Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 19, 1891, Page 2, Image 2

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« « « « 10.
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Aus dem Canale grande wiegten sich
die Gondeln, Heller, leuchtender Sonnen
schein vergoldete die Kuppeln der ehr
würdigen Markuskirche, und über den
breiten Platz strömte lustig das bunte
Leben eines echt venrtianischen Früh
lingstages.
Blau die herrliche Luft und blau das
ewige Meer, dessen Wogen leise über die
Marmorstmen plätscherten, als wollten
sie von vergangener Zeiten, versunkener
Herrlichkeit erzählen, von Venedigs ent
schwundenem Reichthum, den sie in stol
zen Galeonen dereinst auf ihren schaum-<
gekrönten Schultern getragen. Ueber
den Platz schlenderte ein hochgewachse
ner Mann in leichtem Sommeranzug,
den breitkrempigen Hut auf de» blond
lockigen Kops gestülpt, und mit prüfen
de» Blicken betrachtete er die auf den
Etuieil der Kirche herumlageruden
Weiber und Kinder, aber nicht niit dein
Interesse des Reisenden, der stannend
zum ersten Male die traumhaste Schön
heit der Dogenstadt bewundert, sondern
mit dem suchenden Blick des Künstlers
aus der Studienreise, auf der Wan
derung nach einem Modell.
Aber trotz eifrigen Suchens schien er
nicht zu finden, was er wollte, und eben
wandle er sich, um in dem Cafe seine
Enttäuschung zu vergessen, als sei»
Blick wie gebannt aus einer reizenden
Gruppe hafte» blieb, die sein ganzes
Interesse in Anspruch nahm. Mitten
zwischen einem dichten Schwärm flat
ternder Tauben stand ein lachender
Junge mit großen glänzenden Augen,
den hübschen Kopf umrahint von einer
Mülle liesdunklei, wilder Lvcken, in der
einen Hand und ein großes Stück Brod,
von dem er bald selber aß, bald kleine
Krummen bröckelte und sie unter die
Schaar der lustigen Vögel streute,
deren hastendes Durcheinander den
kleinen Burschen herzlich zu amüsiren
schien. Eine» Augenblick betrachtete
der Maler das wirklich hübsche »nd
originelle Bild, trat dann aus den Klei
nen zu und fragte nach seinem Na
men.
„Angelo", lachte der Bursche, ohne
sich in seiner Beschäftigung stören zu
lasse».
„Stehst Du Modell, Kleiner?"
fragte er weiter nnd erhielt die etwas
überraschende Antwort:
„Rein, Signor, ich male selbst!"
Jetzt wuchs das Interesse für- daS
seltsame kleine Menschenkind, nnd er
setzte die begonnene Unterhaltung scherz
hast fort.
„Was bist Du?"
.Kaufmann!"
„Ah, und was verkaufst Du?"
„Streichhölzer und Apfelsinen."
„Aber was malt der kleine Michel
Angelo?"
„Alles, was ich sehe!"
»Hast Du denn Unterricht gehabt?"
„Rein!"
„Aber kannst Du mir von Deinen
Schöpfungen etwas zeigen?"
„Gern", sagte der Knabe, wenn ich
Sie morgen wieder hier treffe, wenn ich
meine Ta»ben füttere, so werde ich mir
einige meiner Zeichnungen einstecken, um
sie Ihnen zu zeigen. Aber da schlägt es
elf Uhr. Ich muß heim, denn meine
Mutter hat einen pünktlichen Sohn!
Addio Signor!"
Und fort war der kleine Kaufmann,
doch a» der Ecke des Platzes wendete
er sich »och einmal um und nickte mit
lachendem Gesicht dem verdutzten Ma
ler einen freundliche» Abschiedsgruß zu.
Am nächsten Vormittag richtig wie
der bei den Tauben tras er den Kleinen
wieder, und dieser hatte Wort gehal
ten. Eine ganze Galerie theils aus
blaues Packpapier, theils auf abgerissene
Vriesseiten hingeworfener Zeichnungen,
Karikaturen, Vögel und Blumen in
gan', reizenden Grnppirungen holte der
>tci >e College aus seiner Tasche, nnd
mit prüjendem Blick mnsterle sie der
Maler.
Es sprach ein unverkennbares, gro
Bes Talent aas den mangelhaften Stu
dien Angelos, es waren kühne, aber
zeniale Grnppirungen, ungefchulte, aber
höchst geschmackvolle Entwürfe, die vor
»llen Dingen einen stark ausgeprägten
Formensinn und ein echt künstlerisches
Fcinges ql verriethen.
„Willst Du mir Deine Schöpfungen
«uf einige Tage anvertrauen, mein
Junge?" fragte er den Buben, der ohne
Besinnen bejahte, worauf ihm der Maler
Namen und Adresse nannte: „Emil
Born, Hotel Metropole, No. LI," und
ihn aufforderte, sich in einigen Tagen
persönlich dieselben aus seinem Hotel
»bzuhoten. Hierauf trennten sie sich,
der Maler ging in's Case, während der
kleine Venetianer mit seinem ambulan
ten K ansmannsladcn, den er mit Oran
gen gefüllt an einem Bindfaden um die
Schultern trug, über den Platz bum
melte und mit Heller Knabenstimme ein
lustiges italienisches Liebchen vor sich
hm trällerte.
Nachdenklich saß Born an de», runden
Mormortiichchen u»d durchsah wieder
and wieder die mit Zeichnungen bedeck
ten Blätter, oft lächelnd, noch öfter aber
mit ernstem Blick lange eine der hinge
worfenen Skizzen betrachtend, die ihn
von Minute zu Minute mehr iuteressir
ten. Er war unzweiselhast ein seltenes,
ein großes Talent, der kleine Apsel
sineujunge, und es erschien ihm wie eine
Pflicht, dieses Talent der Welt nutzbar
zu machen. Zwar besaß er selbst nicht
so viel, einen Ander», ler ihn im
Grunde doch gar nichts anging, in dem
Maße zu sördern, wie es hier hätte ge
schehen müssen, denn die Wandlung des
kleine» Orangeiiverkäilsers zum großen
Maler war immerhin eine höchst kost
spielige Sache, aber er hatte zu Gunsten
des Knaben ein Zauberwort, das an
seinem eigenen Geschick sich einst wun
Verbar bethätigte Connexion.
Er stand aus, zählte, zündete sich,
siegesfreudlg lächelnd, eine neue Cigarre
«n und bestieg eine Gondel, ihrem Füh
rer zur»'-nV „Professore Fambach.
Paln- nl"
Trei Tage später zur bestimmten
Stunde standen sich in dem eleganten
Hr"elzimmer Borns drei Menschen ge
gcnuber, grundverschieden in ihrem
Aeußer», i» ihre» sozialen Stellungen,
aber innerlich gleich in einem einzig er
habene» Gefühl, in der Liebe zur Kunst.
Der liebenswürdige Maler Born mit
dem blonden Künstlerkopf, der kleine
Angelo in feinem besten Sonntagsstaat
und der ehrwürdige Professor Fambach,
dessen silberne Locke» ein seelenvolles
Greisenangesicht umrahmten. AngeloS
Schicksal war berathen und besiegelt
worden, große, glänzende Thränen
innigster Dankbarkeit hingen in den
langen Wimpern, um du» frischen Mund
spielte ein seliges Lächeln, und tief pur
purne Gluth bedeckte die frischen Wan
gen des kleinen Italieners. Professor
Fambach, der den Enthusiasmus Borns
über das Talent seines Schützlings
theilte, hatte dem Knaben versprochen,
ihn mit nach Petersburg zu nehmen
und ihn dort zun» Maler zu machen.
Im Sommer schon sollte der Kleine ihn
in die Kaiserstadt an der Newa beglei
ten.
Nachdem Fambach sich von Born
verabschiedet, blieb Angelo noch an der
Thür stehen, und als der Maler ihm
die Hand hinstreckte und ihn fragte:
„Nun, kleiner College, bist Du mit mir
zufrieden?" trat der Knabe mit
freudiger Erregung aus ihn zu und
sagte:'
„Signor, Sie fragten mich bei un
serm ersten Zusammentreffen, ob ich
Modell stehe. Ich habe es niemals ge
than und würde es auch nicht thun,
denn wenn meine Mutter auch noch so
arm ist, für uns Beide reichte immer,
was ich verdiente. Aber wenn Sie mich
und die Tauben auf dem Markusplatz zu
einem Bilde verwenden können, so bin
ich gern bereit, denn das ist ja das Ein
zige, womit ich mich bei Ihnen bedanken
kann."
Fast zwei Jahre waren vergangen.
Noch lag in den Straßen Petersburgs
tieser Schnee, und über die breite Newa
wogte noch das geschäftige Leben des
nordischen Winters.
Ans der bleigrauen Luft wirbelten
dichte Flocken, und die Schlitten glitten
lnstig klingend über den fcstgesrorenen
Strom hinüber zur akademischen Kunst
ausslkllililg, die in diesem Winter sich zu
einer ganz besonders glänzenden entfal
let hatte.
Und eine der Perlen der Ausstellung,
vor der die kritische und kunstverständige
Well Petersburgs sich mit immer er
neuter Bewunderung drängte, war das
Bild eines ganz vor Kurzem erst be
kannt gewordenen deutschen Künstlers
„Emil Born".
Unter Italiens tiefblauem Himmel,
aus dem fonuenbeglänzten Marknsplatz
ein schöner lachender Knabe mit sorglos
strahlendem Gesicht zwischen einer dun
en Schaar flatternder Tauben, ein reiz
volles Bild voll meisterhafter Technik
»id echt künstlerischem Humor: „An
zelo!"
Der Meister des Bildes befand sich
seit zwei Tagen in Petersburg, freude
strahlend nahm er die Glückwniische
seiner Bekannten entgegen, und mit be
sonderem Vergnügen hatte er das Wie
dersehen mit seinem alten Freunde aus
Venedig, dem liebenswürdigen Professor
Zainbacli, gefeiert. Und während sie
lach einem gemüthlichen Diner im
Nauchzimmer des Professors faßen,
)rehte sich selbstverständlich das Gespräch
lni das originelle Modell des vielbe
vuiiderten Bildes, um den kleine» braun
iugige» Venezianer.
Zu seiner Freude hörte Born, wie
?er Greis Angelo den Stolz seiner
schule nannte, der zu den Herrlichsten
Hoffnungen berechtigte. Er war voll
überschwenglichen Lobes über seinen
eisernen Fleiß, seine glühende ttuustbe
zeisterung, und mit beredten Worten
schilderte er die reiche Entwicklung seiner
achten Künstlernatur, seiner kühnen
Originalität. Professor Fambach hatte
Sem Änaben bescheidene Mittel zur Ver
sitzung gestellt, mit denen er häuslich
ind cinge,ogen lebte, nur seine? Kunst
ind seinen Erinnerungen an die serne
Heimath. Diese Erinnerungen waren
das Einzige, was den Professor mit
tieser Sorge erfüllten. Angelo litt, ohne
5» klagen, irgend ein stiller Gram zehrte
in ihm, aber niemals war ein Wort des
Schmerzes oder der Unznsriedenheit
liber seine Lippen gekommen. Aber
Aich das sonnige Lachen war fort, un
wiederbringlich wie es schien, mir diese
UebrigenS war Angelo gerufen wor
den. Cr kam. und nach Jahre» standen
sich Bor» und sein kleiner Schützling
wieder gegenüber. Welche Verände
rung !
Ä«S dem frischen Knaben war ein
'wchgewachsener ernster Jüngling ge
worden. die sonnigen Augen hatten einen
seltsamen Ausdruck tieser Melancholie
bekommen, und auch seine ganze Art sich
;u bewegen, hatte sich selbstverständlich
llnter den erziehenden Einflüssen der
Großstadt uiigemein verändert. Seine
Freude, Born wiederzusehen, war eine
fast wortlose, aber ausrichtige, er be
zrüßte ihn wie einen alten Freund, und
iuS seine» Worten sprach eine tiefe,
freurige Verehrung für den Professor,
den er seinen Genius, seinen Vater
nannte. Dann aber, als die Rede
aus seine Kunst kam, da flammte es in
den räthselhasten Augen aus, da lä
chelte der ernste Mund, und die bleichen
Mge durchglühte es wie ein innerer
magnetische? Strom. Man sah es ihm
in, er lebte nur für und durch feine
Kunst.
Gemeinsam wanderte Born mit An
zelo gegen Abend ans der Wohnung
des Professors Heini, und zartfühlend
licrmied der Maler, von Dingen zu
sprechen, die dem Italiener hätten peiu
lich sein können. Um so mehr über
raschte es ihn, als dieser ihn plötzlich
bat, ihm noch aus eine kurze Zeit in sei
nem Heim die Ehre seines Beseuhes zu
schenken.
„Ich möchte mit Ihnen von der Ver-
gailgenheit plaudern," fügte er bittend
hinzu, und gern willigte Born ein.
Fünf hohe Treppe» eines in dxr
Vorstadt gelegenen Hinterhause« wur
de» erstiege», und ein kleiner, aber be
haglicher Raum nahm die beiden alten
Bekannten auf. Als sie vor der sum
menden Theemaschine saßen, fragte
Born den Italiener: „Wie gefällt
Ihnen mein Bild?" und nach einer
kleinen Pause, während welcher Angelo
unverwandt in die flackernde Flamme der
Theemaschine starrte, sagte er leise:
„Herrlich, ich sehe eS täglich, obgleich eS
mich quält!"
„Und weshalb?" fragte der Maler
verwundert.
Da sah ihn Angelo so schmerzlich an,
reichte ihm die wie im Fieber zitternde
Hand und fragte in sast vorwurfsvollem
Tone:
„Kennen Sie nicht das Heimweh,
Signor?" Dann wandte er sich ab
und vergrub das Gesicht in die Hände.
Nach einer Pause aber schien Plötzlich
die ganze belastete Seele sich Luft ma
chen zu wollen.
Er erzählte seinem Gast, dnß er stets
nur zwei Ideale geliebt, ja abgöttisch
angebetet habe: seine Kunst und seine
Mutter. Aber er habe diese Heilig
thümer niemals in seiner Seele zu tren
nen brauchen, so lange er in seiner
Heimath geweilt. Jetzt aber, seit zwei
Jahren fern von der Mutter, erwachte
seine Sehnsucht uach der alten Frau, die
ohne ihn so verlassen, so arm an Liebe
sei, mit dämonischer Gewalt.
Er erzählte dem Maler, daß er su
unterstütze, so gut es gehe, daß er ge
wiß sei, daß sie bei ihren bescheidenen
Ansprüchen keinen Mangel leide, aber
sie einen Augenblick zu sehen, gäbe c>
einen Theil seines Lebens. Diese Sehn
sucht wachse von Tag zu Tag, und weil
sie eine so hoffnungslose sei, zerstör«
sie langsam sein Leben. DaS Einzige,
was durch sein verdüstertes Leben als
lichter Sonnenstrahl dahinziehe, sei
eine herzliche Zuneigung zu einer Kol
legin, einer Landsgenossin, deren lie
bes Bild sich tief in feine Seele ge
graben, in deren Gesellschaft sich sei»
Leid lindere, wenn er mit ihr frei
und schrankenlos von der geliebten
Heimath sprechen dürfe. Aber obgleich
mit aller zarten und sinnigen Poesie
das Glück einer ersten, echten Künstler
liebe in seinem Herzen eingezogen,
überwiege doch das Weh um das in un
erreichbarer Ferne Zurückgelassene alle
Wonnen seines auskeimenden LiebeS
srühlings.
Wäre er mit seiner Beatrice am hei
mathlichen User der geliebten Adria
vereinigt in dem ärmlichen Stübchen
seiner Mutter, er hätte sich stolz und
glücklich wie ein Gott gefühlt, während
ihn so die Sonnenstrahlen der Lieb«
wohl umleuchten, nicht aber erwärmen
konnten.
Vorsichtig veriuchte Born ihn vor
diesem traurigen Thema auf eiu ande
res überzuleiten, indem er sich nach sei
nen Arbeiten, seinen Studien erkun
digte. Und es gelang. Angelo erzählt«
ihm von einem Preisausschreiben der
kaiserlichen Akademie, welche eine sin
seine Begriffe unerhörte Summe sü»
das beste Bild von der Hand eines
Schülers ausgesetzt, und er beabsich
tigte, sich daran zu betheiligen.
„Ich habe mein ganzes Empfinden,
mein ganzes heimliches Leid zusaiumen
genonime», Alles, was in mir wogt
und stürmt, habe ich versucht, in eine
menschliche Gestalt zu gießen, und mit
diesem Bild will ich mich an der Con
currenz betheiligen."
Er sprang auf, trat zu seiner Staffe
lei, auf der ein verhülltes Bild stand,
zog das Tuch weg, und ein Ansrus voll
ster Bewunderung klang von den
Lippen des aufs Höchste überraschte»
Malers.
Auf nordischen, kaltem Felsgestein,
am Fuß einer schneebehangeneu Tanne
stand eine weibliche Gestalt von gerade
zu berückender Schönheit, ein Hindu -
inädcheu mit blauschwarzen Locken und
gelblichem Teint, die Arme weit in die
Ferne gebreitet, wo am Horizont aus
der grünblauen nordischen Fluth ein
weißes Segel langsam zu verschwinden
schien. War auch noch manches schüler
hast und unfertig, der Totaleindruck
und die Genialität des Entw»rfeS waren
geradezu überwältigend.
„Meine Sehnsucht," flüsterte Angelo,
und in aufrichtiger Verwunderung und
mit tiefem Mitleid zog ihn Born an
seine Brust den armen todtwunden
Knaben. Dieser Augenblick machte sie
stumm und wortlos zu Freunden, und
Augen des schönen HindnweibeS in wei
ter Ferne das verlorene Glück!
Der Frühling war da! Das Eii
trieb in gigantische» Schollen die Newa
hinunter, und im kaiserlichen Garten
sproßte» schon schüchtern die ersten grü
nen Spitzen an Sträuchern und Bäu
men.
Es war einige Tage vor der Preis
vcrtheilung in der Akademie, wo unter
den ausgestellten Schülerarbeite» An
gelos Hindumädchen großes Aussehe»
machte, und vo» alle» Seite» verhieß
man dem jungen Künstler eine glän
zende Carriert. Aus der Heimath aber
hatte er seit Monaten keine Nachricht,
nur ein alter Verwandter hatte ihm vor
längerer Zeit geschrieben, daß die Mut
ter kränkle und mit einem Schlage merk
lich alt geworden sei, und diese halben
Andeutungen, schlimmer als die Kunde
eines ersten Leidens folterten ihn un
säglich. Mit solchen Gefühlen ging er
am entscheidenden Tage in die Akademie,
und merklicher als sonst klopste das ehr
geizige Herz, als er den Saal betrat,
wo die Namen der Erwählten verkün
det wurden.
Der erste Preis, dreitausend Rubel
nnd die goldene Medaille, fielen ans die
Perle derKoiikurrenzarbeiten „Sehn
sucht!" von Angelo Petralli!
Wie er a»S dem Saal in'S Freie ge
kommen, wußte er selbst nicht, Alles
sachte, weinte und jubelte durch einan-
der in seiner Brust, vsr Glück und
Wonne, vor überströmender Seligkeit.
Wie besessen rannte er nach seine»
Wohnung, besah unterwegs sein Bild in
allen Ladenscheiben und konnte gar nicht
glauben, daß er wirklich der Glücklich,
sei. Er sprach so laut mit sich selbst, daß
die Leute ihm verwundert nachschauten,
aber ihn kümmerte eS nicht. Jetzt wai
ja sein uild seiner Mutter Glück besiegelt
sür immer, jetzt, mitten im Lenz hinun
ter nach der sonnigen Heimath, du
Theure zu holen, um sich nie wieder von
ihr zu trennen. Er betrat seine Woh
nung, stolz wie ein junger Feldherr nach
der ersten gewonnenen Schlacht, »nd
sein sreudiger Blick fiel auf einen Bries
mit italienischer Marke und dem ersehn
ten Stenipel „Venezia".
Aber kaum hatte er einige Zeilen ge
lesen, als sein Gesicht erdsahl wurde, die
Lippen konvulsivisch zuckten und kalte»
Schweiß auf feine Stirne trat.
Sein Verwandter schrieb ihm, daß e»
im Auftrag der sterbenden Mutter, di«
soeben das letzte Sakrament empfan
gen, ihrem Sohne die letzten AbschiedS
grüße sende. Wenn diese Zeilen zu ihm
gelangten, werde sie friedlich und j.inft
hinübcrgeschlummert sein, denn de»
Arzt habe längst jede Hoffnung aufge
geben.
Selbst einem Sterbenden gleich starrte
Angelo auf das Papier, dann brach er
mit einem wilden, grellenden Aufschrei
bewußtlos zusammen. Als er nach
Stunden in den Armen Fambachs und
Borns, welche gekommen waren, ihm
Glück zu wünschen, die Augen aufschlug,
blickte er irr und fremd um sich, hört«
seinen Namen, kamite seine Freund,
nicht mehr, ewige Nacht hatte die schwar
zen Flügel über ihn gebreitet,—Angel,
war wahnsinnig geworden!
Seine beiden Gönner setzten ganz
Petersburg für den Unglücklichen in
Bewegung, dessen grausames Schicksal
die allgemeinste Theilnahme erregte.
Wenn auch die bedeutendsten Aerzte
rathlos diesem unsichtbaren Dämon des
Leidens gegenüberstanden, Born und
Fambach gaben die Hoffnung auf Ret
tung nicht verloren, nnd zwar sollte ei»
mächtiger Bundesgenosse in's Feld ge
führt werden, die Liebe!
„Hat sie Kerker gesprengt, oft die Ge
schicke der Nationen gelenkt," meinte dei
Professor, „so löst sie vielleicht auch hie»
mit allmächtiger Hand die Bande des
gefesselten Geistes" und „Beatrice"
sollte das Zauberwort sein, ihn dem Le
ben zurückzugeben.
' Däglich hatte sich in der Heilanstal!
ein junges schwarzäugiges Mädchennach
dem Kranken erkundigt »nd eiu günsti
ger Zusall führte Fambach eines Mor
gens mit dem liebreizenden, blühenden
Kinde zufammeii in der Stube des
Pförtners, wo sie m»t thränenüberström
tem Gesicht sich nach dem Schicksal An
gelos erkundigte.
„Wollen Sie ihn sehen?" sragtl
Fambach, und als die Kleine mit auf
leuchtenden Augen bejahte, begaben sich
Beide in Begleitung des behandelnden
Arztes in die einsame, traurige Zelle
Dem Professor schlug das Herz zum
Zerspringen, denn aus diesen Augenblict
gründeten sich seine sehnlichsten Hoff
nungen. Augelo saß bleich und abge
wendet an dem kleinen Tisch und starrt«
hinaus in die bleigraue Luft, theil
nahmslvs und fremd.
Leise und schüchtern ging das jung,
Mädchen aus ihn zu, legte die zitternd«
Hand auf seine Schulter und flüstert,
mit der ganzen vollen Zärtlichkeit eine»
liebenden Seele seinen Namen! Ei
blieb unberührt, sah sie an, gleichgiltig,
wie aus einer andern Welt, und als si,
laut ausschluchzeud an seinem Stuhl«
niederglitt und seine mageren Händ«
mit leidenschaftlichen, verzweifelten Küs
sen bedeckte, da schüttelte er den Kops
wie über etwas Fremdes, Unbegreifli
ches nnd blickte dann wieder uuver
wandt hinaus auf den kalten nordischen
Himmel.
Völlig vernichtet kam der Professor
heim, feine Hoffnung war getäuscht,
selbst die Liebe war machtlos gewesen,
und keine Aussicht aus Rettung bot sich
sür seinen armen Liebling.
Nach langen Wochen kam aus Italien
wieder eiu Brief an Angelo, den Pro
fessor Fambach öffnete, und der die sast
märchenhaste Nachricht brachte, daß wie
durch ein Wunder nach langem Leiden
die greise Mutter wider Erwarteu ge
nesen sei mü> nur Angelos hartnäckiges
»nd unerklärliches Schweigen sie beun
ruhige und die raschere Erholung beein
trächtige.
Mit diesem Schreiben eilte Fambach
wieder zn dem Kranken in der schwa
chen Hoffnung, daß die srohe Kunde
vielleicht irgend welchen heilsamen Ein
fluß ausüben k»nnte. Cr sollte sich wie
der täuschen. Ruhig hörte der Leidende
den Bries mit an, aber dabei umspielte
ein ungläubiges Lächeln den zuckenden
Mund, er schüttelte schmerzvoll das
Haupt, und dann war alliS wieder wie
zuvor. Schmerzbewegt ging der alte
Pros«ssor heim: aber der ganze Fall gab
ihm lauge und ernsthast zu denken, »nd
Born und den» Oberarzt der Anstalt
ging ein langer Bries nach Italien.
Und uach einigen Wochen wurde der
Schwerleidende, de» alles stumm nnd
apathisch über sich ergehen ließ, zum
Bahuhos gebracht, und in Begleitung
des ihn behandelnden Arztes, »nd seines
Freundes Born ging eS fort in den
lachenden Frühling hinein.
Lange, lange noch stand der greis«
Professor auf dem Perron des Bahn
Hofs, dem enteilenden Zuge uachfchau
end, in dem lauen Maiwiud flatterten
seine ehrwürdigen Locken, und während
sich mechanisch die Hände falteten, flü
sterte er leise vor sich hin. „Gott geb'S!"
Ueber Venedig leuchtete wieder die
FrühlingSsonne, über den Markusplatz
kreiste» die Taubenschwärme, und hinter
den dicht verhüllten Fenstern eines ele
ganten Hotels standen Born und der
Zlrzt und beobachteten ihren Schützling.
Aus der Chaiselongue lag Angelo in
tiefem Schlummer mit feftgeichlossenen
Angen. Von Trieft ans hatte er in
l Folge eines Schlafmittel» nicht mehr
die Augen aufgeschlagen. Schlafend
war er angekommen, in tiefen Schlum
mer hatte man ihn lnS Hotel getragen
und hier gebettet. Und nun nähert«
sich jeden Augenblick die mit zitternder
Ungeduld erwartete Katastrophe.
In diesem Augenblick klopfte man
leise an die Thür, ein Kellner flüsterte
Born einige Worte zu, woraus dieser
das Zimmer verließ, während sich der
Arzt mit dem Kranken beschäftigt.
Langsam schlug der Jüngling die Au
gen aus und sah sich apathisch »m, wäh
rend der Arzt schnell die Vorhänge des
offenen BalkonfensterS zurückschlug.
Goldenes Morgenlicht fluthete herein,
Italiens lachender Himmel wölbte sich
draußen, und gerade ins Fenster hinein
schaute Venedigs marmorner Löwe,
den die flatternden Tanben umkreisten.
Er strich mit der Hand über die Augen
als wolle er sich Vesinnen, schüttelte das
Haupt und erhob sich ein wenig. Da
fiel sein Blick auf die Thür, ln deren
Nahmen, von Born geführt, eine alt«
zitternde Frau soeben erschien und mit
lveit ausgebreiteten Armen langsam das
Zimmer betrat.
Und von ihren Lippen klang vo?
tedtlicher Angst, voll glühender Zärt
lichkeit eines liebenden MutterherzeuS
sein Name in den stillen Raum hinein:
„Angelo!" Einen Augenblick stutzt«
der Kranke, dann flammte tiefe Gluti
über sein Gesicht, hoch und energisch
richtete er sich auf, starrte die Alte an
wie eine Erscheinung, dann aber mit
einem Jubelichrei, der die Brust zu zer
sprengen schien, stürzte er auf die Grei
sin zu, umarmte sie unter Lachen und
Weinen, küßte ihr Hände, Wangen und
die weinenden Augen, und mit dem selig
geflüsterten Wort „Mutter" sank er be
wußtloS in die Arme des Arztes zurück,
der sich lächelnd über ihn beugte, ihn
sanft auf den Divan niedergleiten ließ
und den Beiden tröstend zuflüsterte:
„Sie haben ihn wieder!"
Dann blieb eS still, am Fenster stand
Born und schaute mit leuchtenden Au>
gen zu dem lachenden Himmel empor,
und vor dem Lager des Jünglings kniet«
die Mutter stumm und lautlos in glü
hendem Gebet!
Ein Jahr war vergangen. Durch da
offene Fenster eines behaglich ausge
statteten Maler-Ateliers, in einer jener
reizenden kleinen Villen am Golf von
Camaldali strömte der balsamische Duft
des blühendenJaSinins in das traulich«
Zimmer, und der Purpurschein der sin
kenden Sonne leuchtete über ein fast
vollendetes Bild auf der Staffelei:
Beatrices Angesicht, aber nicht von
Thränen überströmt, sondern leuchtend
in hohen», seligem Glück. Am Fenste»
stand eine jugendlich schlanke Gestalt
mit träumerische», aber heiteren Augen,
und der Blick des jungen Mannes folgt«
mit dem Ausdruck tiefsten seelischen
Wohlgefühls den be.den Frauengestal
ten, die durch die lauge, von blühenden
Bäumen umschattete Allee des Gartens
hinunter schritten. Die eine gebeugt
und ergraut, umschlungen von dem
schützenden Arm der ander», die stolz
und elastisch neben ihr dahinschritt und
offenbar der Alten etwas sehr Heiteres
vorplauderte, denn öfters blieb diese
stehen und streichelte zärtlich ihre blü
hende» Wangen.
Am Ende ver Allee tauchten jetzt zwei
männliche Gestalten in Reisekle»dern
auf, der eine hoch und jugendlich, der
andere eiu ehrwürdiger Greis mit sil
berweißen Locken, aber kräftig und
energisch dahiuschreitend. Jetzt hatten
sie die Damen erreicht und standen bei
ihnen in herzlicher Begrüßung. Aber
AngeloS Blick und Herz hatten die An
kömmlinge länger erkannt, er schwang
sich elastisch über die Fensterbrüstnug
hinunter, mitten zwischen die blühenden
Rosen, und im nächsten Augenblick schon
lagen sich Born, Angelo und der greise
Prosessor tiesgerührt in den Arme».
Und' Angelos erste Frage war, indem
er Fambachs greises Hanpt -ärtlich wi«
ein Sohn mit beiden Hände» hielt:
„Ist es ein flüchtiger Besuch, den
Sie uns schenken, oder —?"
„Ja, ich komme, zu bleiben, den Rest
meines Lebens hier z» verbringen und
mir ein Grab zu ivählen unter Sorren
tos schattige» Pinien oder in den Lor
beerhainen von Amalsi! Dein Brief hat
den Vater gerufen, und meine Heimath
ist fortan bei meinen Kindern!"
Born und die greise Mutter drückten
sich stumm die Hand,und an des Greises
braves, warmschlagendeS Herz schmieg
ten sich Beatrice und Angelo, während
langsam und majestätisch die rothglü
hende Sonue in die Woge» des GolseS
tauchte uuo aus den Myrthenzweigen
die Nachtigallen ihr Lied anHube», einen
Lobgesairg aus wiedergefundenes reine«
Erdenglück.
»aser»««h»sdlatl»e.
Untcrossicier: Koppe,
Sie brauche» fich gar nicht so viel da
rauf einzubilden, daß Sie Prosessor
sind! Wenn mein Vater seiner Zeit
meiner Mutter nachgegeben Hütte, wäre
ich vielleicht jetzt auch so ein Kanieel wie
sie!"
Zwischen einem Klngen
ind einem Dummen ist kein anderer
Unterschied, als daß der erstere schweigt,
vo letzterer spricht.
Auf »er H»he »er Zeit.
Wie glücklich in unseren Tage»
Ist Alles eS ist nicht zu sage»,
Wie sind wir so klug und gescheidt
Wir steh'n aufder Höhe der
Zeit!
Tagtäglich wird Neues erfunden,
Bald ist jede Krankheit verschwunden,
Baeill' um Bacillus gedeiht
Wir steh'n auf der Höhe der Zeit!
Was gestern als Wahrheit gegolten.
Wird heilte schon Blödsinn gescholten,
Ob Irrthum an Irrthum sich reiht
Wir steh'n auf der Höhe der Zeit!
Wir kennen die „kritischen Tage",
verbessert wird jegliche Lage,
vom Vornrtheil Alles befreit
Wirsteh'n aus der Höhe der Zeit I
Einst glaubte der Mensch sich geschaffen.
Jetzt steh'n wir schon unter dem Assen,
Was höheren Werth uns verleiht
Wir steh'n auf der Höhe der Zeit I
Was heute geehrt und bewundert
Als Größtes im ganzen Jahrhundert,
Vilt morgen kaum mehr einen Deut
Wir steh'n auf der Höhe zer Zeit!
lln EH'bruch'S-Romanen und -Dramen
Ergötzen sich unsere Damen
Die Gewissen sind schon hübsch weit
Wir steh'n auf der Höhe der Zeitl
Einst leuchtete das Ideale
Dem Künstler mit göttlichem Strahle;
SS stehet, wer ihm sich noch weiht,
Nicht mehr aus der Höhe der Zeitl
Wir tanzen mit flatternder Fahne
Berauschet aus einem Vulkane,
giim Untergang stündlich bereit
Wirsteh'n auf der Höhe der
Zeit!
v. MiriS.
„Ja, Na»er, das tst ganz wa«
Andre«!"
„Lauft mir um Himmelswillcn nicht
davon! Ich muß Euch in aller Ge.
schwindigkeit die neueste köstliche Ge
schichte erzählen! Also —"
n,.
<Z» Hause.)
„Laßt mich doch zufrieden, Kinderl
Seht ihr nicht, daß Papa zu viel zn
thun hat, um euch Geschichten zu erzäh
len? Laust und spielt zusammen!"
Modebtl».
Coniferen-Kostüm.
Dt« verhät»g«ikvo>»« Stör«NK«
I.
Gekrebst. A: , Nehmen
öie das Wirt Lump zurück!" —B: „Ich
iehme nie etwas zurück!" A: „Ah,
Vardon das konnte ich nicht wissen!"
« ch e « i g.
Herr KammergerichtS-Rath Scheckig
war ei» Mann in den besten lahren,
aber leider nicht von der besten Gesund
heit. Obwohl der kleine Mann unge
mein sanft und harmlos war. so spielte
bei ihm die Galle doch eine wichtige
Rolle. Der Herr Rath litt nämlich an
der Gelbsucht.
Zur Heilung dieses Uebels consul
tirte er einen geschätzten Arzt, auf den
er sein Vertrauen setzte, der jedoch ein
solches Leiden natürlich auch nicht weg
blasen konnte.
Der Sanitätsrath wohnte im Pots
damer Viertel und sein Patient im In
nern Berlins, und so kam es denn, daß
Letzterer alle zwei Tage auf dem Spit
telmarkte eine Droschke nahm, um zu
seinem Arzte hinauszufahren.
Herr Rath Scheckig war, wie schon »
bemerkt, ein gemüthlicher Mann und
liebte eS, sich in kleine Gewohnheiten
einzuleben. So hatte er sich daran ge
wöhnt, jedesmal einen und denselben
Kutscher mit dem Transport seiner we
nig gewichtigen Persönlichkeit zu be
trauen.
Der heitere, kräftige und dabei stets
so freundliche und bescheidene Rosselen
ker hatte seinem Fahrgaste gefallen, und
Letzteren hatte eS immer von Neuem
mit Behauen erfüllt, von einein so g»
ten Menschen und Kutscher gefahren zu
werden.
Da das Leiden des Herrn Raths
hartnäckiger Natur war, so hatte sich bei
den häufigen Fahrte» wirklich eine Art
freundschaftlichen Verhältnisses zwischen
ve» beiden Männern gebildet, doch ging
der Kutscher dabei nie aus den Grenzen
einer zurückhaltenden Bescheidenheit her
aus.
Auch heute, an einem regnerischen
Tage, war Herr Scheckig mit freund
lichem Gruße eingestiegen, nachdem er
vom Kutscher in noch liebenswürdigerer
Weise als sonst bewillkommnet worden
war. .
Flott und fröhlich ging die Fahrt da.
hin. Als der Wagen an den Thier
zarten gelangte, der wegen des schlech
te» Wetters deute ganz menschenleer
war, verwunderte sich der Herr Rath im
Stillen, daß der Lenker des Wagens
nicht wie sonst den Park entlang suhr,
sondern in eine der verlassensten Alleen
desselben einbog.
Ehe er jedoch in seiner etwas zurück
haltenden Weise dazu kam, sich über den
Nrund dieser Variation Auskunst zu
erbitten, hielt der Kutscher an einer
menschenleeren Stelle an und stieg vom
Uock.
Erstaunt wollte sich Herr Scheckig von
seinem Sitze erheben, als der Kutscher
olötzlich den Schlag ausriß und ihm mit
:iner ungemein rauhen und groben
Stimme entgegenbrüllte: „Nun, IvaS
soll's, Sie Lump, Sie miserabler? So
einen gemeinen Spitzbuben habe ich doch
,och nicht gesehen, wie Sie sind! Sie
infamer Kerl! Sagen Sie »och ein
Wort, so schlage ich Ihnen die Peitsche
im die Ohren, daß Ihnen grün und
»lau vor den Augen wird."
Eine Anzahl der stärksten Schimpf--
vörter folgten dieser Drohung, und da
»ei hielt der Kutscher seinem bleich in
>ie Kissen zurücksinkenden Fahrgaste den
Peitschenstock vor das Gesicht.
Der schwächliche und nervöse Mann
var zu Tode erschrocken und wagte erst
:in wenig aufzuathmen, als der Kutscher
zon der Wagenthür zurücktrat. .
Was wollte der rohe Mann? Beab
sichtigte er einen Raubanfall oder war
'.r wahnsinnig geworden?
Nach einer Pause, während deren der
»edauernSwerthe Herr vor einem neuen
Wuthausbruche des brutalen Menschen
.itterte, wagte er es endlich, sich zu er
heben, um den Wagen zu verlasse». In
diesem Augenblick jedoch trat der Kut
scher mit seinem gewohnten freundlichen
Lächeln heran und sagte im ruhigsten
Tone von der Welt: „Entschuldigen
Zie, Herr Kammergerichtsrath, daß ich
Ihnen so gekommen bin! Ich habe
nämlich gehört, daß bei Krankheiten oft
ein tüchtiger Schreck viel hilft. Weil
sie nun ein so guter und sreundlicher
Herr sind, habe ich es einmal versuchen
wolle», Sie zu kuriren."
Herr Scheckig saßte sich, doch zitterte
er vor Schrecken noch an allen Glie
dern.
„Nicht wahr, Sie sind mir nicht
böse?" fragte der Kutscher sehr herz
lich.
„Nein, böse bin ich nicht," sagte der
Herr Kammergerichtsrath. „Aber,
lieber Manu, es ist doch fraglich, ob
Ihr Mittel hilft. Fahren Sie mich
über zum Sanitätsrath! Der versteht
eS doch vielleicht besser, wenigstens ist er
kein Freund von solchen Kraftku
ren."
Nachts kehrt' ich heim vom Karten
spiele,
Durchschritt die mondbeglänzte Flur,
Da lag um mich in tiefer Stille,
In sanftem Schlummer die Natur.
Es schlief das Blümlein in dem Gra>X
Es schlief die Nachtigall im Strauch,
Es schlief im Feld der flinke Hase,
Es schlief sogar des Lüstchens Hauch.
Mir dünkte Alles traumverloren
Hier, in des Mondes blassem Licht,
Und dennoch gellten mir die Ohre».
Denn meine Alle schlief noch nicht.
Annonce. „Ich bitte, meine»,
leichtsinnigen Sohne Kuno nicht zu bor
gen. Da ich meine eigenen Schulde»
nicht bezahle, steht durchaus nicht zu er
warten, daß ich diejenigen meines Soh
nes begleichen werde".
Nicht billiger. Dort geht
die Braut von unserem Freunde Mayer,
sie bekommt 6000 M. Mitgift. Nur?
Diese alte Schachtel würde ich nicht un
ter 20,000 M. lieben.
Gedankensplitter. ES ist
leicht, den Leidenschaften zu widerstehen,
die man nicht hat.