Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, April 30, 1891, Page 2, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    2
»t« «tt«tft.
«,n «»»n »««,«»
/ Als Fräulein Rebekka ihr zwanzdG
ke» Lebensjahr erreicht hatte, da erlegte
ihr Bater, der reiche Silbersarb, zwan
»igtausend Mark in blanken Scheinen
der Ortssparkasse und sagte zu jedem,
der eS hören wollte: „Meine Tachter
erhält zwanzigtausend Mar? als Mit
gift; das Geld erliegt bereits in der
Sparkasse."
Unter Denen, die da« Gesagte hören
wollten, befand sich auch ein junger
Kaufmann, Namens Samuel Schwarz»
köpf. Dieser junge Mann liebte Rebekka
schon lange und wäre glücklich gewesen,
das schöne Mädchen heimführen zu kön
nen. Bisher hatt« ihn ein gewisses
»EtwaS" von einer Werbung zurückge
halten ; dieser Umstand verschwand, als
der junge Mann sich überzeugt hatte,
daß es mit dem Gelde in der Sparkasse
seine Richtigkeit habe.
Schwarzkopf erschien als Brautwer
ber bei Rebekkas Vater und wurde mit
dem Bescheide entlassen, noch ein Jahr
zu warten. „ES drängt ja nicht", sagte
Herr Silbersarb und der Heiraths
randidat bestätigte pflichtschuldigst die
Meinung d«S Brautvaters.
Als der junge Mann nach einem wei
teren Jahre sich ab«rmäls einfand und
seine Bitte wiederholte, da meinte
Rebekkas Vater, daß seine Tochter noch
ein Jahr lang bei ihm bleiben müsse.
Ans eine nähere Motivirnng ging Sil
bersarb nicht ein; er sagte nur: „Vor
Ablauf eine» Jahre» kann ich Ihne»
keine bindende Zusage machen."
Schwarzkopf berührte der Aufschub
«cht unangenehm, trotzdem wartete er
und erschien abermals am Jahrestage
pünktlich.
„Nur »och ein Jahr, bitte ich Sie zu
Warte», mein lieber Herr Schwarzkops;
eS drängt ja nicht, meine Tochter ist ja
noch jung, und auch Sk können ja noch
vermöge Ihrer Jugend ein, zwei Jahre
warten."
Dieser Meinung war der HeirathS
randidat freilich nicht, allein was konnte
«r angesichts der Halsstarrigkeit des al
ten Silbersarb thun? So entschloß er
sich denn, ei? weiteres Jahr zu warten.
Nach Ablauf desselben erschien er wie
der.
„Was Sie doch für Eile haben,"
sagte Rebekkas Vater. „Gedulden Sie
sich doch nur zumindest ein Jahr lang,
dann meinetwegen. Für diesmal kann
ich Ihnen noch nichts Bestimmtes
sagen."
Aergerlich verließ Schwarzkops das
väterliche Haus seiner von ihpl angebe
teten Rebekka. „Ein Jahr wird mich
nicht das Leben kosten," tröstete er sich,
und überdieß, selbst wenn er nach einer
anderen Braut Umschau gehalten hätte,
so schön wie Rebekka wäre keine gewe
sen, und was noch schwerer in die Wag
schale siel, so viel Geld besaß keine.
Doch auch das nächstfolgende Jahr
brachte Schwarzkops nicht in den Besitz
Rebekka«, ebenso die darauffolgenden
vierzehn Jahre nicht. Immer wurde
er aus das nächstkommende Jahr ver
tröstet, immer erhielt er die stereotype
Antwort: „Gedulden Sie sich nur noch
jein Jahr lang."
So verstrichen achtzehn Jahre
eine Pe:n sür das hoffende und harrende
Herz Schwarzkopfs, eine Qual für Re
bekkas stillliebendes Herz, das sich in
jungfräulicher Scham dem Schmerze
lautlos ergab.
Heute sollte Schwarzkopf wieder kom
men, sür Nachmittag war sein Besuch
angesagt. Rebekka schöpfte neue Hoff
nung, denn der Vater hatte seinen Rock
und Hut begehrt das mußte ja etwas
zu bedeuten haben.
Silbersarb zog seinen Rock an, setzt,
den Hut ans und begab sich, ein Schrift
stück in seiner Brusttasche bergend, nach
der Sparkasse.
„Ich möchte dieses Geld beheben,"
lagie Silbersarb, sein Büchelchen aus
der Tasche ziehend, „wie viel betragen
die Zinsen und Zinseszinsen?"
„Zwanzigtausenddreihundertsiebzchn
Mark" sagte der Beamte und zählte
alsbald vierzigtauseiiddreihnndertsieb
zehn Mark aus die Marmorplatte des
Zabltisches.
Schmunzelnd verwahrte Silbersarb
das Geld sorgfältig in seiner Tasche,
vor sich hinmurmelnd: „Nun, heute
kriegt er das Jawort: sind wir ja niin
Alle befriedigt: Ich behalte mein
Geld, er erhält die ganze Summe ohne
Abzug »nd sogar sür die HochzeitSkoste»
bleibt noch etwas übrig Ja, ja,
rechnen muß der Mensch können!"
Schwerste Kunst.
Lehr' mich reich sein, und zu deinem
Lohne
Geb' ich gleich des Mammons Hälfte
her:
Lehr' mich klug sein, du verdienst die
Krone:
Lehr' mich treu sein, du verdienst noch
mehr.
Der Geldprotz im Con
cert. Ter reiche Rentier Goldberg
besucht mit seiner Chi Hälfte ein Concert,
in welchem als erste Piece das Lied:
„Mein ganzer Reichthum ist mein Lied"
vorgetragen wird. Verächtlich um sich
erhebt sich Goidberg, indem er
«n seine Ehehälfte die Worte richtet:
Kanin,', Frau, geh'n wir das ist
leine Gesellschaft für uns!"
Drei triftige Gründe.
Kann ich Ihnen mit einem Gläschen
Wein auiwarten? frug eine HaxSsran
einen Bekannten, der zum besuche ge
kommen war. Ich muß wirklich dan
ken, erwiderte der Freund. Ten» er
stens trinke ich überhaupt keinen Wein;
zweitens Hot mir mein Arzt den Wein
streng verboten und drittens habe ich erst
vor einer Viertelstunde zwei Liter
getr ii n ke n!
Die junge Haussrau.
Gatte: „Engel! Du kochst selbst?
Sage mir, was wird das eigentlich?"
Gattin: „Aber Edgar, wer wird so
nicht wissen!"
Am 21. März hört der Winter da«
erste Läutrn zu seinem Abzug. Sobald
warme Sonnenstrahlen an alle Thüren
pochen, mag nun FrühlingS-Tag- od«
Nachtgleiche schon angerückt sein ode,
nicht, dann gibt'S keine Disciplin mehr.
Allerorten ruft das fröhliche FrühlingS
licht: „Heraus, ihr Schläfer!" und
was erst noch im tiefen Schlummer lag,
öffnet die Augen und reckt sich und
streckt sich eS kommt hervor auS den
Erdlöchern. auS der Baumrinde, aus
den Wäldern, au» dem Wasser, aus
dem Gemäuer, von den Nachfirsten, von
den Thürmen, ein brummendes, sum
mendes, pfeifende», piepsende«, guacken
des Heer von großen und kleinen, aber
durchaus abgemagerten zwei- und vier-
und sechs- und mehrbeinigen Gesellen.
Gleich den aus der Gosse deS Parise»
Wunderhofes in Schaaren auftauchen
den Gespenstern umschwärmt uns plötz
lich ein Heer von lebendigen Geschöpfen,
die vom ersten Sonnenstrahl wieder ge
boren, in das brausende Leben bei
Frühlings hineinstürmen. Wo Ware»
sie? Was thaten sie? Wie lebten si,
während der Zeit, da unsere Breiten
unter der Botmäßigkeit des rauhe«
Winters standen?
Viele von ihnen trotzen und schlage»
sich mit schmaler Kost und schlechten
Quartier durch die Fährnisse durch
oder sie gehen jämmerlich zu Grunde
eine Beute deS Hungers und der Kälte.
Ändere zogen ab, in serne Länder, w»
es warm ist; sie finden ihren Weg durch
das Lustmeer ohne Compaß und See
karten ; sie knicken nicht Zweige wie di«
Indianer, sie zeichnen nicht Streifen,
wie der Tourist und kommen doch an,
wo sie wollen, in genau eingehaltenem
Kurs, wenigsteus ein großer Th«il von
ihnen. Einige, nicht wenige aber Wer
sen sich an die Brust der Natur und er
warten von ihr Schutz und Hilfe. Und
sie führt ihre Kinder in sichere geschützt«
Verstecke und drückt ihnen die Augen
zu, und die Erde saust, ein Heer von
Milliarden von Schläfern in ihrem
Schoße, länger als eikt Dritteljah,
durch den Weltraum dem Frühlings
üquinoclium entgegen.
Geheimnisse über Geheimnisse liege«
vor uns. Wir wissen fast gar nichts
über dcu Winterschlaf der Insekten und
der niederen Thiere. Wie konnte nur
so ein Thierchen, eine Wespe, ein«
Biene, die wir am Anfange des Früh
lings aus todähnlicher Erstarrung, du
Flügel vertrocknet uud zerschlissen, die
Beine an den magern Leib gezogen, di«
Fühler erschlafft, erwachen sehen, den
vielmonatlichen Winter überleben? Und
doch stürzt sich dasselbe Geschöpf, bald
nachdem es eben erwacht und nachdem
es mit dem Putzen, Reiben und Strei
chen, überhaupt mit der Toilette zu
Eude ist, sofort mit aller Leidenschaft,
Kraft und Verwegenheit, die diesen ei
gentlichen Kindern des Lichts zu Gebote
steht, in den Strom des Lebens hinein!
Es ist nicht weniger merlwürdig, als
der Fakir, der sich lebendig begraben
lassen und wieder gesund auferstehen soll.
Tausende von Eiern vieler Insekten,
Krebse und niederer Thiere trotzen den
äußersten Kältegraden und überwintern
ohne Gefahr niemand weiß, wie dies
möglich ist.
Gehen wir weiter hinauf auf den
Stufen der Thierwelt da haben im
Sommer in dem Tempel Frösche in
großer Zahl gequackt. Im Spätherbst
verlieren sie allen Uebermuth und legen
sich aus den Grund des Wassers, wel
ches allmälig gefriert. Schlagen wir
dann das Eis auf »nd holen wir uns
einen der Kerle heraus, so liegt er ans
unserer Hand so hart wie ein Stück
Holz und klopsen wir mit ihm an einen
sesten Gegenstand, so bricht er wohl
auch in Stücke gleich sprödem GlaS.
Und doch schnappt ein so hartgesrornes
Thier sofort wieder nach Luft, sobald
die Sonnenpseile das Eis durchbrechen
und den grünen Froschrücken treffen!
So ist es mit den Kröten, mit den Kar
pfen, mit den Schlangen sie alle lie
gen einige Monate hindurch in dem
Zustande einer unerklärlichen Winter
starre! Räthsel um Räthsel! Erst bei
den höchsten Thieren, den Sängern,
saßt unser Erkenntnißtrieb wieder
Muth, denn hier hat der Geist ein Hel
les Licht aufzustellen vermocht, mit des
sen Hilfe wir dem Geheimnisse näher
an den Leib rücken können. Es sind
meist kleinere Säugethiere, welche der
Winterlethargie versallen: Bär und
Dachs haben keinen eigenthümlichen
Winterschlaf sie schlafen nur viel
länger als zur warmen Jahreszeit,
manchmal bis zwei Wochen, nebmcn aber
auch während dieser Zeit ein wenig
Nahrung zu sich.
Die eigentlichen Schläfer sind Mur
melthiere, Siebenschläfer. Igel, Ham
ster »nd das kuriose Volk der Fleder
mäuse. Die erstere» Beiden liesern
das Meisterstück: sie schlafen den gan
zen Winter hindurch, ohne aufzuwachen
und sind wie scheintodt. Sobald eS
kalt wird, verbergen sie sich in Erd
höhlen oder Bäumen und kugeln sich zu
sammen, wodurch die inneren Organe
bis auf ein kleines Volumen zusammen
gedrückt werden die Athmung hört
fast ganz auf. Das Blut fließt träge
durch die Adern und die Temperatur
desselben sinkt manchmal von den nor
malen 3<Z bis Z 7 Graden Celsius bis
auf die erstaunliche Tiefe von 8H Grad
Celsius herab. Der Magen und Darm
entleeren sich und schrumpfen ein. Da
durch entsteht eine an's Wunderbare
grenzende Fühllosigkeit.
Man tonnte schlafenden Murmelthie
ren die Hirnschale anbohren, ohne daß
sie erwachten, und das Herz eines im
Winterschlaf? enthaupteten Murmelthie
res schlug noch drei Stunden nach der
nur dadurch erhalten, daß das während
der Zeit vor dem Winter angesammelte
?ett vermöge einer sehr langsamen Ath
mung, der vollständigen Bewegungs
losigkeit und der niederen Temperatur
nur ganz allmählich aufgezehrt wird.
Ein plötzliches Erwecken aus diesem
Halbtodesschlas durch Erwärmung sührt
de« letzteren in den wirklichen Tod üte,
da» Thier stirbt. Nur allmähliche»
Aufthauen erhält e» am Leben. So
bald eS im Frühlinge erwacht, findet e«
den Tisch gedeckt. Neben ihm lagern
nämlich die Vorräthe, die es vorsorglich
in die Höhle eingetragen, ehe eS schla
fen ging. Trotzdem dies Alles sicher
gestellt ist, bleiben doch noch viele dunkle
Fragen übrig. Wer will eS begreifen,
daß ein so gesräßige» Thier, wie ein«
Fledermaus, über ein Drittel seines
Leben» ohne alle Nahrung bestehen
kann! Da hängt sie sich, in ihre Flug
haut eingeschlagen, die Ohren auS dem
Pelz herau»gestreckt, den Kopf nach
unten, frei an den beiden Hinterfüßen,
in irgend ein Gebälk«, in eine Mauer
ritze und bleibt jetzt ohne jede Nahrung,
manchmal bis zum Erbarmen eintrock
»end, den ganzen Winter hindurch
ein tragikomisches Jammerbild ge
müthlich hängen. Manchmal findet
inan todte Individuen liegen, bei denen
entweder allzngroßer Frost oder ein zu
starke» Eintrocknen da» Ende herbeige
führt, was wohl noch Andere als der
Schreiber dieser Zeilen schon bemerkt
haben werden.
Jetzt ist die Zeit deS Erwachens, de»
Auferstehung gekommen. In keilför
miger Rangirung und mit lautem Ge
schrei ziehen die Kraniche au» dem Sü
den heraus. Schnatternde Wildgänse
steuern den FlußauSläusen und Lagunen
tu. Bald schwärmt die schiefe Linie
der Kiebitze ihren alten Brutstätten
entgegen und Oculi da kommen sie
»der sollten kommen, die Langschnäbler
aus Südwesten und fallen, dunkle
Schatten, die unter dem Monde hinzie
hen, in die sumpfigen Niederungen
iin.
Während alle diese Heereszüge nächt
licherweile ihre meridianwärtS gerich
teten Märsche antreten, hat der Ham
ster schon seine Augen geöffnet, dann,
spannt auch die Fledermaus schon ihre
Flughaut und schwingt sich den Insek
ten nach, welche der Winter auch schon
»uS den Annen entlassen und welche
mit Ungeduld das Erwachen einer an
deren Welt der Blüthenwelt er
varten.
Thier und Pflanze hängen zusam
men, wie die Nahrung und der Magen,
vi« die Lust und die Lunge. Keines'
»hne das Andere. An die Existenz des
Eichbaumes allein ist die Existenz von
dreihundert Jnsektenarten geknüpft.
Was Wunder, wenn sie, die ruhelosen
Sechssüßler, frisch aus dem Ei oder
der Puppe gekrochen, oder dem Winter
glücklich entronnen, aber auf alle Fälle
von einein peinlichen Hungergefühle
getrieben, sich hundertmal aus die Blü
thenknospen niederlassen, um zu sehen,
ob der Tisch noch lange nicht mit Nektar
bestellt wird! Und nach und nach kom
men sie ja heraus, die zarten Blättchen
und breiten sich im hellen und warmen
Sonnenlicht zu schimmernden Kelchen
und Kronen aus. Was aber haben sie
gemacht während des Winters—die
Kräuter und Sträucher und Gräser
»nd Bäume? Haben sie auch geschlafen,
wie die Thiere? Gewiß, sagen die
Leute, die Pflanzen schlafen im Winter.
Tie Leute vergessen aber, daß man
dort von Schlaf nicht reden kann, wo
lein Bewußtsein ist. Denn schlafen
kann eigentlich nur das Bewußtsein;
ver Körper ist immer wach, das heißt,
er athmet und verdaut u. s. w. Wenn
die Pflanze schlafen könnte, dann könnte
sie Wohl auch träumen aber selbst der
verliebteste Blumenfreund wird sich so
vas nicht träumen lassen. Nein, diePflan
jen schlafen nicht, das kann man eigent
lich nicht sagen, aber auch sie häufen
während der warmen Zeit Nahrungs
stofse an, von denen sie den Winter über
zehren. Die Pflanze braucht aber eine
gewisse Menge von Wärme. Wenn sie
dies« im Winter vermißt, so erstarrt sie
in allerdings nur äußerlich ähnlicher
Weise wie die Thiere.
Bei anhaltender Temperatur unter
Null gefrieren nach und nach alle im
Freien befindlichen Pflanzen. Aber
damit ist noch lange nicht gesagt, daß sie
»uch erfrieren. Die Wände der Zellen
werden vom Froste nicht zerrissen, wie
früher die Botaniker glaubten, sondern
nur erschlafft und unfähig gemacht, das
in ihnen circnlirende Wasser zu beHal
len, so daß dieses aus ihnen dann aus
tritt. Da aber jede Pflanze einer be
stimmten Entwicklungszeit bedarf, und
so lange sie wächst, eines beständigen
SästcumlauseS von den Wurzeln zu
den Blättern, so kann sie durch hef
tige Fröste schon im Herbste, welche
ihre Entwicklungszeit abkürzen, Plötz
lich zugrunde gehen. Die größten
Kältegrade vertragen, wie sich denken
läßt, die Riesen des Reiches die Bäu
me, die ja auch auf den froststarrenden
Ebenen Sibiriens gedeihen. Aber ivehe
auch ihnen, wenn die Temperatur
plötzlich bis unter den Gefrierpunkt de»
Quecksilbers sinkt, dann beginnt das
Zerreißen und Bersten der Holzzellen
und die Reisenden wissen dann von hef
tigen Detonationen zu erzählen, durch
die sie in den sibirischen Wäldern er
schreckt wurden es ist der Todesschrei
der Bäume, deren Stämme durch den
Frost oft bis aus das Mark gespalten
werden und plötzlich absterben. Diesem
Schicksale entgehen manche Wurzeln
dadurch, daß sie sich während ihres so
genannten Winterschlafes auf ganz
eigenthümliche Weise gegen den tödtli
uno sich auf einen invgMchst kleinen
Raum zusammenztePn, wie der Igel.
Einige bedecken sich mit einem dichten,
spinnwebenartigen Filz, der ihnen als
schlechter Wärmeleiter gute Dienste lei
sten mag. Es ist ganz wunderbar, was
für Auswege hier die Natur gesunden
hat. Eine ganze Menge von Zwiebel-
und Knollengewächsen erzeugen mit ih
ren oberirdischen grünen Blättern im
Sommer gewisse Stoffe, die sie aber so
fort in die Tiese zu den unterirdischen
Theilen des Stocke? ableiten.
.Dort werden aus diesen zugesührten
Stoffen dicke Stengel und Knollen,
fleischige Blätter, welche aber in dem-
selben JaHre nicht mehr an die Ober!
fläche deS Bodens kommen, sondern den
Winter über in der Tiese bleiben nnd
so gegen die Erkältung geschützt sind.'
Nach Ablaus der Winterszeit treten sie
dann als lachende Blätter an'» Son
nenlicht hervor. Eine Spezie» des
Laichkrautes, welche» eine Wasserpflanze
ist, bildet im Herbste Sprosse, die sich,
noch bevor die oberste Wasserschicht zu?
friert, vom Stengel loslösen und in
die Tiefe, in den Schlamm sinken lassen.
Hier bohren sie sich ein vortrefflich ge
schütztes Winterquartier, aus dem sie
im Frühling an die Oberfläche wachsen.
Die Blätter der Pflanzen würdek
unter dem Einflüsse der Winterkälte
selbstverständlich großen Schaden neh
men: daher fallen sie auch im Spät
herbste schon ad. Ehe sie aber das
thun, hat die Pflanze alle in ihnen auf
gespeicherten Nahrungsstoffe in die
Stammbildungen, in Stainm, Zweige
und Knospen zurückgezogen, gleich ei
nem vorsichtigen Erben, der den Erb
lasser noch bei Lebzeiten bestimmt, das
Erbe für ihn fruchtbringend anzulegen.
Von diesem Vorrathe lebt die Pflanze
den Winter über. Die entblätterten
Zweige und die Knospen dagegen blei
ben der Winterkälte ausgesetzt, welche
sie je nach der Art, der sie angehören,
verschieden gut ertragen.
War der Sommer warm und der
Herbst mild, so hatte die Pflanze Zeit,
sich für den Winter langsam zu versor
gen; dann erfrieren die Zweige nicht.
Andernfalls, wenn sie schon zeitlich
durch Fröste überrascht wird und das
Vetnebswasscr in den Zellen und Ge
säßen nicht rechtzeitig entfernt we.-den
kann, wen», wie die Gärtner sagen, das
Holz noch nicht ausgereift ist, dann ge
hen die Zweige zugrunde.
Merkwürdig und unaufgeklärt, wie
viele dieser Erscheinungen, ist es, daß
Pflanzen, die in ihrer Heimath nie Frost
erfahren haben, auch anderswo an tiefe
Kältegrade nicht zu gewöhnen sind.
Während bei den winterschlafenden
Thieren die Athmung noch langsain und
leise vor sich geht, hört sie bei den
Pflanzen im Winter ganz auf. Denn
die Lungen der letzteren sind die Blät
ter, welche die Kohlensäure der Luft
aufsaugen; sind einmal die Blätter ab
gefallen, dann hat die Pflanze kein Re
spirationsorgan mehr. Es tritt ein
Stillstand im Stoffwechsel ein, sie
puppt sich gewissermaßen ein, wie, die
Raupen der Schmetterlinge und nährt
sich von dem in ihren Zellen angehäuften
Fett. Mag man dies nun auch Winter
schlaf nennen oder nicht eS ist ein«
Art Scheintod, wie der Winterschlaf
des Murmelthieres, ein merkwürdiges
Zwischeilstadium in dem Leben dieser
Wesen : allerdings äußerlich ähnlich dem
Zustande, in dem wir uns träumende
Maschinen täglich einmal befinden, so
lauge wir gesund sind.
„Urlauber rrrauS!"
schnarrte auf dem Corridor de- Com
pagnie Reviers die Stimme des Unter
officiers du jour. Wenige Minuten
später standen die Osterurlaubsucher in
Reih und Glied vor dem Zimmer des
Feldwebels und meldeten dem Herrn
„Spieß", wohin sie beurlaubt zu wer
de» wünschen. „Na nu! Sie Schlamm
schütze sind auch hier mitten mang die
Petenten?" fragte der Gestrenge, sein
Feldwebel-Portefeuille heftig zuklap
pend, einen semmelblonden Marssohn.
„Von wejen vier Mal vorbei und blos
ein lumpijes Mal Scheibe links na,
k» sollten Sie lieber nicht in unnütze
Hoffnungen schweljen, Indessen ich
will Ihre Wenigkeit kein Hinder
niß in den Weg lesen. Nach wo
wollen Sie den» hin?" „Nach Opa
lenitza, Herr Feldwebel." „Opa
lenitza? Sie, das dürfte sich auf die
paar Tage jar nich lohnen. OHMleniha,
Slivitza, Panitz»! das sind za lauter
buljarische Nester. Ob unser Herr
Hauptmann Ihnen da so mir nichts Ih
nen nichts hin belauben darf? Ich
denke, vor's Ausland is er dazu doch
»ich competent jenug. So'n Fall is
nämlich bei unsre Compagnie noch nicht
dajewesen. Also: „O —pa—le—nit—
za", buchstabirte die Compagniemutter
und notierte das Wort in sein Dienst
buch; dann suhr er fort: „So, nun sa
gen Sie mir mal, warum Sie nicht lie
ber in Ihre Heimath zu Muttern fah
ren wollen; he?" „Opalenitza, Herr
Feldwebel, ist ja meine Heimaih," ant
wortete der Gefragte. »So?! Wo
liegt denn das Dingskirchen so unge
fähr — ich meine bei welche Stadt ?"
„Unweit von Buk." „Buk? Buk?
Das ist ja wieder so'n Räubernest, das
sich jewiß aus keinen Jlobns entdecken
läßt. Wissen Sie denn keine größere
Stadt, da so in die Nähe nun?"
„Jawohl, Herr Feldwebel! z. B. Po
sen." „Na ja, da haben wir'»! Eh«
man aus Euch was herausbaldowert,
muß man sich den Schnabel wund fra
gen. Mann, warum haben Sie mir
das nicht gleich gesagt, daß Opalenitza
und Slivitza um fast 'ne halb« Aequator
länge von einander entfernt sind?
V on 112 ei n e m Sta n d punk»
ans. Gast (in ein Restaurant stür
zend >: Herr Wirth, mir ist vorhin mein
Ueberzieher in Ihrem Lokal vertauscht
worden. Ich hab' es erst bemerkt, als
ich ihn in meinem Bureau auszog. Ich
mache Sie für den Verlust verantwort
lich ! Sehen Sie nur 'mal, was das
für ein alter schäbiger Rock ist, und
meiner war fast neu; dasür kann ich
Ihnen Zeugen bringen! Wirth: Nicht
nöthig, lieber Herr, ich glaub's Ihnen
auch ohne Zeugen sonst hätten Sie
den da gewiß nicht zurückgebracht!
Großartig. Bei unS aus
dem Lande geht es an dem Tage vor
Ostern großartig her, namentlich, was
die Fabrikation der Eier anbetrifft.
Da sitzen mehrere Leute, tagüber damit
beschäftigt, in die Eier allerhand Figu
ren und Bilder einzukratzen, am Heerdt
stehen beständig zwei Mägde, von denen
die eine die Eier kocht, die andere särbt,
und in den Hühnerställen sitzen sämmt
liche Hühner, schwitzend und keuchend,
und legen fortwährend Ostereier.
Srech »t« v»k«r.
Papa (stürzt wüthend herein): Recht
nette Befcheernng da»! die Frechheit,
meine Tochter zu küssen! Habe ich Dich
sauberen Patron also wirklich dabei er
wischt? Kühleborn Junior: Hoffent
lich habe ich mich nicht geirrt. Aber eS
ist nicht besonders hell hier und es sollte
mir wirklich sehr leid thun, wenn ich
statt Ihres Fräulein Tochter die Köchin
geküßt hätte!
"stol bui» >ti»t «,s."
Dilettant eines LiebhabertheaterS,
kurz vor der Vorstellung: Um Him
melSwillen, soufflirt doch nur ordentlich
mir ist so katzenjämmerlich zu Muth,
ich glaube, das ist da» Lampenfieber!
Zehn Dollars würde ich darum geben,
wenn die Geschichte vorüber toäre!
M-mir klappern d-d die Zähne v v-v
-vor Aufregung!— Souffleur (mit höh
nischem Blick auf des Dilettanten Sä
delbeine)! Na, wenn's weiter nichts ist!
Wenigstens können Euch die Kniee nicht
schlottern!
Sluch ein Zeugniß.
Nun, Onkel Sam, ist das eigent
lich wahr? Ich habe gehört, daß Ihr
und Farmer Smithers auseinander
seid? Stimmt! Hat er Euch den«
such ei» gutes Zeugniß zum Abschied
gegeben? Ach ja, und er hat's mir
schwarz auf weiß gegeben, und er sagte,
so'n Nigger wie ich, der so schön lügen
und betrügen könne, fei ,hm noch ui«
vorgekommen.
«ine U«d«rr»si»ung.
Sie: Ich bin bereit zum
Jack! Er: Was? stürzt die Welt ein?
Du hast mir doch erst vor fünf Minu
ten gesagt, daß Du in fünf Minute»
fertig sein wirst!
Mein« Schütz«.
Ich hab' eine feste Truhe,
Da bricht kein Räuber ein;
Viel sich rer, als jede Kass«,
Ist dieser alte Schrein.
Und warum dort Keiner einbricht.
Das ist sehr leicht erklärt:
Drin liegt nur altes Gerümpel.
Und das hat keiuen Werth!
Es liegt in meinem Keller
Ein großes, altes Faß;
Kein Mensch trinkt einen Tropfen
Daraus von jenem Naß.
Nnd warum noch Keiner gekostet
Von meinem ganzen Haus:
Weil'S Essig 'st! Wenn'S Wein wär'.
Tränk' ich ihn längst selber auS!
Ich habe auch ein Liebchen,
DaS sag' ich ohne Scheu
Blieb' ick) zehn Jahr' in der Fremde,
Die wäre mir dennoch treu.
Und warum ich gar so sicher
Aus Weibertreue bau':
Wer die näher kennen gelernt hat.
Der nimmt sie nicht zur Frau!
Umgekehrt. Man erzählt in
einer Gesellschaft, wie die Sängerin
Marra ihren Mann aus dem Kerker
loSgesungen. Bald nachher will eine
der anwesenden Damen ein Lied singen.
„Ich chitte Dich, liebes Kind, thu's
nicht!" ruft da ihr Mau», »sonst werde
! ich arretirt!"
»«« schSne« t»«rl »«« G««»
sahrer.
Wenn diese Zeilen in die Hände de»
Frau Cäcilie Grassi in London gelan
gen, dann wird diese Dame einen fröh
lichen Tag verbringen, denn sie wird er
fahren, daß der gewesene Bewundere,
ihrer Schönheit und ihres Geldes, de,
Räuber ihres Herzens und ihrer Dia
manten bar und richtig auf vier Monat»
eingesperrt worden ist.
Wir haben, schreibt das „N. Wiene,
Tagbl.", die Aventuren dieses Herrn,
des Musikers Karl Bayer, vor einige,
Tagen schon erzählt. Er wollte in
Amerika geigen, in London aber, wo
er sich aus der Uebersahrt aushielt,
machte er in einem Restaurant die Be
kanntschast der Frau Grassi, und blieb
gleich da. Wenn man frägt, wo e,
wohnte, so lautet die Antwort: bei Fron
Grassi.; wo er speiste ? bei Frau Grassi;
wovon er lebte? von Frau Grassi; mit
Einem Worte, Frau Grassi war in ih,
wahnsinnig verliebt.
Aber es fehlte in dem Becher de,
Freuden nicht an Thränen. Der Heiß
geliebte war ein rarer Herr der wi,
jagen wir nur? der seinen Werth als
Luxusartikel sühlte und sich recht viel
herausnahm. Dafür, daß er sich huld
voll lieben ließ, mußte sie noch ander,
als Geldapser bringen: sie mußte es sich
gefallen lassen, daß er launenhaft und
eigensinnig, herrisch und wenig zart si,
anschrie, ihr Scenen machte, ihr ewig
mit dem Weggehen drohte. Eine nicht
wenig schmerzhafte Erfahrung war ei
dann, als eines Tages, als sie ihm de»
Rock ausschüttelte, ein Papier aus de»
Tasche herausfiel und sie darin seine,
Trouungsschein erkannte! Da ward ih»
nun wirklich weh umS Herz, denn e,
hatte sich für unverheirathet ausgegeben
und sie hatte sich feines Alleinbesitzes j»
erfreuen gedacht und da sah sie nun, dai
er eine Frau in Wien Hatte. Aber auq
über diesen schweren Moment halj
schließlich seine Luxusartikel-Moral,
wenn das Wort gestattet ist, und ihr»
Verliebtheit hinweg. Er betheuerte
daß er von seiner Frau nichts wisse»
wolle, sie glaubte, was sie so heij
wünschte, und so trug sie seine Laune»
glückselig weiter, bis er eines Tagei
richtig abfuhr. Wohin? Nach Wie»
zurück, zu feiner Frau.
ES ist nun nothwendig, von diese,
Frau etwas zu sagen. Sie heißt Her
mine. Sie ist ein zartes, schlankes
Weibchen mit angenehmem Gesicht und
zärtlichen blaue» Augen. Gestern frei
lich, da sie als Mitangeklagte mit ihrem
Manne vor Gericht stand und bitterlich
weinte, war ihre Gestalt zusammen'
gebrochen und ihr Gesicht zeigte nur di,
Reste einstiger Anmuth. Sie wußt,
nicht, daß es ein die Männlichkeit ent
würdigendes Verhältniß war, das ihre»
Mann in London so lange festhielt, un>
während dieser ganzen Zeit plagte si,
sich hier und darbte; und als er endlich
wieder zurückkam, war si« selig. Den,
auch sie war in ihn ehrlich verliebt. Ali
es nun aber nach seiner Rückkehr arg
und immer ärger ging, kein Musiker
Post«» zu finden war und die Noth durch
alle Ritzen hereinsah, da willigte si,
schweren Herzens darein, daß der Mann
wiederum auf die Wander ging. Wo
hin? Irgendwohin, wo er bereits ge
wesen war zurück rn'S gelobte Land,
nach London. .
Denn Karl Bayer mochte vergessen-
Frau Grassi aber nicht. Es war groß
artig, wie sie den Mann liebte und sich
nach ihm sehnte. Sie schickte ihm Bries
aus Brief, Telegramm auf Telegramm,
und ihre Gefühle waren so auSgiebig,
wie ihre Briest. Sechs, acht, zehn und
mehr Seiten lang flehte und bat und be
schwor sie ihn, zurückzukommen ge>
wiß zurückzukommen und nur ja ge
wiß das leidenschaftlichste Herz nicht zii
verschmähen und zurückzukommen und
auszuruhen an ihrem Herzen; und
schließlich sandte sie ihm Psunde und
Shilling« als Reisegeld ein und schnei
ihm, Alles, was ihr sei, solle sein sein.
Da konnte denn sein zärtlich «rregt Ge
müth nicht länger widerstehen. Und im
Monat November war's, da saß iw
Eisenbahncoupee ein Herr, der gut
deutsch sprach, aber sehr viel Vos! und
sio! und )-c»u liks it sagte und
das war Herr Karl Bayer; er reiste zr
Frau Grassi zurück, westwärts, nach
England.
Aber, um ans nicht bei den krausei
Verschlingungen auszuhalten, die be>
der Paarung so unverträglicher El«
mente, wie Feuer und Eis, Hingab,
und schmutzige Berechnung immer vor
kommen das „Geschäft", das Kart
Bayer dort in London machen wollte,
war nun doch nicht mehr zu halten.
Frau Grassi war nun nicht nur ver
liebt, sonder» auch eifersüchtig, und wi«
früher er sie mit Launen, so quälte jetzt
sie ihn mit Argwohn; und das ging so
weit, daß sie ihm Alles, was Lebe«
und Amüsement heißt, in Hülle und
Fülle, aber nur kein Bargeld in du
Hand gab, weil sie sich vor seinem
Durchbrennen fürchtete. Und so Nzurd«
er schließlich, wie TaiinhSnser, des Hör
selberges müde und nahm RaißauS
und mit ihm verschwanden Ketten,
Ringe, Uhren, davon Einiges mit Dia
manten.
Während sie schlief, öffnete er ihr«
Kassette, worin an lvvv fl. Werthe la
gen, er nahm aber nur die erwähnten
Juwelen und ca. SSO fl.; statt des zur
Kassette gehörigen Schlüssels legte er
dann der geliebten Frau einen anderen
ähnlichen Schlüssel in den Sack, und
dann inachte er sich mit Hinterlassung
eines charmanten, beruhigend klingen
den Briefchens aus die Strümpfe. Nach
drei Tagen merkte sie erst, was ihrem
Herzen und ihrer Kassette fehlte und
da verwandelte sich die Liebe in erbit
terten Haß und sie erstattete gegen ihn
die Strafanzeige.
Gestern stand er also vor dem Ge
richte unter Vorsitz des L.-G. Ä>
Gionima. Mit ihm theilte aber seine
unglücklich« Frau Hermine die Anklage
bank. Ten» er hatte ihr, nach Wien
zurückgekehrt, als die Noth immer grö
ßer wurde, Einiges von den Juwelen zu
»ersetzen gegeben, und da sie die« ge
than, wurde sie der DiebstahlStheilneh
mung angeklagt. Sie betheuerte, daß
sie vor den Schmucksachen Abscheu em
Pfand, nachdem sie erfahren, daß sie von
einer Geliebten ihres ManneS herrüh'
ren, aber ihr Mann sagte ihr, die Ding,
seien sein, er habe ein Recht gehabt, si«
zu nehmen, da die Grassi ihn nach Lon
don gelockt und dann im Stiche gelas
sen habe, und da die Noth so groß und
erbarmungswürdig war, habe sie sich
nicht mehr zu helfen gewußt und den
Auftrag ihres Mannes vollzogen.
Der Gerichtshof ließ ihr auch Mild»
angedeihen. Der Vorsitzende betont,
wiederholt, daß sie so anständig und
ehrenhaft zu se,n scheine, daß sie zwei
fellos nur durch die Schlechtigkeit ihrei
ManneS den sie gestern selbst aus«
wärmste in Schutz nahm —inS Unglück
gerathen. Die Strase, die über si,
verhängt wurde, beträgt acht Tage Ker
kers. Ihr Mann würd« zu vier Mo
naten schweren Kerkers verurtheilt.
Tableau. Eine munter»
Scene spielte sich jüngst, wie ein Ge
richtsreferent zu erzählen weiß, in
Amtsgerichtsgebäude eines Berlin«,
Vorortes ab. Der KammergerichtS-
Präsident erschien, um eine Revision
des Gerichtes vorzunehmen. Noch i,
seinen Reisepelz gehüllt, betrat er da«
erste beste Kanzleizimmer, in welchem
sich ein Secretär mit mehreren Kanz
listen befand, und richtete an erstere,
die Frage: „Können Sie mir wohl sa
gen, wo der erste Gerichtsschreiber G,
ist?" Der Secretär antwortete: G.
ist nicht hier!" Präsident: „Ich
frage wo G. ist? „G. ist nicht hier!"
schrie jetzt der Secretär. Präsident:
»Aber können Sie denn nicht richtig
antworten? Ich srage nicht, ob G. hie,
ist, sondern wo er ist!" „Na Sie olle,
Pf —" donnerte jetzt der Secretär IoS
„ich habe Ihnen doch grfagt, daß G.
nicht hier ist!" Als ,hm nun aber die
Wort« ins Ohr klangen: „Also so wird
das Publikum hier behandelt? Ich bin
der KammergerichtS - Präsident und
und werde Abhilfe schaffen!" da
wurde der Herr Secretär erst starr wi»
eine Bildsäule, um alsdann nach schnell
wieder erlangter Fassung sich in devote
ster Weise zu erbieten, den ersten Ge
richtSschreiber zu suchen. „Lassen Si»
nur," wehrte der Präsident ab, „ich
werde mir jetzt de» Herrn allein suchen,
ich bedarf Ihrer Hilfe nicht!" Am näch
sten Morgen batte der Herr Secrelä,
bereits seine Versetzuugs-Ordre in de»
Hand.
Bei demgroßen Abscheu,
den man in England allgemein vor dem
Seciren hegt, hielt und hält es dort sü,
Aerzte schwer, einen Leichnam zu diesem
Zweck zu erhalten. Leichen wurde,
daher sehr tbeuer bezahlt, und es wa>
ein einträglicher, wenn auch sehr gefähr
licher Erwerbszweig, die eben beerdig,
ten Leichen auszugraben und zu verkau
fen. Man nennt diese LeichenauSgra.
der in London „Auserstehungsmänner."
einer der kecksten und gewandtesten,
hatte dem berühmten Anatomen Hunte,
einen weiblichen Leichnam zu einem be>
stimmten Tage versprochen. Hunte,
erwartete ihn mit Ungeduld; er kam
nicht, dagegen aber eine Frau, die ihm
statt einer weiblichen eine männlich»
Leiche brachte. „Wer sind Sie?"
fragte Hnnter. „Ich bin die Frau
JhreS Leichenlieseranten:" „Warum
kommt er denn nicht selbst? Und Si«
bringen mir ja eine männliche Leich,
statt einer weiblichen!" „Ja, Sir",
erwiderte die Frau, .das hat seine guten
Gründe. Meine Mann wollte Ihnen
die versprochene Leiche bringen; abe,
beim Ausgraben auf dem Kirchhos«
haben ihn die Wächter erschossen. Ich
bringe Ihnen meinen Mann dafür und
hoffe, Sie werden sich gegen die arm«
Wittwe mildthätig zeigen."
Zwei von dene,
der eine heute Minister, der ander»
Parlamentarier ist, hatten gleichzeitig
das Assessor-Examen bestanden. Wenig,
Jahre später begegnet der künftigePar>
iamentarier.?. seinem ehemaligen Col
lege» A. und redet diese» mit „liebe,
Assessor" an. A. zieht die Schultern
und Augenbrauen so hoch, als sei ihm
eine bittere Kränkung widerfahren, und
unterbricht ihn mit der Zurechtweisung:
.Regierungsrath, wen» ich bitten darf."
Einige Jahre später abermaliges Z».
sammentrefsen der beiden College». Z.
redet sS). mit ,H«rr Regierungsrath»
»n. Abermalige Verstimmung des Au
— wenn ich bitten darf." Wieder sink
fünf Jahre vergangen und wiedor tref
fen sich die College» und X. ruft: „Ah.
sieh da, der Herr Ober-Regierungs
rath!" „Geheimer wenn ich bitte»
darf/' Als sich die beiden Herren dann
in der Gesellschaft zum vierten Mal«
begegneten, war der geduldige!. de,
Zurechtweisungen müde und sah übe»
U. weg. als ob dieser Lust sei. „Si«
scheinen mich nicht mehr zu kennen,"
in vorwurssvollem Tone. „O ja,"
erwiderte 5'., .ich kenne Sie sehr genau,
aber ich werde mich sehr hüten, Sie je
mals wieder anzureden, denn der Henke«
mag wissen, was Sie in der Zwischen
zeit geworden sind."
Aus den Vorträgen des
Professors. „Bei solchen Einschnit
ten, meine Herren, wenn sie noch fo schön
heilen, bleibt immer eine Stelle, welch«
der Heilung hartnäckig widersteht" (will
mit der Sonde eindringen), „und auch
diese ist schon vollständig geheilt!"
„Meine Herren, S/e werden natürlich
nicht den Magen und Darm eines nen
geborenen Kindes zur Demonstration
benutzen, sondern etwa den eines Schläch
termeisters oder eines anderen fleisch
Herren! Indem ich Ihnen zum neuen
Jahre meine herzlichsten Glückwünsch«
darbringe, wende ich mich zu den Ein
geweiden nnd lege Ihnen den Magen
eines SchnapssäuserS vor." „Vo,
drei Krankheiten, meine Herren, warn«
ich Sic besonders: es ist die Tuberkulose,
Typhus und das Kindbettfieber.-