Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 09, 1891, Page 6, Image 6

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    s
Die GlüSSdlume.
DaS Trinitatisfest, der Sonntag nach
Pfingsten, hat sür die Bewohner des
Thüringer Waides eine eigene Bedeu
tung. Nach altem Glauben und fort
geerbter Ueberlieferung sind an diesem
Tage die Pflanzen und Kräuter der
Berge mit geheininißvoller Krast er
füllt, wer sie pflückt, der heilt damit
Krankheiten des Leibes und der Seele.
Aber auch den Sonntagskindern ist der
goldene Sonntag, wie ihn die Waldbe
wohner nennen, hold. Denn an ihm
geschehen Zeichen und Wunder. Aus
stiller Halde läuten dann Wunderblu
men von nie geschauter Schönheit, und
wer offene, helle Augen hat, der entdeckt
wohl auch in einer um strippten Fels
spalte die ersehnte Glücksblume. Die
muß er pflücken und an sich stecken, nicht
aber wieder achtlos fortwerfen. Denn
sie erschließt ihm unterirdische Paläste
mit Kästen und Säcken schimmernden
Goldes. Und findet er auch diese viel
leicht nicht—das Glück wird er sicherlich
stnden. So mancher Bergmann. Hirte
oder Holzhauer ist durch die Glücks
blume ein reicher Mann geworden,
nicht immer an irdischen Gütern, aber
an Schätzen, die ihm Niemand rauben
konnte.
Trinitatisfest war eS wieder einmal,
und Maientag dazu. Die laue Lust
schien wie erfüllt von Dust und Sang.
DaS war ein Blühen und geheiinniß
volleS Drangen in der Natur, wie ein
Ausringen nach Sonne und süßer, schaf
fender Lebenskraft. Wie warmer, bese
ligender Liebeshauch ging es durch die
Welt.
Ans einem der tief zwischen steilen
Waldbergen eingeschachtelten Gebirgs
dorse flieg am Nachmittage ein junges
Mädchen seitwärts eine von einem
Ouellwafser durchplätscherte Schlucht
hinan, um dann einen schmalen Fuß
pfad einzuschlagen, der sich über den
Rücken eines malerisch zerklüfteten,
buchcnbedeckten Berges zu dem eine gute
Stunde entfernten Nachbardorfe zog.
Es war des Schulmeisters Lore, eine
stattliche, hübsche Erscheinung mit asch
blondem Haar, das sich in mehreren
stattlichen Flechten kranzförmig um das
Haupt schlang. Sie hatte den Hut ab
abgenommen und an den zusammenge
knüpften Bändern über den linken
Arm gehängt.
Zuweilen blieb sie stehen und ließ die
bunten Augen mit sichtlichem Wohlbe
hagen die glatten, grauen Buchenstämme
hinan zu dem lichtgrünen Wimpsel strei
sen. Sie lauschte dem Gesang der rings
um schmetternden Bogel oder blickte
Lber die mit Farrenbüscheln. Felsgeröll
und Buschwerk aller Art bedeckten Berg
wand hinunter in die waldumsSumte
Sonne über die still in den Abend auf
ragenden Wipfel und Bergfpitzkn, und
aus der Tiefe hallte jetzt eine Dorfglocke
herauf.
Sie schien es ni.?t allzu eilig zu ha
ben. Denn jetzt bog sie von dem ei
gentlichen Pfade ab und tauchte seit
wärts in daS Dickicht des Waldes ein,
zwischen Ranken und Büschen sich einen
Weg bahnend, die rauschend hinter ihr
zusammenschlugen. Aus einmal leuch
tete es in ihrem Gesicht auf. Sie
bückte sich rasch uud pflückte eine Mai
blume, deren Dust sie mit Wohlbehagen
einsog. Und nun entdeckte sie noch eine,
dort ein ganzes Büschel, und sie beugte
sich auf's Neue nieder, bis sie einen hüb
schen Strauß zusammen hatte, den sie
Mit Gras umwand uud in den am Arme
hängenden Hut legte. Jetzt hob sie sich
über die Büsche etwas fori und hielt
Ausschau.
„Dort drüben liegt mein Weg,"
sagte sie sür sich and schritt nun in die
ser Richtung weiter. Und wie sie so
unter Blumen und Blättergrnn dahin
ging, vernahm sie aus der Tiefe den
sanft verhallenden Klang einer Kirchen
glocke. Da fiel ihr erst wieder ein, daß
ja heute der goldene Sonntag sei und
sie über den Berg einsam wandele, von
dessen wunderiamen Sagen und Mären
sie schon a!s s'. ind gehört, und die noch
jc !)! znwn e >. in den iviuterlichen -piun
stnben d e Runde machten. Ein ganj
leises st'? ne» überkam sie plötzlich und
sie schai. - ich uaw.llkürlich'scheu um,
ob nich' au irgend einer Felsspalte
oder d? > Dickicht eine geheimnißvolle
Gestalt a» tauche. Dem war nun nicht
so. Aber geheuer schien es ihr dach
nicht mehr so ganz zu sein. Der Wald
schien ihr jetzt wie bezaubert und je
weiter sie fortschritt, um so mehr kam
auch über sie eine ganze Zauberkrait.
Es mußte doch wohl Iva >r sein, was die
alten Leute erzSdllen, daß SonntagS
hielt endlich hochanfathmcnd wieeer an
dem vorhin verlassenen Wege. Da lag
ein von glänzendem Moos überzogener
Felsblock, wie geschaffen und hingestellt
zum Ausruhen. Lore ließ sich darauf
nieder. Nur ein paar Minuten, dachte
sie, und dann geht's ohne Ausenthalt
hinunter iu's Dorf. Da aber kam erst
der rechte Zauber über sie. Ganz deut
lich vernahm sie, wie es durch den
Wald, über das zusammenschauernde
Laub cint.ergetrippelt kam, wie aus viel
tau-end windigen Füßcken, ei» »knistern
m>d leises Rieseln, gleich flinken Nadel
stichen. Sie sah sich um; doch sie ver
mochte nichts zu entdec'«».
Dann kam es durch die Lust gezogen,
ein Ziehen und Schweben, Summen
und Wetzen; es flimmerte und schillerte,
die Blumen begannen zu läuten, die
Zweige schienen, wo sie sich berührten,
heimlich Zwiesprach zu hallen ein Wun
der war geschehen im Walde uns die
Lore saß mitten darin mit stockendem
Athen, und fuclienden Auge».
Ihre Lustigleit war dahin, sie
selbst nicki reiht, wie es gekommen;
doch mitten in all den Waldspuk hu:em,
da tauchie immer ein freundliches Ge
sicht hinein und das sali sie traurig m
Und nun ihr Ll.ck zufällig den S rauß
von Maiblumen traf, da fiel es ihr wie
Schuppen von den A,' n »nd sie wufite
plötzlich, was all das Raunen und Rau
schen bedeuten solle, daS sie umgab,
seitdem sie die Blumen gepflückt, sie
wußte auch wem dies Gesicht angehöre.
Sie warf den Kopf halb ärgerlich ein
wenig in die Höhe, als wolle sie eine
Last abschütteln und sich frei machen oon
einer so drückenden Schuld. Stur das
Eine stand fest, daß sie heute Jemand
weh gethan habe, heute und vielleicht
schon manchmal. DaS war der stille,
blaffe Sägemüller aus der Obermühle,
der Bincenz, ihr alter Schulkamerad.
DaS war eine in sich gekehrte Natur,
abgeschlossen und wenig zugängig. Er
hielt es nicht mit den Burschen im Ort.
Wenn die Räder feierten, dann saß er
hinter den Büchern oder schlug sich in
den Wald. Er hatte einmal Lehrer
werden wollen: doch als einziger Sohn
mußte er das Handwerk feines Vaters
lernen. Seit dem vor einem Jahre er
folgten Tode des Alten faß Bincenz
nun als eigener Herr einsam auf der
Obermühle.
Sie wußte es längst, daß er ihr von
Herzen zugethan war; trotzdem reizte es
sie, seine stillen Huldigungen unbeachtet
zu lassen. Nicht daß sie ihn etwa nicht
leiden mochte, aber sein Wesen stimmte
ihr zu wenig zu dem Bilde, daß sie sich
von dem Manne entworfen hatte, dem
sie einmal angehören sollte. Warum
mied er jeden Tanz? Warum sah er
sie nicht einmal kecker, muthiger an?
Sie hätte ihm dann vielleicht einen
strafenden Blick müssen zuwerfen, aber
im Innern hätte sie sich doch gefreut.
Da waren die Anderen doch viel mann
hafter in ihrem Austreten! Jmmerdie
ses ruhige, stille Gesicht, das dann,
wenn sie ihn etwas schnippisch abfer
tigte, so traurig in die Welt sah. Er
konnte ja ihr doch mal eine zurechtwei
sende Antwort geben! Was in aller
Welt brauchte ein junger, hübscher
Mann und hübsch war Bincenz trotz
dem, das mußte sie im Stillen zugeben!
den Kopfhänger zu spielen? Wohl
habend. fein eigener Herr! Gewiß, sie
hatte ein Recht, ihm ernstlich böse zu
fein und in das andere Zimmer zu
flüchten, wenn er mal bei ihrem Vater
zum Besuch einsprach.
Sie blickte aus die Maiblumen nieder!
Sonderbar! Wieder beschlich sie ein
Gefühl, als habe sie etwa- abzubitten.
Gewiß, sie hatte ihm weh gethan. Als
sie heute Morgen aus der Kirche kam
und an seinem Gartenzauu vorüber
schritt, da harrte er schon und bot ihr
mit schüchternem Gruße einen Strauß
frischzepslückter Maiblumen an. Ja,
wen» er doch dabei nur gelächelt hätte!
Aber dteses fchwermüthige Gesicht! Es
ging wirklich nicht. Sie hatte kühl ge
dankt und war weiter gegangen. Hätte
sie sich aber nur einmal umgeschaut,
vielleicht wäre sie doch zurückgerannt
and hätte die Blumen sich geholt.
Ten» der Viucenz sah jetzt wirklich aus,
wie ein tiestranriger Mann.
Lore mußte heute in der That ver
>aubert sein. Noch nie hatte sie sich so
diel Kopfschmerzen um den Bincenz ge
macht, als gerade heute. Dann kam
ihr der Gedanke, als würde sie gar
nicht wieder aus dem Walde heraus
kommen, wenn sie sich nicht vornähme,
manches wieder gut zu machen. Ranken
and Reben würden fie immer dichter
iinfchließen, die Büsche rückten zusam
men. sie süße verzaubert mitten im
Walde, wie die stolze Prinzessin im
Märchen.
„Bincenz!" rief sie Plötzlich, „im
Nrunde meiner Seele hab' ich's ja nie
böse mit Dir gemeint."
Sie horchte aus. Es raucht« ver
lehmlich durch die Wipfel, geheimniß
voll schwebte eS aus Busch und
Strauch.
„Siehst Du, Bincenz, ich will Dir
luch irgend etwas Gutes thun, das Dich
sreuen soll. Ja?"
' In die'em Augenblicke schlug über
ihr ein Fink an. Es klang wie ein
zeller Jubelschrei. Und ihr selbst
vnrde es wieder leicht ums Gemüth.
Sie sprang auf. Da siel ihr Blick auf
:ine einsam am Wege blühende, glän
zend bunte Blume. Sie erschauerte
eicht.
„Die Glücksblums'" flüsterte sie.
Wie Sonnenschein sluthete es über ihre
Seele. Sie näherte sich ein paar
schritte der seltsamen Blume. Dann
zielt sie wieder still. "Wenn ich sie
pflücke, dann hätte ich den Schlüssel zu
meinem Glücke i« den Händen!" Sie
Iberlegte kurz. Dann sagte sie: „Nein,
dleibe stehen und blühe fort! Ich will
mich besinnen, was ich thun soll, es
nieder gut zu machen. Und hab' ich es
zeiuuden und komme zurück und ich finde
dich noch hier, dann will ich es als ein
Zeichen nehmen, daß ich es vollbringen
soll."
S>e schritt rüstig fürbaß jetzt weiter.
Der Wald schien ihr nicht mehr verzau
bert. Es blühte und duftete ringsum,
oon allen Zweimen sang es und in ih
rem eigenen Herzen da zwitscherte eS
zuck«, imm-r läuter, immer vernehmli
ter: „Thu es, Lore, thu' eS!" Da
ltosrkam es sie seltsain. Sie mußte erst
lächeln, dann lachte sie hell und sröhlich,
bis sie aus einmal zu laufen begann
und nun im wilden Uebermuthe durch
den mailichen Wal» eilte, bergab, die
Landstraße entlang, bis zu dem Dorfe,
wo sie dochroth, dach n»il leuchtenden
Äugen bei der Base ins Stübchen
trat, den beabsichtigten Besuch zu ma
chen.
Die Sonne stand schon tief über dem
Berge, als Lore >ich zain Heimweg rü
stete. Ties aal suchte sie nicht die
Dorfklraße auf sondern schlug einen
!w>sckea Äur eii entlang lausenden Psad
-in, ter am ><>otiesa er ausmündete.
aing > »g am, »nd Blicke lie
fen über die Meißen ter Gräber. Die
Tonne fi-n'ct e in den Urcnzen und
j eialliaf-tn, nu cht« über die tötenden
Killern, Urnen und mit E »eu und
« Imme« grün i>vkrwua>e> leaSteinplatten
jund ipikitc wie mit glitz.rnde» Nadeln
durch die geneiilen Landkronen der
' !rane>> hen uns dnnlel anfragenden
' .u.
Ob,u am Gottesacker, nur wenige
Hügel vom Zaun, sah sie den Todten
gräber in einer bereits halb ausge
schaufelte» Grube stehen. Sie wußte,
daß man hier oben in der Ecke diejeni
gen der Erde zurückgab, welche freiwil
lig aus dem Leben geschieden waren.
Unwillkürlich blieb Lore stehen und
schaute ein paar Minuten der traurigen
Arbeit des alten Mannes zu. Nun
hielt dieser inne, wischte sich ausath
mend den Schweiß von der Stirn und
lehnte sich auf den Handgriff der
Schaufel. Als er Lore erblickte, nickte
er grüßend.
„Für wen ist daS Grab?" fragte jetzt
die draußen Stehende.
„Da soll morgen die blonde Bärbel
hinein," antwortete der Todtengräber,
„wir zogen sie gestern früh aus dem
Teich am Dorfe."
„Die hübsche Bärbel? Das ist trau
rig !"
„Ja, 's ist eine traurige Geschichte.
Sie war wirklich 'mal die hübscheste
von allen Mädchen hier und trotz aller
Armuth hielt sie sich wie eine Prinzessin.
Keiner der Burschen hier war ihr gut
genug. Eines Tages hieß es —es
mögen wohl schon an fünf Jadren her
fein sie habe sich mit des Sägemül
lers Bincenz von drüben heimlich ver
hobt."
„Mit dem trauriger Gesicht?"
Der Alte schüttelte den Kopf.
„Damals war es noch nicht so trau
rig. Da konnte der Bincenz noch laut
auflachen. Ich hab' ihn so manchmal
hier gesehen und immer meine Freud'
an dem hübschen, wackeren Menschen
gehabt. Er hätte sie glücklich gemacht,
denn er meinte es ehrlich mit der Bär
bel. Aber in der Bärbel war das
Blut ihrer Mutter. Eines Sonntags,
als der Bincenz wieder herüberkam, da
war fle verschwunden, mit einem Som
mergast, der in der Forstet gewohnt
hatte, in die Welt gegangen. Sie be
trog ihn und wurde dann selbst betro
gen. Alles rächt sich, Alles. Nach
einem halben Jahr war sie wieder da,
nichts brachte sie mit als die Schand.
Späterhin, als das Kind da war, muß
sie sich wohl in aller Noth an den Bin
cenz gewandt haben, oder er hat davon
gehört. Er war edel genug und ließ
sie nicht verhungern. Aber herüberge
kommen ist er nicht mehr, niemals mehr
vor ihr. Nur gestern hat er vor ihr
gestanden, als sie im Rasen lag, kalt
und blaß. Da hat er sich umgewandt
und geschluchzt wie ein Kind. Es ist
ein guter Mensch, viel zu gut für die
meisten Weibsleut, DaS hat sich auch
die Bärbel wohl gesagt. An der hat
die Reue und der Gram gefressen, »nd
ba hat fie's gethan, was der Mensch
nicht thun soll."
„Da kommt der Bincenz wohl mor
gen wieder?" fragte Lore.
„Nein, der kommt nicht mehr herüber.
Ir hat ein gutes Stück Geld hier zu
rückgelassen, damit alles hübsch gemacht
wird, freilich ganz still. Das ist so
Sitte."
Der Alte schwieg und sah aus ein
mal dem am Zaun stehenden Mädchen
schärfer in's Gesicht.
„Sonderbar, sonderbar!" sagte er,
langsam den Kops schüttelnd. „Je
mehr ich Euch anschaue, um so mehr
staun' ich über die Aehnlichkeit mit der
Bärbel. Nur Ihr seid wohl etwas
sanfter, auch das Aug' ist nicht so sah
nig und flackernd, wie bei der Bärbel,
seht, ich habe nuu schon Hunderten die
tzte Wohnung ausgeschaufelt, oberes
ist, wie in der Natur, wie mit den
Manzen. Die einen welken ab und
sterben und dann kommen andere,
damit es draußen nicht leer werde.
Die Rose von heute sieht aus wie
die, welche wir gestern gebrochen.
Gott meint's gut, das ist gewiß, und
-r ist gerecht. Ja, ja! Aber die
krbeit drängt." Er nickte grüßend
»nd begann dann aufs neue auszuschau
feln.
Auf dem rosigen Gesicht der Lore lag
im tiefer Ernst, als sie jetzt langsam
durch die Buchen hin die Bergwand er
klomm.
„Also das hat ihm am Gemüth ge
ragt all' die Jahre," murmelte sie sür
ach hin. „Er trauerte um ein verlore
nes Glück, und als ein wunderbarer
Zufall mich ihm zuführte, da ward es
nieder hell in ihm und er begann an','
Nene zu hoffen. Armer Vincei.z!
iZie habe ich Dich verspottet und zurück
gestoßen, obne zu wissen, was ich damit
lyuU Ab»r noch ist ja Zeit, manches
nieder gut zu machen. Und ich will es
thun."
Lore begann plötzlich eiliger vorwärts
zu drängen, als hinge Alles von den
nächsten Minuten ab.
„Tr>nilaii?fest," sagte sie nach einer
lleinen Pause. Bielleicht war es wirk
lich eine Fügung, daß ich gerade
heute an dem Kirchhos vorübergehen
mußte! Bielleicht ist's auch sür mich
heute ein goldener Sonntag!" Sie dachte
»n die Glücksblume droben am Wege
ind wieder beschleunigte sie ihre
Schritte.
dämmerte bereits etwas unter
den Bäumen, als sie nun über den
Kücken des Berges ging. In Duft
»ehüllt lag die Ferne; aus den Wald
schluchten zog es in leichten Schleiern
herauf, da und dort huschte noch ei»
letzter Gluthftreifen der scheidenden
Tiefe, aus der hie und da ein einsames
Dorf herausgrüßte.
Lore hielt jetzt etwas an und begann
langsamer zu gehen, die Blicke suchend
von hüben nach drüben sendend. Aus
einmal stieß sie einen leisen Schrei aus.
Sie hatte gesunden, wonach sie emsig
zespäht bis jetzt. Dort lag der b«
mooste Felsblvck und unweit davon leuch
tete ihr die Glücksblume entgegen.
«Hast Du doch auf mich gewartet?"
rief sie fröhlich aus. ,O das ist schönl
Und nun will ich Dich brechen und das
Glück dann festhalten, wenn eS mir follte
besch e t sei».-
bückte sich nieder, um mit zittern
den Händen die gebeimnißvolle Blume
>u pflücken. Ein leises letztes Rauschen
jog durch den Wald. Sie erschauerte
leicht, daiu! brach sie kurz entschlossen
Jn diesem Augenblicke war es ihr
als zwänge eine magnetische Krast sir,
aufzublicken. Sie that eS, und aber
mals hätte sie beinahe einen Schrei ge
than, halb des Schreckens, halb der
Freude. Drüben unter den Bäumen
hatte sie die Gestalt des Bincenz er
kannt. Er kam ihr entgegen. Sie
raffte sich auf, die Blume wie einen
schützenden Talisman vor sich haltend.
Bincenz sah blaß und ernst aus, aber
kein unfreundlicher Zug flog über sein
Antlitz, als er Lore jetzt gegenüber
stand.
Er grüßte sanft und sagte:
„So spät nock) allein im Walde? Dit
Nacht kommt bald."
„'s ist meine Schuld, Vincenzl Ich
war drüben im Thal!"
Vincenz zuckte fast merklich zusammen
und antwortete nichts.
„Sieh' hier, Vincenz, was ich habe!
Eine Glücksblume, gepflückt am golde
nen Sonntage." Er nickte fchwer
müthig. Lore fuhr fort: „Heute Mor
gen, Vincenz, da habe ich etwas gethan,
was ich jetzt bereue. Du warst mir ge
wiß sehr böse."
Vincenz schüttelte den Kopf.
„Böse war ich Dir nie. Ich wollte
und konnte Dir nicht böse sein. Wen
das Schicksal einmal ernst anfaßt, der
verzeiht gern und leicht, wo nur Ueber
muth ein wenig fehlte."
Lore sah ihn dankbar an.
„Sienfr Tu," sprach sie, „heute Mor
gen nahm ich Deine Maiblume nicht
an. Ich betrübte Dich. Ich will es
gut machen. Nimm diese Blume mit,
trag' Dir das Glück in's Haus."
„Das Glück?!" Er lächelte bitter.
„Das Glück geht nicht mehr über
meine Schwelle. Behalte sie, Lore,
und möchte Dir immer treu bleiben,
was mich sür immer verließ."
Sie hob den Kopf hoch und sah ihn
voll und strahlend an, daß ihm unwill
kürlich unter diesen Blicken das Herz
höher schlug.
„Vineenz!" sagte sie und ihre
Stimme hatte eine seltene Weichheit in
diesem Augenblick. „Willst Du daS
Glück nicht hier Dir mit fortnehmen,
dann hole eS morgen in unserem Hause.
Ich nehme die Blume mit. Bist Du
das zufrieden?"
Er schien seinen Ohre» wohl zuerst
nicht zu trauen. Dann aber kam über
ihn eine gewisse Erleuchtung. Ein
Glanz unendlicher Seligkeit schimmerte
auf feinem Antlitz herauf. Er tastete
uach ihrer Hand, die sie ihm nicht ent-
Zog.
„Lore," hastete er endlich horaus,
„verstehe ich recht —Du könntest wirk
lich es ist ja nicht möglich nicht
möglich "
„Doch doch, Bincenz! Vergiß doch
nicht, es ist ja heute der goldene Sonn
tag. Wenn Du nicht glaubst, zerfließt
all der Zauber wieder."
„Ich möcht's ja gern glauben, Lore!
Darf ich's den» wirklich?"
Sie antwortete nichts mehr. Sie
lächelte nur und ein aussteigendes Roth
spielte ihr über Schläfe und Hals.
Sie nickte nnd wandte sich bald ab.
„Lore! Also ich darf morgen kom'
men?"
«Ja. ja!"
„Und Du liebst mich?"
„Das das will ich Dir morgen
sagen, wenn Du die Blume Dir holst!"
Sie riß sich los. „Leb' wohl, Bin
gen;! Aus morgen!" Sie eMe wald
einwärts, so rasch sie die Füße trugen.
„Auf morgen!" wiederholte Bin
cenz, der noch immer wie verzaubert
auf derselben Stelle stand. „Auf mor
gen! O, mein Gott, noch kann ich'S
kaum fassen. Nun kommt doch noch
das Glück zu mir."
Unten mitten anf einer sanft ab
fallenden Bergmatte hielt Lore sür einen
Augenblick athemschöpfend an. Sie
trug die Blume noch immer in der
Rcchien uud beschaute sie strahlenden
Antlitzes. Und nun hielt sie dieselbe
hoch wie ein SiegcSpanier. Sie stieß
einen Juchzcr aus, den das Echo der
Berge hallend wiedergab. Dann, die
Blume fröhlich vor sich her schwenkend,
eilte sie über die Wiese hinab in das
Dorf. Alles war jauchzende Frende an
ihr. Sie wußte, daß sie heute das Glück
mit nach Hause brachte.
Das Trinitatisfest hatte mit feinem
heilkräftigen Zauber uun auch ihr Herz
gefangen und gewonnen, au dem über
müthigen Sountagskinde ein holdes
Wunder gethan.
Rückwirkung.
„Frau Müller, Sie haben ja ein,
ganz geschwollene Backe!" „Ja, mein
Mann hat gestern a' biSl zu viel getruw
ken!"
Schreiben, Zeichnen,
Malen, welche dieser graphischen
tiiinite ist die edelste? Ein Beispiel
möge diese Frage lösen. Das Comite
eines Bcreines zur Gründung eine!
Wohlthatigkeitsfonds wirbt Mitglieder.
Es lommt unter anderen auch zu drei
Perionen. D-r Eine sagt: Ich werde
sür die Zache schreiben. Der Zweite:
Ich werde zechten. Der Dritte: Ich
werde euch was malen. Jetzt kann
Jeder die obige Frage selbst beantwor
ten.
«»» „L«tbt«u" »«» Prt«»«» »»«
Wale».
Die seltsamen Enthüllungen des Lon
doner Processes, in welchem nicht der
als Falschspieler entlarvte schottische
Baronet Sir Gordon--Eumming, son
dern der Prinz von Wales die uner
wünschte und unfreiwillige Rolle der
Hauptperson spielte, hat das Interesse
des Publikums an dem hierzulande ver
hältnißmäßig wenig bekannten Bacca
rat-Spiel wachgerufen.
Dasselbe ist in den französischen
Clubs sehr populär, und von Paris hat
es der Prinz auch wahrscheinlich nach
England importirt und durch seinen
allmächtigen Einfluß als „tlis kirst
iZuAlisl, Avntlvmao" zum Spiel der
vornehmen Clubs und intimen Cirkel
riar oxovllvnos erhoben. Entstanden
ist es aus dem früher ebenso beliebten
Macao, und unterscheidet sich von ande
ren Kartenspielen, bei denen überwie
gend der Zufall, und nicht die Geschick
lichkeit des Spielers über den Gcwinn
entscheidet, dadurch, daß nicht die
Qualiätt einer Karte, sondern eine ge
wisse Summe der sämmtlichen Augen in
der Hand der Wettenden oder Pointcurs
maßgebend ist. Das Spiel geht fol
gendermaßen vor sich:
Au einem mit grünem Tnch über
zogenen Spieltische, in dessen Mitte
sich eine Vertiefung befindet, nimmt
der Bankhalter in der Mitte Platz,
neben ihm rechls und links die Mit
spielenden in gleichen Abständen. Die
Einsätze gelten als unwiderruflich ge
setzt, sobald sie über einen deutlich mar
kirten, etwa vier Zoll breiten Rand, der
rings um dcn Spieltisch läuft und den
Spielern Platz für das Aufstapeln
ihrer Baar- und Gewiunstvorräthe
gibt, auf das grüne Tuch, die sogen.
Tableaux, geschoben werden.
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Ein Baccarat Tisch.
Sobald die Spieler ihre Einsätze ge
macht haben, beginnt das eigentliche
Spiel. Der Bankier, vor welchem ein
verdecktes Pack Karte», gewöhnlich aus
sechs sorgfältig gemischten und abgeho
benen Whistspielen liegt, nimmt die
obersten Karten ab und gibt der Reihe
nach einzeln seinen nächsten Nachbarn
zur Rechten, sodann dem zur Linken
und sich selbst je zwei Karten. Jeder
prüft feine Karten, und wenn er findet,
daß er neun Augen hat, so deckt er die
Karten auf und er und seine Seite ha
ben gewonnen, d. h. Jeder seinen Ein
satz von ter Bank. Die Einsätze der
anderen Seite sollen an die Bank. Die
sogenannten Bilder, zu denen wie bei
den Honneurs im Whist, auch die Zehn
gerechnet wird, gelten dabei Null, wäh
rend die Augen der übrigen Karten zu
sammengezählt werden. Hat also ein
Spieler beispielsweise eine Dame »nd
eine Neun, so hat er gewonnen. Hat
er sieben und zwei, so hat er auch ge
wonnen, ebenso, wenn er Sechs und
Drei, Fünf und Vier hat. Der näckst
höchste Pointist die Acht. Wenn der
Bankier auch Nenn hat, so zieht er den
Einsam des schlechteren Spielers ein,
während die Seite, welche auch Neun
gegen den Bankier hat, ihre Einsätze
stehen lassen und weiter spielen darf.
Hat >r Spieler feinen Einsatz verloren,
so kt.mml lein Nachbar an die Reihe und
er erhält erst wieder Karten, wenn die
>Z,e he herum ist.
Häufig ist aber Gewinn und Verlust
nicht so schnell entschieden, da der Si ie
ler, wenn Keiner gleich Neun meldet
und der Bankier erklärt, „daß er Kar
ten gibt", ncch eine Karte mehr nehmen
darf, wenn er hofft, aus neun ober acht
zu kommen. Diese nachträgliche Karte
wird vom Bankier offen gegeben. Wer
sechs oder sieben Augen hat, pflegt ge
wöhnlich nicht höher zu gehen, da er
annehmen kann, daß der Bantier weni
ger hat. Die Theilung der Spieler in
rine rechte «nd linke Partei hat, wie
man aus dem Obigen sieht, den Sinn,
daß der Spieler auf jeder Seile mit
leinen Nachbarn gemeinschastlich gegen
die Bank spielt, >.,»«:> seine Karte zeigen
and deren Rath einholen darf. Die
Rauten in der Mitte jeden Tab
leaus sollen den Spielern Gelegenheit
geben, mit ihren Gegnern anf der an
dern Seite gegen die Bank zu wetten.
Der Bankier muß also, wenn der Ge
winn nach rechts fällt, auch den Betrag
der Einsätze auf dem linken Mittelfelde
auszahlen. Haben die Spieler rechts
nnd links gleichzeitig die höchste» Points
gegen die Bank gewonnen, so erhält jede
Seite die Hälfte der Einsätze. Die ge
brauchte» »arten werde» in die Vertie
fung geworfen.
Ter Betrug, dessen sich Sir William
nach dem übereinstimmenden Zeugnisse
der Mitspieler einsach darin, daß wenn
ir sah, daß feine Seite wahrscheinlich
gewinnen würde was er durch
einen Btick in die Karten des Kartcn
jpielerS feiner Partei sehr leicht er
rathen konnte er unbemerkt seinen
»«rminde," -iat ist es strenge
Zspielrc m A igenblicke an,
n» der harten zur Ver-
»Heilung ausnimmt, die Einsätze unbe
rührt zu lassen.
Lady Brooke.
Bekanntlich hatte der schottische Ba»
ronet nach der Enthüllung seiner Be
trügereien ein Document unterzeichnet,
pie wieder eine Karte anzurühren. Da
mit wollte ihn der Prinz von Wale»
und die übrigen Mitspieler laufen
lassen, zugleich unverbrüchliches Still
schweigen über die peinliche Affäre ge
lobend. Doch unter den Eingeweihten
befand sich.auch Lady Brooke, welche
als die erste Schönheit des Landes ge
priesen wird und bereits seit Jahren in
höchst intimen Beziehungen zu dem
"Lrst Lontloin»n ok steht.
Diese entlockte „ I» Delilah ihrem Sim
son das Geheimniß, und hatte natürlich
nichts Eiligeres zu thun, als die dis
krete Geschichte natürlich unter dem
Siegel tiesstcr Verschwiegenheit allen
Klatschbasen uild Kafsecschwestern au»
der Gesellschaft zu erzählen.
So ward die Geschichte ruchbar und
der schwer conpromittirte Baronet ge
zwungen, jenen BerleumdungSproceß
einzustellen.
Lady Brooke, selbst aus der alten
Familie der Maynards stammend, ist
jetzt etwa 30 Jahre alt, und durch ihre
Schönheit, besonders durch ihre pracht
vollen Augen, zarten und doch ener
gischen Schnitt ihres ovalen Gesichts,
essen Teint von rosenroth angehauch
ter, elfeubeiumatter Blässe den Neid
aller Hosdaincu erregt, und ihren schlan
ken Wuchs von griechischem Ebenmaß
an allen europäischen Höfen weit be
rühmt. Ihr Gatte, Lord Brooke, ist
der Sohn des Grasen von Marwick,
dessen Würde bis zum Jahre 1632 zu
rückreicht. Im Jahre 1883 lernte der
Prinz von Wales si: zuerst kennen, und
da ihr Gatte entweder ein äußerst nach
sichtiger Ehemann ist oder sich durch die
Aufmerksamkeiten,die der Thronerbe der
Lady Brooke zuwandte, besonders ge
schmeichelt fühlte, diese selbst auch uicht
von Stahl »nd Eisen war, so zischelte
bald alle Welt vor dem offenkundigen
Verhältniß, das soweit ging, daß der
Prinz in Abwesenheit des LordS wochen
lang aus dessen Schloß die Gastfreund
schaft der Lady Brooke genaß.
Zweideutig.
Besorgte Mutter: Was meinen Sie,
Herr Brown? Thäte ich nicht besser,
Mabel aus ein Jahr in Paris zur Aus
bildung ihre Stimme zu lassen?
Brown (der Mabel hat singen hören:)
Ich dächte, Sie ließen sie gleich aus
swei Jahre dableiben.
Ein verzweifelter Aal».
Bankerotter Kaufmann (zur theil,
nehmenden Gattin): Es hilft kein Ab
leugnen mehr ich bin ein geschlage
ner, ein ruinirter Mann! Sie:
Uebertreibst du nicht, lieber Frank?
Er: Nein, nein! Alles ist verloren, bi»
auf das Bischen Ehre und das ist
so wenig, daß es die Katze aus de»
Schwanz wegtragen kann!
Eine reiche englisch»
Dame, die auf dem Lande wohnt,
schrieb an eine Verwandte in London,
die ebenfalls reich, Wittwe und dabei
noch jung und liebenswürdig ist, sie
möchte dcch in der Stadt nach einem
Hauslehrer für ihre beiden Söhne sich
umsehen. Der Erzieher müsse in den
meisten Fächern vollständig bewandert
und dabei musikalisch sein. Er müsse
gut zeichnen, reiten, fechten und schwim
men können, ernst, aber doch freundlich
sein, bescheiden, aber nicht schüchtern,
klug, aber nicht eingebildet, anspruchs
los und doch würdevoll. Außerdem
müsse er aus guter Familie stammen,
ein hübsches Gesicht, elegante Haltung
und sonore Stimme haben, überhaupt
verlange sie, daß er äußerlich und inner
lich vollendeter Gentleman wäre. Da
für stände dem Betreffenden eine sehr
angenehme und dauernde Stellung i»
Aussicht. Nach einiger Zeit kam von
London folgender Brief an: „Lieb«
Adelaide! Ich habe einen Hauslehrer,
wie Tu iln '..erlangst, gesucht, bis jetzt
aber nocci nicht gesunden. Doch ich
werde mich die Mühe nicht vcrdr"'e»
lassen, »och ferner zu fuchen. L bt
ich ihn gefunden habe, werde ich
kannst x,ich darauf verlassen, ihn her
rathen. Teiue Eleonore."
Der ,?citer Llo.zd" veröffentlicht
folgende nich: übel eriundene Anekdote
aus dem RcdaklionS- und dem Tlieater
leben: In cm kleines Städtchen kam
dieser Tage cine Schauspielcrtruppe,
deren mannigfaltige Leistungen den
Chefredakteur des Wochenblattes mora
lisch nöthigte», eine Theater-Rubrik zu
eröffnen und sür dieselbe soznkagen
einen Fachmann zu bestellen. Dieser
Fachmann war ein scharfer Herr, der
aber das fo wenig
wahrte, daß er—man denke!—schon nach
drei Vorstellungen im Kaffeehause er
klärte, er werde den Jntriguanten
Soundso in seiner Kritik als den größ
ten Stümper der versloffenen und kom
menden Jahrhunderte bezeichnen. I«
der kleinen Stadt konnte ein solch' gro
ßes Ereigniß unmöglich Geheimniß
bleiben, und so kam es, daß Hen
Soundso noch am selben Abend in«
selben Kaffeehause in der angenehme»
Lage war, zu erklären, daß er schon ein
halbes Dutzend solcher scharfer Herren
zum Abendessen verspeist habe, und daß
er diesmal dem p. t. Publikum dai
seltene Vergnügen eines ähnliche»
Schauspiels bieten werde.
Später mochte er sich die Sache doH
ein wenig überlegt haben, denn er sucht«
den Herrn Chefredacteur aus und lei
stete diesmal in Verstellung so Beden
tendcS, daß der gutherzige Redacte»,
den Bürstenabzug der blutigen Kritil
aus der Druckerei holen ließ. Und d«
stand denn in der That zu lesen: „Her,
Soundso spielte den „gränz Moor".
So schleckt sich auch Schiller diesen Men
schen gedacht, Herr Soundso hat ihn noci
schlechter gespielt. Dieser Herr besitzt
keinen Funken Talent, und seine Eig>
nung als Träger einer Handlung könnt,
er höchstens >n einer Gemischlwaaren
Handlung nachweisen...." Der Her>
Chesrcdacteur war nach der Lectüre vie
scS Resera'eS ein wenig pikirt, allein a»
der Ansicht des competenten Kritikert
wagte er nichts zu ändern. Das gut,
Herz ließ sich aber schließlich dazu be
wegen, eine sog. Fußnote zu fabricire,
und unter dem bewußten *) die Ehren
erklärung zu geben: „Ich sür mein,
Person bin vom Gegentheil üb-rzeugt.
Der Red " Herr Soundso verliej
mit der Versicherung bis über seine Ui»
sterbuchkcit yiuaus Währeuder Dankbar
lcit die Redaction. Allein sein Ver.
hängniß ruhte nicht. Der scharfe Kriti
ker hatte (natürlich im Kaffeehause!)
von dem kannibalischen Magen des In
triganten gehört, und da die Nächsten
liebe bekanntlich stets bei der eigene«
Person ansängt, lief er schnurstracks i,
die Druckerei und änderte das Referat
in der folgenden Weise ab: „Herr So
undso spielte de» Franz Moor schlecht,
aber so hat ja auch Schiller diesen Men
schen gedacht, und Herr Soundso hätt«
gesehlt, wen» er ihn besser gemacht hätte
Dieser Herr besitzt überhaupt ei>
glänzendes Talent und seine Eignung
als Träger einer Handlung hätte e>
nicht trefflicher nachweisen können!" ...
Beruhigt gingen Kritiker, Künstler unt
Redakteur am Abend zu Bette, an
Morgen war die neueste Nummer dei
Wochenblattes glücklich geboren, unt
nun denke man sich den Effekt, als di>
Welt unter der Theaterkritik noch imme,
die Fußnote sand: „*) Ich sür mein,
Person bin vom Gegentheil überzeugt
Der Red...."
Friedrich li. und der «ammcrhusa«
Drees««.
Der „Bär" erzählt: König FriedriH
der Große liebte es nicht, daß sein,
Diener weiblichen Umgang hatten
Eines Tages erfuhr er. daß der Kam
merhusar Dreesen, welcher die klein,
Kasse führte, mit einer Potsdam«
Bürgerstochter Zusammenkünfte hab,
und namentlich in den Stunden, ii
velchen Concerte beim Konig wäre«
oder dieser schlief, sich von Sanssouci
entfernte. Friedrich ließ Dreesen z»
sich kommen, hieß ihn, sich an de«
Schreibtisch setzen und diktirte ihm in>
Hin- und Hcrgehen folgenden Brief,
„Mein Schatz! Ter König rechnet mn
jede Stunde nach, die ich bei Dir ange
nehm zubringe. Damit meine künstig,
Abwesenheit desto kürzer sei, und vo«
dem Murrkopf desto weniger bemerkt
und beneidet werde, so miethe Dir in
der Brandenburger Vorstadt, nahe bet
uns, ein Stübchen; wir werden uni
dann mit mehr Bequemlichkeit als in
der Stadt sehen können. Ich verbleib,
bis in den Tod Dein getreuer Dreesen/
Mit zitternder Hand, Angstschweiß aus
der Stirn, hatte der Diener diese Zeile»
vollendet. „Fertig?" fragte de,
König.
„Ja", antwortete Dreesen. „S»
mach' ein Couvert darum und ver
siegele dcn Brjes." —Auch das geschah
Nun dictirte ihm Friedrich die Auf
schrift ganz genau. Darauf ließ e>
einen Läuser rufen und händigte ihn
den Brief zur Bestellung ein. Fü>
einige Zeit hatte dieser Wink bei Dree
sen gefruchtet. Dann aber ließ er sich
grobe Vergehen zu Schulden kommen,
daß Strenge gegen ihn angewandt wer
den mußte. Aber auch jetzt wollt,
Friedrich ihn nicht der Criminaljustjj
übergeben, sondern beschränkte sich da
rauf, ihn unter die Soldaten stecken zi
lassen. Ein Osficier überbrachte Drev
sen die Nachricht in seine Wohnung in
Schlosse. Dreesen erschrak, schien siä
jedoch bald zu fassen und dat den Osfi
cier nur nm die Erlaubniß, aus seine,
Kammer noch etwas holen zu bürstn
Eine Minute später fiel ein Schuß
Dreesen hatte sich eine Kugel durch de»
Kops gejagt. Der Osficier erstattet,
dem König über den Vorfall Meldung,
„Eure solche Entschlossenheit hatte iH
dem Schust nicht zugetraut!" entgegnen
dieser.
Gefühlvoll. Ich merkt«
gleich, da» das schöne Gedicht von Jh>
ncn war, üicin Fräulein! Wieso?
Wegen der turzen Verssüße; so tleiut
kaun nur ein- Dame habenl