Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 14, 1891, Page 3, Image 3

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    Sühne.
A«»«»l« von «»»rad T«lma»n
<s. Fortsetzung.)
Di« Verurtheilung, welche si« in die
Strafanstalt geführt, war durch daS
Schwurgericht zu Elberfeld erfolgt. Au»
dem Signalement, welches beigegeben
drücken abgefaßt war, die auf einige
lausend anderer Menschenkinder ge
nau ebenso gut oder schlecht passen,
»ls auf diejenigen, die man im Auge hat.
Und doch regte mich der Bescheid trotz
seiner enttäusch-nden Unergiebigkeit mäch
tig auf. Weshalb mußte jenes Mäd
hen auch gerade Helene geheißen haben?
Da» war freilich kein außergewöhnlicher
Käme und Hiiiiderte führten ihn, aber
»ich berührte eS dennoch seltsam. Und
Hann hatte mir Irgendwer am abend
lichen Stammtisch des „Greisen" einmal
-rzählt, um den Mangel an Berechti
zizng zu hochmüthigem Benehmen recht
»rastisch zu kennzeichnen, Frau Häselcr
sei früher doch weiter nichts als Gesell
schafterin oder so etwas, also immerhin
iin« Art Dienstbote gewesen, und in
Hrer Spracht, so rein und dialektfrei
5e auch erschien, hatte ich manchmal
»och Anklänge wahrgenommen, die auf
nne süddeutsche Herknnst schließe» lie
z«n und mich unwillkürlich an meine
Heidelberger Studentenzeit und speziell
,n manche, anS dcm nahe» Hesse» stam
nende Verbindungsbrüder dort erinnert
satten.
Das Alles schoß mir durch den Kopf,
nie ein elektrischer Funke, ohne daß ich
nich dagegen zu wehren vermochte. Und
»ann sagte ich mir gleich hinterher, ich
sei <iohl wahnsinnig geworden, und die-
schwüle bluistachclnde Tag müsse mir
»ie Sinne verwirrt haben. WaS hatt«
»enn Frau Helene, ihre Vergangen
heit und ihre süddeutsche Heimath
nit jener Zuchthäuslern,, was mit
»er Ermordung des Waldhüters zu
lammende Leidenschaft war mir zu Kopfe
zestiegcn. WaS stand da im Signale
ncnt: Haare: blond, kraus; Augen:
»rau; Nase: klein; Statur: zierlich.
Zch schlug zornig mit der Faust auf das
Klatt, das aus dem Tische lag. Welch'
vidriger Spnk äfft« mich hier? Ich war
oirklich nicht mehr zurechnungsfähig, ich
»rächten alle meine Pulse in fieberhaft«
Wallung. >srst gegen Morgen versitk
ich in Schlaf.
iin Schleier zerrissen wäre, der davor
lelagert hatte. Ich sagte inir mit Voll
mer Nüchternheit, daß ich gestern nur in
Ueberzeugung, daß eS sich hier um ein
Weib handle, durch die daS Verbrechen
deglmgen worden, von einander trennen;
RathhauS verlassen konnt«, wo die Ge
cichtszimmer sich befanden, und todtmüd«
zum „Greifen" hinüberschlich, um mein
Mittagsmahl dort einzunehmen. Danach
bedurft« ich körperlicher und geistiger
Ruhe nmsamehr, al» der Tag wiederum
schwül war zum Ersticken. Ich wollt«
h«,»'» ,db« nach Eartlow, wollt« Frau
dcm Sradtwalde zugel«nkt, es
gab freilich auch sonst kaum einen
Spaziergang in der Gegend, und dort
mußte man am ehesten Kühlung, am
ehesten Schutz gegen die ersten fallenden
Tropfen finden. Ich dachte unablässig
an Frau Helene, aber ich wurde in mei
nem Entschlnsse, si« heute zu meiden,
keinen Augenblick wankend. Ich schlug
den erstbesten Weg ein, der zwischen den
rothe» Kiesernslämmen fort führte. Aber
mochte ich nun darauf geachtet ha
wordcn, leitete, oder gab es deren meh
rere, führten gar alle schließlich dort
hin: nach einer kaum halbstündigen Wan
einem Male inne. Ein fahles Geleucht
hatte über die finstere Wölbung des
Himmels hingezuckt, ein lang »achgrol
beugenden und bückenden Nadelkrone»
plötzlich «ine weibliche Gestalt. Wie
eine Vision war's. Die Gestalt trng
die Züge Fran Helenes. Nur daß sie
und ihr Antlitz etwas Geisterhaftes hatte,
Sch ' ück 'ch
lene!" stotterte ich verwirrt, fassungslos,
„was soll daS? Was bedeutet das
Alles?"
„Warum?"
niederlegen."
„Tag für Tag," murmelte sie, plötz
lich wieder wie abwesend, wi« zu einem
ES ist schad«, dah «» schon zu End« ist.
E» war so schön, e« hätt« noch viel län
ger währen sollen."
Da» Gewitter hatte wirklich rasch
au»g«tobt. Nur in der F«rn« noch grollte
verhallender Donner und «in seiner
Sprühregen ging nieder. Obgleich Frau
Helene einen Gummimantel umgehängt
trug, der ihre ganze Gestalt einhüllte,
fürchtete ich doch für sie. Ihr Haar
troff, ihr Hut war völlig aufgeweicht,
ebenso ihr Schuhwerk. „Sie müssen
«ilen, nach Hause zu kommen," sagte ich.
Dazu nickt« sie ganz automatisch.
„Und morgen wieder hier," fügte sie
hinzu, „und übermorgen wieder und
immer so weiter, immer so weiter. Ein
End« ist da gar nicht abzusehen, oder
man müßte «s dem selber herbeiführen.
Immer so weiter.'
Sie schüttelte sich, wie wenn es sie
durchschauderte.
„ES fröstelt Sie", sagte ich, „lassen
Sie uns doch eilen!"
Sie sah mich an, als ob sie erst jetzt
zum vollen Bewußtsein meiner Nähe
komme. „Ja, ja", murmelte sie, „ich
muß eilen. Ich glaube, ich bin krank.
Helene mußte wirklich krank sein. Ihr
Gemüth litt unter der Fessel einer Ehe,
die ihr trotz all' der vortrefflichen Ei»
und Abenteuerlichem erweckte. Si»
klammert« sich förmlich daran in
der öden Alltagsprosa ihrer Tag? und
und Befriedigung zu finden, lind je
klarer ich mir das Alles machte, je tiefer
ich mich überhaupt immer auf's Neue in
jäh aufflackernde Leidenschaft wa», d>«
mich zu ihr zog. wie ich erst ge
wähnt, sondern eine wahre und warme
Zuneigung, die mir die Gewähr ihrer
Dauer verhieß. Ich war selber betrof
fen über diese meine Entdeckung, aber
und war mir peinlich. Er trat aus der
Thür des „Greifen", von dessen Fenstern
aus er mich gesehen hatte, und kam mit
zu leisten."
„Ich traf Ihr« Frau eben ganz zu
fällig bei einem Spaziergange im Stadt-
Ich stieß das Alles hastig und abgc
loszukommen. Ich konnte chm nicht i»
die Augen sehen. In diesem Augen
blicke am wenigsten. Ich fürchtete, ei
»Ja, ja," sügte «r zu, „so ist sie. Abei
was soll man machen? Si« ruinirt siH
für d»» arme Volk. E» liegt ihr t»
Blut. Pfatt«r»tochter."
Gedanken in mir. Ich selbst redete mir
auch ein, daß das wirklich nicht der Fall
Wss S' d »?" d t
Leopold Häselcr mit einer gewissen Ver
wunderung. „Hat sie es Ihnen gesagt?
Das thut sie sonst merkwürdig ungcrn.
Haupt nichts hören. Na, das begreift
siH. Hübsch hat ste'S ja nicht gehabt
im Leben, das arme Ding. So eine
Ich lasse Sie schon sicher »ach Hause
entdeckt betresss der Mordgcschichte?
Was?"
Adieu, Assessor! Und hübsch Wort ge
nichtS überstürzen, ich hoffte ruhiger zu
«erden. Aber is waren furchtbare
Tag«, ich fühlte, daß mein« Kraft i»
ihnen hinschwand, und daß ich ähnlich«,
ich wußte selber kaum, wie? Nun konnte
ich nicht mehr. Ich stürmte um eine
frühe Nachmittagsstunde de» vierten Ta
ges hinaus, ich hatte keinen anderen Ge
danken mehr, keinen anderen Wunsch
mehr, als den, Helene zu sehen, sie we
nigstens zu sehen. Und «cnn ich jetzt
Hütt« alle äußeren Hemmnisse besiege»
und doch fliehen können, ich hätte es
nicht mehr gethan, nicht mehr gewollt.
Ein heißes, gewaltiges Begehren,
das diese öden Tage geweckt und geschürt,
war in mir. Ich fühlte alle meine Kräfte
gesch«ellt, mein Blut wallte verlangend.
So kam ich hinaus. Aus einiger
Entfernung schon sah ich eine weiblich«
Gestalt am Hofzaun lehnen und die
Straße hinabblicken. Mein Herz klopfte
wild. War eS Helene, die nach mir aus
schautc? Hatte sie mich in diesen Tagen
vermißt, sich nach mir gesehnt? Wie
konnte ich fragen! Weshalb sollte eS ihr
anders sein, als mir? Wir liebten unS ja.
Als ich herankam, war sie verschwun
den. Ich fragte nach ihr im Hause.
Der Herr sei draußen im Felde, hieß es,
von der gnädigen Frau wisse man nichts
wahrscheinlich sei sie im Garten. Ich
hatte das von vornherein angenommen,
nur der Form wegen gefragt. Ich
suchte sie überall im Park. Aber ver
gebens. An jeden Platz ging ich, aus
dem wir einmal zusammen gesessen, oder
den ich als einen ihrer Liebliiigsplätz!
kannte, ich fand si« nirgends. Und doch
Warum?
lichkcit. Dabei aber sah sie so bleich
und ernst aus, daß ich fast erschrak. Dil
großen grauen Auge» schimmerten mich
weiß ja, weshalb Sie kamen."
Ich sah si« an. Keine Fiber zuckte
in ihrem Antlitz. Aber freilich: warum
che» Takt. „Ich wollte —" Ich fand
zu Boden, ich schlug mit der Zwinge
meines Stockes gegen die Werstein«.
5 h , -ch, d
leicht doch das Nichlige —" Ich stottert«
Ihre Stimm« klang verschleiert, aber
di«f«r Ton gab mich mit einem Mal«
mir selber wieder zurück, klang mir al«
beredtfame Bestätigung all«S dessen, wa»
Ich gedacht and empfunden, bis zu der
Minute, die mich hierher gebracht.
„Mußte ich denn nicht?" erwiderte ich.
„Ich habe gekämpft, Helene!"
„Ich habe auch gekämpft!" sagte sie
leise, die Hände schlaff im Schooß übcr
gesenkt.
„Man sieht e» Ihnen an," fiel ich
Ein Schauer durchrüttelte sie leise.
Hände abivährend nach mir aus. „Nur
nicht jetzt, nicht hi«r," stieß sie in flehent
lichem Tone Heraus, „um Gotteswillen
angesichts unseres Hauses —"
Wie entsetzt stierte si- vor sich hin, als
wäre etwas sie Versteinerndes, ein Be
sprochen werden mußte. Ich stand auf.
„Lassen Sie uns denn gehen," sagt« ich
?. 112 , s-, Hb'
emporzurichten, die Nechte schwer aus die
Tischplatte gestützt, zur Halste vo» mir
abgekehrt.
„Gleichviel in den Wald wo
wir ungestört sind —"
Wieder zitterte sie. Ihr Kopf sank
noch tiefer aus die Brust herab. Dann
verneinte sie dnrch ein angstvolles Zei-
f
die dritte Nachmittagsstunde? Wollen
„Leben Sie wohl!" Ohne daß ihr
Gesicht sich mir zukehrt«, legte sich ihre
Hand in die meine, «in« eiskalte Hand,
Sie schüttelt' den Kopf. „Nein,
ähnlich. Mich rührt« ihr« Hilflosigkeit,
Leben zurückgerufen, si« mit Wärme und
Freudigkeit des Daseins durchglüht.
Ich durstx es nicht, ich ging. Ich be
schleunigte sogar meine Schritte um die
sen Boden zu verlassen, in dcm Be
wußtsein, daß ich ihn aller Voraussicht
plötzlich, vielleicht weil ich ihn firirt
hatte, aufstand, f«in Gla» l«erte und
verschwand.
„Vor dem da müssen Sie sich in Acht
nehmen, Assessor!" sagte der Doktor, >
sich durch seinen struppigen, rothblondeo'
Vollbart krauend.
(Fortsetzung folgt.)
5
Schlimm« Mol««« «i«<» »«scherittU'
I.
.... und so überreichen wir Ihne»
»enn das silberne Taielservice für vier
zig Personen mit dem ergebenen Wunsche
daß Sie e» freundlich annehmen und
glücklich verbrauchen.
Glücklich verbrauchen, gut. Abe»
freundlich annehmen? Nun. ich bin ja
nicht böse, uns Sie brauchen auch nicht»
Böse» zu fürchten. Aber solch' ei»
schätz! Wer sichert ihn vor Feuer und
Räubern? ES kommen jetzt so viel»
Mensche» in diese Gegend, und ich kam»
doch nicht den ganze» Tag auf dem Ser
vice fitzen.
Allerdings nicht. Sollen wir di»
Kleinigkeit vielleicht wieder mitneh
men?. ...
DaS habe ich nicht gesagt. Sie dan
ken auch gewiß Gott, daß Sie die Last
IoS sind. Ich meine es ja auch gar nicht
so schlimm, und
Einem geschenkten Schatz
Berschaift man schon einen Platz.
Ich will also über einen solche»
nachdenken, denken auch Sie darübe»
nach.
11.
.... und so überreichen wir Ihne»
zwei stahlgepanzerte Schränke, in Ivel
che» unsere Gabe ein diebeS- und
feuersicheres Unterkommen finden dürf
ten. Wir bitten Sie, sie huldreich an
zunehmen.
Das sind ja wahre Ungethüme!
Allerdings, aber desto überzeugter
dürfen Sie sein, daß Keiner sie fort
trägt. Sie wiegen ohne den Schatz sech
zig Centner.
Die wird freilich Niemand auf de»
Buckel nehmen und wegschleppen. Aber
haben Sie denn darüber nachgedacht,
wie eS möglich sein wird, sie unterzu
bringen. ohne daß mein Haus unter
ihrer Last zusammenbricht? DaS ist ab
solut unmöglich. ES ist ja richtig:
Mit zwei geschenkten Schränken
Kann man Niemand kränken,
und ich fühle mich auch nicht gekränkt.
Aber das sage ich Ihnen, meine ver
ehrten Herren, meine Fußböden sind z»
schwach, die können diese Riesendingei
nicht tragen. Doch ich will darüber
nachdenken, wie diesem Uebelstand abzu
helfen ist, und Sie werde» das Gleich«
thun.
111.
.. ..und so haben wir uns denn ent
schlossen, Ihr HauS, dessen Bauart
allerdings nicht auf daS furchtbare Ge
wicht der Schränke vorbereitet ist, ne»
sundamentiren zu lassen. Wir bitte»
Sie, uns zu gestatten, daß die drauße»
harrende» Arbeiter an'S Werk gehen.
Die Idee ist ganz vortrefflich, und ich
war selbst schon nahe daran, sie zu fas
sen. Aber haben Sie denn schon darü
ber nachgedacht, wie wenig daS alt«
HauS zu dem neuen Fundament passe«
wird? Freilich:
Einem geschenkten Fundament
Sieht man manches nach am End',
aber es wird doch nicht recht z» dem al
ten Fundament stimmen. Wir wollen
seZen, waS sich thun läßt, Sie doch
auch?
IV.
.... und so nahen wir uns Ihne»
mit dem ergebenen Ersuchen, uns zu
gestatten, Ihnen ein ganz neues Hau»
bauen und eS Ihnen als schuldenfreies
Eigenthum überlassen zu dürfen.
Sagen wir: Schlößchen. Der Ge
danke ist vortrefflich, und ich gebe gern
meine Einwilligung, so unbequem eS
mir sein wird,während des Baus ander
wärts zu wohnen. Doch will ich da»
Opfer bringen.
Herzlichen Dank für das
dige Entgegenkommen.
ES freut mich aufrichtig, Ihnen eine»
Dienst leisten zu können. Damit statt«
ich Ihnen meinen Dank für den Silber»
schay in einer Form ab, die beid«
Theile befriedigt. Adieu, meine Her
ren. und wenn sie einmal wieder etwas
brauchen, so gehen Sie mir nicht vor
bei.
Nochmals besten Dank!
(Berl. WeSpen.)
Aus dem Leben.
„Seht", rief der Wurm in Eitel!»
verzückt,
„Wie, mich zu suchen, selbst der Mensch
sich bückt I"
Der Wurm wird gleich an eine» Angel
hangen,
Bespießt, als Köder einen Fisch zu sau
gen.
Alb. Roderich.
Seine Gründe. Künstler
K.: Warum hast Du Dir denn eigent
lich eine Frau genommen, die nicht daS
geringste Verständniß für Kunst besitzt?
—Künstler B.: Lediglich aus GeschäftS-
Zmeresse—habe ich eine Anzahl Skizzen
gefertigt—dann leg« ich sie meiner Frau
vor, waS ihr gesollt, arbeite ich aus
)enn es gefällt dann auch sicher dem
zroßen Publikum wenigstens mache
ch, seit ich verheirathet bin, ganz gläa
zende Geschäjte.
Schlagfertig. Als Professor
Don zum ersten Mal vor Friedrich dem
öroßen stand, sah dieier ihn scharf an
ind examinirie: „Sag' Er mir mal, wo
Ängt die Geschichte an?" „Da, wo
»ie Fabel aufhört!" war die schlagfer
lige Antwort des Gelehrten.
Zu faul. Ich wünschte, ich
dekäme eine recht reiche Frau. Dan»
Bürdest Du mich alle Dage zu Mittag
laden, nicht wahr? Du bist doch z»
bequem. Bemüh' Dich doch selbst,
wünsche Dir doch allein eine reiche
Frau!
Freudige Ueberraschung.
Stud. A.: Du bist ja seuerroth im
Gesicht?—Stud. B.: Vor freudiger
Ausregung! Denke Dir, habe mich so
eben beim Studiren überrascht!
Gedankensplitter. Di»
Sprache der Liebe keunt keine Gramma
tik.