Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 18, 1891, Page 6, Image 6

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    »er anfgethant« Ur-«»t>«».
In der Brüderstraße, einer der älte
sten, welche Berlin b:sitzt, hatte die
17K8 gegründete Handlung Maurer >k
Bracht bis vor Kurzem Kellereien inne,
Welche seiner Zeit ein Küser Baumann
zu einem Weinlokale umschus, „Bau
mauns Höhle" taufte altberlinischer
Witz das Kneiplein, in welchem Lessing.
Mcses Mendelssohn, Friedrich Nicolai
nnd andere Geistesgrößen „Tafelrunde"
zu halte» und Gespräche zu führen
pflegten, wie sie heute nicht mehr in je
«en Räumen zu erlauschen sind
Das Kellergeschoß, in welchem daS
Vlut der Reben kredenzt wurde, war
von so geringer Raumabmessung, daß
sich moderne Trinker in ihm schwerlich
heimisch fühlen würden.
Nur selten kletterte ein Fremder die
schmale Treppe hinab, welche direkt von
derjStraße in das Düster der Wölbungen
führte, und fand sich wirklich ein solcher,
so war es sicherlich ein schristkundiger
Mann, zu dem die beglaubigte Bot
schait gedrungen war, hier sei von
Moses Mendelssohn den Ohren erprob
ter Freunde der Phädon anvertraut
worden, und Gotthold Ephraim Les
sing habe an diesem Orte manchmal den
Jammer seiner Seele im Glase ersäuft.
Ein altväterischer Lehnstuhl, welche»
die Firmeninhabcr als Heiligthum ver
ehrten, hatte den Stammsitz des großen
Denkers und Dichters abgegeben.
In dieser historischen Kneipe tagte
im Ansänge der sechziger Jahre unseres
Sä.uluniS eine aus Gelehrten, Künst
lern, Officieren. Schriftstellern u. s. w.
bestehende Gesellschaft, welch» weder
Firma noch Statuten besaß, einen
Präses und Schriftwart nicht kannte und
einen die getrunkenen Flaschen und
Schoppen ankreidenden bejahrten Com
mi- als zu sich gehörend betrach
tete.
Das Nepertoir der Unterhaltungen
dieser TonnerstagS-Gesellschaft umfaßte
alle Gebiete menschlichen Wissens und
Könnens; jedoch war unverkennbar,
daß mehr die heitere, als die ernste
Seite des Lebens berücksichtigt und hin
und wieder die VerÜbung eines regel
rechten Juxes sür ersorderlich gehalten
wurde.
In Befriedigung dieses Verlan
>ens hatte im Lause der Zeit fast jedes
Witzlied der „Tafelrunde" herhalten
und mehr oder minder großen Aerger
verbeißen müssen. Denn wenn sich di«
Herren einmal cmss Hänseln verlegten,
hänselten sie gründlich und mit
impcnirender Einhelligkeit.
Um einen Scherz glanzvoll durchzu
fiikrcn, scheuten dieselben weder Zeit.
Vergeudung noch Kosten und ließen sich
die Mühe:iicht verdrießen, zur Jnszene
seyung desselben Monate in Anspruch
nehmende Vorbereitungen zu treffen.
So halten z. B. die der Gesellschaft an
gehörenden Professoren und Doktoren
einen albern veranlagten „Groß Kauf
mann" welcher einen vielfach ge
rühmten „Alpenkräuter - Magenbitter"
erfunden und in den Handel gebracht
hatte iicmnris Laus» zum Doktor der
Medizin ernannt, ihm ein in lateinischer
Sprache ausgefertigtes Diplom per ein
geschriebenen Bries übersendet und zur
nächtlichen Stunde an seiner Privat-
Wohnung ein Porzellan-Schild anbrin
gen lassen, aus welchem in fetten Lettern!
.Ferdinand Lehmer, ckoetor msäicin»«
»t iovenior" verzeichnet stand, üinem
zweiten vertrauensseligen Gemüthe hatt«
man vorgeredet, allmitternächtlich mit
dem letzten Glockenschlage Zwölf mach«
die aus dem Belle - Alliance - Platze er
richtete Siegessäule eine reelle Drehung
nm ihre Axe, wodurch der Angelogen«
verleitet wurde, genanntem Platze sei
nen Besuch abzustatten und sich durch
unablässiges Starren nach der das Mo
nument krönenden Viktoria einen leich
ten Genickkrampf zuzuziehen, zum Gau
dium der Verschworenen, welche von
einer benachbarten Konditorei aus das
Thun des Düpirten unter Kvntrol«
hielten.
Als Regel galt, einen ausgeführten
Schabernack niemals als solchen anzu
erkennen, sondern bei der Behauptung
zu verharren, man hab? in gutem Glau
den gesprochen und gehandelt. Hierdurch
wurden zuweilen auch scharssinnige
Leute irregeführt und im Zweifel da
rüber erhalten, od sie sich als Gesoppt«
zu betrachten hätten oder nicht.
Nun hoSpitirte hin und wieder ein
wohlhabender Buchhändler im Lessing-
Stüblein, dessen Geiz so groß war, daß
seine mittellose, acht Jahre weniger denn
erzählende verwittweteSchwester sammt
füns unerzogenen Kindern elendiglich
zu Grunde gegangen sein würde, wenn
sich die Mildthätigkeit Fremder ilirer
Noth nicht erbarmt hätte. Diesem un
brüderlichen Geizkragen eine Lektion
derber Art ertheilen und durch ihre
Vermittelung seiner darbenden Schwe
ster ein ansehnliches Sümmchen in die
Hände spielen zu wollen, machte seit ge
raumer Zeit das Verlangen der „Tafel
runde" aus. Aber noch war kein Plan
ausfindig gemacht worden, welcher die
Erreichung des Doppelzieles in sichere
Aussicht gestellt hätte.
Da sand an eineni eisigkalten Dezem
ber-Tage Jemand den Weg in die
.Baumanns - Höhle", welcher Erleuch
tung in dai Hirn eines alten Medizi
ners brachte, der bei Hofe eine erheb
liche Rolle spielte und viel« Freunde und
Verehrer in allen GesellschastZsch.chten
befaß.
Dieser Jemand war ein von erner
Vrönlandsahrt zurückgekehrter Natur
forscher, welcher Sitten und Gebräuch«
der Eskimos, bei denen er mehrjäh
rige Gastsreundschast genossen hatte,
tn derartiger Anschaulichkeit schil
derte, daß der Leibarzt unausgesetzt
schmunzelte und ein .Ausgezeichnet!"
»ach dem anderen hören ließ.
Dem Mediziner war nämlich ein Licht
darüber aufgegangen, in welcher Weise
«an einen Jocus allerersten Ranges
veranstalten und der Schwester des un
brüderlichen Buchhändlers zu kräftiger
Unterstützung verHelsen könne. Da der
Buchverschleißer abwesend war, konnte
der Alte seinen Plan ungescheut kund
geben. Derselbe wurde jubelnd gutge
heißen.
Den CommiS, dessen Mitwirkung
man bedurfte, weihte man in das Ge
heimniß ein und verpflichtete ihn aus
absolute Verschwiegenheit.
Am nächsten Morgen sprach der Leib
arzt bei dem Geschäfte des Buchhänd
lers vor, kaufte einen Medizinal-Kalen
der für das kommende Jahr und sagte
nebenhin zu dem Harpagon:
„Schade, daß Sie gestern nicht in der
„BaumannS - Höhle" waren! Es
HoSpitirte dortselbst ein ans Grönland
eingetroffener Prosessor, der Wunder
dinge zu erzählen weiß. Wenn der
Mann seine umfassenden Erfahrungen
schriftlich niederlegt, wird er fraglos
ein epochemachendes Werk schaffen..
Machen Sie sich bei Gelegenheit an ihn
heran! Wählt er Sie als Verleger, so
stag ist er Gast der „Tafelrunde". Wir
Bowle leeren zu Helsen. Lsrvu»!"
Der Donnerstag kam. Die „Tafel
runde" war versammelt. Der Buch
händler hatte neben dem Grönland
sahrer Platz zu finden gewußt. Die
Bowle wurde angesetzt und in Angriff
genommen, am energischsten von dem
Geizkragen. Derselbe schwelgte in
Wonne. Hatte sein Nachbar sich doch
bereit erklärt, ihm das zu verfassende
Reisewerk gegen ein Honorar von zwan
zig Thaler pro Druckbogen zu über
lassen. Ein voraussichtlich lucrativeS
Geschäft war demnach im Handum
drehen zum Abschlüsse gebracht wor
den.
Plötzlich erhob sich der Leibarzt von
seinem Sitze, ersuchte die zufälligerweise
inwesenden Chefs der Handlung, sich
mit dem Commis auf einige Zeit zu
mtsernen, da die „Tafelrunoe" über se
erete Angelegenheiten in Berathung zu
treten habe, wendete sich, tiefen Ernstes
voll, dem Buchhändler zu und sprach
feierlichen Tones: „Hochwichtige Con
serenz zwingt uns, an Sie. Herr
Fritsche (den richtigen Namen des Be
treffenden zu verheimlichen, heischen die
Umstände), das Ersuchen zu stellen, das
Lokal vorübergehend zu verlassen oder
an Eidesstatt zu versichern, daß Sie
über dasjenige, was hier verhandelt
werden wird, unverbrüchliches Still
schweigen zu wahren bereit sind. Es
handelt sich um ein Gebeiinniß, dessen
Ausnutzung jedem Eingeweihten zu
großem Reichthum« und gewaltigem
Einflüsse auf die menschliche Gesellschaft
verhelfen muß. Jedem von uns ist ein
Grafentitel und mehrfaches Millionär
thum sicher "
Der Angeredete blickte um sich nnd
sah lauter feierliche Gesichter, aus denen
sich eitel ernste Augen auf ihn rich
teten.
„Ich schwöre!" sagte er, zitternd vor
Aufregung, dasjenige zu erfahren, was
kolossalen Reichthum, bedeutenden Ein
sluß uns den Titel „Gras" verhieß.
.So ersuche ich den Grönlandfahrer
Professor Dr. Erich Räude, das Wort
zu ergreifen." Professor Dr. Räude
erhob sich und sprach:
„Als ich neunzehn Monate in Grön
land weilte, lag ich eine« Tages im
Skagafiord mit drei Eskimos der See
hundjagd ob. Die interessante Beschäf
tigung nahm unsere Aufmerksamkeit
derart in Anspruch, daß wir das Nahen
eines gewaltigen Eisbären nicht wahr
nahmen, der hinter unserem Rücken an
das von uns besetzte Boot geschwommen
kam, plötzlich die Vordertatze auf dessen
Rand legte, den Vorderkörper aus dem
feuchten Elemente schnellte und mit dem
mächtigen Gebiß einen meiner Begleiter,
den mehr denn siebzig Jahre zählenden
Kamatok Arpurset saßte, und mit demsel
ben in die Tiefe glitt. Zur Besinnung
kommen, meine Kugelbüchsein Anschlag
bringen und nach der Gegend richten,
wo ich das Austauchen des Räubers
vermuthete, war das Werk eines Augen
blicks. Die Visirlinie eine Wenigkeit
nach links verlegend, gab ich Feuer.
Der Bär bäumte sich hoch auf und ver
schied fast unmittelbar nach dem Em
pfange der Kugel. Kamatok Arpurset
datte nur eine geringe Verletzung erlit
ten—die ESkimoS tragen aus SeehnndS
sell gefertigte Ober- und Unterkleider—
und konnte ohne Schwierigkeit ans dem
Rachen des todten Bären befreit und
in's Boot gehoben werden.
Seit jener Stunde war mir der Alte
mit Leib und Seele ergeben. Derselbe
nahm einen hohen Rang unter seinen
Landsleulen ein. Er war Angekok
poglik, d. h. ein Zauberer ersten Ran
ges. Nach eskiuiolicher Ansicht kann
derjenige, der bereits den Rang eines
subalternen Angekok inne hat, nur da
durch zum höchsten Grade gelangen, daß
er von einem heiligen Bären übersal»
len nnd in das Meer getragen wird.
Der heilige alte Herr wich mir von
Stunde an uicht von der Seite, laS mir
jeden Wunsch von den Augen ab und
machte mich eines Abends, als ich einer
tollen Laune nachgebend, seinen Schlund
gründlich mit Rum ausgespült hatte,
zum Mitwisser eines Geheimnisses, des
sen enorme Tragweite mir im Nu
einleuchtete.
Der Alte behauptete, sich im Besitz,
eines Elixirs zu befinden, vermittelst
dessen man im Stande sei, zeitweise dem
Leben entfliehen zu können, um wieder
in dasselbe zurückzukehren. Ich lacht,
dem Kerl ins Gesicht. Da nahm er
mich ins Schlepptau und führte mich
aus seiner Hütte in eine hinter dersel
ben befindlichen Felsenhöhle. Dort
zeigte er mir den zu einer Eisstatue ge
srorenen Leichnam seiner wie ich von
zuverlässiger Seite erfahren h:tte
vor zwanzig Jahren verstorbenen acht
zehnjährigen Tochter. Er belud seine
Schultern inii demselben, trug ihn in
seine Hütte und legte ihm unfern eines
brennenden Feuers aas die Erde. Elwo
zwei Stunden lang setzte er bald di,
rechte, bald die linke Seite des Kada
verS den Flammen aus, bis derjelb,
und zwar zu meiner erhebliche«
Verwunderung das Aussehen einei
soeben Gestorbene» angenommen hatte
Hierauf begab er sich in einen Winkel,
behackte dort mit einem kleinen Beile
den hartgefrorenen Boden, erzeugte ein
zwei Fuß tiefeS Loch und entnahm dem
selben ein mit gefrorener dunkler Flüs
sigkeit gefülltes Glassläschchen. Das
selbe erwärmte er zwischen den Händen
und hörte zu manipuliren aus, als das
braune Naß leicht zu schäumen begann.
Von diesem träuielie er ich zählte
genau fünfundzwanzig Tropsen in
den Mund der Todten.
Nach ungesähr einer Viertelstunde
»ahm ich an derselben leichte Athemzüge
wahr. Nach weiteren dreißig Minuten
hatte die Erweckte die Augen geöffnet,
sich emporgerichtet, das Antlitz dem
Zeuer zugewendet und mit sanster
Stimme: „Gib' mir Thran, Vater!"
gebeten.
Der Alte reichte ihr eine Kanne des
begehrten Trankes, welche sie an den
Mund setzte, um einen herzhasten Zug
ju thun. Dann wendete sie ihre Blicke
mir zu und fragte. „Wer ist der
Fremdling?" Der Vater befriedigte
chre Neugierde und erzählte, daß ich
>hm das Leben gerettet. Saekika —so
var daS Mägdlein geheißen, spendete
mir dankende Worte und süßeres Lä
cheln, als ich es jemals auf eskimolichen
Lippen thronen sah, gähnte z» mehreren
Malen, schloß die Augen und schlum
merte ein.
Unterdessen hatte Kamatok Arpurset
in einer anderen Hüttenecke hernmge
oickt und einer erzeugten Grube ein
zweites Fläschchen entnommen, welches,
wie das erste, so lange erwärmt wurde,
bis seine Füllung in Fluß gerieth.
Dieselbe hatte röthliche Farbe. Drei
ßig Trovsen träufelte der Alte der
Schlafenden in den Mund, worauf die
selbe nach und nach zu athmen aushörte
und schließlich in den todtenähnlichen
Zustand zurückverfiel. Der Zauberer
»ahm die Leblose in die Arme und
trug sie dahin, von wo sie geholt worden
war.
Als er zurückgekehrt, erklärte er, di«
Tochter bis kurz vor seinem irdi
schen Ende schlummern lassen zu wol
len, daniit sie zu dieser Zeit noch jung
sei und einen Beschützer finde Ich ließ
mir mittheilen, auf welche Weise die
beiden Wundertränke hergestellt wer
den, und experimentirte und probirte fo
lange, bis ich dieselben in Vollkommen
heit zu destilliren verstand.
Nachdem ich mich überzeugt hatte,
»aß meine Fabrikate in derselben Un
sehlbarleit wirkten, wie die von Kamo
kot Arpurset gebrauten, schiffte ich mich
zur Rückkehr in die Heimath ein, das
Bewußtsein im Herzen tragend, mich im
Besitze eines Geheimnisses zu befinden,
»essen kluge Ausnutzung mir nicht nur
zu großem Reichthum?, sondern auch zu
gewaltigein Einflüsse auf die Geschicke
»er Menschheit verhelfen müsse. Ich
weiß, daß nieinen Auseinandersetzun
gen allseitig Glauben dargebracht wird
erachte aber für geboten, die Wahrheit
des von mir Mitgetheilten in einer
Ich setzte mich in Grönland in den Be
sitz eines vor circa zwei Jahrhunderten
eingeschläferten jungen Mannes, den
ich begünstigt durch die gegenwärtig
herrschende Kälte—aus dem Skagafiord
nach Berlin transportiren konnte. Der
Bewußte befindet sich in einer im Gü
terschuppen der Hamburger Bahn nie
»ergelegten lch bitte die Herren,
«ine Commission zu wählen und dersel
»en den Austrag zu ertheilen, die be
treffende Kiste morgen ,n Empfang
nehmen und hierher translociren zu
vollen, wo punkt acht Uhr Abends die
Lrweckung des Eskimo-JünglingS aus
seinem Kunstschlafe vorgenommen wer
»en soll."
Seine Worte fanden Zustimmung.
Genau nach festgesetztem Programm
wurde verfahren. Mit der Kiste neben
dem Rosselenker fuhr die in einer
Droschke untergebrachte Deputation der
Brüderstraße zu.
Dort harrte man ihres Kommens in
Sehnsucht, dort kauerte zugleich ein als
Lstimo - Jungling maskirter fünfzehn
jähriger Bengel hinter einem der grüß
en Weinsässer, in dem Gedanken schmel
zend, Mitwirkender in einem köstlichen
Scherz zu sein und süns blanke Thaler
in Aussicht zu haben. Er hatte von
»er Druckerei der Vossischen Zeitung,
m der er als Setzerlehrling bevienstet
Aar, für einige Tage Urlaub erhalten,
im unter Leitung von Professor Dr.
Kaude „Alt-Grönländisch" zu studiren
and die Nolle zu erlernen, die ihm auf
den Leib geschrieben war. Ein eifriges
Mitglied der „Tafelrunde", ein nam
hafter Portraitmaler, hatte die Wachs
igur dem durchtriebenen Lehrling Fritz
lieubert in einer Weise ähnlich gemacht,
daß der Pseudo-Eskimo und die Wachs
figur die Aehnlichkeit von Zwillingen
besaßen.
Im fässerbegrenzten Mittelgange der
.Baumanns - Hohle" wurde die Kiste
inedergesetzt, um welche der Nordland
sahrer mehrere Suppenteller stellte. In
dieselben goß er bereitgehalte.,enßrenii
spiritus, entzündete ihn, grrff in die
Brusttasche, fingerte eifrig ihr bernm
und rief ängstlich:
»Die Tinkturen! Die Tinkturen!
Dieselben befinden sich in einer Tasche
meines im Lessingstüblein hängenden
UeberzieherS. Schnell! Schnell!"
Der Buchhalter voran, stürmte die
„Tafelrunde" dem Kneipgemache zu.
In Blitzesschnelle wurde unterdessen
die Wachsfigur von dem Küfer in das
Dunkel eines unter seinem Verschluß«
stehenden Berfchlages getragen. In
demselben Augenblick sprang Fritz Neu
bert aus seinem Verstecke und bettet«
sich an Stelle des plastischen Werkes.
Als die Verschworenen mit den ver
langten beiden Fläschchen zurückkehrten,
lag der Schlingel starr und stcis in der
Kiste, umspielt von dem gespenstigen
Lichte flackernder Spiritusflaminen.
Professor Dr. Räude nahm das mit
dunkler Flüssigkeit gesüllte kleine Gefäß
in die Rechte, kniete neben Fritz nieder
und träuselte ihm 25 Tropsen in den
leichtgeöffneten Mund.
Der Bengel machte seine Sache vor
trefflich. Er rühmte sich nicht, lieg das
Naß nichts mehr und nicht? weniger
als alter Portwein den Weg in den
Magen nehmen und athmete während
mehrerer Minuten unhörbar. Dann
seufzte er leise. Nachdem er weitere
drei Minuten regungslos oerbracht
hatte, öffnete er die Augen, seuszte zum
andern Male und legte langsam die
Rechte aus daS Herz. Hieraus lächelte
er und machte Miene, eine Drehung
nach seitwärts auszuführen. Da ihn
aber hieran die Enge der Kiste hinderte,
richtete er den Oberkörper empor, blickte
wild um sich, schauderte und rief:
„Kablunät!" zu deutsch: „Weiße Män
ner!"
Professor Dr. Räude reichte ihm die
Hand und nöthigte ihn, die Kiste zu
verlassen. Zögernd kam der Junge
dem Ersuchen nach, scheu aus die zu sei
ner Erwärmung verwendete Spiritus
flamme sehend. In geläufiger Eskimo
sprache redete der Grönlandsahrer zu
dem Erweckten, welcher den an ihn ge
richteten Worten ein wehleidiges Schüt
teln des Kopfes entgegensetzte. Der
Skrälinger verstand den Germanen
nicht.
Der Gelehrte blickte argwöhnisch.
Plötzlich lachte er und sagte: „Kein
Wunder, daß mein Grönländisch dem
Knaben spanisch vorkommt! Zu seinen
Lebzeiten mag eine ungleich andere
Eskimosprache üblich gewesen sein.
Versuchen wir, uns mit dem Jünglinge
in dem Idiome zu unterhalten, wie es
der im ersten Drittheil des vorigen
Jahrhunderts aus Grönland wirkend«
dänische Missionär Hans- Egede in sei
nem Werke: „Das alte Grönland im
Jahxe 174!ö" niedergelegt hat. Führen
Sie den Jungen nach oben, indeß ich
nach Hause eile und HauS Egedes Per
lustration herbeihole!"
Fritz Neubert wurde von den Knm
panen der „Tafelrunde" in die Mitt«
genommen und in das Lessingstüblein
geleitet, wo er auf einem Schemel zwi
schen seinen Erweckern Platz nahnr
Mit kecker Hand ergriff er das Schop
penglas des Buchhändlers, setzte es ar
den Mund und leerte es in einem Zuge
Hierauf sah er den verdutzten Geizhals
durchdringenden Blickes an und sagt,
artig: „Schaute!"
Die Verschworenen hatten Mühe, eir
Lachen zu unterdrücken. Fritz Neubert
erkannte, er habe sich zu einer arger,
Unvorsichtigkeit hinreißen lassen. Des
halb ergriff er die Gläser seiner Nach
Harn zur Rechten und Linke», nippt,
an beide» nnd sprach höflich: „Schaute!
Schaute!"
„Der Bengel sagt zweifellos: „Dank,
schön!" meinte der Maler. „Schaut,
heißt aus Altgrönländisch entwedei
„Danke schön!" oder „Wohl bekomm's!"
Ein allerliebster Kerl! Er soll leben.
Er lebe hoch! hoch! Und nochmals
hoch!"
In Fritz Neubert» schlummerte ein,
Schauspielernatur. Anscheinend entsetzt
über das Geichrei der Männer, sprang
er empor, flüchtete in eine Ecks und
wimmerte herzzereißend.
Erst als Prosessor Dr. Räude mit
dein in Schweinsleder gebundenen Büch
lein eintraf, legte sich seine Erregung.
Aufmerksam betrachtete er die dem
Werke beigegebenen Kupser, grinste ver
gnüglich und kauderwälschte in einer
Weise, welche Niemand verstanden haben
würde, wenn Professor Dr. Räude nicht
den Dolmetscher gespielt hätte.
Die Frage, was in Zukunft mit dem
Knaben zu beginnen sei, ries lebhaft«
hervor. Schließlich wurdi
man einig, ihn vorläufig einschläfern
nnd im Eiskeller eines benachbarten
Schlächters „kaltstellen" zu wollen.
Am eifriz sten drang Buchhändler
Fritsche auf die Ausführung dieser Idee.
Einmal befürchtete er, die Verpflegung
des Knaben könne Kosten verursachen,
und daS andere Mal wollte er sich mit
eigenen Augen überzeugen, Prosessor
Dr. Räude befinde sich nicht nur im
Besitze einer belebenden, sondern auch
in dem einer einschläfernden Tinktur.
Demzufolge reichte der Nordlandfah
rer dem Knaben dreißig Tropsen aus
dem mit rölhlicher Flüssigkeit ge
füllten Fläschlein dasselbe enthielt
unschuldiges Himbeerwajser woraus
Fritz Neubert mit Virtuosität zu gäh
nen, mit den Augenlidern zu „klappern"
und Kopsbewegungen auszuführen be
gann, welche andeuteten, er trage Ver
langen, einen guten Schlaf zu thun.
Schließlich reckte und streckte sich der
Schelm, ließ seinen Körper Steise und
Geradheit einer Richtlatte annehmen
nnd athmete so leise, als ihm möglich
war.
Ohne Anastasius Fritsche Zeit zu ge
währen, den Zustand des Entschlafenen
näherer Prüfung, unterwerfen zu kön
nen, nahm der Naturforscher den
Starre heuchelnden Buben in die Arme
und ging von dannen, mit der Erklä
rung, ihn in die Kiste zurücklegen zu
wollen, welcher er entnommen worden.
Ihm solgten alle Mitglieder dei
.Tafelrunde". An ihrer Spitze mar
schirte der Leibarzt, die den Keller er
leuchtende Petroleumlampe in der Rech'
ten tragend. Die Lampe besaß einen
Reflektor, so daß es dem Mediziner
keinerlei Schwierigkeit bereitete, sie
einige Sekunden lang so zu halten, daß
der vorausgehende Naturforscher Fritz
Neubert in einen Nebengang entsprin
gen und die Wachspuppe in Empsang
nehmen konnte, welche ihm von dem be
entstehenden Küfer gereicht wurde.
Man manövrirte so brillant, daß Nie
mand den ausgeführten Trug wahr
nahm.
Die Herren erstaunten demgemäß
nicht wenig, als Prosessor Dr. Räude
seine Bürde dem zu ihrer Aufnahm«
bestimmten Kasten überantwortete. Mit
Hilie von sechs Siegelringen und drei
Petschaften wurde ein Verschluß herge
stellt. Der Buchhändler lieft die werth
volle Truhe durch herbeigerusene Dienst
lcute zu dem unsern wohnenden Hos
schlächler H. schaffen. Indeß derselbe
den Zug begleitete, nahm die Tafel
runde wiederum im Lessingstüblein Platz
und pslog über das fernerhin
nehmende Rath.
Nach kurzer Debatte ergriff ein Gym
«asial-Oberlehrer das Wort, aber auch
'in Vapier, welches er einer Briestasel
mtnommen hatte,und erklärte in halblaut
>esührter Rede, einen in griechischer
Sprache entworsenen Kontrakt versaßt
>u haben, nach welchem die „Taselrunde"
ich verpflichtete, von ihren Mitgliedern
»eigesteuerte Gelder den Händen der
löittwe Agnes Mornhacke, geborene
Pritsche, unier der Bedingung zu schen
!en, daß sie dieselben zur Erziehung
hrer Kinder verwende.
Diesen Kontrakt unterzeichneten Alle
>nd schmunzelten über die sehr sreie Art
«nd Weise, in welcher der Philolog daS
Dokument in s Deutsche übersetzte. Aus
Srund seiner Übertragung schoß die
.Taselrunde" Kapitalien zur Ausbeu
lung eines Unternehmens zusammen,
»essen Charakter >edem Mitgliede br
ennt war, und verpflichtete sich, Pro
zessor Dr. Erich Räude mit dem Gelde
«ach Ermessen schalten und walten zu
lassen. In mündlicher Uebereinkunst
vurde festgesetzt, Anastasius Fritsche
jabe die von ihm zu zeichnende Summe
>oll einzuzahlen, indeß alle Uebrigen
»ur verpflichtet wären, ein Prozent der
>er von ihnen notirten Werthe an die
?asse des Nordlandsahrers abzufüh
:en.
Der in die „Baumanns - Höhle" zu
:ückkehrende Buchhändler wurde mit der
Nachricht empfangen, Prosessor D, ein
ickannter Bildhauer, sei durch den
tattgehabten Erweckungs- und Ein
chläserungSakt zur Stiftung einer Sekt
bowle begeistert worden, mit deren An
ctzen man bis jetzt gewartet habe.
Noch ehe die perlende Weinmischung
in ihre Adresse befördert worden war,
rüg der Contrakt die Unterschrift aller
gersammelte» und hatte Anastasius
Zritsche, gleich den anderen Herren,
dreitausend Thaler gezeichnet. Da
prosessor Dr. Räude erklärte, flüssigen
Kapitals bald zu benöthigen, wurde er
irsucht, die gezeichnete» Gelder am näch
sten Tage in Empsang zu nehmen.
Dem Bücherverschließer schwoll der
lkamm, als man ihn zum Vorsitzenden
nnes eingesetzten Aussichtsrathes er
lanntc. Jetzt war er des selsensesten
SlaubenS, binnen Kurzem ein mit
Nillion-n gesegneter und mit Ehren
überladener Gras zu sein.
Er fiel aus allen Himmeln, als sich
venige Tage später seine Schwester
eignes für dreitausend vierhundert und
Kinzig Thaler tedankte, welche ihr
Mrch Vermitteluug von Professor Dr.
Irich Rande, ordentlichem Mitglied
der in der „Baumanns ? Höhle"
lagenden „Tafelrunde", übersendet wor
den waren. Aber jämmerlich wurde
hm zu Muthe, als der Leibarzt, den er
iosort aussuchte, harten Tones ihm aus
iinandersetzte, er würde klug daran
chun, den Mund zu halten, da anderen
Halls ganz Berlin seinen „Reinsall"
erfahren und belachen werde.
Geklagt hat Anastasius Fritsch«
nicht. Aber die „Taselrunde" lag ihm
jortan im Magen. In der „Bau
manns Höhle,ist er niemals wiederge
sehen worden.
Wen er aber wie die Pest fürchtete,
war Fritz Neubert. Der Junge strotzte
von Tücke. Oftmals steckte er das hohn
voll lachende Angesicht durch die offen«
Thür der Fritsche'schen Buchhandlung
and rief mit gellender Stimme
„Schaute!" oder „Kablunät!" zur Be
lustigung von Gehilfen und Lehrlingen,
lue aus der Ferne hatten davon läuten
hören, in welcher Weise man ihrem
lilzigen Prinzipal eine Nase gedreht
satte.
Der wandernde Ueb«rzt«l»er.
Ein drolliges Rezept, wie einer ohne
Neid nicht nur sich selbst, sondern auch
roch einigen Freunden einen vergnüg
>en Abend machen kann, lieferte jüngster
Lage ein der Kunst angehöriger lusti-'
>er Kumpan in Wien. E? saß beim
.goldenen Kegel" aus der Wieden, aß
ind trank »ach Herzenslust und als zu
!ällig einige Bekannte in's Lokal kamen,
lud er sie zu Tische und regalirte sie mit
inigen Litern. Dann kam's zum Zah
len; der splendide Man» hatte aber kein
Äeld bei sich, sondern nur einen, aller
dings funkelnagelneuen Ueberzieher,
>en er frohen Muthes dem Kellner für
die Zeche, die netto drei Gulden betrug,
pfandweise überließ. Nach Hause ge
hen, wäre in vorgeschilderter Situation
l>aS Klügste gewesen; anders aber that
der Mann unserer Geschichte: er schleppte
die Freunde unter der, allerdings nach
dem ebenvorhergegangenen etwas un
glaublich klingenden Versicherung, daß
>r sür die Zeche aufkommen werde, in
,in nahe gelegenes Cafe.
Dort konsnmirte die kleine Gesell
schaft einige Kaffees und Schnäpse; als
iber „die zahlende Stunde" geschlagen,
tief der sinsige Mann den Zahlmar
yueur herbei, erklärte demselben in ern
ten Worten, daß er sowie seine Freunde
leinen Kreuzer sür die Zeche bei sich
hätten, daß er aber einen tresslichen
Veg wisse, wie die kleine Differenz in
iller Liebe und Freuudjchast ausgetra
;en wenden könne. Im Gasthause
.beim Kegel" hänge ein prächtiger
lleberzieher, der um die Bagatelle von
»rei Gulden dort eben versetzt worden
sei. Der Margneur möge die wenigen
Schritte nicht scheuen, de» Ueberzieher
luslösen und ihn einstweilen als
Lecknngsobjekt verwahren. Nach kur
zem Ueberlegen ließ sich der Marqueur
iU der ihm proponirten Transaktion
herbei und die Freunde verließen, in
tein gehobenen Bewußtsein, ehrlich ge
zahlt zu haben, das Cafee um sich
»ein, „Weingartl" noch an einigen Krit
zeln trefflichen PilSnerS zu erlaben, zu
deren Bezahlung nochmals der lieder
licher in der bereits zweimal geschilder
>en Weise herhalten mußte. Dort aber
,lieb er dann definitiv .in Berwah
ung", der wandernde Ueberzieher, da
die auf demselben intabulirte Summe
nittlerrveile aus sechs Gulden angewach
len war und eine neuerliche Steigerung
denn doch bedenklich schien. ' «iß,
vo er fr >5 »och ki'.igek»-
»er modern« «chteter.
Ein Regenidyll in S Bildern nach
bekannten Operntexten.
Einsam in trüben Tagen
<L°d»»»r«»»
Tine holde Dame.
Kommt ein schlanker Bursch gegangen.
(Zrc>!ch>l».>
Mein schönes Fräulein,dürst ich's wagen.
Euch Arm und Geleite anzutragen?
.Laßt mir, ich bitt' Euch, o laßt mi»
den Schleier!"
dem», kr und
„Werft da-5 Scheusal m di? Wolf»
schlucht!"
JohannSebastianßachi
Vater, Johann Ambrosius, damal«
Hof und Stadtmusikus in Eisenach
hatte einen Zwillingsbruder, Johan»
Christoph, der Hof- und Stavt-nusikui
in Arnstadt war. Diese Zwillinge sink
vielleicht die einzigen in ihrer Art uni
die merkwürdigsten, die man kennt. Si>
waren einander so ähnlich, daß selbß
ihre beiderseitigen Frauen sie nich
anders, als durch ihre Kleidung voi
einander unterscheiden konnten; sie lieb
ten sich auf das Zärtlichste; Sprach,
und Gesinnung, der Styl ihrer Musik
die Art ihres Vortrags, ihre sonstige«
Lebensneigungen u. s. w.. Alles wai
einander gleich. Wenn Einer kran
war, war es der Andere mit; aucl
starben sie bald nach einander. Sn
waren ein Gegenstand der Bewunderun>
für Jeden, der sie sah. Aus dem Bach
'schen Geschlechte sind über fünfzig an
erkannte Tonkünstler hervorgegangen
Sebastian, der berühmteste, h«tte alle»
elf Söhne, die sich der Tonkunst erga
den, so daß man scherzweise zu sage,
pflegte: „Die sächsischen Bäche rausche,
in allen Musiken."
Jean Paul. Eine jung,
die eine Verehrerin Jean Pauli
war, vesand sich einst, ohne es zu ahnen
in einer Gesellschaft an seiner Seite
Der übelgelaunte Dichter war nichts we
niger als galant, gegen seine Ti>chgenos
sin und ebenso kurz in Worten. Ma«
brachte seine Gesundheit aus, und leb
hast ergriffen, wandte sich die Dame z,
ihm: „Wie, Sie sind der Dichter, dessu
Werke» ich die schönsten Stunden ver
danke?" Beschämt küßte Jean Paul ihr
Hand, indem er sagte: .Ich bin de,
Verfasser der .Flegeljahre', aus den«
ich Ihnen soeben einige Züge gab."
Wer auf errungenen Lor
beeren ausruhen will, dar? nicht feu
Haurt damit bekr^n-ea.
Die Vollendung dt» Riearagn«^
«analS»
Ein großer Kontrast in der Art, wie
die Durchstechung des Nicaragua Ka»
nals von den Amerikanern in die Hand
genommen wurde und durchgeführt
wird, gegc» das Vorgehen der Fran-
Chagresflusscs liegt jetzt alles wüst,
überwuchert von Schlingpflanzen. Am
Nicaragua-Kanal dagegen angestrengte
fieberhafte Thätigkeit, die trotz der un
günstigen Haltung des letzten Congres»
ses der Ver. Staaten nicht im Gering
sten erlahmt ist.
I >
Auf unserer Zeichnung erblicken wi»
in dessen westlicher Sectio» das Terrain
des Kanals, nämlich zwischen dem west
lichen User des Nicaragua - See» und
dem projectirten Hafen von Brito. Ja
Brito, am pacifischen Ocean, sollen ge
waltige Baggerarbeiten ausgeführt wer
den, denn für große Handelsschiffe ifl
das Fahrwasser hier zu seicht. Dort zwi
schen den zwei Vorgebirgen, zwischen
denen es eingeschlossen liegt, zieht sich
eine Sandbank hin, welche bei der Ebb«
offen zu Tage tritt. Zwischen Brito
und dein See von Nicaragua muß dii
schwerste Arbeit- gethan werden. Ein
S>)stem von sechs Schleusen wird hiei
angelegt, und zwar bis nach dem sogen.
Tola Bassin.
Die Kosten dieser westlichen Division
sind auf51?,525,417 veranschlagt. Die
ses Tola - Bassin ist von böchster Wich
tigkeit, und dient gewissermaßen als ein
nothwendiges Anhängsel zum Hasen
von Brito. Wenn man vom Ufer des
SeeS nach Westen zu schaut, erblickt
man eine anscheinend flach zum Stillen
Ocean verlaufende Ebene. Nach ein
stündigem Ritte erreicht man die höchst«
Erhebung zwischen dem See und dem
Ocean, welche 4l! Fuß über dem Nica
ragua und 15Z 7j1(1 Fuß über dem
Meeresspiegel liegt. Das Tola Bassin,
welches in dem Verticaldurchicknitt deut
lich kennbar wird, ist bestimmt, als Re
servoir für das Schleusensystem zu die
nen. Die Kosten der Abdämmung die
ses wichtigen Wasserbehälters werde»
!jiS77,S!ZO betragen. Der Zufluß
Bassins stammt aus dem Tola - Flusse,
welcher in seinem Laufe aufgestaut wirs
und so die Senkung aussüllt. Diei»,
künstliche See entspricht also in der Art
seiner Herstellung genau dem bei Ochoa,
welcher durch Abdämmung des Sa«
Juan-Flusses entsteht. DerTola-Tei<h
erhält eine Länge von fünf Meilen,
während seine größte Breite zwei Mei
len betrage» wird. Aus der pacifischen
Seite wird die größte der drei Schleu
sen angelegt, welche den Schiffsverkehr
vermilieln.
Die Anlage dieser westlichen Division
bildet das letzte Glied in dem gewalti
gen Unternehmen. Gerade die Ueber
windung der geschilderten technische»
Schwierigkeiten wird es zu dem glän
zendsten Triumphe moderner Wasser
bau und Jngenieurkunst erheben.'
Setter«».
Herr Professor Dr. Mutzelbach ist s,
zerstreut, daß ihn» feine Gattin jedes
mal, wenn er eine Reise antritt, auch ei»
Verzeichniß seiner Kleider und Wäsch«
mitgiebt.
Mit einem solchen Zettelchen in de,
Tasche tritt er eines Tages fröhlich dii
Reise zur Philologenversammlung an,
verlebt dort heitere Tage und packt
oann seinen Koffer, um die Rückreise an,
zutreten. Er ist sich bewußt, diesmal sein,
Sachen in besonderer Ordnung gehalte,
zu haben, gleichviel stimmt beim Ein
packen der Vorrath mit dem Verzeichnis
nicht.
Da steht .5 Hemden," er hat nni
vier, „4 Unterhosen", er hat nur drei
„3 Anzüge", er kann nur zwei einpacken»
Ueber die fehlende Wäsche würde er siii
trösten, aber einen ganzen Anzug kan»
er doch nicht ohne Weiteres preisgeben
Er schlägt Lärm, aber Hausknecht unt
Kellner betheuern ihre Unschuld unt
der Wirth weist ihn entrüstet an vi«
Polizei.
Zur Polizei mag der Herr Prosess»»
nicht gehen, weil er von einer Anzeig
und Untersuchung eine lange Verzögerun,
seiner Abreise befürchtet. So ergiek
er sich denn seufzend in sein Schicksal
und reist heim.
Kleinlaut übergiebt er dort der Gab
tin Koffer und Verzeichniß, ohne dei
VerwsteS zu erwähnen und wartet stit
das Donnerwetter ab.
Aber eS entlädt sich nicht, im Gegen
theil, die gestrenge Frau belobt ihn
weil er diesmal Ordnung gehalten. Dat
erträgt seine ehrliche Seele nicht.
„Aber eS liegen ja nur zwei Anzug,
im Koffer!" gesteht er.
„Freilich nur zwei den dritte»
trägst Du ja am Leibe!"
„Am Leibe!" ruft M., wer hätte diei
auch vermuthen sollen?"