Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, April 16, 1891, Page 2, Image 2

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«ch. Du lieber «««»stink
/ So allgemein gang und gäbe überall
k Deutschland Text und Melod,e die
se» volkSthümlichen Musikstückes, wel
che» bis vor Kurzem noch aus keinem
Repertoire eines Tanzbodenorchester»
fehlte, auch sein mag, so wenig bekannt
dürste den weiteren Kreisen der Ur
sprung und der Verfasser des mehr al»
zwei Jahrhunderte alten Gassenhauer»
sein. Der Name de» Komponisten und
Dichters ist Augustiii Marx, geboren zu
Wien 1643, gestorben daselbst am
Schlagfluß den 10. Oktober 170 S. Als
Sohn eine» SchankwirthS hatte er sich
neben der Pflege der Musik reckt leicht
sinnigen, dem Trünke nicht abholden
Leben ergeben; er war eine echte feucht
fröhliche SpielmannSnatur. Eines
Abend» so erzählt Otto Benecke, der
kürzlich verstorbene Verfasser Hambur
ger Geschichten war unser Augustin
wie gewöhnlich mit guten Gesellen in
einer Vorstadt Wiens bei Spiel, Ge
sang und Becherklang so lustig gewesen,
als wären die gerade obschwebenden,
höchst betrüblichen Zeitläufte der bösen
Pestilenz vom Jahre 1579 für ihn gar
nicht vorhanden. Beim Bezahlen der
Zeche stellte es sich heraus daß An
gustin» Geldbeutel nichts reichte, weS
halb der Wirth seines Gastes WammS
«US »»fand zurückbehielt.
AtS der lustige Musikante sodann
durch Sturm und Wetter heimwärts
schwankte, verlor cr sowohl Stock wie
Hut, und behielt nur seine sorgsam um
klammerte Geige. In seiner Weinse
ligkeit gerieth Augustin obendrein auf
einen Abweg, schwankte zum Thore
hinau» und gelangte in die Nähe der Pest
grube, in welcher sämmtlicher Kummer
und Abfall der Stadt abgeladen wurde,
und wo auch zu damaliger Pestzeit di«
an dieser schrecklichen Seuche Verschie
denen eingescharrt wurden. AhnungS
lo» marschirte der seiner Sinne nicht
mehr mächtige diesem entsetzlichen Loche
»u; da» Wetter war neblig und feucht,
die Nach» stockfinster, nur wenig,
Schritte noch, und Augustin stürzte in
die jähe Tiefe hinab. Zwar kam er
unversehrt unten an, mußte aber beim
Erwachen aus seiner ersten Betäubung
erkennen, daß er im widrigsten Morast
saß und an eine Selbstbefreiung aus der
mit steilen Wänden versehenen Grube
nicht zu denken war. In dieser häßli
chen Situation tröstete den humorvollen
Musikanten der Gedanke an seine ge
rettete Geige. Ton- und taktfest ergriff
er das Instrument, entlockte ihm an
fangs einige wehmüthige Klagetöne,
welche aber alsbald in ein munteres
Scherzo übergingen. Mit Hellem Bän
telfängerton, seine eigene Lage parodi
rend, begleitet von den Tönen seine»
.Violine, sang er das bekannte Lied:
Ach, du lieber Augustin, Alles ist weg,
weg, weg,
Ach, du lieber Angnstin, Alles ist weg,
Kock ist weg, Stock ist weg. Augustin
liegt im Dreck,
vch, du lieber Augustin, Alles ist weg.
Spiel und Sang wurden seine Ret
tnng. Früh Morgens Vorübergehende
hörten die Musik aus der Unterwelt
«nd entrissen den Spielmann seiner ver
derblichen Situation. Die unter so
sonderbaren Verhältnissen entstandene
Melodie sammt Text hat ihren Verfas
ser um Jahrhunderte überlebt, und noch
heute gibt es kein Kind, das die lustig
wehmüthige Weise nicht kennt.
Gt«e Ja«d«eschtchte.
„Eine niederträchtige Geschichte Pas
sirte mir, als ich noch Unlersörster
war —" erzählte am Stammtisch der
alte Oberster Wahrmund. „und
sch will gleich Kraut und Loih für alle
Zeiten abschwören, wenn sie nicht wahr
ist. Hatte ich da in meinem Revier
einen feisten Hirsch, der längst schon
zum Abschießen reis war. Endlich
kriegte ich die Ordre, ihn wegznpseffcrn.
Na, ich nehme meine Doppelbüchse und
geh' aus den Anstand. Richtig, bald
kommt mein Bursche, auf einer Geweih
spitze ein Blättchen Papier tragend, daß
er sich Gott weiß wo daraufgefpießt
hat. Ich knalle IoS Donnerwetter,
gefehlt! Mit eiuem Satze ist mein
Hirsch aus und davon. Der konimt
heute nicht wieder, denk' ich, und geh
heim, in vollster Wuth über den Fehl
schuß. Am andern Morgen bin ich
wieder da. Kommt da mein Geweih
träger so ruhig angeäst, als ob ich kei
nen Zwilling in den Hände» und nicht
in jedem Rohre eine Kugel hätte. Auf
der Geweihspitze hing noch imnter das
Stückchen Papier. Bums, krachte mein
Schuß.
Meine Herren, iu dem Momente
glaubte ich wirklich an Zauberei, denn
ich hatte ihn wieder gefehlt. Das war
mir »och nie passirt. Am dritte» Tage
das nämlicke Pech! Der Kerl schüttelt«
sein Geweih mit dem Papiersetzen or
dentlich 'öhnisch, als er aus und davon
ging, war völlig rabiat geworden.
Am vierten Morgen kommt mein Hirsch
wieder angeschlendert, immer noch mit
der verteuselten Papierzierdc. Kein«
vierzig Schritte vor mir wetzt cr scin
Geweih an einrm jungcn Baume, da geht
der Papiersetzen ab und im nächste»
Augenblick bricht der Hirsch in meinem
Feuer zusammen. Diesmal war'S ein
Kernschuß. Na, ich war doch neugierig,
was der Bursche auf dem Geweih ge
habt und hob den Fetzen aus. WaS
war'S? Ein altes, längst gezogene»
Braunschweiger LotterielooS. Nun ward
mir'S klar, warum ich keinen Treffer
machen konnte! Guten Abend, merni
Herren!"
C. Crome-Schwiening.
Milderung. ...Wie, Jlma,
Du hast Dich von dem Lieutenant küs
sen lassen?" „Aber, mei» Gott —er
war ja nur in Civil!"
Beruhigung. Wirth (zum
Fremden, dem er soeben die Recknung
überreicht hat): „Wie, die finden Sic
unverschämt Da hätt' Sie ja der
Schlag getroffen, wenn jetzt g'rad' Sai
son wär I"
„Ein «ck»l»g."
Die Ferien neigten sich dem Ende zu.
Der letzte freie Sonntag war angebro
chen; morgen sollten die Schulen wieder
beginnen, die Züge waren überfüllt,
und schwerbepackte Droschken rasselten
über die Ströhen. Guirlanden von
grünen Zweigen und Stockrosen prang'
ten an den Thüren, die Köchinnen hat
ten ihre vergnügten Mienen aufgesetzt,
um erst nach der Taxirung der mitge
brachten »Robe- endgiltig ihre Mei
nung zu äußern.
Mitten in die aufregenden Stunden
dieses Sonntags kam wie ein Blitz aus
heiterem Himmel eine Nachricht, welch«
die Bewohner des Städtchens in größte
Aufregung versetzte.
Am Marktplatze stand eine Gruppe
„Großes Unglück, schreckliches Un
glück; haben Sie schon gehört? Kannten
Sie den alten Fassenhagen, den Jung
gesellen ?"
„Meinen Sie den Oberlehrer, das
Mitglied des Sänger-Vereins?"
„Ja, ja wohl, natürlich, keinen An.
deren."
„Um Gotteswillen, was ist denn, ist
er todt?"
Ho schwirrte es von allen Seiten.
„Können sich darauf verlassen," be>
stätigte der Barbier Schäumig; „ich
fuhr soeben mit zwei Herren im Omni
bus von der Bahn. Was sagen Sie
nur zu Fassenhagen? sagte der Eine,
ist es nicht entsetzlich? Gewiß, ich sprach
ihn ja auch noch in Seeburg am Strande,
schaltete der Andere ein. Und nun
Abends ohne Besinnen kopfüber sich
hineingestürzt, rettungslos verloren.
Ich sage Ihnen, lieber Freund, ganz
Seeberg stand auf Stützen. So hörte
ich s von den beiden Herren, die dabei
auch noch lackten! Gefühllose Welt!"
Der Schuldirektor Kahlbaum wollte
sich Gewißheit verschaffen: er war ein
pedantischer Herr und erklärte den Um
stehende», daß er selbst in Fassenha
gen's Wohnung gehen würde, um Er
kundigungen einzuziehen. Er traf auf
Fassenhagen's Treppe den Vorsteher des
Gesangvereins, der leise „Es ist be
stimmt in Gottes Rath" gleichsam wie
zur Probe zwischen den Zähnen summte.
„Was sagen Sie nur?" sprach tief
bekümmert Herr Kahlbaum und zog die
Augenbrauen dabei fo hoch, daß von der
Stirn fast nichts mehr zu seben war;
„nun soll morgen der Unterricht begin
nen, da muß ich gleich, wenn es sich be
stätigt, Ersatz besorgen und an eine
stimmungsvolle Trauerseierlichkeit den
ken."
„Gewiß, gewiß,' brummte der Oberste
der Sänger, „na uns an uns soll es
auch nicht fehlen."
„Daß man vom Liebsten, was man
hat, muß scheiden," ließ er sich dabei
summenden Tones vernehmen.
Ein verstört aussehendes Dienstmäd
chen öffnete die Thüre.
„Können wir das alte Fräulein, die
Schwester des"
„Ach, Herrje, nein," wehrte das
Mädchen ab, „das Fräulein hat sich zu
Bett gelegt und hat die Kolik vor Auf
regung über die Nachricht; na, die jam
mert. Herr Gott, wie die Depesche
kam, da schrie sie auf und fiel um."
„Also wirklich todt?" fragte der
Sänger Anführer.
„Ne, es muß noch ärger sein. Das
Fräulein rief ja immer: „Schlimmer
als todt, schlimmer als todt," und dann
jammerte sie: „Ach, Gott, der Schlag."
»nd fing an zu weinen nud klagte, wie
sie gedacht, mit ihm ihr Leben zu be
schließen, und nun muß eS noch so
kommen."
Die bestürzten Herren entfernten sich.
Vor der Thüre blieben sie stehen und
sahen sich ernst fragend an.
„Noch schlimmer als der Tod. Sollte
am Ende der arme, unselige Mensch..
oder beim Baden in der See? Nun,
man wird ja hören."
„Aus Wiedersehen!" sang der Vor
steher mit so gefühlvollem Ausdruck,
daß ihm selbst die Thränen kamen, und
er beim letzt» hohen Ton über
schnappte.
Vor der Hausthüre trafen sie den
Lithographen Michels, der eiligst nach
Hause lies.
„Wohin so schnell, Michels?"
„Habe keine Zeit, Herr Direelor;
soeben Auftrag bekommen, die Karten
zu drucken für den Oberlehrer Fassen
hagen."
„So wissen schon?"
„Nanu, ich weiß es doch gewöhnlich
zuerst, das ist doch 'mal so. Adieu,
meine Herren,und nun gerade amSonn
tag", rief er im Davonlaufen, „gerade
am Sonntag—hundert Stück doch we
nigstens."
Der Stadtverordnete und Apotheker
Berghold stand vor der Thüre und lud
die Herren zu einem Tranerschnäpschen
ein.
„Also d«ch, also doch", sagte er und
wackelte mit dem kahlen Kops hin und
her, „hab' ihn gern gehabt, den seli
gen Fassenhagen; was mag's gewesen
sein?"
„Ein Schlag war'S", erwiderte der
Direktor. „Wir waren oben in der
Wohnung, da sagt» es uns das Mäd
chen, die Schwester soll untröstlich
sein."
„Wer mag sich der Sache nur so an
nehmen?" sorschte der Apotheker.
„Was meinen Sie, wollen wir nicht an
die Reffendes Verstorbenen depeschiren?
Ich glaubt, das sind die einzigen Ver
wandten, die müssen ohnehin bei See
berg vorbei/'
Vom Postamte sandten sie die De
pesche ab: „Spiritushandler Fassenha
gen, Neustadt. Kommt möglichst schnell.
Onkel plötzlich gestorben."
„So baben wir ivenigstens unser«
Schuldigkeit gethan", sagten die Drei
und schüttelten sich die Hände.
Nach einer Stunde ging der VereinS
diener eiligst durch die Straßen, mit
einer großen Liste bewaffnet, durch
welche die Mitglieder de» Vereins
.Sangeslust" aufgefordert wurden, »m
11 Uhr und dann wieder am andere»
Tage um 9 Uhr im VereinSlocale zu
Ehren des Sangesbruders Fassenhagen
einige Gesänge zu üben.
Der Gymnasial-Director ging in Auf
regung in den Hemdärmeln in seinem
Privatzimmer aus und ab und memorirte
mit umwölkter Stirne und drohender
Grabesstimme eine Trauerrede, die cr
morgen bei Beginn des Unterrichts in
der Aula halten wollte.
Der Schuldiener mußte schwarzen
Flor besorgen, um das Bild des seligen
Fassenhagen, das daselbst am Tage
seines fünsundjwanzigjährigen Dienst
jubiläumS ausgehängt worden war, zu
verhängen.
„Wie gut ist'S nun, daß er nicht ge
heirathet hat!" sagten die Damen beim
Kaffeekränzchen, das Nachmittags bei
Sanitätsrath Reumüller stattfand; „nun
säße die arme Wittwe da mit den Kin
dern und der schmalen Pension."
„Na, über die Jahre war er doch
wohl hinaus," sagten die Einen. „Ach,
den hätte noch heute manches Mädchen
genommen," meinten die Anderen.
„Und was wird nun die alte Schwe
ster sagen i nun hätte sie ihm schon ehe»
das Heirathen gönnen können."
„Er sah noch sehr gut aus."
„Und so schöne blaue Augen hatt«
er!"
„Und besonder? jetzt, wo cr den
Vollbart trug, war cr noch einmal so
hübsch!"
„Die Schwester des Hauptmannes
Earlsen, das blonde Fräulein Hedwig,
soll ihn sehr umschwärmt haben", meint«
ein Backfisch.
„Na, das hat sie jetzt bequem gehabt,
sie war ja auch in Seeberg," klatscht«
eine alte Jungfer.
„Wie lange werden wir frei haben?"
kalknlirten die Knaben unten auf dem
Platze mit nichts weniger denn traun
gen Mienen.
„Jedenfalls brauchen wir für Dien
stag nicht den Ovid zu übersetzen,"
triumphirte der Faulste.
„Paßt auf, Jungens, was wir für
ein Pech haben; er wird gerade am
Mittwoch Nachmittag beerdigt werden,
wo ohnehin keine Schule ist."
Das stimmte die Knaben bedeutend
herab.
Der Morgen brach an, der eine neue
Woche einläuten sollte.
Durch die grünen Wiesen und Felder
sauste der Courierzug in früher Stunde
dem Städtchen entgegen.
In eineni Coupee der zweiten Klasse
saßen drei Herren, die schon die halbe
Nacht mit einander gefahren waren.
Der Eine, ein anscheinend gut conser
oirter älterer Herr, hatte die Reisemütze
lies über das Gesicht gezogen, das von
einem dunkeln Vollbart fast bedeckt war,
und schien zu schlafen.
Die Beiden auf der andern Seite
Sitzenden hatten sich anfangs leise, dann
aber verständlicher unterhalten.
„Das war 'mal eine Ueberraschung,
Karl, als gestern die Depesche kam; ich
kaun mich noch gar nicht beruhigen."
„Ja, ja, lieber Franz, unverhofft
kommt ost; aber wär's nicht richtiger
gewesen, wenn wir in Seeberg ange
halten und uns ein bischen um den gu
ten alten Onkel bekümmert hätten?"
„Wäre ein rechter Unsinn gewesen,"
brummte der Erste; „jetzt haben wir
doch nicht mehr nöthig, vor ihm zu
katzcnbuckeln, ist mir manchmal bei
dem alten Pedanten höllig schwer ge
worden."
> „Mir wär'S nur angenehm, wenn
wir bis nächsten Mittwoch auf die Ge
schichte warten niüßten, da ist gerade
großes Dejeuner beim Stadtrath;
das könnte ich doch nicht mitmachen."
„Na, im Hinblick aus die Erbschaft,
d», —da könnte man schon ein Uebri
ges thun."
Der in der Ecke regte sich und zog
wie im Schlafe die Mütze tiefer herab.
„Weißt du was Genaue» über feine
Verhältnisse?" fragte der Erste nach
einem Weilchen.
„Er hat gut gespart, der Alte, das
kann ich Dir sagen: cr hat sich wohl je
eine Flasche Cliqnot gegönnt? Ehe er
das thut, kommt das Ende seiner Tage.
Na, an die alte Scharteke, unsere lieb«
Cousine, muß er ja zuerst denken
Uebrigens, da sind wir, Gottlob."
Der Zug hielt. Die beiden Herren
beeilten sich, das Coupe zu verlassen.
Nun erst raffte sich der Dritte auf, ord
nete seine Sachen und ging langsam
kopfschüttelnd vavon.
„Fast möchte ich wünschen, nur ge
träumt zu haben. Meine abscheulichen
Herren Neffen, die mich bei der Dunkel
heit in meinem Vollbarte nicht erkann
ten, haben sich ja in einem netten Licht«
gezeigt. Na, die sollen sich wundern,
wenn ich ihnen begegne!"
Verdrossen verließ er den Bahnhos,
sein Gepäck einstweilen dortlassend, und
ging nach seiner nahegelegenen Woh
nung. Dort klingelte er mehrere Male,
ehe des Mädchens schlürfende Schritte
erschallten.
„Wer da?" rief eS und der klein«
Schieber an der Thür wurde znrückge
schoben. Ein Auge blickte heraus, aber
im selben Moment, ertönte aus dem
Innern des CorridorS ein entsetzlicher
Schrei.
Fassenhagen. Oberlehrer Fassenha
gen, denn er war eS, blieb wie erstarrt
stehen.
„Ist die Alte verrückt geworden?"
murmelte er und zog wieder und wieder
erfolglos an der Glocke.
Hat vielleicht meine Schwester di«
Sache tragisch genommen und will mich
nun strafen und nicht hereinlassen?
Nun, mit der werde ich schon fertig wer
den Da bleibt mir ja nichts übrig,
als direct nach der Schule zu gehen.
Freilich ist'S noch früh, die Knaben
werden noch alle beim Morgengesang
sein."
Still war'S in dem düsteren Gymna
sium; der Unterricht schien bereits be
gonnen zu haben. Oberlehrer Fassen
hagen stieg langsam die ersten Stufen
hinauf; der Schuldiener stand auf sei
nem Posten, aber kein Wo« der Be
qrüßung ertönte. Geisterbleich, mit
schlotternden Knieen, mit allen Zeichen
des Entsetzens starrte er den Ankom
menden an und wich dann immer mehr
vor ihm zurück, mit bebendem Munde
lallend: „Alle guten Geister loben Gott
den Herrn."
„Der scheint den Sonnenstich gehabt
zu haben," meinte der erstaun'e Fassen
hagen und schritt nach der Aula.
Eine laute, salbungsvolle Stimme
idar zu vernehmen eS w.-.r die des
DirectorS.
Einen Augenblick hielt der Oberlehrer
an der Thüre an, dann öffnete er sie
leise, fast unhörbar, um nicht zu stören
und tritt hinter die zahlreich Versam
melten.
Die geschulte Stimme des Direktors!
hatte soeben ihre Schuldigkeit getban
und war, wie von Rührung übermannt,
gebrochen, das weiße Taschentuch irrte
über die trockenen Augen; dann begann
er von Neuem: „Und so hat ihn der
unerforschliche Rathschluß des Höchsten
in dem Augenblicke von uns genommen,
wo er, gestärkt durch das erfrischende
Bad, sich feiner fcgensreichen Thätig
keit wieder widmen wollte. Ja, du
edler, dahingeschiedener Genosse, du
treuer Fassenhagen "
„Wie beliebt?" erscholl eS aus der
letzten Reihe oer Trauer-Versammlung,
und mit sesten Schritten durchbrach der
als todt beweinte die dichte Schaa
und eilte zu dem wie ein Stein erstarr
ten Direktor.
Hätte ein Erdbeben in diesem Mo
ment die Stätte heimgesucht, wären die
Mauern eingestürzt, hätte eine Granate
in den Erdboden eingeschlagen die
Bestürzung, der nameulose Schrecken,
das Entsetzen hätte nicht anders sein
können.
Jetzt wischte der Direktor sich wirk
lich den Schweiß von der Stirne.
„Aber Mensch, Freund, Oberlehrer,
wie ist es denn möglich, dieser entsetz
liche Irrthum! Sind Sie es denn wirk
lich, oder ist es Ihr Geist?"
Er schüttelte ihm die Hände, er strei
chelte ihm die Backen, er bot ihm eine
Prise, die Kollegen umringten freudig
den Wiedergefchenkten, nur Doktor
Schwieter, der nächste zum Oberlehrer,
brummte enttäuscht: „Also wieder 'mal
Essig.« '
„O weh, nun muß der Ovid doch für
Morgen gelernt werden", fazte verdrieß
lich der bewußte Faulpelz.
„Heute ist frei, der Tag soll gefeiert
werden", bestimmte der Direktor.
„Hurrah!" riefen die JungenS.
„Kommen Sie, Fassenhagen, und Sie,
meine Herren, auf den Schrecken müssen
wir uns stärke», die Gambrinus Halle
ist nicht weit; unterwegs müssen Sie
ans erzählen."
In der Gambrinus - Halle, dem
Stammlokal der „Sangeslust", war es
trotz der frühen Stunde fchon recht leb
haft.
Im großen Saale wer große Probe:
„ —daß man vom Liebsten, wäS man
hat, muß scheiden, ja scheiden", so klang
es bis auf die Straße hinaüs.
„Der zweite Tenor singt immer zu
tief", rief der Dirigent ärgerlich und
klopfte mit dem Taktstock auf; „wenn
das der selige Fass»nhagen hört, so dreht
er sich im Grabe um."
Der lebendige Fassenhagen aber
machte die Thüre weit auf und trat ein.
„Muß scheiden", sang eben der Diri
gent vor, „b-a-A, b-a-A."
„Muß scheiden", erklang da ein kräf
tiger Baß von der Thüre und: „Ob
wohl doch nichts im Lauf der Welt, dem
Herzen, ach so sauer fällt", sang Fassen
hagen wohlgemuth weiter, mit festen
Schritten der verblüfft und entsetzt da
stehenden Sängerschaar entgegengehend.
Dem Dirigenten war der Taktstock in
der erhobenen Rechten stecken geblieben,
den Sängern die falschen und die rich
tigen Töne in der Kehle.
„Der selige Fassenhagen!" zitterte eS
von den Lippen des Apothekers.
„Ja, der selige Fassenhagen," ries
derDirector, „der uns, Gottlob, wieder
geschenkt ist, und den wir...."
„Herr Oberlehrer! Herr Oberleh.
rer!" rief'S in den Saal hinein, und
Lithograph Michels stürzte herzu, ein
Päckchen in der Hand schwingend. „End
lich hab' ich Sie gesunden. Hier bin
ich mit Ihren hundert Anzeigen. Na,
bin ich nicht pünktlich? Trotz der kur
zen Zeit alle fertig gemacht, nicht aus
der Thür gewesen."
„Hebt ihn auf den Tisch," befahl
Fassenhagen; „er soll zum Lohn dasür
auch sein Machwerk vorlesen."
Mit pathetischer Stimme klang eS in
die aufgeregte Versammlung hinein.
„Ruhe, meine Herren! Die Verlobung
seiner Schwester Hedwig mit dem Ober
lehrer Claudius Fassenhagen beehrt sich
ergebenst anzuzeigen Carlsen, Haupt
mann im .... Regiment. Zur Zeit
Bad Seeberg. Als Verlrtbte empfehlen
sich: Hedwig Carlsen, Claudius Fassen
hagen."
Wie ein verschämtes, glückliches
Mädchen stand der Oberlehrer da.
„Hurrah hoch!" riefen die Sänger,
oer Dirigent kommandirte einen alle
Befangenheit lösenden Tusch, und die
ganze Schaar brüllte darauf los.
AuS dem Nebenzimmer kamen er
staunte Gäste herbei, auch die zwei Rei
segefährten des Oberlehrers, die Ge
brüder Fassenhagen jun., welche sich erst
etwas stärken wollten, ehe sie den Gang
ins TrauerhauS antraten.
„Na, gestorben oder verlobt!" sagt«
gerade der Oberste der Sänger, ein
eingefleischter alter Junggeselle: eS fragt
sich nur, welches Unglück größer ist,
ich condolire, Bruderherz."
Und er umarmte den Oberlehrer.
„Nein, welche frohe Ueberraschung,
theurer Onkel!" stimmten die Neffen in
den Chor mit ein. „Empfangen Sie
unsere herzlichsten Glückwünsche, seien
sie überzeugt "
„Ja, das bin ich, Ihr beiden Ge
müthsmenschen und daraus werde ich
gleich Das thun, auf WaS ihr warten zu
müssen glaubtet, bis mein letzter Tag
gekommen ist. He, Kellner, Sect her,
Vsuvs vliyuot, damit Ihr Alle mil
mir anstoßen möget aus da» Wohl mei-
»er schönen, liebenswürdigen Braut;
denn daß Jhr'S nur Alle wißt und
meine Schwester soll eS noch in der
nächsten Stunde erfahren, ja, ich bin
Der, wofür Ihr mich gehalten habt,
ich bin nicht allein der — nein,
ich bin auch der selige Fassenhagen!"
Der
Ein Ehepaar, nicht jung mehr, fuhr
Einstmal in einem Bummelzug;
Sie sah beständig nach der Uhr,
Er las in seinem Taschenbuch.
„Wie langsam," rief sie, „geht e»
heut'!"
„„Mein Weib"", sagt schelmisch er zv
ihr,
„„Des Zuges Fahrgeschwindigkeit
Hängt ganz nlleine ab von mir!""
„Wie man nur so 'was sagen kann!...
Von Dir? Ha, ha, wie lächerlich!"
„„Du zweifelst glaubst, ich spräch'
im Wahn?
Nun gut, so überzeuge Dich!""
D'raus fing der bied're Ehemann
Mit einer wahren Herzensfreud'
Begeistert zu erzählen an
V v seiner allerschönsten Zeit
«Ser Zeit, wo er sein Ideal
In ihr, in ihr allein nur fand.
Wo ihm der Liebe süße Qual
Zuweilen raubte den Verstand
Wo sie, als Bräutigam und Braute
Zur Frühlingszeit im grünen Hain
Ties in die Augen sich geschaut
Und sich geküßt im Mondenscheii«.
Als er so sprach von seinem Glück,
Da wurde ihr das Herz so weit,
Sie träumte selig sich zurück
In ihrer ersten Liebe Zeit.
Bor Lust fing sie zu weinen an
Und glaubte wieder 'inig zu scin;
Er rückte dicht an e >eran
Und stellte das Erzählen ei».
Er brückte sie an seine Brust;
Sie herzten und sie küßten sich,
Und sie in heißer Liebeslust
Frug selig lächelnd: „Liebst Du mich?"
Es pfiff der Zug hielt endlich an;
„„Steig aus"", ries er, „„mein liebe»
Kind!""
„Ach!" seufzte sie, „mein süßer Mann,
Wie fuhr der Bummelzug geschwind!"
Der Wahrheit gemSß.
„Sie haben schon einen Krieg mitge
macht?" „Allerdings, schon in meiner
Jugend sind die Kugeln ost genug hart
an mir das war mir das
reinste Vergnügen".
IlevertriedeneS Ehrgefühl.
I M ?
Student Schmiß nannte sich neu
lich, wäbrend er mit sich selbst sprach,
einen Esel. DaS konnte er nicht auf sich
sitzen lassen, und am anderen Morgen
ging er mit sich IoS und brachte sich eine
Der große Chirurg K.
ist Hypochonder. „Mir macht nichts
mehr Freude," sagte er eines Tages zu
einem Berussgenossen: „nicht einmal
mehr das Abschneiden eines Armes oder
Beines.
Junggesellen - Jargon.
Alter Junggeselle: „Warum stehen denn
hier so viele Leute? Ist irgend was
loS?" „Ja, hier in der Kirche ist
eine Trauung!" „I was! Wie heißt
denn der Delinquent?"
TeufelSweta.
Wißt ihr auch, daß der Champagner
früher TeuselSwein geheißen hat? Die»
hat folgenden Grund: Der Erfinder
des Champagners war der Kellermei
ster in einem .Vt loster der Champagne. In
einem Herbst, als der Wein sehr gut
gerathen war, kam eS dem Pater Kel
lermeister in den Sinn, einen Versuch
mit Most zu machen, indem er solchen
in Flaschen füllte. Diese Flaschen stellte
er gut verkorkt aus den Kopf an der
Wand des Kellers entlang. Nun hatte
der Kellermeister einen Kater, der ihm
stets auf dem Fuße folgte und ihn auch
bei seinen Versuchen im Keller beglei
tete. Nach Verlauf einiger Zeit, als
der Kellermeister wieder dort hinab
stieg, legab sich folgendes:
Er setzte sich an seinen Versuchstisch
und nahm aus dem Schrank irgend ein«
Flasche, in welcher er eine Mischung
von verschiedenen Weinen gemacht hatte.
Sein Kater machte sich inzwischen im
Keller herum zu schaffen und strich an
Wänden und Gerätschaften herum.
Da plötzlich ein dumpfer Fall, gefolgt
von einem scharfen Knalle und begleitet
von dem kläglichen Miauen des Katers.
Höchst erschrocken sprang der Kellermei
ster mit einem „Alle gute» Geister
loben Gott!" in die Höhe. Doch mit
einem Blick hatte er die Sachlage be
griffen. Er sprang auf und griff die
am Boden liegende Flasche, welche ihren
Inhalt zischend von sich sprühte, am
Halse, verstopfte die Mündung mit dem
Daumen und ergriff ein Glas, welches
er mir dem Safte füllte. Wenn es nun
auch kein Mumm oder Veuve Cliquot
war, was der Kellermeister zu kosten be
kam, so war er doch anss Höchste er
staunt über den prickelnden Wohlge
schmack des Trankes. Er hielt sich am
Posten und als cr nun nochmals die
Flasche hob, war sie leer. Nun aber
kam ihm das Komische des Vorfalls erst
zum Bewußtsein. Lachend rief cr seinen
Kater, denn dieser war es gewesen, der
die Flasche umgeworfen und 112» die Ex
plosion verursacht hatte.
Natürlich brachte der Kellermeister
die übrigen Flaschen an einen Ort, wo
sie vor des Katers zartem Felle sicher
waren. Als nun der Kellermeister
nach einigen Tagen dem Prior, der
gerade Besuch hatte, einige Flaschen zur
Probe vorsetzte und er, während sie den !
Wein kosteten, die Anekdote mit dem !
Kater erzählte, geriethen sie alle in ein
unbändiges Lachen und nannten den
Wein Katerwein. Als aber nach einiger
Zeit der Uater spurlos verschwand,
munkelten einige von deu Mönchen, die
dem Kellermeister gram waren, mit der
Erfindung des neuen Weins müsse eS
mit richtigen Dingen doch nicht zuge
gangen sein, und der Kater wäre jeden
falls der Teufel gewesen. In Wahrheit
aber hatte einer von den Brüdern den
Kater abgemurkst. Diese Nach
rede verbreiteten jene nun mit solchem
Eiser, daß sie schließlich geglaubt wurde,
und so erhielt der Champagner den
Namen TeuselSwein. Ganz ungerecht
fertigt ist dieser Name nun auch nicht.
Und wenn man Champagner getrunken
hat, so ist man zu allerlei Tollheiten
ausgelegt.
Der Luxn« in Krantreich.
Paris ist meistens ein heißer Boden
für fremde Herrscher geweien, kaum
mehr als zwei glänzende Ausnahmen
lassen sich feststellen. Einen großartigen
und volkSthümlichen Empfang fand.
Josef 11. von Oesterreich, als er zum
Besuch seiner Schwester Maria Antoi
nette in der Seinestadt anlangte. Die
Verschwendung des Versailler Hofes
feierte damals ihre Orgien; aber auch
das Grollen der Revolution war bereits
vernehmbar. Unter den Höflingen war
es der neueste Modewahnsinn, statt der
Kilöpse lauter kleine Golduhren an Rock
und Gilet, die alle genau die Stunde
zelten, zu tragen. So ein Rock kostete
llatürlich ein Vermögen. Als nun
Joses II- in seinem schlichten schwarzen
Tuchrock mit eben solchen Knöpsen aus
trat, sagte -hm bei einer öffentlichen
Festlichkeit einer der Stadtväter von
Paris mit einem Anflug von Bitterkeit
das Volk, das Ihre Knöpfe bezahlt!")
ein Wort, das feither in Frankreich
zu den geflügelten zählt. Noch lebhaf
tere Freude aber und reicherer Glanz
begrüßten in Paris im Jahre 18SS die
Königin Vi tiria von England.
In Boiilogne erwartete Napoleon Ul.
seine hohe Verbündete, die er mit über
schwäiiglichcr Liebenswürdigkeit empfing
und nach Paris geleitete. Ohne Auf
enthalt ging die Reise von Paris nach
Saim-Cloud. Dort war sür die Köni
gin von England ein „Appartement"
hergerichtet worden, das ihre LieblingS
ziminer im Schlosse von Windsor bis
in die kleinste Einzelheit täuschend wie
dergab. Nur eine Abweichung vom
Original sand statt und die war wahr
haft kaiserlich. Älian hatte die kostbar
sten Gemälde aus den« Louvre entlehnt
und mit ihnen die Gemächer der Köni
gin geschmückt. Die Sache gab Anlaß
zu mehrfachen Auseinandersetzungen, da
die Künstler und Kunstsreunde der un
maßgeblichen Meinung waren, die
Kunstschätze seien nationales Eigenthum
und der Kaiser habe kein Recht, sie fort
zunehmen und zur Verschönerung von
St. Cloud zu verwenden. Aber der
Kaiser war damals allmächtig und ließ
sich durch solche Rücksichten am wenig
sten aushalten, wie er ja Zeit seines
Lebens den Unterschied zwischen Privat
kasse und Staatskasse nicht begreifen
konnte. Den Glanzpunkt erreichten die
zu Ehren der Königin Victoria gegebe
nen Feste in Versailles, wo die Aus
stattung des Schlosses, ein Ball und ein
feeuhaftes Feuerwerk weit über eine
Million Franken verschlangen. Nach
allen diesen Herrlichkeiten reiste die Kö
nigin ab und ließ sich von ihren Wirthen
versprechen, den Besuch bald zu erwi
dern. Der Gegenbesuch fand auch statt
—im Spätherbst 1870, nachdem du
ganze Napoleonische Herrlichkeit zusa»-
menaebrochen warl
Hör', Lorle, sell ischt nix, Du bleibscht
mer hier!
Sunscht schnal' i 'S Bündele und gang
mit Dir,
Wohin D' uur magscht, meintweg in'»
Pfefferland!
WaS hob' i g'sagt? Bin ino bei Be»
stand?
Sie merkt'S am End, wo'S ranS will.
und wird taub!
Denn leide kann'S mi nit, so viel t
glaub'.
Und wär's a Wunder? So viel groß«
Herrn
Mit Frack und Uniform und Ordestern,
Die habet's ir scho mengmol g'sagt, i
wett',
Sie sei zum Fresse schön und duderS
nettl
Und WaS bin i? A bettelarme Trops
Mit leerer Tasche und mit vollem Kops,
A Skribifax, a Liederfabrikant
So An und '» Lorle! —'S isch ,
wahriSchand!
Und doch es kommt mer oft so när
risch Zeug
In Sinn, so schön 'S isch besser, wenn
i schweig'!
Und dann dann mein i, daß am End
die Sach' .
Sich besser, als i ebe 'dacht hab', mah' I
Denn 'S Lorle hat nit blos a liebU
G ficht,
Au drin im Köpfle fehlt cr 's Bescht«
nicht,
Der Schmetterling mit weichem Flügel-
Paar,
Dem jede? Bliemli dient als Betaltar,
Der über Rosebluost und Duft vergißt.
Wie kurz der Frühling und der Som
mer ist.
Kenn'scht Du de Vogel? Freud' am
Schöne heißt er.
Und wer den hat, ist in der Kunst eu
Meister!
Drum, Lorle, wirfcht mer's au nit übel»
nehme,
Daß i eS wag' i sollt mi wohrll
schäme
I hab' an Dich a große, große Bitt'
Versprich mer'S glei I Du thuoscht eS Z
Over nit?
Ich hätt' vo Dir so gern a
Daß, wenn i schreib', Du immer wärjcht
derbei,
Grad wie lebendig, wie a Baum iu
Säst,
Das Dirnle, drein i mi scho lang ver
gafft.
Wenn denn der Vers amol nit weiter ka.
So schau i blos Dei herzig's Bildle a.
Da fallen mir so viel schiine Sachen ei.
Daß i net z' Schlag komm mit der
Schreiberei!
Gelt? thuoscht merS z' lieb? Am Bescht«
wär's am End,
Wenn i das Bildle selber hole könnt'!
Wenn Dumir'S thätschtmit Deine eigne
Hände
Als FriedeStänble für mei Arche spende!
Ufld bei der Gelegeheit sah' i 's so nett,
Ob Dir der Photograf net gschmeichelt
hat!
Doch nix für unguot! Mach'was d'
willscht, doch bald
Der arme Sünder mag kei Aufenthalt;
Biel lieber sei ihm glei das Urtheil
gsproche.
Und über seinem Kops das Stäble broche.'
Am Bergesgipfel.
Wie liegt die Welt so jung und schön.
> So neu gebacken, frisch gebuttert,
so frei und spiegelklar die Höh'n,
Die Thäler so entjchwiegermuttert.
Johannistrieb, Eine»
Serliner Berichl erstatter geht folgend«
Nachricht zu: Standesamtlich ansgeb»-
!en wurde in diesen Tagen in Berlin
!in Paar, welches länger als SU Jahre
nit einander verlobt gewesen ist, und
ivird die Trauung dieser beiden „LiebeS-
Leteranen" —er ist 79, sie 73 Jahr»
ilt—.Mitte nächsten MonatS stattfin
den. Sehr interessant ist die LiebeS
jeschichte des zukünftigen PaareS. Im
Zahre 184» verlobte sich der Gutsin
lpektor eines bei Berlin belegenen Gu
tes, Herr R., mit der Tochter eines dort
vohncnden Beamten F., die Verlobung
vurde jedoch in Folge eines Streites,
>en der Bräutigam mit seinem Schmie
zervater hatte, rückgängig gemacht und
Seide sahen sich sünsJahrzehnte hindurch
,icht wieder. Kurz darauf wanderte
K. nach Amerika aus und sollte wie e»
hieß, hier gestorben sein. Die Braut war
«ach dem Ableben ihrer Eltern von
Lerlin verzogen und als der todtgesagte
Anfang der 80er Jahre als wohl
habender Mann in die alte Heimath
>urücklchrte, hörte er, daß seine Ver
lobte, die cr noch immer nicht hatte ver
gessen können, glücklich mit einem An
zeren verheirathet sei. Dies war aber
licht der Fall, Fräulein F. lebte in de?
Tbat bei einer dort wohnenden Schwester
and verkehrte in letzter Zeit viel in der
Zamilie des in der Königgrätzerstraße
vohnenden Professors L., mit welcher
lie befreundet war. Durch Zufall traf
iie dort vor einigen Monaten mit ihrem
irüheren Verlobten, der in Potsdam
»ls Rentier lebt, zusammen; Beiden
ichienen die. gegenseitigen Namen nicht
»nbekannt zu sein, denn nach einigen
Zragen entwickelte sich zwischen den bei
>en alten Leuten ein so intimes Ge
ipräch, als wenn sie sich schon seit Jahr
zehnten gekannt hätten. Und dies war
luch so; Braut und Bräutigam hatten
ich wiedergefunden, und die Folge des
Wiedersehens wird die Vermählung des
ireifen Paares sein.
Aus der Wahlzeit. Nach,
»ar (zum Laiidtagscandidaten des
k'schen Pommerschen Wahlkreises):
l!u, der Bauer Jahnsen wurde eben
rwischt, wie er Dir einen Sack Kartof
eln stehlen wollte. Um Himmels
villen, lass' ihn ungeschoren I Sonst
oählt er mich nicht.
Bevorzugung. Wirth:
.Johann, schmeiß' die drei Kerl' dort
»iuauS Aber den an der Wand zu
etzt da'> ist ein Stammgast!" . ,