Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 19, 1891, Page 3, Image 3

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    Die
MilhMzkiMr.
von «l. Lat«t» » ura»
(S. Fortsetzung.)
zu sehen, so hatte er sich abermals ge
täuscht. Erst gegen zwei Uhr sah cr ihn
plötzlich in scincr unmittelbaren Näh«
an «inem Tische sitzend. Jakob wußte
bestimmt, daß er nicht durch einen der
Eingänge getreten war, «r mußte durch
die kleine Thür »eben dem Bussel gekom
men sein. Diese Ueberzeugnng ließ Ja
kob tief und schwer aufathmen.
HanS befand sich in Gesellschaft eineS
Llteren Herren, dessen ganzes Aeußere
den blasirten Lebemann verrieth. Er
selbst sah bleich und angegriffen anS, die
Wangen warcn hohl, und die Augen
lagen ticf in ihren Höhlung?». Si«
lmtten auch ciucn Ausdruck, die, wie
Jakob dünkte, gar nicht in Beziehung
zu dem Eharakter eines Mannes, wie
Hans Brenner war, stehen konnte; eS
mußte denn eine gewaltige Sinnesände
rung mit dem Bruder vorgegangen sein.
Jakobs He?', schlug fast hörbar in d«r
Brust. Nöthe und Blässe wechselten in
ssolge tiesittnerster Erregung in seinem
Gesicht. Was sollte cr beginnen? Wenn
cr Hans anredete! Er wollte sich vo»
Unmöglichkeit. Und doch! All' sein
Schwanke» hatte ein plötzliches Ende
erreicht.
Da stand cr ncbcn ihm. Seine fest«
Slrbeitshand legte sich auf die Schulter
des Bruders. Dieser zuckte uuter der
unerwarteten Berührung nervös zusam
men. Aufblickend versinsterte sich seine
Miene.
„HanS, ich habe Dich hier seit sechs
Uhr erwartet," kam es zitternd von Ja
kob's Lippe».
„Wärmn? WaS willst Du von mir?"
lautste die kurze, schroffe Entgegnung.
Jakob biß sich aus hie Unterlippe, n'
war bleich geworden. Die Stimme des
Bruders halte einen schwere», lallenden
Klang: oh»c Zweifel in Folge unmäßi
gen Genusses geistiger Getränke.
„Ich muß niit Dir fpechen. Jemand,
den Du sehr lieb hast,ist schwer erkrankt."
Einen flüchtigen Augenblick blitzte eS
in scincil Augen auf, dann umzuckte ein
spöttisches Lächeln feincn Mund.
„Du irrst, ich habe Niemanden lieb,
wie ich Allen ei» Fremder bin," gab er
leise zurück.
In den wenigen Worten hatte ein
schneidendes Weh gelegen.
„Kordel Nachmän» ist todtkrank, wer
mag wisse», kurze Zeit ihr »och
rigeii^ Kindheit, HanS, und ich glaube,
sie würde Dich geru noch einmal vor
ihrem Ende sehen."
„Du täuschst Dich. Kordel hat kei
nerlei Wünsche mehr für ihre Zukunft.
HanS, bitte, geh'einige Augenblicke mit
mir. Willst Du eS nicht ineiuetwcgen,
s, thu« es einer sehr Unglückliche» wil
len. "
„Ich schc, mein lieber Brenner, Sie
sind momentan sehr in Anspruch ge
nommen," sagte jetzt plötzlich der Herr,
welcher mit ihm an einem Tische geses
sen. „Ich gehe nach Hause. Wo treffe»
D«r Herr lüstete seinen Hut und
ging. Jakob ließ sich »ebeu seinem
Brudv' mcder.
„Geh'mit mir HanS. Kordel hat Dich
wirklich gern gehabt nnd ost nach Dir
jich ihm jetzt bot.
„Kannst Du mich die Nacht bcher
beigen?" sragte cr mit nnsichcrcr
Traum, als er wenigeMinutcn später an
dcS Bruders Seite die Straßc cntlang
schritt. Dic kühle Nachtlnst indessen
limsächelte wohlthuend seine heiße Stirn
und brachte ih» zum vollen Bewußtsein
dessen, was cr so ganz unerwartet bei
Hans erreicht. Nichts dcstoweniger
konnte cr sich banger Besorgnisse über
den Ausgang nicht erwehren.
Schweigend schritten Beide neben ein
ander dahin. Es war ein weiter Weg
luS zu JakovS Wohnung, uud den Brü
t. >ii dünkte cr »och länger, als cr in
Wirklichkeit war.
„Kann ich cinig« Tage bei Dir woh
nen?" fragte Han«, nicht weit vo»> Ziele
«»lienlt
.Warum nicht?" gab Jakob zurück.
„Du kannst fr«i über meine Wohnung
Er wollte noch eine Frage hinzufügen,
unterdrückte sie aber. Die größte Vor
folg rechnen wollte.
Zu Haus« angelangt, überwies Jakob
dem Bruder sein Schlafzimmer, er selbst
war für ihn doch nicht zu denken, die
Ergebnisse des heutigen TageS würde»
ihn nicht einen Augenblick zur Ruhe
vielleicht machte er sogar Ersparnisse.
WaS brauchte wohl ein Mensch wie die
ser zu seinem Lebensunterhalt?
Schlaf, aus welchem er erst spät
erwachte. Jakob würde »och gern ein
paar Worte mit dem Bruder gewechselt
haben, hatte ihn aber nicht wecken mögen
und war gegangen, nachdem er einen
Zettel, durch welchen er HanS bat, ihn
um 12 Uhr zu erwarten, ans den Kassee
tisch gelegt hatte.
Hans Vrcniier hatte sich seit langer
Zeit nicht so wohl und behaglich gefühlt,
als an diesem Morgen in der Wohnung
seines Bruders. Die Wirthin war an
gewiesen, ihn mit allem Nothwendigen
zu versehe», und er ließ sich das Früh
stück ganz besonders gnt bei deni Ge
danken schmecke», daß ohne seinen Bru
der sein Hunger an diesem Morgen ver
muthlich ungestillt geblieben wäre er
befand sich i" der That in einer äußerst
aussichtslosen Lage, aus welcher ihn
auch niemand befreit haben würde, wie
er bestimmt wnßte.
Jakob Brenners Wohnzimmer ließ
in feiner ganzen Anordnung nicht min
der Eleganz und Wohlhabenheit ver
kenne», als fein Schlafzimmer. ES
war dunkel gehalten, ohne «inen
düsteren Eindruck zu machen. Helle
Vorhänge gestatteten der Sonne freien
Einzug. Die stillvoll geschnitzten Mö
init Zeichnungen aller Art bedeckt war,
gehörte ersichtlich einem vielbeschäftigten
Manne, während das Sofa wohl kaum
einige Male Benutznng gefunden hatte.
HanS Brenner brauchte einig« Zeit,
einem bestimmten Ziele zustrebte und eS
doch, im günstigsten Falle, zu nichts an
derem bringen würde, als zum Ausscher
tigt. lind in der That, die Welt fragte
Erdachte weiter und weiter viele
Stunde», abcr cS warcn fruchtlos« Ge-
erbarmungslos in den Abgrund führen
mußt:, heiß in sich aussteigen fühlte, so
dttukte dies ihm im nächsten eine llniuög
lichkeit. Er sollte Jakob sagen, wie eS
mit ihm bestellt war, ihn vollen
machen, er wußte eS, aber dem Bruder
so tief erniedrigt gegenüber zu stehen,
nachdem er lang« auf denselben herab
geblickt, dünkte ihn schlimmer, als die
härtesten Vorwürfe zu empfange».
ES war gegen zwölf Uhr, als ein
leichter Schritt auf dem Eorridor und
dann ein einmaliges, ziemlich energisches
Klopsen an der Stubenthür ihn aus sei
nem Brüte» ausschreckte. Unwillkürlich
kam die Aufforderung zum Eintreten
gewissen Eleganz gekleidet, obgleich we
der der Stoff ihres Kleides ein sehr kost
barer, noch der Schnitt desselben der
ersah.
DaS jnnge Mädchen war durch seinen
Anblick sichtlich überrascht. Heiß ergoß
sich daS Blut in ihre Wangen, und die
Nacken aus.
„Ich möchte Herrn Jakob Brenner
sprechen," stainuiell« sie in einiger Ver
wirrung.
Hans stellte sich als den Brnder des
selben vor. Sogleich war die Vcrwir
ihrcn Name«: „Irene Grünwald".
Sie wollte Herr» Jakob Bren
ner bitten, heute Abend zum Abend
brod zu kommen. Der Vater
habe sich schon seit einigen Tage»
nicht wohl befunden und Herrn Brenner
vergebens erwartet. Heute sei ihm zwar
wieder besser, aber er werde in den näch
sten Tage» »och nicht in die Fabrik gehen
und habe doch Nothwendiges mit Herrn
Brenner zu besprechen.
In der ganzen Art deS jungen Mäd
chens war etwas sehr Ernstes, Ruhige»
und Sicheres. Es zeigte keine Spur
von Verlegenheit mehr, sondern eS war
dein jungen Maler vielmehr, als musterte
ihn ihr Auge mit prüsenden Blick.
Er sagte, daß er seinem Bruder die
Bestellung ausrichten werde.
Er wurde roth; warum fragte sie so?
„Sie diirsen sich aus mich verlassen,
mein Fräulein."
Nun erröthete sie.
„O, ich bin überzeugt, Herr Brenner,
aber verzeihen Sie der Vater
würde sehr ungeduldig werden, und er
ist leidend. Ich möchte ihm jede Auf
regung ersparen."
ße», klaren Augen mit einem Ausdruck
auf ihn gerichtet, dem fein leicht erreg
bares Herz nicht widerstand. Er war
in der That durch ihre Frage verletzt,
umsomchr, als er glaubte, daß seine
äußere Erscheinung si« zu einem Miß
traue» berechtigt habe.
Leider! Er stand prüfenden Blickes
vor dem Spiegel, nachdem sie längst
gegangen war. Er hatte seine Kleidung
seit zwei Tagen nicht gewechselt. Das
schwarze Saminetjackct, obgleich nicht
schcinung machte den Eindruck eines
nachlässigen oder mindestens sehr un
ordentlichen Menschen.
So lautete das Urtheil des jungen
Mannes über seine eigene Person, und
er hatte ei» Gesühl vo» Scham, das sich
nicht überwinde» ließ. Er war unzu-
JakobS baldige Heimlehr. Der Gc-
nichts mehr sein eigen, nicht einmal
mehr Farben, Pinsel und Palette. Er
hatte alles bei der »nliebcnSwürdige»
liing begehrt, im Stich gelassen, sein
Geldbeutel war völlig leer, und Freunde
hatte er seit dem Tage, an welchem Hm
ken an das große Heer der Freunde, die
er einst besessen, lächeln. Wo waren si«
geblieben? Welche» Scharssi»» hatten
sie bei dem Erkennen des geeigneten
Augenblickes, in welchem eS sich nicht
nicht mehr verlohnte, um eine» Sinken
den sich zu bemühen, entwickelt! WaS
aber sollte er beginnen?
Und wieder schlug die Uhr an. Hani
Brenner zuckte abermals zusammen. Es
war die höchste Zeit er-mußte gehen.
Schon hatte er sich der Thür genähert,
um das Zimmer und das HauS zu ver
lassen, da erinnerte er sich des dem jun
gen Mädchen gegebenen Versprechens,
ihres Ziveifelns a» seinem Worthalten.
Er blieb.
Wenige Minuten später betrat Jakob
Brenner das Zimmer. Er bot dem
Bruder herzlich guten Tag und zeigt«
«ine unbefangene Miene.
„Ich ließ Dich schlafen Leute Eures
verträumen", sagte er lächelnd. „Bei
uns heißt's dagegen: „Früh heraus!'
Willst Dn mich zum Mittagessen beglei
ten? Ich speise bei meiner Wirthin."
lieber —"
Jakob wollte verletzt auffahren, abei
ein Blick in das Gesicht des Bruders
brachte ihn schnell zum Schweigen. In
demselben war nichts zu sehen, das an
den wegwerfenden Hochmuth srüherei
habe zu thun."
„Ist es etwas Unaufschiebbares?"
„Nicht gerade, aber—"
„Dann bleib' bei mir, Hans, ich bitte
Dich herzlich darnm. Wir waren uns
so lange fern könnte nicht wieder ein«
wir, die wir durch die Bande deS BlnteS
verbunden sind, nicht doch auch seelisch
verbunden bleiben? HanS, Du hast Dich
in mir getäuscht, ich nehme Dir nichts,
was Dir gehörte; ja, mit de» größten
Opfern würde ich für die Begründung
Deines Glückes Sorge getragen haben,
wett» diese in meiner Macht gewesen
wäre. Laß mich ehrlich z» Dir sprechen.
Du glaubst, ich hätte mich zwischen Dich
und Kordel Nachmann gedrängt, und
doch würde eS mich namenlos beglückt
haben, Dich mit ihr vereint zu sehen.
Sieh' nicht so finster darein! Nie kam
mir der Gedanke, Kordel durch andere
Bande, als die einer, a»S einen, gleichen
Schicksal entstandenen Freundschaft an
mich zu fesseln. Auch Dir konnte sie
nichts werden, HanS. DaZ arme Ding!
Es war eine durch Frost verkümmerte
Blume, die wohl noch im Sonnenschein
ihre» Kelch erschließen konnte, aber doch
dem Untergang geweiht war. Sie hat
Nachmann? Ist es möglich?"
„Ja, HauS, sie ist sehr krank; ihr
Leben zählt nur noch nach Tagen."
Jakob sah, wie Röthe und Blässe rasch
in dem Gesicht des BrudecS wechselten,
sah seine Hände zittern, und eine Pause
killstnnd. HanS unterbrach sie zuerst.
„Sie hat Dich geliebt."
In dem Ton dieser Stimme lag ein
unterdrückter Groll. Jakob hatte
„Ich glaube cS. Befremdet Dich das?
uns nahe. Tu weißt doch! Ihretwegen
fanden wir „Am Denn Hardt" Aus
nahme."
„Sprich nicht von jener unseligen
Munde das Wort hörte!"
„Mögen sie doch; ich fürchte mich
S-rge".
schreite» aus der nin
dem lebhaftesten Interesse. Ach, sie
hatte einen großen Herzenswunsch, der
„Weichen Wunscyk» sragte cr mit ge»
prcßtcr Stimme.
„Von dcm Gefährten ihrer Kindhei«
„Sagte sie das?"
hast Dich früher a»f mich gestützt, wc'ß«
halb willst Du es heute nicht thun"!
Etwa nicht, weil ich in Deinen Auge?
'"'„Jakobs"
schmalen Wangen des jangen Manne«
„Jakob, glaubst Du, daß es nock
besser mit mir werden kaun?" fragte ei
„Du fragst? Warum nicht? . Weil
„Ich brauche nichts zu wissen. Mctt
mer Kerl! Wie sauer ist Dir das Leber
geworden!"
wirre Haar deS Bruders, der uutcr die:
ser zärtlichen einer harter
Albeiterhand erschauerte.
zu versehe», indem er ihm seine Börs«
zur Verfügung gestellt. Heiß war ihm
«och einmal dic Nöthe der Scham i» di<
ruhig für Dich ich gebrauche es nicht!
ich würde Deine Hilfe ebenso in Anspruch
genommen habe», wenn ich ihrer bedürf
beruhigend, wie er eS nie gckannt, ob
glcich noch die Schamröthe feine Wange»
färbte. Wie cin wüster, banger Tmum
lagen die letzte» Jahre hinter ihm, kni
letzen Monat», Wochen, Tagc. W«i
Er blickte auf die gefüllte Börse, di«
gcrtc cr, sie an sich zu nchmcn. Et
sollte sich mit dcm Nothwendigsten vcrsi'
hen. Was war denn das Nothwendigste?
Ihm fehlte Alles. Ja schlimmer als
Aber Jakobs rastlos thätiger Geist,
dung mit dcni Brndcr statt, und bcntc
mehr als je. Wie schroff hattc HanS ihn,
vor nicht gar langer Zeit gcgcnübcrgcstan
stcts bncigt. Und wie saud cr ihn am
Mittag? Wie schinicgsamcs Wachs
unter i>cm Druck cincr warme» Hand.
War nicht auch der Vater cin glcichcr
Eharaktcr gewesen? Wie oft hatte dieser
Gedankt im Laute der keit >ich
ihr immer ein Fremder bleiben zu iniis
> sen, hielt daS heiße, leidenschaftliche Ge
l fühl i» eine», Ban», der demselben nie
- fit mit leiser Stimme. „Ich fühle aber
1 auch selbst, daß eS vorbei ist, Jakob
i endlich vorbei!"
k " Dic lebten beiden Worte klangen wie
, del —Du —"
ticf zu ihr Innabbcugcn, um sie uur ver
stehen zu können, ihr sieberheißcr
' Nthcm strciste scine Wange, und er
fühlte sich von einem unneilnbaren
' Schmerz durchfluthet.
„Sieh' nicht so finster", fuhr sie fort,
' und ihre Hand berührte liebkosend scine
' Wange. Er schauerte unter der Berüh
- ruug znsamme». „Ich sühle mich jetzt
- ganz glücklich, ganz bosricdigt, uud Glück
° und Frieden danke ich Dir. Ohne Dich?
Wic hätte mir cin srommeS Gottver
> Tich an der Seite cincr anderen Frau
5 glücklich zu scheu. Wic selbstsüchtig ist
1 doch das nicnschlichc Hcrz!"
ivar doch 'mciiic Hcimalh bei Dir,
Kordcl."
„Morgen. Alle Tage bis Du ge
sund bist."
> Bis ichAksund bin," nickte sie leise.
' (Fortsetzung folgt.^
s
s»t
Der stolze Graf Siebenthal machte i»
Jahre 178 S eine Reise nach Hamborg.
Er war mit einer Empfehlung an ein«
sehr liebenswürdige, dort lebende adlig«
Familie versehen. Als er seinen erste»
Besuch bei derselben abstattete, fand er
eine sehr freundliche Ausnahme; eS war
gerade eine ausgewählte Gesellschaft
beim Frühstück versammelt, in deren
Mitte jedoch, wie der Graf zu seinem
Mißbehagen bemerkte, sich auch der jü
dische Bankier Herz befand. Die Fraa
vom Hause bat die ganze Gesellschaft
zum Tiner und wies dem Bankier, eine»
durchaus gebildeten und sehr angeneh
men Gesellschafter, seinen Platz nebe»
dem Fremden an. DaS beleidigte Graf
Siebenthal sehr und er wandte sich m
der Unterhaltung immer an seinen an
deren Nachbar, der adliger Abkunft
war. keine Gelegenheit vorüberlassend,
den Bankier zu kränken.
Dieser blieb ganz gelassen, erwartete
aber eine Gelegenheit, den groben Nach
bar mit gleicher Münze zu bezahlen,
wenn dieser seine Ausfälle aus ihn fort
setzen würde. Diese zeigte sich bald.
Man sprach von der Türkei.
„Ich habe viel über dieses Land ge
lesen," nahm der Graf daS Wort, „und
ich sympathisire sehr mit den Türken.
Besonders sind ihnen zweierlei Geschöpfe
verhaßt, für welche ich ebenfalls die
Neigung der Katze zur Maus empfinde,
mit der Ausnahme, daß ich sie nicht
essen mag."
„Was find denn das für Geschöpfe,
Herr Graf?" fragte der ebenbürtige
Nebenmann.
„Das sind die Esel und die Juden,"
sagte Graf Siebenthal mit einem
höhnischen Seitenblicke. .Beide sind
in der Türkei gleich verachtet, und
man schlägt sie todt, wo man sie
findet!"
Der Graf schwieg triumphirend,
die übrige Gesellschaft war höchst ver
legen.
Da erhob sich Bankier Herz ein we
nig von seinem Platze, klopfte dem gräf
lichen Nachbar auf die Schulter und
sagte gemüthlich lächelnd:
„Na, mein Bester, dann ist'S gut,
daß wir Beide nicht in der Türkei
sind.
Der siebenjährig» «rieg»
Wir haben also sieben Jahr
Gekämpft den Kamps Ehe;
Daß ich der stets Besiegte war,
Mein Weibchen, ich gesteh« I
Ost glaubte ich durch Reden spitz
Zu siegen thöricht Wähnen!
Du hattest besseres Geschütz
Mein Weib, Du hattest Thrä
nen!
Und wenn Du nun statt rothem Blut
Die Thräiilein hast vergossen.
Da wurde Friede wohlgemuth
Für ewige Zeit geschlossen:
Allein die Fehde ward erneut.
Wenn ich bei Trank und Schmanse
Des Abends länger mich ersreut
Und später kam nach Hause.
Da galt'S mit Klugheit, galt's mit Lrs»
Dem Plänkeln zu entweichen,
Bis ich Dich schließlich doch geküßt:
Das war das Friedcnszeichenl
Ja, so entzog ich sieben Jahr'
Mich leidlich der Affaire,
Ich wünsche, daß eS dreißig Jahr
Und länger noch so währe!
Paul AlberS.
Romanhaft.
DaS Cchlußcapitel einer traurigen
Geschichte hat sich, wie eine Berliner
Korrespondenz erfahren haben will, am
ersten Tage des neuen Jahres in einer
Berliner Familie abgespielt. Anfang
des vorigen Jahrzehnts der
„plötzlich" eingetretene Tod der etnx»
dreißigjährigen Frau des Industriellen
F. allgemeines Aufsehen. Man wollte
wissen, daß das junge Weib nicht am
Herzschlag gestorben sei, sondern in den
Flnthen der Oberspree freiwillig geen
det habe, nachdem sie sich von der ehe»
lichen Untreue ihres Gatten überzeugt
hatte. Dem Wittwer verblieben zwei
Töchter, deren Aeltere sich vor etwa
einem Jahre mit einem hiesigen Bank
beamten verheirathete. Die Jünger«
war bis vor Kurzem in Dresden in
Pension gewesen und kehrteerst nach der
Hochzeit der Schwester in das HauS de-Z
Baters zurück, woselbst sie jedoch nicht
lange verblieb.
Die junge Dame hatte den Vater
wiederholt gebeten, zur Bühne gehen zu
dürfen, war aber mit ihrem Wunsche
stets abgewiesen worden, so daß Herr
F. zur Vermeidung weiterer Streitig
keiten es sür gerathen fand, seine Toch
ter zu Verwandten nach München zu
schicken. Wenige Tage nach ihrer An
kunft daselbst, Anfang December vori
gen Jahres, nahm das junge Mädchen.
zuS Gram über die Nichterfüllung ihres
Leben-Wunsches, Gift und starb. Wäh
rend der Vater nach München reiste,
um der Beisetzung seines Kindes beizu
wohnen, traf ihn ein zweiter harter
Schlag. Man hatte unvorsichtiger
Weise der älteren Schwester, welche we
nige Tage vor der Katastrophe nieder
gekommen war, die Trauerbotschaft mit
zetheilt, »ud Gram und Schmerz hatten
die ohnehin schwächliche junge Frau der
«rtig überwältigt, daß sie im Wochen
bette starb. Der bedauernswerthe Va
ter hat das plötzlich über ihn hereinge
brochene Unglück nicht lange überlebt
oder überleben wollen. F. ist ans seiner
Besitzung, linem Gnte in der Prignitz.
vor einige» Tagen einer „Herzlähmung"
nilegen. Die Geschichte klingt etwa»
romanhaft.
Die Frau hört eS lieber,
wenn man ihr sagn Sie sind die
man sagt: Sie sind die Schönste auf
l>er Welt.'