Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 28, 1891, Page 2, Image 2

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    »
»«wrwtffe»sq<»M!«t»»«-»-
Otolithen.
Im innern Ohr de« Menschen finden
pch merkwürdige Nebenorgane. Au»
dem sogenannten Borhos, der mittler»
Höhle des Labyrinths, ragen drei halb-
Canäle hervor, und im
Innern desselben trifft man kleine
Steinchen an, Kalkkrystalle, welche, ein
gebettet in ein faserig-schleimiges Ge
webe, feinen Nervenendigungen auflie
gen. Jedes Ohr hat zwei Gruppen
derartiger Steinchen, und man nennt
dieselben Gehörsand, Ohrensteinchen
oder mit dem technischen Namen Oto
lithen. Die halbkreissörmigen Canäle
lassen wir hier bei Seite, weil zu ihrer
Besprechung ein genaues Eingehen aus
den Bau des innern OhreS erforderlich
wäre. Die Otolithen finden sich nicht
blos bei Säugethieren, sondern auch
weit tiefer hinab in der Reihe der selbst
ständig beweglichen Wesen.
Die Vögel und Amphibien besitzen
drei Gruppen von ihnen auf jeder Seite,
auch bei den Fischen sind sie vorhanden,
theils in Gruppen, wie bei uns, theil«
als einzelne, solide, knochenartige Stücke.
Den Gliederthieren fehlen sie nicht, und
man trifft sie in fchöner Ausbildung
bei den W-ichthieren und den Quallen.
Möglich, daß bei noch niedrigern We
sen. wo wir sie zur Zeit nicht kennen,
später ähnliche Vorrichtungen entdeckt
werden.
DaS Bedürfniß nach kleinen Stein
chen, die in irgend einem mit Nerven
ausgestatteten Sack liegen, scheint jeden
falls in der Natur recht groß zu sein
Manchmal wird es auf eigenthümlich,
Weise befriedigt. In den sogenannten
Ohrensäckchen krebsartiger Thiere sand
Farre Ohrensteinchen, die sich in jede,
Beziehung wie gewöhnliche Sandkörne,
verhielten, und er sprach die Vermu
thung aus, die Krebse süllten sich di«
Ohren wirklich mit gemeinem Sand,
So überraschend dies klingt, eS würd,
von Hensen durch den Versuch unzwei
felhaft bestätigt.
Zwar gelang e« nicht, die Thier,
direct beim Einfüllen zu beobachten,
aber das solgende Experiment ist be
weiskräftig: Die Ohrensäckchen de,
Krustenthiere sind eingestülpte Anhäng,
des äußeren HauptpanzerS, und sie wer
den, wie dieser, bei der Mauser er
neuert. Dabei zieht sich die Jnnenhaut
des Säckchens als Ganzes nach außen
und nimmt die in ihr vorhandenen
Steinchen mit. Ein frisch gemauserte,
Krebs hat also in seinem Ohrensack
keine Steine. Setzt man ihn nun in
ein Gesäß mit Sand, so findet man in
seinen Säckchen bald eine Anzahl von
Sandkörnern; bringt man ihn aber in
ein Gcsäß, in welchem statt des SandeS
künstliche Krystalle eines chemischen
Präparats den Boden bedecken, so sieht
man nachher in seinem Ohrensack dies«
künstlichen Krystalle; er hat also seine
Ohrensteine offenbar nicht selbst erzeugt,
sondern ausgelesen.
Früher hielt man da« innere Oh,
für ein Hörorgan schlechtweg und
dachte, alles, was sich in ihm findet,
müsse bei der Schallwahrnehmung be
teiligt sein. Dementsprechend nahm
man auch an, die Stelle, wo sich bei
eipem Thier Otolithen finden, sei im
mer ein Ohr. Dabei stellten sich aber
Schwierigkeiten heraus; einerseits
konnte man den obengenannten Än-
Hangsapparaten keine bestimmte, phy
sikalisch begreifliche Mitwirkung beim
Hören zuschreiben, anderseits sanden
sich, z. B. bei Mücken und Krusten
thieren, deutliche Hörorgane, die mit
den Otoliihen nichts zu thun hatten,
und endlich zeigten Thiere, die wohlent
wickelte Otolithen besaßen, keine Spur
von Hörsähigkeit. Da sprach 1870
v. d. Goltz, gestützt aus Versuche, die
Ansicht aus, die halbkreissörmigen Ka
näle seien nicht zum Hören, sondern
zur Orientirung bestimmt. Ueber die
Einzelheiten dieser Theorie wird noch
gestritten, aber das darf aIS feststehendes
Ergebniß auS den Forschungen der letz
ten zwanzig Jahre gelten, daß daS so
genannte Ohr der höheren Thiere nicht
blos ein Werkzeug zum Hören ist, son
dern daß seine seinen Nervenapparate
noch eine zweite, nicht minder wichtige
Verrichiung üben: sie belehren un»
über da» Gleichgewicht, über die Lagen
und Bewegungen des Körpers, im be
sondern des Kopses. Im knöchernen
Binnenohr sitzen Theile, welche eine
außerordentlich feine Empfindung für
Lagen- und Gleichgewichtsverhältnisse
haben; diese ihre Empfindungen theilen
sie durch den „Gehörnerv" dem Gehirn
mit, und nach ihnen beurtheilen wir zu
einem wesentlichen Theil die Lage, in
der wir uns befinden. Es würde zu
weit führen, alle die genauen Emzel
beobachtungen durchzugehen, auf welche
sich diese Behauptung stützt; wir können
nur obenhin das Wichtigere erwähnen.
Die Theorie des Drehschwindel kann
nur angestreift werden. Versetzt man
einen Menschen allmählich in Drehung,
so spürt er die Bewegung, auch wenn er
die Augen schließt und keine andern
Anhaltspuncte für fein Urtheil hat. Ist
er einmal in gleichmäßiger Drehung
begriffen, so hat er, wenn alle derartigen
Anhaltspuncte vermieden sind, keine
Empfindung von der Drehung. Hält
man ihn aber danu plötzlich au, so wird
ihm schwindlig; er glaubt, der Boden
drehe sich unter ihm. Die wahrschein
lichste Erklärung dieser Thatsachen liegt
darin: daS Wasser, mit welchem die
halbkreissörmigen Canäle gefüllt sind,
folgt der beginnenden Drehung nicht so
fort, sonder» erst allmählich. Ist aber
die Drehung in rukigem Gange, so
läuft es mit. und hört sie plötzlich auf.
so fließt eS in der einmal angenom
menen Richtung noch eine kleine Weile
weiter. Der Mensch empfindet nun.
ohne es zu wissen, die Bewegung dieses
Wassers. So lange e« hinter seiner
Bewegung zurückbleibt, merkt er, daß
«r gedreht wird; wenn e« die volle Be
wegung angenommen hat, ist eS rela
tiv zu den Canälen ,» Ruhe und «
empfindet nichts mehr; wird aber de»
Mensch still gestellt und fließt das Was
ser «och weiter, so empfindet er wieder
ein DrehungSgesühl, und da sein MuS
kelgefühl ihm sagt, daß er in Ruh- ist.
entsteht ein Widerstreit zwischen der Aus
sage der Muskeln uitd derjenigen der
Kopsorgane, der sich in dem unange
> nehmen Schwindelzustand äußert.
Schneidet man einem Thier den Hör
nerv durch, so besteht die nächste und
auffallendste Folge des Eingriffs in
stürmischen Schwindelerscheinungen, rol
lenden Bewegungen. Kopsverdrehungen
und dergl. Tritt einige Zeit nach der
Operation eine ruhigere Periode ein,
so nehmen viele Thiere eine auffallende
Lage ein: ein Frosch z. B. auf horizon
talem Tisch streckt die beiden Beme der
rechten Seite starr nach außen und hält
sich mit ihnen von der Tischplatte ab,
während er die linken Extremitäten an
sich heranzieht. Er steht dabei schief,
die rechte Seite höher als die linke
das Thier hält sich gerade so, wie es sich
auf einer nach rechlS unten geneigten
Platte halten würde; d h. der Frosch
hat das Gefühl, auf einer schräg stehen
den Platte zu liegen; das Bewußtsein
des Gleichgewichts aus wagerechtem
Boden ist ihm gänzlich abhanden ge
kommen.
Entsprechende Dinge kommen bei
Menschen als Krankheitserzeugnisse vor,
Ohrenerkrankungen, die mit Druck aus
den Vorhof verbunden sind, können
furchtbare Schwindelanfälle erzeugen,
offenbar weil der Druck die Gleichge
wichtsorgane stört. Am lehrreichsten
ist das, was man bei Taubstummen be>
obachtet. Bei vielen von diesen ist baS
ganze innere Ohr mit Inkrustationen
ausgefüllt, also nicht blos der Hör-, son>
dern auch der Gleichgewichtsapparat
unbrauchbar gemacht.
Dem entspricht nun einerseits, daß
viele Taubstumme (mehr als ein Drit
tel) überhaupt nicht schwindlig zu ma
chen sind. Diesem Vortheil steht aber
aus der andern Seite ein ebenso bemer
kenswerther Nachtheil gegenüber. Unter
gewöhnlichen Verhältnissen ist der
Mensch nicht blos durch seine Kopfor
gane, sondern a»ch durch mancherlei an
dere Wahrnehmungen über seine Stel
lung orientirt. Insbesondere wirkt
das Gewicht des K örper» in der Regel
vorwiegend auf bestimmte Körpertheile
(Füße oder Ge.fäß), und aus dem Druck
des Körpers allein können wir bestim
men, in welcher Lage wir sind. Das
hört aber auf, wenn wir uns unter
Wasser begeben; denn da wird das Ge
sühl der Schwere völlig unbestimmt,
weil das Wasser gegen die ganze Unter
fläche des Körpers trägt. Trotzdem
weiß der normale Mensch beim Tauchen
unter Wasser jeden Augenblick ohne
Anstrengung, in welcher Stellung er
sich befindet. Anders viele Taubstumme.
Für diese ist das Unterwassersein eine
schreckliche Lage; sie wissen nicht mehr,
ob sie wagerccht oder senkrecht, ob sie
nach oben oder unten schwimmen. Einer
berichtet, daß er, auf dem Boden eineS
nur zwei Fuß tiefen Wässerleins sosort
nach dem Tauchen alles Bewußtsein von
oben und unten verloren hatte; wäh
rend er über den Boden hinkroch, hatte
er das Gesühl, als ginge er an einer
endlosen senkrechten Wand in die
Höhe.
Aehnliches berichten viele dieser Kran
ken, wenn sie den Versuch gemacht ha
ben, sich unter Wasser aufzuhalten; eS
fehlt ihnen als» offenbar ein beim nor
malen Menschen vorhandenes Orien
tirungsmittel. Uns sagt eine vorhan
dene Einrichtung instinktiv, wie wir ge
richtet sind, beim Taubstummen ist die
selbe zerstört, und deshalb hat er nichts
mehr, wonach er sich richten kann, wenn
die gewöhnlichen Schwerempfindungen
für ihn ausgehoben sind. Und daß grad«
beim Taubstummen dieser Mangel ein
tritt, beweist wieder, daß der sraglich«
AleichzewichtSapparat in engem Zu
sammenhang mit dem Ohr steht.
Man ist nun in neuerer Zeit daraus
aufmerksam geworden, daß grade die
Otolithen geeignet sind, bei derartigen
OrientirungSvorrichtungen eine wesent
liche Nolle zu spielen. Denn sie sind
unabhängige, schwere und harte Körper
hen, deren Druck aus die Nerven Enden
verschieden ausfällt, je nachdem das
Thier sich hält. Bei einzelnen Wesen
ist ihre Anordnung so einleuchtend, daß
laum ein Zweifel an ihrer Obliegenheit
bestehen kann. Bei den Rippenquallen
B. findet sich in einer besondern klei
nen Höhle ein einzelner Otolith, der
zwischen vier elastischen, mit Nerven ver
ehenen Plättchen frei ausgehängt ist.
hat das Thier feine regelmäßige Lage,
io drückt der Otolith gleich start auf alle
»ier Plättchen; neigt eS sich nach einer
Seite, so drückt er stärker nach dieser.
Die Otolithenkammer ist also ein kleiner
Druckmesser, den die Natur nach den
selben Grundsätzen eingerichtet hat, nach
welchen wir, Millionen Jahre später,
Dynamometerund SciSmometer(!krast
ilnd Erdbebenmesser) bauen.
Zerstört man der Qualle ihren Ap
parat, so weiß sie nicht mehr, wie sie
gerichtet ist; sie schwimmt unregelmäßig
and in allen Richtungen, wo sie nichts
zu suchen hat, z. B. senkrecht in die
Tiefe. Der Analogie nach ist zu schlie
ßen, daß die Steinchen bei höheren
Thieren dieselbe Wirkung haben, und
wenn man sie dort vernichtet, ist auch
die Wirkung dieselbe. Ein Frosch z. 8,,
dessen Ohr oder Hörner zerstört sind,
schwimmt ebensowohl auf dem Rücken,
wie auf dem Bauch, was ein gesunder
Frosch nicht thut, und wenn er zufällig
in der Rückenlage auf dem Boden sei
nes Behälters anlangt, bleibt er aus
dem Rücken liegen; er hat eben kein
Gefühl mehr für oben und unten,
gerschneidet man bei einem Haifisch, wo
die Operation verhältnißmäßig leicht
Auszuführen ist, vorsichtig die Bogen
. zänge des innern Ohrs, so bemerkt
man keine auffällige« Erscheinungen;
berührt man aber seine Otolithen zer
> rend oder drückend, so macht er sofort
! rollende Bewegungen, die aus Schwin
> del deuten.
Mit alledem begreift sich die weite
i Verbreitung der Otolithen; sie sind
eben als OrientirungSmittel von im»
schätzbarem Werth, unersetzlich nament
lich für Thiere, die in der Meeresströ
mung schwimmen; diese würden ohne
sie gar keine Anhaltspunkte sür die
Lage ihres Körpers b»sitzen. Beim
Menschen sind sie, eben ihrer Wichtig
keit wegen, in der sestesten Knochenkap
sel des Kopfes, im innern Ohr, unter
gebracht; bei den niederen Thieren
werden sie, weil die Gehör-Organe
dort im allgemeinen mehr nach außen
rücken, vom Ohr abgesondert und
schließlich auch noch da erhalten, wo
das Gehör-Organ überhaupt sehlt.
Wohlthätig« Vrsiuduug.
Ungezählt sind die Unfälle, die beim
Rangiren der Züge dcn damit betrau
ten Arbeitern namentlich bei Gelegen
heit des Keppelns und Bremsens der
Wagen zustoßen. Wie überall auf den
Bahnen der ganzen Welt, ist auch hier
zulande ein Verbot erlassen, wonach die
Bremser und Rangirarbeiter nicht eher
koppeln dürfen, als bis die Wagen zum
Stillstand gekommen sind. Natürlich,
wie jeder Eingeweihte weiß, kann die?
Verbot niemals beachtet werden, denn
! sonst würden die Arbeiter überhaupt
! niemals mit dem Rangiren zu Ende
kommen. Die ganze Bestimmung hat
einfach den Zweck, die Bahngesellschaft
von ibrer Haftpflicht zu befreien, wenn
ein unglücklicher Bremser schwer ver
letzt oder gar getödtet wird, und sich
dann herausstellt, daß die zu koppelnden
Wagen sich zur Zeit des Unfalls ei»
wenig in Bewegung befunden, der Ver
unglückte also gegen seine Instruction
gehandelt hat.
j Das deutsche Reichsgericht hat schon
längst durchschaut, daß dergleichen In
structionen weiter nichts sind, als trü
gerische Fallstricke. Der arme Arbeiter
steht vor zwei Alternativen; entweder
beendet er seine Arbeit binnen der kur
zen ihm zugemessenen Zeit unter RiS
kirung seiner Gesundheit, vielleicht seines
Lebens, oder er nimmt sich die nöthige
Zeit, um alle Gefahr zu vermeiden,
wird aber nicht fertig und wird natür
lich als unbrauchbar entlassen. Mit
> Recht legt das Reichsgericht namentlich
auf die mit dem Eisenbahndienst noth
wendig verknüpfte Eile und Ueber
haftung aller Verrichtungen und du
Gefahren der Dampfkraft das Haupt
l gewicht, und erachtet jene, sich mit der
ersten Pflicht des Arbeiter«, seinem
, Dienst pünktlich und schnell nachzukom
men, sich in Widerspruch setzenden Jn-
structionen sür ungültig und unver
bindlich, namentlich wenn der Betriebs'
Unternehmer sich hinter denselben zu
verschanzen sucht, um Entschädigungs
ansprüche abzuwehren.
Allerdings gestaltet sich bei uns die
Arbeit dieser Leute nicht ganz so ge
fährlich, wie in Europa. Denn wäh
rend sie dort zwischen die Wagen krie
chen und die Koppelung zu Fuß zwi
schen den Wagen herlaufend herstellen
müssen, können sie bei uns, dank ver
besserter Einrichtungen, vom Verdeck
des Wagens aus koppeln. Doch ist
dieS keineswegs gleichmäßig durchge
führt. Trotzdem sind Unfälle der Brem
ser hänfig genug. Denn dieser Rangir
arbeiter muß von Wagen zu Wagen
I springen, und häufig genug springt er
' zu kurz, fällt herab und wird zermalmt,
l Dasselbe gilt auch von den Kopplern,
die nach dem verbesserten System vom
! Verdeck auS koppeln.
Um diesen so häufigen Unfällen ein
für alle Mal ein Ziel zu setzen, hat ein
Erfinder, Namens Thomas Tyrrell
zu Glendive in Montana eine ebenso
emsache, wie sinnreiche Vorrichtung cou
struirt, welche mit wenig Kosten an
Güter- und Personenwagen angebracht
werden kann. Sie besteht, wie die
obige Abbildung zeigt, auS einer Plat
sorm, welche aus zwei durch Charniere
mit einander verbundenen Theilen be
steht und dicht am Dache der Wagen an
! gebracht ist. Die am Wagen besestigte
Platte kann wagerecht gestellt oder auch
heruntergeklappt werden, während der
Haupttheil au» drei an Endstücken be
festigten Stäben besteht, welche unter
sich verbunden und mit Wellblech bedeckt
einen sicheren Anhalt für die von Wagen
zu Wagen gehenden Rangirarbeiter lnl
den. Seitlich an der Wandung des
Waggons ist ein Hebel angebracht, der
mittels einer mit Gelenken versehenen
Stange an der Platsorm besestigt ist
und welcher die letztere ausrichtet und in
ihrer Lage festhält. Das Uebrige ergibt
die Abbildung. Jede Platsorm ist
natürlich nur halb, und ergänzt sich mit
der andern ebenso construirten ihr ge
genüber befindlichen Platsorm des an
dcrn Wagens zu einem Ganzen.
Sehr einfach. Herr: Das
sind ja ein paar allerliebste Kinderchen;
nicht wahr, das müssen doch Zwillinge
sein? Kindermädchen: Nee, das
haben Sie doch nichr gerathen, Dril
linge sind's! Herr: Machen Sie
doch keine schlechten Witze! Die beiden
Kinder könne» doch keine Drillinge sein!
Kindermädchen: Natürlich können
fie das! Das dritte ist nämlich zu
Hause geblieben, weil es unpäsjlich
war.
Aha! SchiffScapitän: »Also
Du willst Seemann werden und aus
meinem Kauffahrteischiffe dienen?"
tluabe: „Ja." SchiffScapitän: „WaS
bi't Du denn von Hause?- Knabe:
»Ausgerissen, Herr Kapitän!*
«i» «e«sch, »ee «llle» wtffe» muß.
Die hohe Stirn, da» nach hinten ge
kämmte Haar, das bartlose Gesicht,
kurz, die ganze Erscheinung kennzeich
nete den Mann als einen Gelehrten, der
sich seiner Würde und seiner Verdienste
um die Wissenschaft wohl bewußt war.
Mit festem Schritte betrat er das Ge
bäude und mit einem Herrscherblicke
fragte er den Druckerjungen. ob der
Redakteur zu sprechen sei. Der Junge
zeigte aus eine Thür, an der das Wort
„privat" (nur kurz zu sprechen) geschrie
ben war, und dorthin lenkte der Fremde
seine Schritte.
Er klopfte.
„Herein!" rief der Redakteur und sah
fragend den Fremden an.
„Mein Name ist Schulze und ich habe
soeben mein Examen bestanden," begann
der Besucher.
„Und —?" meinte fragend der Re
dakteur.
„Ich will mich der Journalistik wid
men. Ich hörte, daß Sie einen Brief
kasten-Redakteur brauchen einen
Menschen also, der alle Fragen Ihrer
Leser beantworten kann. Ich glaube,
daß das eine passende Stelle für mich
wäre."
Der Redakteur sagte hocherfreut:
„Sie sind ganz richtig inform irt. Wir
brauchen einen Briefkastenmenschen, da
unser jetziger sich seit Kurzem in einer
Gummizelle befindet!"
„In einer Gummizelle?"
.Ja!-
„Wo denn?"
„Im Irrenhause!"
„Ist er denn verrückt?"
.Natürlich!"
„WaS war denn die Ursache, daß
der Arme den Verstand verloren
hat?" sragte blassen Angesichts Herr
Schulze.
„Einer unserer Leser verlangte zu
wissen, wie viel Haare ein Chinese aus
dem Kopfe hat, und er drohte, daß er,
fall« die Beantwortung dieser einfachen
Frage nicht in der nächsten Nummer er
folge, die Zeitung abbestellen würde!"
„Bekommen Sie viele solcher Fra
gen ?" meinte der Fremde beklommen.
„Nun ja, es geht", entgegnete der
Redacteur, indem er nachlässig einen
ganzen Stoß Briese zur Hand nahm.
„Hier sind so einige Proben", meinte er
leichthin, „und wir können ja gleich ein
mal einen Versuch machen."
Er öffnete die Briese und las seinem
Zuhörer gleich die gestellten Fragen
vor.
. „Wissen Sie daS Datum der ersten
Schlacht der Ammoniter?"
„Nicht augenblicklich aber ich kann
nachsehen!"
„Hm!" fuhr der Redacteur kopsschüt
telnd fort. „Hier ist etwas Anderes:
zu welcher Religion bekannte sich eigent
lich Cagliostro?"
„Ich kann es augenblicklich nicht sa
gen aber —"
„Dann, bitte, sagen Sie mir die volle
Länge und Breite der neuen Forth
. brücke, wie viele Steine zum Bau der
selben gebraucht worden und wer zuerst
über diese Brücke ging?"
.Ich weiß eS nicht", gestand Herr
Schulze kleinlaut.
„Ein Brieskastenmann muß aber
Alles wissen! Vielleicht können Sie
aber diesem Fragesteller eine Cur sür
Schwindsucht, Kopf- und Zahnschmer
zen angeben?"
„Ich habe keine Medizin studirt,"
antwortete der Mann mit der Denker
stirn.
„Ein Briefkasten - Redacteur muß
Alles studirt haben," entgegnete ernst
der Redactt ur.
„Hier sind noch einige Fragen: sehen
Sie, ob Sie diese beantworten können:
In welchem Jahre ließ sich Martin
Luther einen Schnurbart wachsen?
Ist ein Gesetz vorhanden, welches Je
mandem verbietet, die Nichte seiner
Großmutter z» heirathen? Auf wel
chen Tag fiel der IS. November im
Jahre VV2 vor Christo?"
Alle Farbe war nach und nach aus
dem Gesicht des Herrn Schulze ver
schwunden. Fast weinend wandte er
l sich zum Gehen, indem er zu dem Re
> dacteur sagte: „Ich glaube nicht, daß
> ich den Posten eines Brieskapen-Redac
teur« annehmen kann!"....
l Ganz niedergeschlagen verließ er das
' Nedactions-Bureau, und der Redacteur
muß weiter alle die sonderbaren Fra
zen, die an ihn gestellt werden, beant
worten oder aber in den Papierkorb
versen.
Der Nachruf, den eine
»rme Wittwe Heimgegangenen
Batten widmet, hat Uns tief ergriffen:
Schon ein Jahr ruht er in süßen Frie-
AusS neu' mit Zähren muß mein Aug
sich netzen.
Doch das Schlimmste, da) uns tsl be-
schieden,
Ist das Geschäft gehörig sorzusetzeu.
O möchte das geehrte Publikum
iltich freundlich Unterstufen:
Ich werde mich bemühe» immerdar,
Zedennann, so viel ich kann zu nützen."
Caroline G.
ES wäre mehr als hartherzig, wenn
»aS geehrte Publikum einem solchen
Wunsche nicht nachkäme.
Devot. Gutsherrin: „Die Erb
en sind sehr schön gerathen "
Verwalter: „Ew. Gnade» haben au'
Llick, großartig; aber die Erbsen sind
ügentlich mehr Linsen, denn Ew. Gna
>en wissen eh, wenn dö Erbsen mehr
slach sind, da nennt man'« Linsen. Sind
iber die Linsen mehr rund, dann Hei
zen'S. wie Ew. Gnaden richtig bemerk
»n, Erbsen."
Ein neuer Liquen r. „Sag'
«al. lieber Mann, was versteht man
ocnn eigentlich unter Spiritus k»mil!»-
?i»?" „Ja, was soll darunter zu ver
stehen sein? Das ist eben ein Familien
zder HauSschnapS."
»«»
«,»»«,, »«««>»«,»
Rabbi Nathanael Katzberg hielt seine
erste Predigt. Die ganze Synagoge
war gefüllt mit Männern und Frauen,
welche andächtig lauschten. Ein leises
Flüstern war durch den hellerleuchteten
Raum gegangen, als der hübsche statt
liche Mann die Kanzel bestiegen batte,
und das Flüstern wiederholte sich lau
ter und sreudiger als er dieselbe ver
ließ.
Die Gemeinde von Kurowice war
stolz auf den jungen hübschen und ge
lehrten Rabbiner, den sie sich erobert
hatte und mehr als ein Mädchen ge
lobte sich an diesem Abend, ihr Netz
nach ihm auszuwerfen. Er war für
. acht Tage das Ideal aller Herzen, die
ihm begeistert und hoffnungsvoll ent
gegenschlugen.
Dann trat eine merkliche Abkühlung
ein, denn man erfuhr, daß Rabbi Na
thanael, wie dies bei den polnischen
Juden Brauch, schon als Kind verlobt
worden sei, und die Hoffnungen der
jungen Mädchen welkten ebenso rasch
dahin als sie emporgeblüht waren.
In der That hatte Rabbi Nathanael
bereits eine Braut, die schöne Batilda
Mandelkern, Tochter des Rabbiner«
Simon Löwenberg in Naratin, und
sollte schon in den nächsten Tagen hin
fahren, um die Brautschaü zu halten.
Vorher besprach cr sich mit seinem
Freunde MeSrog Honigmann, der ihn
eigentlich nach dem Orte seiner jetzigen
Wirksamkeit gebracht hatte, und die
Beiden brüteten einen gar lustigen
Plan aus, uie Braut aus die Probe zu
stellen. MeSrog war von der Natur
arg vernachlässigt. Trotz dem Geist,
der aus seinem gelblichen Gesicht sprach,
war er entschieden häßlich, trotz der
gutmüthigen braunen Augen gab ihm
die große krumme Nase einen Zug von
Bosheit, und seine kleine Gestalt war
nach allen Richtungen hin gleichsam
verbogen und verdreht. Die Freund«
beschlossen deshalb, daß der Rabbiner
Kutscher erscheinen und Mesrop an sei
ner Stelle als Rabbiner in Naratin
auftreten sollte.
Vier Tage später fuhren sie unter
dein Schutze der Dunkelheit ab, Mesrop
in dem langen Talar. dem schwarzen
Sanimtkäppchen und dem hohen Hut
eines polnischen Rabbiners. Nathanael
dagegen in dem Anzug eines galizijchen
Landkutschers.
-Um Mitternacht auf halbem Weg«
rasteten sie in Burstin und während die
Pscrde gesüttcrt und getränkt wurden,
traten sie in die jüdische Wirthschaft,
welche mitten im Orte lag. Mesrog,
der falsche Rabbiner saß in der Schenk
stube und unterhielt sich mit dem Wirth
und seiner Frau. Nathanael dagegen,
seiner Rolle als Kutscher getreu, trat in
die Küche, um seine kleine Pseise anzu
zünden und setzte sich hier m einen
Winkel auf eine Holzbank, wo er ein sür
ihn ungemein interessantes Gespräch be
lauschte. In der Küche be m Herd be
fand sich die Tochter des Wirths im
lebhaften Gespräch mit einer Freundin,
und aus dem Geplauder und Gekicher
der beiden Mädchen, die mit Batilda
Mandelkern befreundet waren, ent
nahm der Rabbiner, daß feine Braut,
die sich auch nicht ohne Weiteres dem
Beschlusse der beiden Väter sügen wollte,
genau dieselbe List ausgesonnen habe,
wie er. Auch Batilda hatte eine Freun
din, Sarah Feinsilber, welche nicht eben
zu den Perlen des schönen Geschlechts
gehörte. Sie war klein uud unansehn
lich, hatte einen krummen Rücken, ein
schmales Gesicht mit harten Züge»,
spärliches Haar und befand sich auch
nicht mehr im Lenze des Lebens. Natha
nael lauschte ohne nur im Mindesten
zu verrathen, wie sehr ihn daS, was.«
hörte, interessirte.
Als die beiden Freunde wieder i»
Wagen saßen und ihren Weg fortsetzten,
wendete sich Nathanael zu dem Hinte,
ihm sitzenden Mesrog und theilte ihm
mit, was er soeben ersahren hatte. Mes
rog, welcher der geborene Humorist war
und stets bereit zu jedem lustige»
Streich, sobald derselbe in den Grenzen
des Erlaubten blieb, sprang vor Freud«
förmlich im Wagen auf und rief:
„DaS ist >herrlich, das ist köstlich!
Jetzt gibt eS erst einen großartigen un
erhörten Spaß."
Am srühen Morgen kamen die Freund«
an und begaben sich geradeaus zu dem
Hzuse des Rabbiner« Mandelkern, von
dem sie an der Thüre freundlich empfan
gen wurden. Nachdem Me«rog, über
dessen Ausfehen der Rabbiner nicht we
nig erstaunt schien, sich als sein zukünf
tiger Schwiegersohn vorgestellt hatte,
wies er aus Nathanael, der noch imme,
aus dem Bocke saß und sprach:
„Ich bitte Sie, mein lieber zukünf
tiger Schwiegervater, auch sür da«
Wohl meines Kutschers auf das beste
zu sorgen. Dieser Mann ist nicht das.
als das Cie ihn wohl ansehen Es ist
eine Art homerischer Pserdelenker, ei«
ebenso großer Gelehrter und Talmud
weiser wie Kutscher vor dem Herrn."
„Es ist nicht das erste Mal," sagt,
der alte Rabbi, „daß mir AehnlicheS
leq'gnet. War doch einer der berühm
t.st n Mathematik.'?, den die Petersbur
ger Academie der Wissenschaften zu
ihrem Mitgliede erwählte, ein einfacher
! jüdischer Fuhrmann."
Während MeSrog von dem Rabbi in
sein Haus eingeführt wurde, empfahl
der Letztere zu gleicher Zeit dessen ver
meintlichen Kutscher seiner Frau, die
gleichsallS erschienen war, um den lie
ben Gast zu begrüßen. Die kleine,
dicke, gutmüthig aussehende Frau Man
delkern nahm sich denn auch mit wahr
hast mütterlich?! Sorgfalt NathanaelS
an, wies ihm eine gute, sreundliche
Stube an und ließ ihre Tochter, welche
die Küche führte, auch in Bezug auf
Nahrung bestens für ihn sorgen. Nach
dem man sich über alle» Nothwendige
ausgesprochen hatte, verließ Mesrog
mit Nathanael das HauS de« Rabbi
ners. um da« Städtchen und vor Allem
hie Synagoge und den weit und breit
berühmten uralten jüdischen Friedhof
anzusehen.
Es war Mittag, als die beiden
Freunde zu Mandelkern zurückkehrten.
Beim Essen erschien Sarah Feinsilber
und wurde MeSrog, welcher Mühe
hatte, daS Lachen zu verbeißen, als
Batilda vorgestellt. Die beiden sahen
sich erstaunt an, denn er gestand sich,
daß er noch nie ein häßlicheres Mädchen
gesehen habe, während sie den Bräuti
gam ihrer Freundin einsach abscheulich
fand.
Während am Tisch das Gespräch sei
nen Anfang nahm und MeSrog in tol
ler Laune der häßlichen Sarah glühend I
den Hos machte, war Nathanael in der
Küche erschienen, wo Batilda die Rolle
der Köchin spielte und gerade beim
Herde beschäftigt war. Er grüßte sie
und zündete sich dann eine Pfeife an,
indem er aus der Gluth des Herdes
eine kleine Holzkohle nahm.
„Sie also sind der Kutscher, von dem
mir erzählt wurde, daß er ein ebenso
großer Talmudist als Pferdelenker ist,"
begann Batilda spöttisch.
„In der That, mein Kätzchen," gab
Nathanael lächelnd zur Antwort. „Mich
wundert es nicht, daß mein Ruf bis
hier in diese Küche gedrungen ist; um
so erstaunter bin ich aber, hier eine
Köchin zu finden, die e» auch verdienen
würde, schon um ihrer Schönheit wil
len weithin im Lande gepriesen zu
werden. Ich hoffe übrigen», daß Sie
eine Jüdin sind. Denn ebenso wie
mein Rabbiner suche auch ich eine Frau,
und Sie scheinen mir ganz geeignet,
einen Mann wie mich glücklich zu ma
chen."
Batilda sah Nathanael erstaunt an;
sie wollte ihm spöttisch antworten, aber
sie erinnerte sich der Rolle, die sie spielte
und zu gleicher Zeit mußte sie sich ge
stehen, daß der Kutscher in der That
viel, viel hübscher war, als der Rab
biner, ihr vermeintlicher Bräutigam,
und da er auch als Talmudist einen so
großen Ruf hatte, so fand sie seinen
Antrag mit einem Male gar nicht so
lächerlich, als er ihr im ersten Augen
blick erschienen war.
Nathanael aß mit Batilda in der
Küche, und unter Scherz und Neckereien
stahl er sich mehr und mehr in ihr Herz
hinein. DaS arme Mädchen wußte gar
nicht mehr, wie ihr eigentlich wurde.
Drinnen saß der ihr bestimmte Gatte,
und hier an ihrer Seite plauderte mit
ihr ein fremder Mann, der mehr und
mehr den Wunsch in ihr erweckte, an
seiner Seite durch da» Leben zu gehen.
Als Batilda dann da» Geschirr abwusch,
hals Nathanael ihr redlich dasselbe ab
trocknen und ebenso bei andern Verrich
tungen, welche sie des Nachmittags über
vornahm. Als endlich der Abend her
ankam. und der Rabbiner Mandelkern
mit seiner Frau, dem falschen Bräuti
gam und der falschen Braut wiederum
beim Nachtessen saß, konnte sich die
schöne kluge Batilda der neuen süßen
Empfindung, die sie gefangen genom
men hatte, nicht mehr erwehren, und
wie nun Nathanael, während sie beim
Herde stand und in einer Pfanne fleißig
rührte, sie plötzlich um den schlanke»
Leib nahm und aus den zarten weißen
Nacken küßte, wehrte sie ihn nicht ab,
sondern sagte nur erröthend:
„WaS thun Sie?" Ich kann ja doch
niemals die Ihre werden."
„Warum nicht?" fragte Nathanael
lächelnd.
„Weil ich bereit» verlobt bin, und
weil mein Vater niemals zugeben
könnte, daß ich die Frau eines Mannes
würde, welcher sein Brod, wenn auch
redlich, auf der Landstraße verdient."
„Ihr Vater?" sprach Nathanael.
.Der ist wohl meschugge? Ich denke,
ein Kutscher ist ein ganz passender
Mann für eine Köchin."
„Aber ich bin nicht, wofür Sie mich
halten," flüstert Batilda,mehr und mehr
verlegen und erröthend.
„Was denn?"
.Ich bin—'
.Da« schönste, beste und klügste
Mädchen, daß es auf fünfzig Meilen
im Umkreise gibt," rief Nathanael. „und
eben deshalb lasse ich Sie nicht mehr
loS."
In dem Augenblick, wo er die schöne
Batilda von Neuem umschlang und ei
nen langen Kuß, der nicht enden zu wol
len schien, auf ihre rothen Lippen preß
te, trat gerade Rabbi Mantelkern in die
Küche, um seiner Tochter zu sagen, daß
sie den Thee bereiten möge, und schrie
aus wie ein Verzweifelter, als er seine
Tochter in den Armen des vermeintlichen
Kutschers sah.
„Hast Du den Verstand verloren, Ba
tilde?" ries er laut. „Was thust Du?
Welche Schande bringst Du über diese«
Haus und Deine Eltern?"
„Verzeihen Sie," sagte Nathanael.
„aber Sie irren sich, Herr Rabbi, wenn
dies Ihre Tochter Batilda ist, dann
habe ich ein Recht, sie zu küssen, denn ich
bin Rabbi Nathane! Katzberg, und dies
ist meine Braut."
Während Batilda mit einem Schrv
zurücksuhr, fragte der Rabbi erstaunt:
„Und wer ist denn der Andere, de,
drinnen sitzt und Sarah Feinsilber Lieb«
und Treue gelobt?"
„Da« ist mein Freund Mesrog Ho
nigmann, der erste Spaßmacher in unse
rer Gemeinde."
Nun nahm das Lachen ?ein Ende.
Der Rabbi führte das Brautpaar in die
große Stube, wo seine Frau mit MeS
rog und Sarah bei Tisch saß und alle«
klärte sich nach Wunsch auf. Nur
Eine ging bei der Sache leer aus. Die
Hoffnungen, welche Sarah Feinsilber in
Folge der Huldigungen MeSrogs ge
faßt hatte, gingen leider nicht in Erfül
lung.
Wenige Wochen später sand die Hoch
zeit des Rabbi Nathanael mit Batilda
statt. Die Gemeinde Kurewice hatte
beschlossen, dem Brautpaar ein Weinfaß
zu verehren, und es war ausgemacht
worden, daß ein Jeder von den Ge
meindegliedern eine Flasche Wein in ei»
große« Faß schütten sollte, da« zu diese»
Zweck im Gemeindehau« aufgestellt wo»'
den war. Bei aller Liebe zu dem
Rabbi kam aber d«i dieser Gelegenheit
der Egoismus zu seinem Rechte, und
ein Jeder dachte: In einem so großen
Faß macht eine Flasche keinen Unter
schied. Und so goß denn Jeder statt
seiner Flasche Wein ein» Flasche Wasser
in daS Faß.
Der Rabbiner bekam also statt eine«
Faß Weines ein Faß voll Wasser, und
als seine junge hübsche Frau ein paar
Tage nach der Hochzeit dasselbe abzog,
kam der spaßhafte Betrug zu Tage.
Batilda, die Kluge, errieth sofort, wie
dies gekommen war. Sie zeigte sich
auf's Höchste erbost und drohte ihrem
Gatten mit allem Möglichen, sobald cr
sich dies -i.-taüen lassen wollte. ,
Immer wieder erklärte der Rabbi,
er könne nicht die ganze Gemeinde be
leidigen unv duS Faß zurückschicken;
aber er weihe schon ein Mittel finden,
den Scherz mit einem noch besseren zn
vergelten. Trotzdem fchmollte die
schöne Batilda mit dem unglücklichen
Nathanael, und dies war um so schmerz
licher sür ihn, als sie ihm jetzt al«
junge, mit der Stirnbinde und dem
Häubchen, in ihrem rothseidene»
Schlafrock und der grünsammtenen mit
grauem Pelzwerk besetzten Jacke, noch
um vieles reizender und verführerischer
erschien, als vor der Hochzeit.
Mindestens dreißig Mal täglich
machte der Rabbi den Versuch sie zu
versöhnen, und ebenso oft erlitt er eine
schmähliche Niederlage.
Doch eS kam der Tag der Vergel
tung. Wieder predigte Rabbi Nathanael
und mitten in seinem Sermon sagte er
salbungsvoll:
„Ernste Tage stehen un» bevor. Ja,
ein Unglück droht der ganzen Gemeinde,
weil einer sich in derselben befindet, der
einen großen Betrug begangen hat an
dem Diener des Herrn und statt einer
Flasche Wein eine Flasche Wasser in
das Faß, das demselben verehrt wurde,
gegossen. Wie sollen wir dieses Un
glück abwenden, meine Freunde? Ich
will den Mann, der so schweres Unrecht
begangen, nicht nennen, ich kenne ihn
aber und gebe ihm den Rath, daß er,
um seinen Betrug wieder gut zu machen,
heute Nacht sür die vorenthaltene
Flasche Wein zwei Flaschen Wein und
zwar guten Weines liefern foll."
Ein Jeder in der Gemeinde glaubte
stillschweigend, daß er gemeint sei und
keiner zuckte mit einer Wimper, um sich
ja nicht zu verrathen. Aber in der
Nacht brachte ein Jeder heimlich statt
der Flasche Wasser, die er in da« Faß
gegossen hatte, zwei Flaschen Wein und
der Rabbiner hatte jetzt statt einem,
sogar zwei Fässer Wein al« HeirathSge
schenk erhalten.
Als der Scherz, den der Rabbiner
sich mit der Gemeinde erlaubt hatte,
offenbar wurde, vergaß Batilda mit
einem Male ihren Zorn und fiel lachend
und jubelnd ihrem Gatten um den
Hals. Niemand war glücklicher, als
Rabbi Nathanael, der sein reizendes
Weibchen wieder versöhnt in den Armen
hielt. Doch auch Merog ließ seiner
Freude laut die Zügel schießen, denn
er war es ja, der im Verein mit seinem
Freunde Nathanael der Gemeinde diese»
bösen lustigen Streich gespielt hatte.
«u« »emLeben „Papa Wränget«"
Die Figur des „Papa Wraugel"
ist unter den Lebenden eine Allen be
kannte. Von den ihm zugeschriebenen
Histörchen sei hier nur eine kleine Aus
wahl mitgetheilt. Der Hosgärtner
Fintelmann auf der Pfaucninsel bei
Potsdam zeigte dem General eine
Palme mit dem Bemerken, daß der
Baum wohl 7VN Jahre alt fei. .Ja,
wer't gloobt!" war die Antwort.
Als ihm der Nachtwächter des
Revieres, >n welchem er wohnte, zu Neu
jahr gratulirte, sagte er: „Ick danke
Dir, mein Sohn, gleichfalls! Wieviel
hast Du denn det »vorigte Jahr ge
kriegt?" „Nichts, Excellenz!" „Na.
denn wollen wir't dies Jahr ooch dabei
belassen!"
Als bei einem Manöver ein mit
seinem Reiter durchgehendes Ossicier
pserd grade auf Wraugel losgeht, ruft
er dem Reiter zu: „Reit'st Du mir um,
spunn ick Dir in!"
Auf einem Hofballe fragte ein
Eavalier den alten Wrangel, indem er
auf eine junge Hofdame wies, die stet«
in sehr tief ausgeschnittenen Kleidern
ging: „Haben Sie so etwas schon ge
sehen, Excellenz?" .Seitdem ick ent
wöhnt bin, noch nich!" antwortete
Wrangel.
Bei einem Streite an der Tasel
des General Möllendorf, ob man richtig
deutsch sage „eS deucht mir" oder „es
deucht mich," sagte Wrangel: „Da kann
man sich ja leicht Helsen! Man sag«
einfach: ich bin die Meinung!"
Als er bei einem herzlichen Hän
bedrucke des Königs darauf ausmerksam
gemacht wnrde.daß er vorher die Hand
schuhe hätte ausziehen sollen, sagte er:
„Den Händedruck meines Königs sühl«
ich auch durch dem Leder".
Aus die Abonnementslislkn zu de«
Opernhausbällen schrieb er: „Ich kom
me auf allen Vieren".
„Kindchen! Dein Kleid ist oben
zu kurz!" sagte er zu einer stark dekolle
tirten jungen Hosdame.
Als er dem General M., der ver>
gessen hatte sich zu rasiren, auf eine,
Revue sagte: „General M., Sie haben
sich heute nich gewaschen!" und als die
ser beim Könige wegen dieser Aeußerung
sich beschwerte, sagte Wrangel: „Kurio
ser Mensch, der M., sich wascht er nich
und gegen mir beschwert er sich".
.—Sein Lieblingsspruch war: Mit
Beharrlichkeit kommt man am Ziele.
—.Preisaufgabt für Buch
druck er. Eine alte Frau, deren Au
gen die Sehkraft fast verloren hatten,
kommt in eine Druckerei, bringt ihr Ge
sangbuch mit und bittet freundlich, da
sie kaum mehr in der Kirche au« der
keinen Schrift mitsingen könne, sie
möchten ihr doch die Buchstabe» in ihre«
»esangbuche etwas größer «achen.