Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 29, 1891, Page 6, Image 6

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    «
«Uder au» de« »««elleve»»
Zu den in Bezug aus das Thierledeß
«och schr ungenügend erforschten Tr»-
pengegenden gehören auch die M»il
«rove Wälder der Westküste von Afrika,
zene aus dcn Rhizophoren genannten
Bäumen bestehenden Wälder, welche so
viele Flachküsten tropischer Länder wie
mit einen« grüneu Kranze um äumeu,
daS FluthundEbbegebiet und nament
lich die Mündungen der Ströme bewoh
nen. ihre Samen gleich Pfeilen in den
Schlamm bohren und so la«gsam immer
weiter >n das flache Meer vorrücken.
Meist durchfährt dcr Europäer auf
Dampfern oder in Ruderbooten so rasch
«ls möglich die Ereeks oder Canäle
dieser Sümpse. denn die schädlichsten
Fiebermiasmen herrschen in ihnen, und
namentlich der untere Niger dürfte mit
Recht als die ficberreichste Gegend der
Erde gelten. Starben doch bei dcr
Lander schci» Niger - Expedition von
IB3Z VON 49 Eupropäer nicht weniger
als 40, und bei der von Baekie in,
Jahre 1841 von 145 in de- ersten zwei
Monaten 48! So suhren denn auch
wir 188 S ohne unnöthigen Ausenthalt
durch das Nigerdelta, wo der friedlich«
Naturforscher auch noch durch die miß
trauische und nicht selten feindselige
Bevölkerung behindert ist, wie denn
noch heute vor kaum drei Monaten im
Akassa Creek eine französische Handels
expedition angegriffen und zum Theil
erschossen wurde.
Nur wenig Vogelleben bemerkten wir
im Btangrovewald. Ueber den Kronen
der Bäume sieht man maiestätischen
Fluges den weißen Geierseeadler schwe
ben, hie und da steht ein Reiher am
'User, ein schwarz und weißer Eisvogel
streicht mit leisem Pfiff über die Wasser
fläche. Sowie aber daS Land sich über
die' Fluthöhe erhebt nnd anderer Baum
wuchs auftritt, wird es lebhafter ; grau«
Papageien flattern da mit durchdringen
dem' Geschrei von dcn Bäumen, Flöten
würgex lassen ihre angenehmen Stro
phen h'ören, und ein kleiner, mit eb-nso
einfachem Gefieder, wie die Nachtigall,
»md auch einer beinahe fo herrlichen
Stimme begabter Vogel,
-viron» der Ornithologen. erfreut, ver
borgen unter großen Blättern sitzend,
das Olxr. Wir verweilten indessen
nicht lange am unteren Niger, hinein in
das Hniierc, hieß unser Losungswort,
hinauf ging es in die steppenartigen Ge
filde des nördlichen Haussa - Landes,
zwischen Niger, Benne und dcm Süd
raiide der Sahara gelegen.
Wir befinden uns in unseren Winter
monaten, dem trockenen Halbjahr jener
Länder, in welchen süns bis sechs Mo
nate kein Tropfen Regen fällt. Wir
rücken aus der alten großen Haussastadt
Saria mit dcm ersten Strahle der Mor
lgensonne ab, vor uns in langem Gänse
marsch die Trägerkarawane. Mit uns
ziehen andere Wesen hinaus ins Feld,
lange schimmernde Wolke» jener kleinen,
weißen Kuhreiher, die keincswcgs wie
Brehm annahm, cin nächtliches Leben
führen, sondern Nachts auf dcn großen
Affcnbrodbäumen und riesigen Erioden
dren in den Haussa Städten zu Tausen-
schlafen Pflegen, und mit Tages'
«nbruch wieder hinausziehen in daZ
Feld, wo sie den Heuschrecken und dem
Ungeziefer dcr Rinder, aus dcrcn Rük
kcn man sie häufig sieht, nachstellen.
Sonst sieht man kaum ein Thier; heu
lend braust dcr kalte Harmattau vo»
Norden her über die Stoppeln der Ne
gerbirscfelder und die kahlen Sand
stächen, ans denen vereinzelte Tamarin
den ragen, und die weiter ab vo» den
Städten einem dünnen, lichten Busch
wald mit hohem Grase Platz machen.
Aber rasch steigt die Sonne höher und
die anfangs angenehm wärmenden
Strahle» brennen bald glühend heiß
hernieder.
Das ermuntert denn auch das wärme
liebende Volk der Vögel. Freundlich
grüßend tönt vom Sande her der heimi
sche Ruf der Haubenlerche, als wolle er
unS die ferne Heimath in'S Gedächtniß
rufen, und unwillkürlich schweifen die
Gedanken über Wüsten, Berge und das
blaue Me>r zurück in die ferne Hei
math. Ueber uns wird ein sonderbarer
Ton vernehmbar, eigenthümlich klirrend,
«m das sogenannte Meckern unserer Be
tassine erinnernd, und wenn wir auf
merksam hinauffpähen, gewahrem wir
«inen kleinen Vogel, nach Lcrchcnart
auf und niedersteigend, >lir»kr» I!u>K
die „Klapperlerche", welche diesen
Ton mit ihren Flügeln hervorbringt.
Aus der Lust herab klingt wohl auch
der helle Ruf bunter Bieneiisresser, und
zuweilen aus dem Buschwerk das laute
Locken eines Frankolins oder Perl
huhnes. Sonst ist es still und nur der
melancholische, halb jammernde, halb
jauchzende Gesang eines fröhlichen Trä
gers erschüttert die Luft. Jetzt nähern
wir uns eine Gruppe kahler, alten Nie
seneichcn vergleichbarer Affenbrotbäume,
Die schon lange am Horizonte sichtbar
waren, und da zeigt sich nun ein Leuch
ten und Blitzen, das uns erstaunen
macht: Da tummeln sich Schiaren der
Herrlichen -Glanzstaare, deren metallische
Manzfarbcn außer einigen Kolibris
kein anderer Vogel in ähnlichem Maße
zur Schau trägt. Es ist ein Glänzen
und Schillern in dem hellen Sonnen
schein, von dem man sich beim Betrach
ten eines ausgestopften Glanzstaares
nur eine schwache Vorstellung mache»
kann.
Scheinbar nicht im Einklang mit dem
Herrlichen Gefieder, steht die nicht sehr
laute, häßlich rauhe, kreischende Stimme
der Glanzftaarc, eine Erscheinung, der
wir aber vielfach auch im umgckehr
ten Verhältniß in der Vogelivelt de
gegnen, und die sich bei einigem Nach
denken als sehr nützlich für die Vögel
erweist. Nock) eine andere treffliche
Eigenschaft haben die Glanzstaare.
welches« leider mit den meisten kleine
ren Vögeln theilen: ihr Fleisch ist au
Herordentlich wohlschmeckend und sie
haben mit farbenprächtigen Bicncnfref-
Hcrn, Tauben und Sporenkibitzen luoii-
che?, Mal da» Fleischgericht unserer
»'.ahlzei en aus der Reise durch spärlich
ewoynte Gegenden bilden müssen.
Eine große Abwechselung bietet sich
uns dar, wenn wir in eine Thalsenkung
kommen, wo ausgedehnte, nur in den
trockensten Monate» passirbare Sümpsc
zu durchzi .hen sind, wo Seen und Tüm
pel ihre schimmernden Wasserflächen
zeigen. Da ist ein Vogellcben sonder
Gleichen. Reiher und riesige Störche
heben sich aus dem Schils und Röhricht
empor, über die Blätter großer Lotus
bliiiuen läust die langzehige Parra
pseiigeschwind dahin, alles wird lebendig
ringsumher, wenn ein Schuß ertönt.
Gewaltige Flüge von nordischen Enten,
welche hier den Winter zubringen, egup
tische» Gänsen und Wasserhühnern,
hebe» sich mit donnerndem Getöse in
schimmernden Wosen aus, um bald wie
der einzusallen und andere Massen zum
Ausslatteru uuter zornigem Geschrei z»
veranlassen."
Entschieden großartiger noch, und
mehr den gar zu leicht zu hoch gespann
tcu Erwartungen von tropischer Falle
an Vegetation nnd Farbenpracht ent
sprechend, als de>' größere Theil dcr
von mir durchzogenen Länder AsrikaS,
treten dem Reisenden die Wälder dec
indisch malayischen Jnselgebiele ent
gegen, wo ich in der an Vogelleben rei
che» Malakka-Halbinsel in einem reizen
de» Landhause am User eines Baches
wohnte, beinahe am Ende einer, zwischen
hohen Waldbergen gelegenen Schlucht,
vor deren Eingang der wundcrvollc
Marmorselsen Gunong Pondok mit sei
neu schimmernden Wänden und tiefen
Höhlen sich erhob. Wenn man gegen
Abend aus der Veranda faß, tönte vom
Walde her unter anderen Thierstimmcn
überlaut das Geheul der große» Lang
armaffeii und das klingende Rufen des
riesigen Argusfasanc» herüber. Un
heimlicher klang dazwischen, von der
einen Bergwand herkommend und an
der andern widerhallend, das höllische
Lärmen des großen Nashornvogels mit
dem kompakten Horn, des Ul-inspl-tx
vi-s'i> der Ornithologen, das den Wald
bis aus eine englische Meile uud weiter
hiu durchhaue. Er hebt an mit
einzelnen, in langen Intervallen ans
gestoßenen Hnp's, die einander
immer rascher folgen, sich zuletzt
beinahe überstürzen und in einen rauhen,
lachenden Ton übergehen, dessen Stärke
geradezu überrascht. Der abenteuerlich
gestaltete Vogel, eine wahre Alpgestalt
in Vogelwrm, ist weder in Sumatra,
noch in Pcrak besonders selten, aber er
ist außerordentlich scheu und lebt vor
zugsweise in unzugänglichen Bergwäl
dern, welche seine Jagd und Beobach
tung erschweren. Der „Gcspenstnas
h rnvogel" ist nach Ansicht der Malaien
ein verwandelter Mensch. Sie erzäh
len mir: Es war ein Malaye, der
sich mit seiner Frau erzürnt hatte. S«in
Schwiegermutter nahm die Frau in
Schutz, worüber dcr böse Mann in
grimmen Zorn entbrannte. Er schlich
mit seiner Axt unter das Haus der
Schwiegermutter, das nach der Laudcs
sitte aus Psählen erbaut war, und be
gann mit weittönenden Schlägen die
Tragbalken zn durchhauen. Dcn Sturz
des Hauses begleitete er mit lautem Ge
lächter. Zur Strafe für seine Rohheit
wurde er in dcn mißgestalteten Vogel
verwandelt, uud man tann »un stets im
Urwald die dumpsen Axtschläge und das
d. h. des Schwiegermuttermörders, hö
ren.
Ein sonderbarer, zur Familie der
Bartvögel oder gchö
render Vogel, der rc>lc
> dessen Lebensweise so gut wie un
bekannt war, gab mir auch in den Ber
ge» von Perak Gelegenheit zur Beob
»ung.
Es war zuerst im Juli 1888, da ich,
von einem Fieber mich erholend, in dem
prachtvollen Landhause deS Residente»,
Sir Hugh Low, auf eiuein etwa 4000
Fuß hohen Berge weilend, in den küh
len, kurzen Augenblicken eines tropischen
Sonnenunlergaiiges auf der Veranda
saß. Der Blick schweifte hinunter über
die dunkel bewaldeten Berge und die
unten wie Spielzeug ausgebaute Stadt
und Zinnminenwerke von Thaiping und
über d«n breiten Saum der Maugrove-
KüsteuwSlder auf dos mit Inseln be
deckte, glänzende Meer, indem feuerroth
der Sonueuball versank. Keines Men
schen Ton war zu vernehmen, denn der
einzige Mitbewohner der prachtvollen
Bergfpitzc, mein tamilischer Koch, berei
tete schweigend in der Küche mein Abend
essen. Ringsum aber erklang das
Abendconccrt der Natur. Fast aus
jedem Baum und jedem Strauch tönte
das Schwirren und Zirpen von Cicaden,
die wechselvollen, bald quakenden und
grunzenden, bald melodisch flötenden
Ruf' deS schwarzen Flaggendrongo wur
den laut, ein Ricsenjegler schoß pseisend
durch die Luft alles mir schon be
kannte Laute, aber unter den schwirren
den Eieaden fiel eine durch ganz beson
ders laute und sonore Stimme auf, ein
Cicadenruf, wie er an Stärke nur von
dem der Trompetercicade, die ganz wie
eine Kindertrompete vom Weihnachts
markte schreit und quäkt, übertroffeu
wird. Zu rasch für mich war die Sonne
untergegangen, die Vögel waren mit
Beginn der Dunkelheit verstummt, das
Heer der Cicaden lärmte ungestümer
fort, aber, sonderbar, gerade der eine
sremde Ton, jenes durchdringende
zirrrrr, zirrrrr, zirrrrr, war nicht mehr
zu hören. Am nächsten Tage glückte es
mir, die vermeintliche Cicade in der
entdecken. Ter interessante Vogel, den
ich später noch oft beobachten konnte, ist
fönst still und zutreulich und fliegt un
gern aus, sondern sucht sich durch Ver
stecken in den Baumkronen zu schützen,
waS ihm vermöge seiner blattgrünen
Färbung vortrefflich gelingt.
Eines der glänzendsten Schauspiele
aus allen meinen Reisen sollte ich am
Saum der indischen Wüste, am Sam
bar Salz-See genießen. Aus einem
von braunen Hindus getriebenen Hand-
wagen LS auf dcm mitten in den
die lndiens, führen
den SchSllvngeleife hin. Mächtige Geier,
der ichwarze uohlkopsgeier mit nacktem,
rolhem Halle und der helle, wcißrückigc
bengalische Geier kreisten über einein
todten Rinde, Krähcn krächzten dort
hinter jcncr Hütte am Schutthansen,
aus dec Ferne der deutschen grauen
Kirche gleichend, den, Vogelkuudigen
aber bekannt, als die gemeine, indi,chc
krähe, jcherzweis wohl von ihrem Ent
decker -z Isiiilolls, die glänzende, ge
nannt in der Krone einer dornige»
Akazie girrten wilve Lachtauben, jene!
selbe, falbe Art, die man bei uns so oft!
in Käfigen sieht. Zur Rechten lag dcr
Ort Sambar mit grünen Bannigrnp
pen, dem allen Fort und einigen Tem
pelvanien, vor uns die weite Sceflächc,
yalb von dcr Bahn durchschnitten, schein
bar endlos nach Nordosten ausgedehnt,
wahrend sich un Osten und Südosten
die kahlen, zerrissen.'» Felsrückcn von
liata Pahar und Marut m wunder
barer Deuilichkeit in der unvergleichlich
itaren indischen Wintcrlust avhobcn.
An den Ufern der weilen Wasserfläche
trieben Schaarcn von langbeinigen
Stelzenläuserii, Wasser- und Sirand
läufcril und k'ampshäqnen im grauen
.lieijegefieder ihr Wescu. Weiterhin
aber ist die Wasserfläche, weiter als das
reicht, beseckt um weißen Punkien.
Ein Glas l'elehrt uus, daß eS uuschätz
bare Massen, viele Hunderttausende von
Vögeln sliid! Gotteroögel, Flamingos!
Xicht ohne Müiie schleichen wir uns
watend i» ihre Nähe, bis wir das Herr
tiche Schaaspiel voll gcnießc» kennen.
Es ist uumöglich. zu beichrcioen, nnc sie
ichnecivciß und roscnroth in ichuniuern
de» Reihe» dastanden, unmöglich, zu
ichildern, wie prachtvoll die sich erheben
den Schaarcn ausserien, wie sie weiß uno
roth in der hellt» Sonne schimmern,
wie c.nc hvchnbcr hinfliegende Schaar
im blauen Vlelher zu schwimmen scheint.
Aber nicht nur auf dcm Landc, son
dern auch aus dcni Meere scheu wir der
Vögcl viele, und sogar weitab von den
k ste i zeigen sich uns nicht selten ihre
ich.»eigen Leiber. Wir befinden uus
im insischen Occan, wcit westlich von
dcn Andanianen. Ueber uns eintöni
ger, hellgrauer Himmel, von dem di
tropischc -onne heiß hernieterbrennt,»,»
nns rings das blaue Meer, das sich iu
leichten Falten hebt und senkt, und aus
dem Flüge silberglänzender, blau und
purpurn leuchtender, fliegender Fische
sich erheben, um in flachen Bogen eine
Weile über die Wellen hinzuschießen.
Seit mehreren Tagen haben wir keinen
Vogel gesehen, außer einer gelben Bach
stelze, die matt und hungrig an Bord
gekommen ist, wo sie sich nun von den
dort besonders häufigen Küchenschaben
in der Kajüte des Kapitäns und süßem
Wasser nährt, für das ab und zu ein
Regen und die mitleidigen Passagiere
sorgen. Da zeigt sich wcit hintcr uus
ein weißer Punkt am Himmel und
nähert sich uns, die wir mit einer Ge
schwindigkeit von 10 Seemeilen die
Stunde sahren, ansfallcnd schnell, bis
wir in ihm dcn Tropikvogel I'li-lsto
nsstlivrous, wie ihn Linne benannte,
erkennen. Ein wahrer Sohn der Sonne
ist er, der sein Lcbcn in den sonnigen
Tropen zubringt und niemals den kal
ten Nordcn zu scheuen braucht, lioat
svain, den Bootschwan, nenne» ihn die
englischen Matrosen, woraus die deut
schen Scclcnte, welche allerlei Wunder
dinge von ihm erzählen nnd cS ungern
sehen, daß man ihn schießt, das uuvcr
stäudlichc Bootsmann gemacht haben.
Obgleich der Flug des Pbaetou nicht so
leicht und weich, wie der der Seeschwal
ben, so ist doch seine verblüffende Ge
schwindigkeit und Gewandthc't und der
schneeige Leib mit dem rothen Schnabel,
der wie durch Zanbermacht zwischen
Meer und Himmel zn schweben scheint,
von so außerordentlicher Wirkung, daß
sein Anblick dem Naturfreund unver
geßlich bleibt und zuweilen gespenstisch
wie ein Mctcor aus seiner Welt inmit
ten des Getriebes der europäischen Ci
vilisation vor dem geistigen Auge aus
leuchtet."
Sin österreichisch«» .scl.? «»oc
August Klein von Ehrenwalten, ein
Manu, mit dessen Namen der kräftigste
Aufschwung in der Wiener Galanterie
waaren - Industrie verbunden, ist am
23. December in Wien gestorben. Sein
Lebensgang ist die Geschichte eines tüch
tigen Mannes, der durch Fleiß, Ver
ständniß und Umsicht zu Ansehen, Ehren
und Reichthum gelangt ist und dessen
Thätig'eit seinen Mitbürgern zum Se
gen geworden ist. Es existirt eine
Selbstbiographie diese« seltsamen Man
nes, vie bereits vor 14 Jahren nieder
geschrieben worden, der aber Wesentli
ches nicht mehr hinzuzufügen ist, um
ein richtiges Bild von den, energischen
Buchbindcrgchilsen zu bekommen, der
sich zum Chef einer Wcltfirma emporge
arbeitet hat. August Klein war als
Försterssoh» in Rothenstein bei Pappen
heim in Baiern 1824 geboren und kam
nach Absolvirung seiner Lehrzeit in
Nürnberg mit lii Jahren nach Wien,
Ivo er in den besten Werkstätten Arbeit
suchte und fand. Schon mit 21 Jahren
inachte er sich selbstständig mit Hilfe von
7V fl., die ihm ein Bruder lieh. Er
arbeitete ers mit nur einem Lehrling,
allein schon am End: des Jahres be
schäftigte er bereits 10 Gehilfen.
Ta er von den Exporteuren nicht gut
behandelt wurde, ging er mit einem
großen Posten Waaren auf Reisen,
machte sich dadurch von den Kaufleuten
srei und errichtete ein eigenes Dctailge
schäit, das er bald nach einer Reise nach
Berlin, Frankfurt, Offenbach, Paris
und London zu einem Exportgeschäft
umwandeln konnte. Sein Standpunkt
war dabei stets, Waaren in sranzösi
schein Geschmack und mit englischer So
lidität herzustellen. Sein Absatz nach
Paris vergrößerte sich so, daß er bald
konnte. Ten Rath Napoleons, in
Frankreich auch eine Fabrik zu gründen,
wies er ab, was er später
hat. In London legte er ebenfalls ein
besonderes Geschäft an. Bemerkens
werth ist. daß auch die kleinen sogenann
ten Wiener Bronzen von Klein eingc
führt worden sind. In seiner Auto
biographie finden sich sehr scharfe An
llagen gegcn verschiedene Wiener Kreise
Klein ist mit alle» möglichen äußere
Ehren bedacht worden, er hinterläßt e "
großes Vermögen, eine Fabrik, die übe
inv Arbeiter beschäftigt, und eine Bc
sitzuug in Waidhosen.
Rusfisch - jüdisch« »riefe«
Lieber Bär, genannt Bogdan»«
witsch!
Von Deinem Brief, WaS ich habe
eben erhalten, hat blos gehabt mein
Moritz ein große? Vergingen, denn er
l-at abgeschnitieu die Marke von'S Kuh
wehr, weil er is'n gewaltiger Sammler
and geht aus die Bricimarlcnbörfe.
Augenblicklich fixt er Helgoländer. Aber
vie gesagt, Moritz ist der Einzige, der
sich hat gefreut, ich habe bekommen ä
Haut. wie '»e Gans vor sechs Mark.
Kennst Tu Haminerstein? Ja, Du
-virst kennen Haminerstein! Wie kanune
!e»nen Hainnierstein, wo ihr doch seit
abgeschnitten vo» aller Cnitnr und nicht
!cnnt unsere großen Politiker. Hain»
aierilcin hat gesagt: Woß» nnd ich habe
oon ihm gelernt zu fragen in allen La
heit des Lebens, wo m in nicht weiß, ob
sie Welt ist verrückt oder mcsckugge:
Woßu? Woßu frage ich, biste gegangen
lach Rußland? > Woßu biste gegangen
» ein Land, wo die Mensclie» noch sind
zurück, daß sie sind außer sich, weil
I haben keine Versassung. Nu, wen»
>^on.
Wenn sie haben keine Verfassung,
>enn kann sie ihnen doch nicht werden
zebrochcn. Wenn Du nu schon gehst in
io'n Land, was beklagst? Dich? Wenn
Rußland hätt ä Versassung, worin
steht geschrieben, daß alle Comectionen
sind gleich von dem Gesetz und wenn
sann die Regierung kuinmt und fchicker
airt Dich und schmeißt Dich raus und
nimmt Dir deinen Grundbesitz, denn
hättste Recht, daß Du schreist Gewalt.
Aber Rußland hat Dir doch nebbich
»ix versprochen, also was schreiste Ge
walt?
Recht haste. Es ist Gewalt, und der
Minister, was Schuld hat an diese Ge
waltiach:, der soll haben keine Baßillen
and soll kriegen ä Etiispritzung von
ausgerechnet zwanzig Kubikmeter Koch
sast, und er soll werde» hundert Jahr
ilt, aber gleich auf der Stell, und er
wll gewinne» das große Loos, aber die
Zziehung soll nngiltig sein und wenn
vieder geßo ien wird, soll er kriegen ä
aijerlich russische Reichsniethe.
Aber gegen die Gewalt kann man nix
nachc», wie man gegen a Fuder Mist
iix kann anstinken. Da geht man aus'm
Weg. Wie sagt d»r Hamircr, der raus
;eschmissen ist geworden? Er sagie:
Zch wär doch gleich gegangen. So hat
auch gesagt Stöcker. unser Temagigerl
and Ägiotator, wie er hat eins bekom
men mit der Pangsion über'n kovp,
laß er ist geflogen von der Hindersin
>traßc »ach der Königgräycrstraße.
Danke dem lieben Gott, daß er in seiner
Weisheit und Güte hat verhärtet die
Herzen der Gewaltsrussen, und mache,
laß Du wegkommst. ES ist die Höch te
Zeit. Wo die Regierung gebraucht Ge
valt, da gebraucht auch Gewalt das
Lolk, denn wie der Herr, so der Knecht,
ind eS wird nicht lange dauern und da
vird wieder mit Bomben geschmissen
and die Menschen und die Knrse werden
Ällen wie die Fliegen. Da braucht man
iix zu sein dabei, es könnt einen doch
vas treffen. Was brauchen die Juden
!U sein dabei, wenn das Bomben
ichmeißen wieder losgeht in Rußland?
Zs ist doch nebbich keine Premiere, es
st doch ä altes Trauerspiel neu cinstn
nrt.
Laß Dir nix wachsen graue Haare,
lieber Bär. Erstens haste doch schon
iiehr wie Du brauchst und BweitenS
voßu? Die Russen werden haben den
größten Schade» davon. Wenn sie wer
den verkaufen können kein Grundstück
»n die Juden, wird es ihnen leid thun,
and wcnn sie die jüdischen Handwerker
ausweisen, dann wird die Arbeit theu
rer werden, und eines Tages werden sie
schreien: „Eiweih, wir haben unsern
Willen durchgesetzt!" Wie die Egypter,
Gott hab' sie selig, haben geichunden die
Juden, was haben sie davon gehabt?
Die ausgerechnet Behn Plagen. Und
wie sie die Jude» haben gewollt rctour
holen, sind sie reingefallen, und heute
noch stehen die Egyptcr nebbich nicht
wieder pari. Aber wcnn Du heut
reist in Egypten, denn wirfte fin
den, sie haben behalten das Ungcßie
fer und haben nix anßußielieu und
wenn sie nicht hätten die Mmnjen, dann
hätten sie gar nix ßu exportircn. Zu
stand!
Wie sagt der alte Rebbe Akiba? Er
sagt: Alles ist schon emal dagewesen.
Es ist schon emal dagewesen, daß die
Juden ihre Peiniger überlebt haben.
Und warum? Darum, weil alle Völker
ihre Peiniger überleben. Les die Ge
schichte.
Dein Bauernschwager
Schlaume Pein per.
Bertfteidigvng.
Daß vom Kops ich bis zur Zehe
Bin modern und elegant,
Daß ich wie ein Fürst aussehe.
Dank ich meines Schneider» Hand.
Daß ich sehr viel Geld ausgebe,
spiele, wette, fein soupir',
Kurz, wie Gott in Frankreich lebe.
DaS verdank' ich einzig mir!
Aber wenn mein Kovk eS duldet.
Daß der Mund oft thöricht spricht,
Kein, das hab' ich nicht verschuldet,
llber auch mein Schneider nicht.
B. Lorenz
Da« erste »in».
Sine Betrachtung fürElter»
und Solche, die es wer
den wollen.
Aus blauer, von Lämmerwolkchen
durchzogener Höhe schwebt der Storch
hernieder und das Frauchen schlüpft
hinter die Bettvorhänge, um den lieben
Vogel zu empsangen. Man hat den
Klapperer längst erwartet, aber er wollt«
auf das gewisse Dach noch immer nicht
herunterfliegen. Vielleicht kommt er gar
nie. Er hat das Püppchen in feinem
rothe» Schnabel immer in ein anderes
Haus getragen, selbst wenn man das
HauS vor ihm verriegelte bis es
ihm endlich eines schönen TageS einfiel,
daß ja auch dort ein Herd flackert, wo
man es gar fo gern sehen würde, wenn
er durch den Schornstein ein kleines
Kindchen hinuntersallen ließe. Und
richtig hat er eines hinuntersallen las
sen.
Keine schönere Musik als das bitter
liche Mchgeschrci des kleinen Wesens.
Es ist cigcntlich kein Wehgeschrei. Das
willige Geschöpf begrüßt damit das
Leben, zu dein.eS erwacht ist. Mit
dein Anbeginn seines Daseins spannt
seine kleine Lunge sich zuin ersten Mal
aus,um mit dem lcbenerweckendenSaner
stosf auch den Keim des Todes ciii',u
athmen. Oh, der bitteren Wahrheit!
Denn mit seinem ersten Athemzug,
der das Lebe» bedeutet, hat sich auch
schon der Keim der Zerstörung hinnnge
stohlcn. Wozu auch ewig lebe»? Wel
chen Werth hätte» Jahre, wenn sie sich
in'S Unendliche ausdehnen würden?
Ter Schmerz ist der Preis des Glückes.
Besitz ist nichts, als umgekehrter Ver
lust.
Daß es nur endlich gekommen ist!
Du starker, kräftiger Junggeselle, der
dn stnmps bist gegen die Freude, die das
Beglücken bietet, der du deiue Tage in
ödem, schroffen Egoismus hinbringst
geh' in dich und trinke aus dem Born
der wahren Wonne! Kein Zanbertrank
schmeckt so süß, wie der Kuß deS Kin
des.
Ta liegt es, das Neugeborene, in sei
» r göttlichen Nacktheit, der jüngste
Sproß am großen Baum der Mensch
heit, und schrcit.Jrgend „ein Vater", der
»ngeiiannt bleiben will, nimmt es mir
aus der Mitte meine Seele, wenn er
ausruft: „Himmlische Musik des erste»
Schreiens, heilige Stimme des Seins,
cr>te Silbe des Gedichtes eines Herzens,
erster Aklord der Symphonie desLebens,
Widerhall des schöpserischen „Werde"!
ich grüße dich!"
Wen» man eS zu ihm hinträgt, sieht
der Vater das unbeholsene Thierchen
befangen an. Die weise Frau schankelt
es eifrig in den Armen, um es zu be
ruhigen. Wcm sieht es ähnlich? Tie
Nase ist „ganz der Vater", die Augen
sind die der Mutter, versichert die wackere
Tame. Das arme Tröpfchen gleicht
aler noch nicht einmal sich selbst, so
unvollkommen ist es. Die Großmama
vergießt Freudenthränen. O, w?n»
das ihr Mann,der Vater ihres Sohnes,
erlebt hätte! Es gibt doch kein vollkom
uienes Glück aus Erden!
Auch die jungen Eltern rillen sich mit
neuen Namen. Bisher war dcr Mann
„Pipi" nnd die Frau „Mimi". Aus
ersterem ist „Papa", aus» letzicrem
„Mama" geworden. Der kosende, in
haltlose, sc chtc Vokal hat sich in einen
tiefere», wärmeren Laut umgewandelt.
Mit Thränen des Dankes und der Liebe
in den Augen kniet Papa vor dcr blei
chen Mama und drückt auf die herab
hängende weiße Hand einen heiße» iikuß.
Im matte» Gesicht der jungen Mniter
strahlt der sanfte Abglanz miaussprech
liclier Sel gleit. An ihrer Brust —oh
reifende Ausnahme! schwelgt das
kleine, das ihm ichier der Athem aus
iioii betrachtet a!S „Büste", als bild
haiierüche Schöiilft'it, was die gütige
Natur ihr zu einem höheren Zwecke an's
Her', gcittgt hat. Weibliche Schönheit!
dich nicht. Unsere seligste Frau, Ma
donna Raiacl'S, zeuge sür mich!
Süße Mutter! rust! Du nie durch
dachieS, nie genug besungenes zauber
haftes Geheimniß! Tas K ind, das im
tiessten Tttiikel der Sinne »och «nbekol
sen »mhertappt. erwacht, wenn sein
Köpschen a» der Brust ruht, nach eini
gen Stunden bereits zn dem Bewußt
sein, daß dies hier sein Heim sei. Erst
quiekt es aus voller Kehle, klagt und ist
ungeduldig, als ob vo» diesem Augen
blick das Leben abhinge und wenn es
dann an der süßen Milchquelle der
Mutterliebe ruht, beeilt es sich nicht im
Mindesten.
Das Rind nimmt alle Kräfte der
Familie in Anspruch. Und gerade die
heikle Zartheit, dir dem nnveiheirathc
ten, cinsaiuen Manne unausstehlich ist,
macht u»S das Kind so theuer. Was
wäre das Aeriiiste ohne uns? Seine
Unbeholfenheil rührt uns; was es vo»
nnS verlangt, ist mehr als Theilnahme,
es ist
Wie viel ist in den vorausgegange
nen Tagen und Nächten sür den kleinen
Ankömmling geichnciderl, ge.iäht, ge
strickt, gehäkelt worden! Oh müttterliche
Vorsehung, die sich mit uns beschäftigt,
bevor wir sind, und in ihrer Liebe uns
srü'.er das Ta ei» gibt, als die Natur!
Nun ist das Kleine satt geworden,
und weil sich dies mehrmals des Tages
ereignet, sv »iinmt es zusehends zn. Es
ist wahrhaftig bereits stark gewachicu.
und beginnt schon aiiszuinerkcn. lind
jetzt— wqbrhastig! hat es lieblich
das Mündche» vrr ogeu. So lieb!
Ta sieh: das Püppchen hat gelächelt.
Es war nur ein flüchtiger Schein, aber
ke>n Zweisel, es war ein winzlges, klein
winziges i.'äck>cln.
Auf das erste Lächeln folgt dcr erst«
Thränentropsen. Denn das Wcinen.
mit dem es in seinen ersten Tage» in
die Welt hinciugreiiit, ist nur ei» trok
Kues Weiiun. Abcr was ihm icyt im
Augenwinkel schimmert, ist schon ein
erster Thränentropsen, ein Theil vom
Meere der LebenSbitterniß. Das
Tröpfchen ist kaum größer, als ei»
Stecknadelkopf. Der Vater küßt dies«
salzige klcine Perle weg: er trinkt du
erste Thräne seines Kindes.
Erstes Lächeln! Erste Thräne! Welch«
Ströme von Gesühleu entspringen aus
diesen Quellen!
Es schläft. RingS herum Herrschi
Stille. Plötzlich schreit es laut auf.
Doch man kann eS nicht Schreien oder
Seufzen nennen; eS ist vielmehr ein sei
nes Ausathmen oder dergleichen. Sv
zwitschert der Vogel «m Schlaf.
Auch sein Geist erwacht. Er hat
Alles bekommen, dessen er bedarf, und
jetzt legt man es schön in sein Bettchen.
Ja. Bcttchen, und nicht Wiege. Di«
Herren Hygicnikcr versichern, das
Schaukeln störe den Blutumlaus im klei
nen Körper. Glücklicherweise beHallen
die Feen Recht: sie wiegen das Kindlein
ein und es gedeiht. Abcr Mama schwört
anf ihre» Hausarzt, d'rum liegt auch
das Kind im Bettchcn. Es liegt ruhig.
Auf eiiimal ertönt ein gellender Laut
und ein verzweifeltes, zum Ersticken
schweres Schluch.cn. Rasch nimmt man
es ans, und der kleine Bösewicht schweigt
und läßt sein Auge ruhig im Zimmer
umherschweifen. Er wollte Gesellscha t.
Aristoteles uennt den Menschen ein so
ciales Thier — und wirklih sehnt sich
auch der Säugling nach der menschlichen
Gesellschaft.
Selbst das gesundeste Kind ist krank;
die rasche Entwicklung zieht ihm viele
Leiden zu. Die Mutter schließt in sol
cher Zeit nur ein Auge, und ihr Schlaf,
ist nichts als ein wacher Schlummer,
ans dem sie ein Senszer, ein leises
Wimmern ihres Kindes aufschreckt. Ach,
das kranke Kind! Gibt es etwas, was
das Herz schmerzlicher berührte? Es
leidet, und weiß nicht, warum. Es
thut ihm etwas weh, und es weiß nicht,
waS.
Ich habe daS theuere, schöne, kleine
Söhnlein einer Mutter gekannt, das
von dcr Diptheritis befallen wurde.
Ter sechsjährige Knabe grub seine
kleine Hand in krampfhaftem Schmerz
in den Arm der Mutter und bat sie
dringend, sie möge ihn von den ersticken
den k lammern befre en, die ihn würgen;
sie werde schon sehen, wie ein artiges
Bübchen er dann sein werde. Und
Mutier und Vater mußten den Todes
kamps deS K indes ohnmächtigen Hände
ringens ansehen.
Tie Mutter leidet viel; sie hat nie
Ruhe. Die Pflege, die Eriiehung des
Kindes nimmt alle ihre Körper- und
Scclenkräste in Anspruch. Das kleinste
Opfer, da-Z sie bringt, ist das ihrer Frei
heit. Ist sie die Amme ihres Kindes,
so sesselt das stic ige Gebot der Ernäh
rung sie an die Wiege. Da erinnere
ich mich an ein reizendes Bildchen, das
ich in Havre gesehen habe. Die Brust
in das tief ausgeschnittene Mieder zu
rückdrängend, beugt die zum Ball ge
rüstete junge Mutter sich über daS kleine
Bebe und rust dem kleinen, satten Men
schen, ihm mit dem bereits im Hand
schuh steckenden Finger drohend, zui
„Ich hoffe, mein kleiner Tyrann, Sil
werden gestatten, daß potits
sich im Saale dreimal herumdrehe, dann
bin in wieder ganz die Ihrige!"
Der Vater, welcher seinen Beruj
außer dem Hause hat und daher dai
Kind seltener sieht, entdeckt an ihm, so
oft er heimkoinmt, etwas Neues: eine»
Fortschritt oder eine Veränderung. Dal
lallende Baby hat heute zum erste«
Male den artikulirten Laut » verneh
men lassen, den ersten von den sechsund
zwanzig, aus welche» die menschlich,
Sprache besteht, die Alles umfaßt, was
die Menschheit von Homer bis Shake>
speare, von Moses bis Darwin gefühli
uud gedacht hat. Von diesem Augen
blicke a» ist die Seele des Kindes inil
der See.c der Welt zusainmenacschlosscn.
Nach dein ersten Lächeln, der ersten
Thräne uud dem erste» articulirtcn
Laute lomnit dcr erste Blutstropfen.
DaS Kleine müsse geimpft werden. W>t
bekiommen ist die Mama, wcnn sie des
sen setles, weißes Aermchen dem Arzt«
hinhält. Ein llciner Stich und daj
rothe, warme Blnt Blut von ihrew
Blute quillt in einem dicken Tropfen
heraus.
Das Kind nimmt so rasch an Verstand
zn, daß es heute wahrscheinlich auch
schon gegähnt hat. Das Gähnen ist
nämlich daS stärkste Kriterium der Ur
theilskrast. Das Gähnen ist nichts
anderes, als der Hunger des GeisteSj
daS Kleine langweilt sich und sperrt
den Mund weit auf. ES erinnert da
mit schr an daS klcine Vöglein im Nest,
wcnn es dcn Schnabel aufspannt. Auch
sonst erinnert das Kind an die Vögel,
denn es erwacht mit der Wachtel, mit
der Schwakbe, so wie es zu tagen an
fängt Vogelgezwitscher, Kinderlallen
wie lieblich begrüßt ihr dcn Mor
gen?
Matt vom Wachen, versinkt die Mut
ter in einen schweren Morgenschlaf;
doch das Baby liegt schon mit offcncn !
Augen da. Welch' lieblicher Anblick ist
das Erwachen des Kindes! Es streckt
sich, greift mit den kleinen Händchen
in's Nichts hinans und strampelt mit
den runden Füßchen so gewaltig, bis es
sich die Decke glücklich vom Leibe ge
schafft hat. Nur, daß eS nicht davon
stiegt —so guter Laune ist es! Und
was könnte es sonst thun, als fliegen ?
Seine Bcinchcn tragen es ja noch nicht!
Versteht Ihr nun, warum man die En
gelein ohne Füße, nur mit Flügeln ab
bildet?
Inzwischen ist die Mama erwacht und
hebt das lustige kleine Ding zu sich
heraus und schaut ihm in's Auge. Das
Auge des K indes! Es ist klarer und
tiefer, als das „Meerange" der Tatra.
Die sich loslösenden Geheimnisse eines
erwachenden Verstandes, einer sich klä
renden Seele lcnchtcn uns daraus ent
gegen. Tas Auge eines Kindes besitzt
eine große Kraft. Ich erinnere mich
der Aussage eines Mörders, der, nach
dem er den ringenden Vater nieder
gestochen halte, vor dem unschuldigen
Blick des wehrlosen KindeS erschrak und
das meuchlerische Messer aus seiner
blutigen Hand fallen ließ.
Tas Kind, das ich küsse, ist ein klei
nes Mädchen. Hab' ich es noch nicht
gesagt? Aber wer denkt auch daran?
Für die Eltcru ist es genug, daß es ein
Kind ist. Ihr habt vielleicht noch gar
nie daran gedacht, wie poetisch, wie
jungfräulich das Wort „Kind" ist! Es
macht keinen Unterschied zwischen Kna
ben und Mädchen, sowie wir im zarten
Alter der Kinder deren Unterscheidung
auch äußerlich vermeiden. Man kleidet
Knaben und Mädchen eine Zeit lang
ganz gleich. Erst später „stolz reißt
vom Mädchen sich der Knabe".
Die Frau wünscht gewöhnlich, daß
das Erstgeborene ein Knabe sei. Sie
möchte dcn eitlen Vater verpflichten,
denn Jeder sürchtet, es könnte tn ihm
das ausgezeichnete Geschlecht der „Mül
ler" oder daS mächtige Geschlecht dcr
„Lehmann" auSstcrbcn. Und doch hat
Papa noch drei jüngere Brüder, und
sein älterer Bruder har vier Bengel, die
alle schon in die Schule gehen. Es gibt
auch solche Frauen, die wünschen, daß
das erste Kind ein Mädchen sei. Eine
solche Mama hat sehr früh gcheirathet
und sieht in ihrem Kinde die noch nicht
vollständig verwundene Puppe, sie
wünscht sich ein Mädchen, um es nach
Herzenslust ankleiden zu können.
Heute ist der große Tag, wo man
das Kind zum ersten Male der Welt
vorstellt. Die junge Mutter sieht alle
ikinder aus der Gasse an. Vordem hat
sie sie gar nicht bemerkt; jetzt »st es, als
ob sie ihr's angetyan hatten. Beson
ders die kleinen, die mit dem ihren von
gleichem Älter sind, hält sie auf der
Äasse au. Sie prüft, vergleicht, fragt
die Amme aus und sieht sich verstohlen
den Schnitt des KindermantelS an.
Wie viele Kinder gibt eS doch auf der
Welt! Das bemerkt sie erst, seitdem
sie selbst eins hat. Und auch auf die
ikinder Anderer blickt sie zärtlich. Es
ist etwas Heiliges, Göttliches in der
Mutterliebe, das sich auf alle Kindcr
erstreckt.
Das Kleine ist von der freien Lust
betäubt und schläft tief. Es thut ihrem
Herzen wohl, wenn die Augen der Men
schen an ihm haften bleiben und die
vorübergehende» sagen: „Ein schönes
Kind!" Schön! Was heißt „schön"?
Für welche Mutter ist ihr Kind nicht
schön? Die Genugthuung, daß es lhr
gehört, der Stolz, daß es lebt, sich be
wegt, verschönen ihr Kind auch wenn
es sonst ein „häßlicher Balg" ist, wie
eine neidische, kinderlose „Freundin"
behauptet.
Gestern ist ihm der erste Zahn her
vorgekommen. Ein kleines, weißes,
blinkendes Zähnchen. Wenn das Kind
chen lacht, so sieht das Zähnchen in sei
nem Munde aus, wie cin Maiblüinchcn
zwischen Rosen —deklamirt der poetische
Papa.
Man sagt, das Mädchen gehöre dem
Vater, der Knabe der Mutter. Die
Eltern streiten auch miteinander, wem
von ihnen das Kind am meisten gleiche,
und buchstabiren aus dem Gesichte die
charakteristischen Züge gründlich heraus.
Jede dcr beiden Parteien schreibt sie
sich zu. Kind, du süßes Mysterium,
du gehörst Beidcu an! Es ist ein reizen
der Anblick, wenn das kleine Mädchen
mit seinen Armen dcn Hals des Vaters
umschlingt, und nach Jahren, wenn es
erwachscn, der Vater der Ritter seiner
Tochtcr ist. Entzückend abcrist dcr
äbcrmüthigc Knabe aus dem Schooße
der Mutter, und wcnn er nach Jahrcn
der Beschützer seiner ergrauenden, viel
leicht verwittwcten Mutter ist, so erhebt
uns der Anblick. ,
, Und nichts ist ergreifender in Gegen
satz zwischen Mann und Weib, als wcnn
?r im Bilde des Sohnes und der Mut
ter versöhnt erscheint. O himmlischer
Stolz, mit dem die Mutter aus den gc
leierten Mann blickt, der ihr Sohn ist!
.Jeder GeschlechtS-Unterschicd ist ver
jchwnndcn, dcr Sohn sucht in seiner
Mutter nicht mehr das Weib, sondern
»asJdeal, das ihm so nah ».doch so fern
ist, wie die unsichtbare Gottheit? — so
schließt „ein Vater" seine über da>s
Kind geschriebenen Tagebuch-Aufzeich
aungen.
Das Baby anschauend, schmieden Va»
!cr und Mutter tausend ZukunftSplänc.
„Wenn ich ihr schon t«z Haar mit
Bändern werde einflechtcn können!....
Wrnn ihm schon der Schnurrbart wach>
sen wird!" So die Mutter.
„Wcnn ich daran denke, daß meine
kleine Tochter sich tinmal in irgend
einen Taugenichts verliebt und er si«
»us dem elterlichen Hause fortnimmt!
Wenn der Junge einmal mit dem
Doktor-Tiplon nach Hause kommt!
Wenn ich einmal seine Schulden bezah
len werde!" So dcr Vater.
Das Kind schließt sich immer cngcr
an dicGejellschast an. Aber eh« dasMäd
chen heirathsjähig wird, schätzt der Va
ter sich glücklich, daß seine Tochter ihn»
schon die Pantoffel bringen kann.
Und wcr hätte das gedacht?! Das
Kleine kann kaux« gehen, und dcr Storch
ist schon wieder ans daS HauS herabgc
flogen.
Nun soll's wirklich em Junge wer
den!
Was Kriege kosten. Das
nglischc Blatt ~'l'l>o Lllonornist"
bringt eine sehr interessante Zusammen
stellung der durch die letzten Kriege ent
standcncn Verluste an Menschen und
Geld. Todte zählte man im Krimkriege
750,v01), im italienischen Kriege IBS9 >
45,tM>, im schleswig - holsteinischen
Kriege 3000, im südamerikanischen
Bürgerkriege 280,000, im Bürgerkriege
der Ver. Staaten SÄO.OOO, im Kriege
vom Jahre 186 K 45,000 und im letzten
deutsch französischen Kriege 216,000.
An Geld kostete der Krimkrieg 68,000
Millionen Mark, d«r italienische Krieg
1200, der südamerikanische Bürgerkrieg
9200, der nordamerikanische Bürger
krieg 18,800, der preußisch-österreichische
Krieg 1320 und der deutsch.französische
Krics 10.000 Millionen Mark.