Belieben der
Nganga, den Angeklagten aus dem Got
tesgerichte als einen Unschuldsengel,
Ver am Leben bleibt, oder als todten
Bösewicht hervorgehen zu lassen. Tritt
der letzlere Fall ein, so thut das Volk
ein Uebriges, indem alle waffentragen
den Männer dcn Körper des Gerichteten
noch mit ihren Speeren durchboren. Es
liegt, wie gesagt, im Belieben der
Nganga, bie Stärke des Giftes zu be
messen. Aber sie sind gescheite Leute,
diese Fetischmänner, und ehe sie an die
Verdünnung des Giftes gehen, lauschen
sie da und dort hin, um zu hören, wie
die Stimmung im Dorfeist, ob für
oder gegen den Jncnlpatcn, und sie
Handeln dann immer nach der Meinung
der „compacten Majorität", fo daß das
Resultat des Gottesgerichts stels die
große Mass« besriedigt.
In Glaves Schilderungen findet man
noch mannigfache Gebränche ausgezäylt,
die uns ganz europäisch anmuthe». Der
Schrei der Eule um Mitternacht gilt
am Eongo genau so wie bei unserem
abergläubischen Land?olke als das Zei
chen, daß der Tod durch das Dors zieht
uno sich ein Opfer sucht, und wenn die
Eingebornen die Klage des Todten
vogeis vernehmen, so eilen sie zu feinem
Standplätze uni trachten, ihn mit
Stöcken und Steinen zu vertreiben. Und
sogar der Darwinismus, freilich der
umgekehrte, hat am Eongo Einga ig ge
funden. Dort existirt der Soko, eine
große Assenart von der Spe ies der
Gorillas, der, wenn wir den Eongo-
Negern Glauben schenken wollen, von
einem Menschen abstammt, welcher in
längst vergangenen Zeiten in Folge von
Schulden und anderen Unannekm ich
keiten Mit seiner Familie in die Wälder
floh, um solcherart aus radikale Weiie
außer Schußwene seiner Gläubiger z»
kommen, D>e halten nun freilich das
Nachgehen, aber der durchgebrannte
Schuldner verwilderte im Urwalde und
seine Nachlomnnn wurden A.fen. Und
so stamm! am Eongo der Affe vow
Menschen ab.
Auch ein Honorar. Rent
ner T.: Aber, verehrtest«? Herr, Sie
haben mir da eine Rechnung geschickt:
„Zür eine RechtSbelehrung
zehn Mark' ich entsinne mich wirk
lich nicht. Rechtsanwalt: Bitte,
denken Sie doch daran, wie wir uns
neulich aus der FriedrichSbrücke trafen,
wo Sie links gehen wollte» und ich Ii»
belehrte, daß Sie der Polizeiord
nung nach recht» gehe» müßten
ist das keine RechtSbelehrung?
Drastischer Beweis.
„Herr Goldbaum, ich möcht' Sie bit'en
um e' klein'S Darlehen, um zu gründen
e' Geschäft!" „Was hilft's, wenn
ich Ihnen Geld geb ? Sie lr ngen'S
doch zu Nichts Sie haben eben kei
nen Unternehmungsgeist!" .Na.
Herr tNoldbavm, damit Sie sehen, daß
ich hab' 'n unternehmenden Geist, bltt'
,ch Sie, mir »u geven dw Haod Zbrer
-
D>« Mcnsck>e«flt»«cr in d«r
Türkei.
Am 15. Juli 1890, Morgen» nach 5
Uhr, verließ ich zu Wagen Bazont, von
meinem RechnungSbeainten Herrn Me
jor begleitet, um die Bauarbeiten des
gegen Karakeni zu, etwa 2(1 Kilometer
entfernten Theiles meiner Sektion einer
neu zu erbauenden Eisenbahn zu inspi
eiren. Ein hcrrlicher Morgen war an
gebrochen, ein, seit Wochen ungetrübter
tiesblauer Himmel verhieß hohe Tages
tenipcratur, vor der wir rechtzeitig ge
borgen zu fein hofften So waren wir
etwa sechs »>lomeler weit gefahren, und
mehrere bcladene Fuhrwerke überho
lend, in ein Defile gelangt, ohne irgend
wie Auffälliges bemerkt zn haben. Am
Ein- und Ausgang dieses Desiles be
findet sich je eine Karaula (Blockhaus).
Der Zaptleh in der ersteren Raraula
hockte im Untergewand und bloßsüßig
vor der Thür, damit beschäftigt, feinen
Morgenkaffee zu bereiten. Mit sliich
tigem Gruße fuhren wir weiter, sorglos
plaudernd, e!wa ei» Kilometer.
Da tritt, wie ein Nebelbild, plötzlich
vor uns die Erscheinung dreier, bis an
die Zähne bewaffneter Männer in bnl
garischer Tracht; schon sind sie den
Pserden in die Zügel gefallen, schon hat
ein Vierter den Arm des Kutschers ge
packt, der seinen Revolver ergreifen
wollte; ein rascher Blick seitwärts, und
ich sehe drei andere Gestalten neben dem
Wagen auftauchen. Indessen war schon
mein Kutscher gebunden, und im herri
schen Tone riesen uns zwei der Gesellen
zu, vom Wagen zu steige». Um ihren
Worten etwas mehr Nachdruck zu geben,
legten sie gleichzeitig beiderseits ihre
Gewehre aus uns an, ein Argument,
dem wir keine Veranlassung hatlen, uns
zu verschließen.
Wir gehorchten also, und nun eröff
neten uns die Vertreter der Gruppe",
daß wir ",l',oc> Lire zu erlegen hätten.
Im Falle wir diese Summe nicht bei
uns hätten, würde uns bis zum Ein
treffen derselben eine Villeggialur in den
Wäldern offerirt. Es hals uns nichts,
aus dcn im schreiendsten Mißv rhältnißl
znm geforderten Betrage stehenden Jn-
Zwischen einein Spalier von Rcpetirge
wehren sührte man uus nach rückwärts,
die Straße entlang. Indessen hatten
sich auf derselben zahlreiche Fuhrwagen
angesammelt, die von den Briganten am
miren. Das b!oße Kommando des Ka
pitäns: „Halt hier eine halbe Stunde!",
unterstützt von einem im Anschlag stehen
den Schützen neben dem vordersten Wa
gen, genügte, um eine Kette von 4V
Wagen anzuhalten. Keiner der Fuhr
leute machte auch nnr den Versuch. unS
zu Helsen; in das Packstroh des Wagens
versteckt, betrachteten ne tbctlnahmslos
das Schauspiel,
Wir wurdcn an dcn Fluß geführt,
Huckepack hinübergetragen und nun in
rascnder Eile den gegenüberliegenden
Berzabhang hinaufgetrieben. Gezo
gene Handichars mahnten uns nach
drücklich zur Beschleunigung des Tem
pos, so vst unsere Kräfte zu erlahmen
drohten. So stiegen wir an hundert
Bieter empor, und hier wurde, gedeckt
von einem Felsvorsprung, Rast geboten.
Tie Ränder, die nur schlecht türkisch,
etwa? besser griechisch, unter sich aber
arnaulisch eine Misch
sprache ans griechisch, türkisch und ita
lienisch) sprachen, erklärten nnn, wir
halten brieflich fofort Mvl? Lire zu ver
langen, deu Brief würde unser Kutscher
an seine Adresse befördern. Würden
wir aber, so hieß es, wagen, Zaptiehs
zu verlangen oder sollten auch nur
uusere Freunde Miene machen, die be
waffnete Macht zu unserem Schutze
aufzubieten, so flögen beim ersten Ver
suche uirere beiden Kopse. Die ver
lockende Aussicht auf diese Doppelhin
richluug lam denn auch in unferem
depe chenartigen Schreiben zum stim
niungsro.lcn Ausdruck.
Indexen hatte sich doch das Gerücht
von dem Geschehenen verbre tet. Zap
tiehs eilten auS dem benachbarten Ka
raulas herbei, nnd plötzlich ertönten
Schüsse. Neugierig erhoben wir, im
Grase zum Schreiben gelagert, die Köpfe,
da heißt es schon „Ducken!" und in der
That schlugen dicht neben uns die Ku
geln ein; die eine derselben bewahre ich
noch heute als Andenken. Der Eapitän,
an solche Scenen mehr gewöhnt, als
wir. cvlnmandirte in aller Seelenruhe:
„Zwei Martini (nämlich zwei Mann
NM Marlini-Slutzeu) vor!" und wie
am Manöverplaye, akkurat, ruhig und
g lassen, vollzieht sich die Bewegung.
Zwei Mann Wersen sich auf einen vor
aelaaert n, bafttonaitigen Felsen und
eewilern das Feuer der Zaptiehs. So
werden beider eils zwöis bis fünfzehn
Schüsse abgegeben. Endlich verstummt
das ,;euer beiderseits, wir heben die
Köpfe, die Zaptiehs haben sich, der
Tapfcrieil besseren Theil erwäliiend. in
die Karaula zurückgezogen, und nun
begibt sich einer der Räuber hinunter
au die Straße, übergibt dem bis dahin
gesangen gehaltenen Kutscher unsere
Briese und schon sehe ich meinen Wagen
in rasendem Galopp nach Bazont
fahren.
Wir aber ziehen weiter. Schweigend,
nur mit gezogenem Handschar winkend,
treiben uns die Räuber zur Eile an.
Unter dem 38. Breitengrade brennt die
Sonne ich.n um 8 Uhr Morgens gehö
rig heiß. Nach anverthalbstündigem
Anstieg aus kahler, nur stellenweise mit
Buichweri bew.ichsencr Felslehne haben
wir dcn Kamm erreicht und damit auch
schattiges Gehölz vor uns. Zwei
Sch iarrpoi en werden an die Lisiere be
ordert, wir lagern uys erschöpft im Ja
»ern des Waldes.
„Also wie viel Geld hast D» in Ba
zont?" herrschte mich der Hauulmann
an, nach ein wir an einem Trunk Was
ser unsern Durst gelabt. So weit war
ick nun schon Orientale geworden, um
lieraus ni.m direkt zu antworten, son
drrn in gebrochenstem Türlijch eine
lauge Geichichiezn erzählen, daß ich mit
Gcld gar mch.s zu thun habe, daß die
Kassa anderwärts in ESkischchir sich be
finde, daß nur zeitweilig größere Sum
men von Stambul anlangten, und daß
so auch dieLire, die er verlangt,
erst von dort gesandt werden müßten.
Gegenwärtig seien etwa vier bis süns
Lire in Bazont.
Mein Begleiter, Mejor, bekam Ner
venkrämpse ob der Frechheit, wie er
meinte, mit der ich jetzt noch Späße
mache. Ich ließ mich aber nicht beir
ren, und in der That hatte meine Aus
kunft den Räubern zu denken gegeben.
In demselben Moment hatten auch die
Schnarrposten durch einen eigenthümli
chen, der Wildlaube abgelauschten Lock
rus die Annäherung von Zaptiehs an
gezeigt. Der Hauptmann fliegt an die
Waldlisiere, wirst sich aus alle Vier,
und so läuft er buchstäblich mit assen
artiger Behendigkeit dcn Waldsaum ab,
nirgends mehr als den Kops über das
dcn Boden bedeckende Laubwerk erhe
bend.
Nach der Jnspizirnng des Waldsau
mes kehrte der Üi'apilän beruhigter zu
rück. Immerhin halte er Zaptiehs ge
sehen, die, uns ziemlich dicht aus der
Spur, die Versolgung ernstlich auszu
nehmen gewillt schienen. Dieser An
bl ck ch ennichteinstu'jlosaufdieweiteren
Entilyiießungen der Bande zu bleiben.
.Wie lange braucht," so frugen sie, „die
Post von Stambul bis Biledjin?" Wir
begriffen, daß an diesem Ende der Hebel
anzusetzen sei, um namhafte Preisreduk
zils, um II) Tagesstationen sür den
Courier vorzuzählen. Hierzu käme noch
der Ausenthalt in Stambul, bis so viel
Geld herbeigeschast zc., so daß ich die
Frist, die unsere Couriere in 4 Tagen
durchmessen, aus 14 Tage schätzen
konnte. Nach eingehender, abseits ge
führter Berathung der drei Oberränber
eröffneten sie uns, daß sie sich mit 1000
Lire zusriedenstellten. wenn selbe am
nächsten Tage erlegt würden. Sie
wollten Herrn Mejor entlassen, mit der
Bedingung, daß er sich mit oder ohne
Geld am nächsten Tage wieder einzu
stellen habe; in ganz weißer Tracht, be
gleitet von einem Manne mit rother
Leibbinde, damit beide weithin sichtbar
seien, so sollten sie über die Straße von
Biledjin gegen Bazont ziehen; an einem
gerigneten Punkte würde man sie ab
fassen, das Geld übernehmen und mich
alsbald freilassen.
Die Räuber schwuren heilige Eide,
daß sie mich indessen gut behandeln und
mich wohlbehalten abliesern würden.
Mittlerweile war es 11 Uhr geworden.
Herr Meji r machte sich aus den Weg,
von zwei Räubern bis an einen Punkt
geleitet, von dem er die Straße sehen
konnte. Lr hatte mir größte Eile und
energische Aktion versprochen.
Es war nicht eben das Gefühl völli
ger Beruhigung, mit dem ich nunmehr
allein, unter Larven die einzige fühlende
Brust, mit der Bande zurückblieb. Ge
gen Mittag machten wir uns auf den
Weg, da die Späher wieder sich nä
hernde GenSdarmen avisirten, und nun
ging es psadloS bergauf, bergab, durch
unwegsames Dickicht, dann wieder an
jäher Felsenwand kletternd, ohne Aufent
halt stundenlang. Es wäre ermüdend,
wollte ich des Weiteren schildern, wie
mir siebin Tage in steter Suche des Ge>
des seitens der Räuber und der Räuber
seitens meiner Befreier vergingen. Die
Qualen der wachsenden Verzweiflung
zu schildern, die mich ersaßt, als ich,
ohne Nachricht von der Außenwelt,
Stunde um Stunde, Tag nm Tag ver
rinnen sah, ohne zu wissen, ob über
Haupt an meiner Rettung gearbeitet
werde und in welcher Art, dazu wäre
meine Zeder nicht mächtig,
Sonnabend Vormittag endlich gel 'ng
Diener zu treffen, der aufs Gerathewohl
aiiSgeritten war, um die Bande in den
Wäldern zu suchen und mit ihr Stunde
und Ort sür die Geldübergabe zu ver
abreden. Hierbei wurde jedoch das
Lösegeld von tausend aus sünszehnhnn
dert Psund erhöht und Sonnabend
Abend wurde das Lösegeld an der ver
ibredelen Stelle übergeben, mit eineni
nicht unbeträchtlichen Quantum an Vik
tnalien aller Art, das die Banditen sich
»u?bednngen matten.
Endlich, endlich um 8 Uhr Abends
treffen zwei der Räuber mit dcn erbeu
teten Schätzen und Vorräthen bei der
Bande ein, inbelnd begrüße ich die schon
kaum mehr erhoffte Freiheit, muß aber
vorher von allen mitgebrachten Es- und
Trinkoorröthen kosten, um so die Räu
ber vor etwaiger Vergiftung sicher zu
stellen.
Nach halbstündigem Marsche, von
einem Räuber begleitet, treffe ich Herrn
I>ie>or und meinen Diener, diedas Geld
überbrach, hatlen. Nach zweistündiger
Wanderung tras ich meine Pserde nnd
nach einstüttdigem Ritt war ich um Mit
ternacht in Bazont wieder angelangt.
Man sollte nun glaube», daß dle tür
kichen Behörden sofort nach meiner B--
sreiung Alle: aufgeboten hätten, um der
Räuber und mit i.inen auch der erpreß
ten Sun nie i abHaft zu werden, um so
mehr, al.- die Regierung selbst zur Wie
dererstattung dieser Summe unzweiiel
hait verps.ichtet ist und diese Verpslich
?uch prinzipiell anerkannt halte. Mit
lichten.
Gegenüber dieser Landplage hält die
Pforte ihr altes Prinziv des Nichlthuns
inirecht. Die Eiviibehörden, insoweit
sie nicht mit den Räubern ein oerstanden
find, was vielfach behauplet wird, be
sitzen weder die Routine, noch die Orga
nisation zu einer thalkrä'tlgen Ik'.ion,
Die Gendarmerie ist ein verwahrlostes
Corvs, zwar gut bena'fnet, aber ohne
Schulung, großentheils muihlos. Die
Beoölter.ng verhält sich aus Furcht vor
Rache bestensalls indifferent, großen
theils lerstet sie durch Verproviautir ing
den Brigamcn Borschub. Ss geoeitit
denn das Ränberhandwerk lustig weiter
und bildet eine im Abendtande und«
ka»nte von Reisennsuilen, ge
gen die bisher noch keine Aijekuranzge
«Uschnd versichert.
G e r s o n.
Der schS»« Robert.
Robert Haßler, von seine», zahlrei
chen Bekannten nur „der schöne Ro
bert" genannt, war ein prächtiger
Mensch: Gewandt in feinen Bewegun-.
gen, zu jedem fröhlichen Streich aufge
legt, ein unermüdlicher Tänzer, ein
witziger Tafelredner. Außerdem besaß
er eine derartige Gutmüthigkeit, daß er
etwaS fertig bekommen hatte, wessen
vor ihm kein anderer Sterblicher sich
rühmen konnte. Seit zwei Jahren
nämlich wohnte er als Chambregarnist
bei dem Fräulein Amanda Käsebier,
einer ebenso tugendhaften wie wortrei
chen Jungsrau, deren Alter in sagen
haftes Dunkel gehüllt war, von der
indeß unumstößlich feststand, daß sie seit
zwanzig Jahren Zimmer vermiethete
und seit zehn Jahren in allen Tonarten
auf das qejamiute verrätherische mann
liche Geschlecht schimpfte.
In Folge dessen hielt es Niemand
bei ihrer unermüdlich thätigen Zunge
lange aus; nur Robert Haßler blieb
standhaft wohnen und wurde deshalb
allgemein wegen seiner Langmnth ge
priesen und bewundert, allerdings von
einigen ganz unreisen jungen Leuten
auch als guthinüthigcs Schaf bemit
leidet.
Leider hasteten dem schönen Robert
neben seinen vielen Vorzügen zwei bös
artige Fehler an, er war grenzenlos
eingebildet, so daß er sich dem zarten
Geschlecht gegenüber für völlig unwider
stehlich hielt, und er rannte mit eiserner
Ausdauer jedem niedlichen Gesicht nach,
welches ihm ein holder Zufall irgens
- dcn Weg führt.
„Wenn ich nur wüßte, wie ich den
Robert endlich einmal von feiner thö
richten Eitelkeit und Poiifürwilth heilen
könnte!" seufzte oftmals fein bester
Freund, der Buchhalter Alsred
Schlemm, dessen reizender Schwester
Anna der schöne Robert bereits seit
einigen Jahren auf Tod und Leben die
Eour schnitt, ohne jedoch jemals von
dem leichtsinnigen, schinetlerlingsarti
geu Umflatterten zu einem verständigen
VerlobungSantrage übergegangen zu
sein.
Es war im wunderschönen Monat
Mai. Robert wollte soeben sein Zim
mer verlassen und den gewohnte»
Gang nach dem Bureau antreten, als
der Postbote eintrat und ihm ein zier
liches, süß duftendes Brieflein einhän
digte.
Neugierig öffnete der schöne Robert
dasselbe und las mit wachsender Erre
gung :
Hochgeehrter Herr!
Die Liebe wagt, was die strengen
Regeln des Auslandes eigentlich verlne
ten. Nachdem ich Sie so lange nur aus
der Ferne bewundern durste, muß ich
Sie endlich einmal Auge in Ange spre
chen. Gewähren Sie meine Bitte und
besuchen Sie um drei ein halb Uhr die
Lehmann'schs Conditorei in der König
sstraße; ich werde auch dort sein. Zum
Zeichen, daß Sie mir wegen meiner
Kühnheit nicht zürnen, tragen Sie, bitte,
einige Veilchen im Knopfloch. Ich hoffe
und harre in Liebe!
Eine Unterschrist wies das einladende
Schreiben nicht auf.
Vergnüglich pfeifend, rieb der schöne
Robert sich die Hände.
„Das ist ein samoses Abenteuer,"
mnrmelle er lachend, „wenn die Ande
ren das wüßten, sie würden bersten vor
Neid".
Nach Schluß der Bureanstiinden, um
drei U!>r, eilte er sofort, ohne sich Zeit
zum Mittagessen zu gönnen, mit Veil
chen geschmückt, in die ihm bezeichnete
Eouduorei un) setzte sich in das zu sei-
Qualvoll langsam schlichen die Minuten
sür ihn dahin. Um seine innere Unge
duld zu betäuben, trank er eine Flaschi
Selterswasser nach der anderen, riß er
ein Journal nach dem anderen vom Zei^
Endlich, als er bereits bei der vier
ten Flasche jenes unschuldigen Stoffes
und bei der siebenten Zeilschrift ange
langt war, klingelte es an der Laden
lhiir und er vernahm im Nebenzimmer
leise, langsame Schritte. Das mußte
die Erwartete sein.
Der schöne Robert athmete tief aus;
er preßte die Hand auf's Herz und ver
drehte die Augen in der scheußlichsten
Weise. Nach einigen Augenblicke»
bangsten Harrens, wurde die in das
Lesezimmer führende Thür schüchtern
zeössiiet, und über die Schwelle hüpfte
mit mädchenhaftem Lächeln eine hagere,
eckige Gestalt, von schwerer Seide um
raukcht, in der einen Hand einen
riesigen Fächer, in der andern ein noch
riesigeres Roienbouquet schwingend
die ebenso tugendhaste wortreiche
„Alle Weiter!" dachte der schöne Ro
bert ärgerlich; „was mag denn die alt:
Schachtel gerade jetzi hier zu suchen ha
ben ? Die hat sich wohl zu rrgend einem
UeburtstagSseste so herausgeputzt!"
Amanda aber trat ohne Weiteres aus
den Tisch zu, an welchem Robert Platz
genommen hatte, legte eine Hand liebe
voll aus die Schulter und sah ihn so un
sagbar zärtlich an, daß er unter diesem
Blick angst 01l sich duckte.
„Also hal mich meine Ahnung nicht
betrogen?" slöleie sie mit ihrer sanften
Stimme. „Sie sind es, mein theurer,
junger Freund, dem ich eine Flamme im
Herfen entzündet habe? Aber warum
denn haben sie das nicht schon früher
zeiagt?"
Der schöne Robert schlug sich mit
der geballten Faust gegen die Stirn,um
sich zu versichern, daß er wirklich wach
sei? er war selsemest davon überzeugt,
daß hur irgend ein unseliges Mißver
ständlich o w ilten müßte und bemühte
sich, die lieäesentslammte Wirthin mit
einigen Worien daraver aufzuklären,
jedoch umsonst! die Kehle war ihm wie
jugeichuürt, er vermochte keinen Laut
hervorzubringen.
Zu sei em Aeger erschien gerade daj
Laden,näschen und setzte mit einem oer
rälherijchen Zucken um die vollen Lip
Pen einen mit Apjelkuchen und Schlag -
sahne bedeckten Teller vor Amanda
nieder. Dies half dem armen Robert
über die erste gräßliche Verlegenheit
hinweg, denn Amanda wich züchtig
einige Schritte zurück.
Kaum aber hatte das Mädchen sich
wieder entfernt, als die alternde Jung
frau von Neuem an ihn heranrückte,
ihren knochigen Arm um seine Schulter
legte und holdselig flüsterte: „Warum
sprechen Sie nicht, geliebter Freund?
Hat das Glück Sie so schweigsam ge
macht?"
„Mein Fräulein, Sie befinden sich
in einem gewaltigen Irrthum," ächzte
Robert mühsam; ich begreise garnicht
In diesem Augenblick wurde hastig
von außen die Thür anfzerissen; ver
wirrt schaute Robert auf und wäre vor
Scham am liebsten aus dem Fenster
gesprungen, denn in dem Rahmen der
Thür zeigte sich sein theurer Freund
Alfred Schlemm mit der reizenden
Schwester Anna und verschiedenen
guten Bekannten männlichen wie weib
lichen Geschlechts.
„Wir scheinen hier eine sehr interes
sante Zusaminenkunst zu stören," sagt«
Alsred lühl und Höstich. „Wir bitten
vielmals um Entschuldigung."
„Im Gegentheil", rief Robert eifrig,
„ich weiß gar nicht, was diese würdige
Dame eigentlich von mir will".
„Treuloser. Du sragst noch?" schrie
Amanda entrüstet, sich von ihm losma
chend; „hören Sie selbst, meine Herr
schaften !" Sie zog aus der Tasche ein
mit feuchten Küssen getränktes Papier
nnd las pathetisch:
Schon lange schmachtet mein Herz nach
Dir,
Du liebliche Amanda Käsebier!
O ende, ende endlich diese Pein,
Stell' heut Dich beim Eonditor Leh
mann ein:
Tie KönigZstraße ziert sein stolze»
Haus
Komm um vier Uhr und stille mein
Verlangen,
Bewaffnet mit dem schönsten Rosen
strauß,
Ich selber werd' im Schmuck der Veil
chen prägen.
„Hier," schloß die Vorleserin trium
phirend, „ist mein Rosenbonquet und
dort prangt er im Schmuck der Veil
chen."
„In der That," sagte Alsred mit
derselben Nuhe wie zuerst, „Sie haben
Recht, gnädiges Fräulein. Entschuldi
gen Sie die Störung."
Verstohlen kichernd entfernte sich di«
ganze Schaar.
„Wie konnten Sie Ihre Liebe nur s«
verleugnen?" begann nach einer kurzen
Pause Amanda Käsebier mit zartem
Vorwurf.
„Hören Sie endlich auf mit diesen
albernen Redensarten!" brüllte de»
schöne Robert wüthend, „ich glaube wirk
lich, Sie sind auf Ihre alten Tage noch
närrifch geworden!"
„Ungeheuer! Schlange!" zischte di»
jnngsräuliche Amanda, „Du hast ein
argloses Mädchenherz gebrochen!"
Damit wankte sie bebend zur Thü»
hinaus.
Der schöne Robert aber blieb zurück,
eine Beule des heftigsten Verdrusses.
Mit einem Schlage war es ihm klar ge
worden, daß sein treuloser Freund Al
fred das ganze unfreiwillige Rendez
vous sammt seiner Zuichauerschast ver
anlaßt hatte, daß dieser Bösewicht ihn
wie seine Wirthin Amanda durch di«
schrecklichen Verse und das süß duftend«
Billet hierhergelockt habe, um du
schmachtende Amanda sür ihr ewiges
Gekeife aus die Männer zu bestrafen,
ihn selbst aber von seiner Eroberungs
sucht gründlich zu heilen.
Geknickt erhob sich der schöne Robert,
bezahlte sein Selterswasser und Aman>
das Ap'elkitchen mit Schlagsahne, und
schlich davon, um sich eine neue Woh>
nung zu suchen; in Amandas jungfräu
liches Heim wagte er sich nicht zurück.
GeHolsen aber hat die bittere Medi
cin ; denn ein halbe« Jahr später ver
lobte sich der schöne Robert mit
Fräulein Anna Schlemm. Ich selbst
habe aus der Hochzeit den Eontre com
mandirt. Im Vertrauen gesagt: e,
steht heute ganz gehörig unter ihrem
allerliebsten Pantoffel der schön«
Robert!
HcineS Lorclcy.
<Für Kinder bearbeitet.)
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.
Daß ich so sanl heut' bin,
Ich mach' keine Schalarbeiten,
Das toniint mir nicht in dcnZinn.
Da unten in der Küche,
Da steht die Dorothce,
Backt Kuchen emsigliche
Und schlägt Eiweiß zu Schnee.
Und wenn ich danach blicke,
Ergreiit'S mich mit wildem Weh —»
Da kommt d e Mutler zurücke,
Sie war bei Meyers zum Thee.
O weh', sie wird mich zwacken,
Weil ich nichts weiß, noch kann,
Und da» hat mit ihrem Backen
Die al«e Dörthe gethan.
Da» «t»saa»fte.
Die Menkchen sehen wie sie find
Dazu gehör! ein scharfer Blick,
Die Menichen nehmen wie sie sind
Dazu geHort ein eig'ner Schick,
Und sie verstehen wie sie find
Ast schwer nicht Jeder hat eS weg;
Sie aber lieben wie sie sind
Brauchl's mir das Herz am rechte»
Fleck.
Onkel: »Warum weinst Du
denn, Peperl?" Peperl: „Weil di«
Buben g'sagt haben, daß Du ein dum
mer Kcrl bi>t!" Onkel: „Siehst Du,
das freut mich von Dir, daß Du Dich
um Deinen Onkel annimmst und es
Dich tränkt, wenn man ihn schimpft!"
Peperl (schluchzend): „Ja, g'rad'
Ich muß eincu so dummen Onkel ha
ben !"