Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 26, 1891, Page 2, Image 2

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«t» «oheimltcher
In einem Waggon der Eisenbahn
»on Paris nach Bordeaux halten zwei
Herren ein Gespräch angeknüpft. Wie
rS schien, fanden sie Gefallen an der ge .
genseitigen Unterhaltung, denn in der
Hauptstadt der Gascogne angelangt,
dinirten sie zusammen und erzählten
»inander ihre Angelegenheiten. >
„Ich", sagte der Eine, „reise in Flock-
seide. Der Handel geht! ein Jahr in S
andere verdiene ich nebst den Spesen
me,n« 4000 Francs. Und Sie, ohne .
»«bescheiden sein zu wollen, sind S» i
»uch ein Reisender?" i
„Ich bin Reisender." 1
.Leusel! ich weiß wahrhaftig nicht, .
ob es gibt Leute "
„Ei was! meinelhalben reisen Sie,
tn was Sie wollen. Verdienen Sie ,
-iel?" >
.So ziemlich."
„Wie viel ungefähr?" <
„Ungesäbr 80,000 Francs jähr- -
luh."
.Hoho! warum reisen sie denn?"
„Sehen Sie, mein Lieber, man thut,
was man kann; ich reise sür Diebstahl,
Mord und Vergiftung, je nach Umstän
den —"
Der Seiden-Reisende wurde stutzig.
„Sie begreifen, fuhr der andere fort,
.daß ich auf Ihre Verschwiegenheit
zähle. Uebrigens seien Sie unbesorgt,
bis jetzt bin ich mit meinen zahlreichen
Händeln vor den Gerichten immer gut
weggekommen."
.Mein Herr —"
„Und überdies. Freunden schade ich
«ie, und Sie gefallen mir. Versuche«
Sie doch diesen weißen Wein."
.Ich danke recht sehr."
Der Seiden Reisende, erst so redselig,
war ganz stumm geworden. Gern wär<
er geflohen, aber eS war unmöglich; dei
Reisende sür Diebstahl und Mord wich
nicht von seiner Seite. Er installirtl
sich bei ihm, nannte ihn „mein Lieber",
«s war rein um toll zu werden.
Endlich langte man in Toulouse an.
Der Seidenhändler beeilte sich, sein«
Habe zusammenzuraffen, um weit von
dem furchtbaren Gefährten zu fliehen
ihm zu entgehen als er plötzlich einen
wohlbekannten Namen nennen hört.
Sein Reisegefährte war Jule-Z Favre.
Ädvokat und Deputirter zum gesetz
gebenden Körper, welcher sich nach dem
Süden begab, um in einer Mord- uui
Waubangelegenheit vor den dortigen
Berichten zu plaidiren.
In der ungariichen Aka
deinie in Pest hielt Aladarßallagi diese.
Tage einen Vortrag über die Eheschlie
ßungen in Ungarn im siebzehnten Jahr
hundert, dem wir folgende Mittheilun
gen entnehmen. In den höheren Krei
den kam der Grundsatz der Erhaltung
des Geschlechts und des Vermögens
vorzugsweise zur Geltung. Zahlreiche
Beispiele beweisen, daß die beiden für
einander auserfehenen gehorsamen Ge
schöpfe sich unbedingt dem Willen de:
Eltern fügten, auch ohne einander noch
gesehen zu haben. Die sonst übliche
Hrautschau aber hatte kaum einen an
deren Zwra, pss den, daß die einander
zugedachte» welche m der
sich hier zum ersten Male begeg
neten, wenigstens einige Worte wechseln
konnten, ehe sie den ewigen Bund schlös
sen. Stach der Brautschau sendet die
Familie des Jünglings ein angesehenes
Mitglied als Brautwerber zur Familie
des Mädchens. Im Falle eines gün
stigen Bescheides wird der Zeitpunkt der
.Handreichung" oder Verlobung durch
Mlngwechscl festgesetzt, bei welcher Gele
genheit der Priester die Verlobte» ver
mählt, die von da an Ehegenossen sind,
aber noch nicht zusammenleben. Die
Braut bleibt nach der „Handreichung"
noch eine geraume Zeit, zuweilen noch bis
zu zwei Jahren lang, daheim, und ist
Frau im Mädchenstande. Der Bräuti
gam und seine Verwandten setzten end
lich den Hochzeitstag fest. Die Hochzeit
wird in allen Ständen mit möglichster
Pracht vollzogen. Den Neuvermählten
werden hierdurch große Kosten aufer
legt, so daß z. B. dem reichen Grasen
Nikolaus Bethlen nach seiner Hochzeit
«licht mehr als 25 Gulden übrig blieben
Die Gäste erscheinen mit einem großen
Troß von Dienern und unzähligen
Wagen. Bei der Hochzeit der Gräsin
Earbara Thurzo mit dem Grasen
Christoph Erdödy kamen die hohen
Gäste mit einem Gefolge von 2621 Per
sonen und 4234 Pferden. Sie vertilg
ten 40 Ochsen, IS Kühe, 140 Kälber.
LSO Lämmer, 200 Schweine, 30 Auer
»chsen, 30 Rehe, 1400 Hühner. t>ooo
Eier u. s. w., serner 050 Eimer Wein
und 395 Eimer Bier.
Kleide rmode in China.
Man kann sich nicht vorstellet», aus wie
»ielen Abtheilungen nnd Unterabthei
lungen die Kleidung der Chinesen be
steht, jede Jahreszeit bringt einen Wech
sol der Tracht mit sich, und dieser durch
Gewohnheit eingesetzte Wechsel wird von
den anständigen Chinesen ebenso unver
brüchlich gehalten, als die Borschrist der
Mode von unseren Damen mit dem
Unterschiede, daß die Mode in China
keinen Einfluß hat und der Kleider
schnitt des Großvaters nnd Vaters auch
am Kleide des Sohnes und Enkels zum
Vorschein kommt, nur die Faoon der
Mützen und Schuhe wechselt beinahe
jährlich. Jedoch darf man nicht wäh
nen, der Wechsel der K leider beim Wech
sel der Jahreszeit sei eine Sache de,
Liebhaberei. Sobald die bestimmte Zeit
eintritt, verkündet ein kaiserlicher Befehl
dem Volke, daß von diesem Tage an die
FrühlingSmützen mit den Sommer
mützen, oder diese mit den Herbstmützen
vertauscht werden müssen.
—Hn gleichem Styl. Ein
»«garischer Graf und ein dickselliger
Wiener Bankier befinden sich im Bou
ooir einer Tänzerin und warten mit
Ungeduld, daß der Nebenbuhler sich
mtserne. Endlich ruft der Ungar aus:
.Mein Herr, Ihr Dasein sein ein sehr
llendiges." Ruhig erwidert der Ban
,mer: „Herr Graf, Ihr Dasein sein
«! sehr versehltige?."
»t« Schutz.
Die ganze Stadt war in Aufregung
über den Selbstmord des Grafen Lier
stadt. In den Zeitungen standen spal
tenlang« Berichte voll vager Vermu
thungen und kühner Combinationen,
abenteuerliche Gerüchte, geheimnißvolle
Andeutungen liefen von Haus zu Hans,
man disknlirte da? Senfationsereigniß
auf den Straßen, in den Restaurants
und CafeS, man sprach von nichts ande
rem in den Clubs, während der Zwi
schenacte in den Theatern, die Gesell
schaft machte förmlich einen Sport aus
den Versuchen, den Gründen des tragi
schen Ereignisses auf die Spur zu kom-(
men; aber es blieb beim Vermuthen,
Combiuiren, Achselzucken, Kopffchüt
teln, Niemand fand den Schlüssel zu
diesem Räthsel, das der Tod des Gra
fen der Residenz aufgegeben hatte. Di-
Geschichte war aber auch zu sonderbar.
Ein Cavalier, der Erbe eines Majorats,
gesund, reich, jung, geistvoll der Löwe
aller Salons, der Liebling der Frauen,
ein Mann, der von Allen beneidet und
dabei sonderbarerweise doch von Nie
mandem gehaßt wurde, der sich in reich
bewegter' Jugend, aus ausgedehnten
Reifen frühzeitig eine sarkastische Über
legenheit erworben hatte, ohne dabei
stilinps und lebensmüde geworden zu
sein, der von den Menschen nichts for
derte, nichts erwartete nicht Tank
barkeit, nicht Treue und gegen jede
Enttäuschung gefeit sch'en, solch ein
Mann, zum Leben geschaffen, schafft sich
ans dem Leben.
An einem Tecembermorgen kommt er
aus dem Elub, wo er mit merkwürdig
nervöser Lustigkeit tolle Reiseerlebnisse
erzählt und im Baccarat eine Menge
Geld gewonnen hat, heim in seine
lunggesellenwohnttng der alle Bett
ler an der Ecke des Hauses hat ganz
deutlich gesehen, wie er eine Zeit lang
zögernd vor dem Hausthor auf- und
abging und mit dem Stocke dazu auf
den Steinfliesen den Takt klapperte,
zehn Minuten später kracht ein Schuß
und wie der Diener, aus dem Schlafe
geschreckt ins Zimmer seines Herrn
eilt, findet er den Grafen lang ausge
streckt aus dem Teppich, den Revolver in
der Hand, einen Tropfen Blut an der
durchschossene» Schläse, todt!
Drei Tage darauf >.urde der Gras be
graben.
Es war bitterkalt, aber die Mitglie
der des Clubs hatten eS sich doch nicht
nehmen lassen, ihrem Freunde vollzäh
lig das Geleit zu geben. Die Sache
ging durchaus uicht sehr feierlich vor
sich, der Gras hatte immer gewünscht,
seinen letzten Weg wenn irgend möglich
in scharsei» Trabe zurückzulegen weil
er die Menschen nicht gern belästigte
oder lange aufhielt und so geschah eS
denn auch.
Draußen sprach der Priester eiu kur
zes, frostiges Gebet, während die Club
mitglieder trippelnd und händereibend
im Kreise herumstanden, und daun ging
es höchst eilig zum Lierstadt'sche» Erb
begräbniß; eS sah ungemein eigenartig
ailS, wie alle diese schwarzen Gestalten
zwischen i>e» schneebedeckten Grüberrei
hen dahinwandelteit.
Je weiter der Zug kam, desto mehr
glich sich der Contrast der Farben ans,
Schnee nn»n!erbr?ch?n hernie
derricjelte und all' diese schwarzen Cu
linder, schwarzen Röcke, schwarzen Hand
schuhe nach und nach immer dichter mit
zarten, weißen Sternen bedeckte. Nur
Wenige warfen ein vaar Handvoll Erde
in die Grube alle Wetter auch! man
nimmt bei solchem Jammerwetter nicht
gern die Hände aus den Taschen—dann
griffen die Schaufeln ein und taktmähig
steten die halbgefrorenen Schollen.
Unter den zahllosen Blumenspenden,
die bestimmt waren, auf dein winter
lichen Grabe einen schnell welkenden
Sommer der Liebe erblühen zu lassen,
erregte besonders ein 5! ranz allgemeine
Bewunderung, ein ungeheurer, kostba
rer Kranz. zusammengesetzt aus lauter
kleinen Veilchenbonquets, deren jedes in
seiner Mitte eine kleine gelbe Rose trug.
Eine Stunde später war die ganze
Trauerversammlung bereits wieder im
Club eingetroffen.
Ueber die grünen Tafeln rollte das
Gold, die Karten raschelten, durch die
feierliche Stille der Säle tönten mono
das „rit.'» »o '» plus" des Banquiers
schade, daß Lierstadt nicht dabei sein
konnte, der hätte erst rechten Zug in die
Sache gebracht. Nur ein kleiner Kreis
betheiligte sich nicht am Spiel. Ab
seits, in der trauliche» Fensternische,
Verstorbenen noch einmal alle möglichen
Ursachen des traurigen Ereignisses, bis
ichließlich, nach einer lauge» Zeit trüben
schweigsamen ZuHörens, der lange Ba
ron Waldburg, Intimus,
der auch die Sichtung und das Ordnen
seiner Papiere übernommen hatte, das
Wort ergriff.
„Ich will nicht, meine Verehrten,"
so fagle er, „daß die Erinnerung an
unsern Freund durch einen Schleier
thörichter Sage» verhüllt und wohl gar
getrübt werde, deshalb ziehe ich vor,
Euch mitzutheilen, was ich vou der
Geschichte weiß. Ich war Lierstadt's
einziger Vertrauter, und das Wenige,
was er mir verschwiegen, hat mir gestern
sein Tagebuch erzählt."
Ei» allgemeines „Ah!" des Erstau
nens, der Spannung ward hörbar,
die Herren legten ihre Cigarretten bei
Seite und zogen die Sessel nähe,
heran.- -
Nach einer kleinen Pause der Samm
lung, während welcher man das „nnc
»vieler aus dem Salon herübertönen
Höne, begann Waldburg:
> Es ist immer ein Unglück, sich in ein«
> Schauspielerin zn verlieben, und dieses
Unglück steigert sich noch, wenn du
Betreffende zufällig absolut tngendhast
ist —"
> „Gibr's denn s» Eine!" warf bei
kleine Attache Baret vou der franjö
fischen Gesandtschaft vorlaut
scheu.
Waldbnrg maß ihn mit einem ern
sten, zurechtweisenden Blick:
„Für diese Frage, Barel, würde Sie
unser verstorbener Freund wahrscheinlich
gefordert haben. Ich spreche von der
Mara, der jungen Heroine unseres Hos
theaters. Wir alle wissen genau, daß
sie ebenso schön wicnnnahbar ist, und eS
gibt hier wohl Niemanden, der es wa
gen würde, ihr mit minderem Respekt
zu begegnen, als irgend ciner Dame der
besten Gesellschaft. Der Blick ihrer kla
ren Augen, der milde Ton ihrer Stim
me, die ruhige Hoheit ihres gauzen
Wesens das Alles übt eine seltsame
Macht, die den Kühnsten entwaffnet,
einen merkwürdigen Zauber, dem sich
auch der frivolste Zweifler niemals zu
entiiehen vermag....
Sie Alle, meine Herren, lesen seit
Jahren in den Zeitungen, mit wie selbst
loser Hingabe die junge Künstlerin sich
den Werken der Mildthätigkeit und der
Nächstenliebe widmet, sie ist der gute
Engel ihres Bezirkes, es gibt dort kei
nen Arme», der unbeschenkt von ihrer
Tbür gegangen wäre, keinen Kranken,
dem sie jemals Hilse und Pflege versagt
hätte. Dabei kränkt es sie, wenn die
Oesfentlichkeit von ihren Samariter
diensten Notiz nimmt, sie verschmäht eS
durchaus, damit Reklame zu machen,
sondern geht sanft und bescheiden ihren
Weg. durch einen zitternden Händedruck
des' Dankes, durch ein Aufleuchten der
Freude im Auge eines Bekümmerten
mehr beglückt, als durch den Beifalls
jubel der Menge.
Als Liersladt vor drei Jahren in
unsere Residenz kam, wurde er sofort
von der künstlerischen Eigenart dieses
jungen Mädchens aus das Lebhafteste
intcressirt. Sein scharses Auge ent
deckte in den damals noch unfertigen
Leistungen der Novize ein großes ent
wickilnngslrästiges Talent, und mit dem
Behagen des Kenners verfolgte er von
feinem Stammsitz aus Sie wissen an
der rechten Ecke der ersten Parquetreihe
dessen überraschend schnelle Entfal
tung. Allmählig wurde in ihm das
Interesse an den Fortschritten der
Künstlerin immer reger, immer leb
hafter, er besuchte das Theater schließ
lich regelmäßiger als den Club. — Sie
verstehen, was das sagen will und
eines schönen Tages, er war am Abend
vorher von der Leistung seines
lingS nicht sehr erbaut gewesen, kam er
aus die Idee, ihr anonym eine - kurze
Kritik zu senden und ihr auf diele Weise
seinen wohlgemeinten Rath zugänglich
zu machen. Gespannt wartete er aus
de» E.solg, Am nächsten Abend spielte
Maria die gleiche Rolle in völlig ver
ändertem Tone, sie hatte die Rathschläge
der anonymen Kritik befolgt.
An die Taille der Robe geheftet trug
sie gleichsam ein stummer Dank für
ihren unbekannten Freund jenes be
scheidene Sträußchen, eine von Veilchen
umgebene Rose, das Lierstadt seinem
Schreiben beigegeben hatte.
Von nun an erhielt Mara am Mor
gen nach jedem Austreten eine kurze
ehrliche Kritik, voll treffender Bemer
kungen »nd nützlicher Winke, begleitet
von einem jener kleinen, zierlichen Veil
chensträußchen, iininer enger, immer
intimer wurden die seltsamen Beziehun
gen zwischen der Künstlerin und ihrem
unbeiannien Lehrer. Wenn der Gras
im Theater saß und regungslos, mkl
brennenden Angen dem Spiele Maras
folgte, da fühlte er, daß er Theil habe
an ihrer Knnst, ihren E.rsolgen, an ih
rem ganzen Wesen. Dieser zündende
Blick ans den großen, graublauen Au
gen, diese runde Bewegung des vollen
Armes, dieser leidenschaftliche Aufschrei,
das alles war sein Rath, sein Werk und
ost, wenn das Haus erdröhnte vom
stürmischen Beifall der Menge, schien es
ihm, als glitten ihre Blicke suchend an
den Logen entlang, um ihn zu finden,
an den sie die schwere Schuld ihres
Dankes abzutragen habe. Lierstadt
wich ängstlich jeder directen Begegnung
mit der Künstlerin auS. Er sühlte, daß
sie langsam von seinem ganzen Wesen
Besitz ergriff, daß seine Stimmung völ
lig von den Erfolgen abhing, an Tagen,
an denen sie nicht austrat, ertappte er
sich dabei, wie er—ganz willenlos einem
bcniußten Drange folgend—der Straße
zuschritt, i» der sie wohnte, weil er das
Bedürsniß empsand, sie wenigstens
flüchtig zu sehen.
Und eines Tages traf er doch mit ihr
zusammen, auf einem jener großen lang
weiligen Routs, bei deuen die meisten
Gäste kaum wissen, wie der Hausherr
aussiehter näherte sich dem kleinen
Kreise, den sie vollständig beherrschte,
und hörte, wie sie erzählte —von ihrem
geheimnißvollcn uubekannten Lehrer,
ivie sie das brennende Verlangen kund
gab, ihn kennen zu lernen und lachend
eine Prämie aussetzte für den glückli
chcn Finder.
, Da rannte er spornstreichs davon
wie um einer drohenden Gesahr zu ent
gehen, stürmte aufgeregt durch die
schneebedeckten Straßen, nannte sich
einen charakterlosen Narren, einen
Dnuiüikops, und gab eZ schließlich aus,
»och länger gegen sich selbst zu kämpfen.
befestigt.
„Ah, bravo!"
Dieser Zwischenruf kam von dem
kleine» Baret. Die Herren rückten
noch näher an den Erzähler heran
das neue Stadium der interessanten Ge
schichte lag ihrem Verständniß angen
scheiiilich viel näher, als die vorherge
hende» Phasen.
„DaS hat Lierstadt wieder einmal
sehr vl>i<- gemacht!" bemerkte Einer.
Waldburg sah den jungen Mann
ionisch von der Seite an.
„Meinen Sie? Nun Lierstadt er
hielt die Agraffe natürlich umgehend
zurück und war vernünftig genug, sich
feines plumpen Fehlers gehörig zu
schämen. Er ließ sich bei der Künstle
rin melden und bat demüthig nm Ver-
zeihung. „Ich habe Ihnen zu viel zu
danken," entgegnete ruhig Mara, „als
daß ich Sie mit eigensinnigem Grofl
quälen dürste, und ich kenne die Gesin
nung meiner Kolleginnen gut genug,
um Ihren Irrthum begreiflich zu fin
den. Wenn Sie mir Freude bereiten
wollen, so bleiben Sie bei Ihren Blu
menspenden. Um Gotteswillen keine
Wagenräder, keine kostbaren Körbe
aber diese zierlichen Veilchenbündel mit
der gelben Rose, die würden mir fehlen.
Da sehen Sie das war das erste."
A»S einer Ebenliolzkasseltc nahm sie
den kleinen getrockneten Strauß und
legte ihn in die Hand deS Grafen.
Lierstadt war kein sentimentaler
Schwächling und doch konnt« er seine
tiefe Bewegung kaum bemeistern, als die
morschen Mätter zwischen seinen Fin
gern knisterten, als der leise Moderdust
dieser im Reliquienschrein eines schöne»
Weibes hingewelkten Blumen leise in
ihm ausstieg.
„Aus gute Freundschaft!" sagte die
Mara und bot ihm ihre Rechte. Der
Graf fchlug ein.
„Auf gute Frcuiidfchafl! Ich bin
stolz darauf, ihr Freund, ihr Berather
bleiben z» dürfe». Wir wollen mitein
ander plaudern von der Kunst, vom Le
ben, von Ihrer.Samariter Leidenschaft
wie zwei gute Kameraden. Ich kam
hierher, bereit, Ihnen ein Vermögen zu
Füßen zu legen Sie werden mir hel
fen, dieses Vermögen in zweckmäßigster
Weise unter die Armen Ihres Bezirkes
zu vertheilen. Wenn ich jemals durch
ein Wort, eine Handlung Ihre Miß
achtung verdienen sollte, daß Sie von
meinem Anblick befreit zu fein wün
schen, so senden Sie niir diese welken
Blüthen, ich werde den Wiak verstehen
und wortlos aus Ihrem Leben ver
schwinden."
Von diesem Tage an verschwendete
Lierstadt ein Vermögen sür Blumen,
immer waren es nur die so recht be
scheidenen kleinen Sträußchen abe,
er schüttelte täglich einen Regen davon
über die Künstlerin ihre Wohnung
war davon gefüllt, ihre Treppe damit
übersät, unsichtbare Hände streuten sie
in den vor der Thür wartenden Thea
terwagen, Spiegel und Tisch in Maras
Garderobe waren täglich frisch um
rahmt und umkränzt. Sie duldete
lachend diese Huldigungen und drohte
nur manchmal, wenn es gar zu toll
wurde: „Warten Sie, Graf, ich werde
Zhnen eines schönen Tages den ersten
Strauß zurücksenden müssen, um dem
Unsug ein Ende zu machen."
Das Versprechen, den Armen ein
Vermögen zu schenken, erfüllte Lierstadt
in besonders sreisinniger und delikater
Weise. Er wagte es nicht der Künst
lerin Geld anzubieten und fand höchst
eigenartige Umwege, auf denen er sein
Ziel erreichte.
In einer benachbarten Apotheke gab
er die Weisung: Jeden, den sie sende,
mit Arzneimitteln zn versehen.
Er überbrachte ihr unzählige Speise-
Anweisungen sür Volksküchen und Sup
penanstalten zur Vertheilung an die
Bedürftigen, um die Weihnachtszeit
lauste er einen ganzen Bazar nützlicher
Gegenstände zusammen, so daß die Auf
sehen erregenden Bescheerungen bei
Mara alle öffentlichen Wohlthätigkeits
akte weit überstrahlten, in Maras
Namen zeichnete er bei allen Sammlun
gen > fabelhafte Summen, welche die
Stadt in Staunen versetzten.
Die Künstlerin glaubte au die reine,
selbstlose Menschenliebe des Grafen, ein
wahrer "Fanatismus des Wohlthuns
war über sie gekommen, der ihr Ver
nunft und ruhige Ueberlegung raubte! sie
hielt sich silr ein auserkorenes Werkzeug
in der Hand der Vorsehung und nahm
blindlings an, was Lierstadt der von
Tag zu Tag mehr anwachsenden Menge
ihrer Schützlinge bot.
Der Graf aber fühlte nach einer lan
gen Zeit schweigsamen, geduldigen
Wartens, daß ihn seine egoistischen
Opfer dem Herzen der Künstlerin nicht
näher brachten. Er liebte sie mit einer
verzweifelten Leidenschast, die ihm den
Schlaf raubte, das Wachen vergiftete.
Tag und Nacht stand ihr Bild vor sei
nen Augen, klang ihre Stimme in seinen
Ohren, brannte ihr Name ans seinen
Lippen.
Er vernachlässigte die Verwaltung
seines Vermögens, er kümmerte sich nicht
mehr um seine Freunde, alle Erinnerun
gen seines reichen Lebens verblaßten
vor diesem einzigen ewig mahnenden,
quälenden, sinnverwirrenden Gedanken.
„Ich bin ein Bettler—ein Bettler!"
pflegte er mir, seinem einzigen Ver
trauten, zuzurusen, wenn er mir aus dem
Heimwege vom Club, wo er bis zum
letzten Äugenblick den Unbefangenen,
den lebensfreudigen Cavalier zu spielen
verstand, sein volles Herz ausschüttele.
„WaS ich besitze, hat keinen Werth für
nnch, und das Einzige, was meinem
Leben Werth verleihen würde, bleibt
mir versagt."
Vor der Künstlerin selbst verbarg
Lierstadt seinen Seelenzustand mit
ängstlicher Scheu, er fühlte zu gut, daß
sie ihm nur kühle Freundschaft entgegen
brachte und keinen Moment zögern
würde, ihm das verabredete Trennungs
zeichen zu senden.
So verging ein Jahr.
Wieder rüstete man in Mara'S
Wohnung zu mildthätiger WeihnachtS
seier"....
Der Erzähler hielt einen Augenblick
inne, es siel «hin augenscheinlich schwer,
den Ereignisse» der allerjüngsten Zeit
gegenüber, die nun noch zu berichten
blieben, seine volle Ruhe zu wahren.
Regungslos warteten Alle, bis er
den Faden der Geschichte wieder auf
nahm:
„Heute vor vier Tagen zog mich
Lierstadt in dieselbe Nische, in der wir
hier sitzen, legte mir seine zitternden
Hände auf die Schultern und sagte mit
trockv», tonloser Stimme:
„Waldburg ich stehe vor der Ent
scheidung über Tod und Leben!"
»Wie da«?"
„Ich hab? einen tollen, wahnwitzigen
Gedanken, der mich seit Wochen peinigt,
nicht mehr unterdrücken können
ich habe an Mara geschrieben, daß sie
mich nicht für wohlthätig halten soll, <
sondern nur für verliebt, wahnsinnig i
verliebt. Daß ich meine Hand von ihr ,
abziehen werde, daß diese Schützling« '
alle, die ich hasse, weil sie mir den Schatz !
ihrer Liebe rauben, ungetröstet von
ihrer Thür gehen werden, wenn sie
meluer erneuten Bewerbung kein Gehör
schenkt."
Ties erschrocken hörte ich diese schlim
men Worte. Lierstadt sah mich mit
großen leuchtenden Augen an, als wollte
er mir meine Meinung vom Gesicht
herablesen.
„Du sagst nichts?" murmelte er end
lich „Du hältst mich für verrückt?
Möglich, daß ich's bin! Aber meine
Kraft ist zu Ende! Diese Mara gilt
ja für eine Heilige, vielleicht
opfert sie sich für ihre Armen!"
Lierstadt hatte den Brief um sechs
Uhr, als er seine Wohnung verließ, au
Mara gesendet.
Die Antwort der Künstlerin war, nach
dem Bericht des DienerS. bereits um
sieben Uhr eingetroffen. Als der Gras
gegen Morgen heimkehrte, fand er ans
dem Schreibtische eine zierliche Enve
loppe, die sein Todesurtheil umschloß,
jenen getrockneten Beilchenstrauß
mit der gelben Rose, deren morsch«
Blätter bei der Berührung knisterten
und zerbröckelten.
Man braucht just kein großer Psycho
loge zu sein, um sich leicht zu erklären,
was Lierstadt nun empfand. Ein Ge
fühl niederschmetternder Hoffnungslosig
keit vereinigte sich in ihm mit der Er
kenntniß, leidenschaftverblendet eine
niedrige Handlung begangen zu haben.
Nach wenigen Minuten fiel jene,
Schuß, der die wohllöbliche Bevölkerung
unserer Residenz in gar so heillose Auf
regung versetzt hat....
Waldburg schwieg.
Die Herren blickten sehr nachdenklich
hinaus in das dichte Schneegestöber
Keiner Wußte recht, was er zu der son
derbaren Geschichte sagen sollte.
„Ja, ja", bemerkte endlich tiefsinnig
der kleine Baret, „ das Leben ist
wirklich kein Vergnügungsinstitut!
Wie wär'S, wenn ich den Herren zur Er
heiterung ein kleines Bänkchen legle?!"
Z wc i e r l e ».
(Vierzehn Tage vor der Hochzeit.)
Welch' entzückender Anblick,. welch
holdselige Naivetät! O ich darf ihn nich!
störe», den einzigen Engel!
(Vierzehn Tage nach der Hochzeit.)
Abscheuliche Unsitte! Folge schlechte,
Erziehung! Als ob man je so etwas bei
einem wahrhaft gebildeten Mädchen ge
sehen hätte!
Studien
Zum Nachziehen auf der
Nähmaschine.
! —ln aller Höflichkeit. Er.
i sterSiutent: „Sie sind ein guter SchlS
-5 ger?«—Zweiter Student: „Ich mache
gern eine kleine Paukerei mit." Er
> ster Student: „Ah, ich auch! Dam, ge
statten Sie mir vielleicht. Ihnen höflichst
zu sagen, daß Sie ein ganz dummer
Junge sind."
„»ltrt." '
DaS Wort klingt schrill, wie da»
Schwirren einer Stahlmembrane. Es
ist, als ob es vor Allem an die Herbheit
alles Jungfräulichen erinnern wollte.
Aber der eigentliche Inhalt ist weich
und duftig, wie eine Wolke von parsu
mirtem Mousselin. Poung English
Ladies, mit dem schönsten Teint der
Welt und großen, tiesen Augen, mit
flutheuden Blondhaaren, unschuldig wie
ein Engel, aber auch von hohem Intel
lekt, wie diese und darum um so sieg
hafter, spielen mit dem holdesten aller
Dinge, der Liebe. Dieses nette Bild
entsteht auf unserem geistigen Sehfelde,
wenn wir den Laut „Flirt" hören.
Dennoch mag der Moralist da?
„Flirten" nicht gelten lassen. Ueber
zeugt, daß die mitflirtenden Gentlemen
trotz Queens Bench und englischer Prü
derie zuweilen ein wenig in Ekstase ge
rathen, kann er den Gedanken nicht los
werden, daß die ätherischen Ladies in
solchen Fällen zu nachlässig sein möchten.
Und das erscheint ihm, dem Gestrengen,
der derlei Dinge stets unter den Ge
sichtswinkel des Argwohns bringt, sehr
bedenklich. Versetzt euch in die Lage des
Ehemannes, ruft er aus, der von einem
Flirt seiner Frau erfährt und nun fort
während von retrospektiver Eifersucht
geplaqt wird! Nein, der Flirt, als eine
Liebelei ohne Verbindlichkeit, darf
anständigeu Mädchen nicht gestattet
werden. ES gibt keine Unschuld in sol
chen Dingen.
Eine große Majorität in Deutschland
dürfte dieses Diktum unterschreibe».
Und merkwürdig: auch ein Franzose
stimmt mit ein. Paul Bourget, der
gegenwärtige Liebling der Pariser hat
in den letzten Jahren über die Liebe
Bücher geschrieben. Aber Paul Bourgel
ist ein Schäcker. Am Schlüsse seiner
Betrachtungen zeigt er uns doch ein
Psörtchen, durch welches dem Flirt die
anständigste Gesellschaft offen steht.
Bourget ist der erste Autor, 'welche,
dem Flirt eine eingehende Auseinan
dersetzung widmet. Vielleicht dars man
sogar die „Meditation" über den
Flirt als das Beste des ganzen Buches
bezeichnen.
Dieses Capitel ist so deliziös, wii
eben nur ein Franzose über derlei heikle
Dinge schreiben kann. Sollte es ein
Deutscher behandeln, so würde ,hm so
fort die sakrosankte Stellung der Frau
in die Quere kommen. Ihr gegenüber
gibt eS nur einen Standpunkt, den des
strengen Soll und der wird so osl
starr festgehalten, daß man selbst in
harmlosen Dingen den Vogel Strauß
spielt und de» Kopf in den Sand steckt.
Die Betrachtung irgend einer der ganz
unschuldigen Formen, in >v?lchen der
Flirt auch bei uns vlübt, erweist dies
leicht.
ES kcmmt im Ehelcbe!! r daß ge
legentlich ein wenig Langweile eintritt.
Der von Geschäften absorbirte Mann
hat Tage, oft sogar Serien von Tagen,
wo er weder die Fähigkeit hat, noch die
Lust verspürt, seiner Fran den ange
nehmen Plauderer abzugeben. Da
trifft sich in ihrem Gesellschaftskreise
ein Dritter, der daS besorgt. Sie amü
sirt sich, mit ihm über Dinge zu spre
chen, sür die der Gatte kein Interesse
hat, ihn interessirt es höchlichst, ein we
nig in das geistige und Seelenleben
einer jungen Frau, das für den Mann
ja jederzeit eine neue Welt bleibt, Ein
blick zu erhalten. Folge: ES schließt
sich ein delikates Band der Sympathie
um die Beiden, das, so rein es sein mag,
doch wie ein kleiner Zwickel in das Ehe
band hineingreift. Soll nun der Ehe
mann einfach mit dem Schwerte der
Ultramoral dreinsahren und vostuliren:
Die Frau hat einem Dritten solche
Sympathie nicht zu schenken? Postu
late solcher Art wären wie Verordnun
gen, deren Befolgung man nicht contro
liren, geschweige denn erzwingen kann.
Denn es handelt sich ja um gedankliche
und Seelenvorgänge. Hier richtig Maß
halten, kann einzig der Takt der Frau.
Nicht ihre Moral kommt in Frage.
Diese setzen wir ja voraus. Mein die
höchste Moral hat ihren DehnungS
kocssizianten. Hat man nicht schon von
den besten und bravste«, Männern ge
hört, daß sie, weyn die Gelegenheit just
gar zu schön war, ein Stubenmädchen in
die Wange kniffen oder ihr einen Kuß
raubten? Das sind die kleinen Frei
heiten der Männer, um die kein Hahn
kräht und die man keiner Strafe werth
erachtet. Jene, welche die feiner gear
tete Frau sür sich fordert, sind ganz ent
gegengesetzter Art. Während der Mann
gerne herabsteigt, will sie erhoben sein.
Immer liebt sie eS, sich ein wenig an
beten zn lassen, sei dies nun in der grö
beren Form, daß man ihr einfach den
Hof macht, fei eS, daß man ihr huldigt,
indem man sich sür ihre Ideenwelt in
teressirt. Die Gunst, die sie dann ge
währt, besteht eben nur darin, daß sie
ihr seelisches Leben, ihre Auffassung
der Natur und Menschcndinge, kurz,
ihre weibliche Individualität ein wenig
offenbart, übrigens die reizendste Gunst,
die sich ein honneter und zartfühlender
Mann wünschen mag.
Man wird zugebe», daß für so feine
Beziehungen schon das Wort „zartes
Verhältnis" viel zu grob wäre. Aber
auch d<x Name Freundschaft paßt nicht
ganz, da sich doch immer ein Atom sub
limirter Sinnlichkeit beimischt. Ein
freundlicher Blick, das Erwidern eines
Händedrucks, die Art, wie ein Handkuß
gestattet wird, eine gewisse Bevorzugung
bei gesellschaftlichen Ritterdiensten in
alle diefe, an sich gleichgiltigen Dinge
verwebt sich wie ei» leiser Parfum die
Huldigung detz weiblich?» Geschlechtes.
Romantisch könnte man also von einer
mit einem Hauch ritterlicher Miene ver
wobenen Freundschaft sprechen: modern
> und kürzer jagen wir „Flirt"., Eigent
' lich sollten wir sagen „deutscher Flirt."
e Denn der französische nimmt sich
' schon beträchtlich lebendiger aus. Was
bei uns nur leiser, uneingestandener
t Einschlag ist, daS Atom Sinnlichkeit,
r das nimmt der Franzose gleich in ziem
lich Form als Ausgangs-
imnlt. Nach der Anficht Bourget S en
det der Flirt entweder mit der Leiden
schaft oder mit dem Nichts. „Die Frau,
welche flirtet," erklärt jedoch Bourgel
an einer anderen Stelle, „und der
Mann, welcher sich damit bescheioet, be
künden dadurch ihr geringes Tempera
ment. Sie gleichen dem Maler, welcher
das Aquarell bevorzugt." Ich möchte
mir diesen köstlichen Spruch sür ein
Albumblatt aufheben: „Der Flirt ,st
das Aquarell der Liebe."
Aber der Franzose ist aus Wider
sprüchen zusammengesetzt. Gleich auf
der nächsten Seite bedenkt er sich. Wie
sagten wir? Der Flirt müsse mit der
Leidenschaft oder mit dem Nichts enden?
O, da hatten wir Unrecht. Er kann
noch aus eine dritte Art enden, mit einer
Empfindung, die zwar selten ist, die
aber vorkommt. „Es ist dies die glück
lichste Neuheit, welche die Civilisation
in den Beziehungen bei den Geschlech
tern z» verzeichnen hat, die Frcnndschast.
ES kommt vor, daß die Frau, welche mit
Ihnen geflirtet hat wcnn nur der
Flirt vou sublimster Art, ohne die ge
ringste stärkere Nuance war wahr
hafte Vorzüge des Geistes und des Her
zens hat, sie hat, nm kurz zu sein, bei
aller Leichtheit Ihrer Sitt»n, Seele.
Ein Zufall entdeckt Ihnen diese.
Sie finden in ihrem Geiste die köst
lichsten Feinheiten, in ihrem Herzen die
wahrste Rechtschassenheit. Sie kommen
eines Nachmittags, um mit ihr zu
schwatzen, wie sonst, suhlen sich aber
ein wenig weltschmerzlich angehaucht
und sprechen zu ihr, wie Sie zu sich
selbst sprechen. Und siehe, sie versteh«
Sie. Die Dämmerung sällt ein und
der Bediente (alle Frauen BourgetS
haben Bediente) zögert, Licht zu machen.
Auch sie geht ein wenig auS sich heraus
und enthüllt etwas von dem Urgrund«
der Melanchole, auf welchem alle Frauen
ruhen, die würdig dieses Namens, »»
ihrem 25. Lebensjahre finden, daß sie
nicht die Bestimmung ihres Herzens er
reicht haben...."
Die weiteren Ausführungen Bour
gets, sowie Schilderung der „anbe
tungswürdigen Freundschaft", welch«
der „geläuterte Flirt" repräsentirt,
decken sich mit dem, was wir deutschen
- Flirt nannten. Sie bieten daS beach
tenSwerthe Schauspiel, daß ein Fran
zose und woh? einer der Besten
sehnsüchtig als das Ideal hinstellt, was
bei uns Deutschen Gottlob noch
ziemlich häufig im täglichen Leben geübt
wird. Und daS ist vielleicht das Merk
würdigste an diese» Pariser Variationen
über den Flirt. Ein Franzose guten
ZchlagS ersehnt, was wir Deutsche
haben, wir Deutsche, die wir ei» so
großes Behage» daran finden, uns die
Früchte des überreifen französischen Ge
fühlslebens zu importire».
Reinhard Z. Petermann.
Amerikanischer Humsr.
Weißk a p p e nunf u g. Jones
„Du hast von dem letzten Weißkappen
unfug gehört?" Müller: „Nein,
nicht die Spur. Also?" Jones
„Ja, denke nur! Der arme Filkins
konnte gestern Abend spät nicht in sein
eigenes Haus hinein." —Müller: „Und
hat er die Missethäter erkannt?" -
JoneS: „Allerdings. Es waren die
eigene Frau und die Schwiegermutter "
Sonderbarer Beter. Ter
Herr Psarrer (auf der Kanzel):
„Theuere Gemeinde! Ich erblicke un
ter den im Herrn geliebten Brüdern
und Schwestern wiederum manche, wel
che beim Gebet die Hände so fest
schließen, daß sie sie nicht öffnen kön
nen, wenn der Klingelbeutel bei ihneu
vorbeikommt!"
Die sparsame HauSfraii.
Er: „Wir müssen uns dieses Jabr
wirklich etwas einschränken, liebe«
Kind," - Sie: „Ich bin dabei, und
zum Beweise meines guten Willens sage
ich den Damen im nächsten Kaffeekränz
chen sofort, daß meine neue Pelzjacke.
für welche dn mir noch !iü(l Dollars
geben mußt, Liebster, nur IVO Dollars
kostet."
Der sparsame Gatte. Er: „Ick
wollte, ich hätte ein Einkommen von
üv.ooo Dollars im Jahr." Sie
.Wozu?' Du gibst ja jetzt nicht einmal
den vierten Theil deines jetzigen Ein
kommens aus." Er: „Ganz rich
tig, Liebste, aber dann könnten wir ja
noch größere Ersparnisse erzielen."
Bei der Modistin. „Könn
ten Sie mir vielleicht Ihre neuen Mo
delle sür die Frühjahrsfaison zeigen?"
---„Es thut mir leid, gnädige Fran,
aber wir haben sie selbst noch nicht."
„DaS ist sehr schade. Ich muß nämlich
verreise», und da hätte ich jetzt schon
gerne gewußt, auf welcher Seite der
Rose man dieses Frühjahr den Hut be
festigen wird."
Zn realistisch. „Au, au.
au!" brüllie der kleine Johannis.
„Was sehlt Dir denn. Junge?" sragte
Mainsche»,—„Au —! Ich und Jimmy
Arcen, wir spielten Katzen aus dem
Scheuneildach und wir mianten blos,
and da machte Einer die Thür auf und
warf mir einen Stiefelknecht an den
Kopf. Au—!"
Naiv.—Ethel (begeisterte
iieriancrin): „Liebst Du Wagner?"—
Maud (Cousinchen vom Lande, cm»
rüstet): „Aber Du weißt doch, daß
mein Verlobter Smith heißt!"
Höchste Sparsamkei t.—Vor
sichtiger Capitalist: „Ist aber auch die
Verwaltung der von Ihnen empfohle
nen Eisenbahn sparsam?" Bankier
.Das will ich meine»! Sie kaufen alle
ihre Schienen im Winter und legen sie
dann im Sommer, wo die Wärme sie
um etwa einen Biertelzoll ausdehnt."
Au!— Emma: Kannst Du Dir
etwa» Schöneres denken, a>S einen feu
rigen Liebhaber?" Anna: „Ja."
imma: „Was denn?" —Anna: .Zwei.'
Gedankensplitter. Manch'
Ungläubiger glaubt mehr, als er
alaubt.