Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 29, 1891, Page 3, Image 3

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    Die
NeimhaMklM.
»» «. itüt«t»»»»»«.
(0. Fortsetzung.)
dein'e!»'solcher Verdacht hasten bleiben
konnte. Daher habe ich sofort alle
Hedcl in öeivegung gesetzt und glücklich
wiid man Sie morgen bestimmt entlassen.
Ich wollte Ihne» diese Nachricht gern
peiiönlich bringen."
komme», es war ihm auch unangenehm,
daß sie ihm entschlüpft waren, den» fei»
Gesicht »ahm plötzlich einen etwas ver
„Jch danke Ihnen für JhreGüte, Herr
Brenner," flüsterte Jakob kaum hörbar,
ohne daß er nur wagte, den Blick zu er
heben.
„Da giebt's nichts zu danken," kantete
dir beinahe schroffe Entgegnung. „Tüch
tige Arbeite, i» meiner Fabrik zu haben,
ist ineiii Stolz, ich würde es mir »ie ver
zeihe», wenn mau ein räudiges Schas
darunter snnde. DaS wirkt ansteckend.
Darum wird auch auf strenges Regiment
gesehen. Und nun halten Sie den Kops
hoch. Ich wiederhole, Sie sind ein
Pechvogel, Sie müssen dopselt vor
sichtig in der Welt sei». Einem anderen
Mensche» hätte das »icht einmal passiren
können. Ihne» fehlt der Glaube an
sich selbst, de» mehr oder minder jeder
Mensch zum Leben gebraucht. Suche»
Sie ihn »u» um jeden Preis zu ge
winne», wenn Sie auf Erfolg rechnen
wollen."
Jakob Brenner athmete nur tief und
schwer, er entgegnete nichts ans diese
Worte. Aber der Fabrikherr hatte diese»
Seuszer verstände», schmerzlich bewegt
blickte er ans den jungen Mann. Aber
mals schwebten gütige, warme Worte aus
seinen Lippen, doch blieben sie unaus
gesprochc» ; er wandte sich zum Gehen.
„Auf Wiedersehen!" sagte cr »och
zu wische». Die Begegnung mit de»,
Sohne seinoS uuglücklichen Bruders hatte
ihn gewaltig erregt. Daß es so weit
hatte kommen müssen! Und er war dem
Schicksale, das sich scheinbar an Jakobs
Jakob aber saß noch lange, nachdem
der Fabrikherr ihn verlassen, regungslos
i» derselbe» Slclluiig, unablässig lrops
ten die Thränen über seine Wangen
herab. Nu« erst kam'er zum rechlen,
sich der großen Gefahr, in der
«r geschwebt. Die Worte de» Fabrik-
Herrn aber hatten einen tiefe», nachhal
sind ein Pechvogel! Ihnen fehlt der
Glaube a» sich selbst." Es lag zweifel
los eine große Wahrheit i» ih»en,
und doch, nicht nur das Unglück im ge
wöhnliche» Sinne versolgie ihn, mehr
der Fluch, der von Kindesbeine» an auf
ihm lastete.
An diese Gedanken reihte» sich andere.
Warum »ahm Karl Brenner sich seiner
so warm an? Er hatte Schritte sür
seine Btsreiung gclhan, sich bemüht, die
ran lag, seine Arbeilerschaar von «inem
räudigen Schas srei zu halten, sondern
noch, weil derjenige, auf welche» ein so
furchtbarer Verdacht gefallen, sei» Neffe
war. Die Untersuchung würde ja auch die
verwandtschastlichcnßeziehungen zwischen
dem Angeklagten »nd dem reichen Fabrik-
Herrn zu Tag« gefördert haben. Da«
hätte zu unliebsamen Erörterungen Ver
anlassung gegeben.
Aber all' diese Betrachtungen vermoch
ten doch den einen Gedanken von Jakob
nicht sern zu halten, daß ein besondere«
Interesf« sür ihn den Fabrikherr» s»
warmen Antheil an seinem Geschick hatte
nehmen lasten. In seinem ganzen^Aus
widersprach. Sollte doch nicht die Reue,
sollten nichl Gewissensbisse Karl Brenner
in diesen Tagen heimgesucht haben? War
«r nicht doch schuldig, zu der Erkenntniß
gekommen, wohin seine Schuld den
Lohn de« Bruder« geführt?
Nicht lange sollte Jakob seinen
Betrachtungen überlassen bleiben. Zwei
Mensche» kamen, ihn zu besuche»,
Werkmeister Grünwald und Irene.
Hatten sie gehört, daß er schul
lo« war, und wollten ihn nun beglück
wünschen? Er sühlte eine» schmerzhaf
te» Stich durch'« Herz und war kaum
im Stande, den ihm gebotenen, warm
herzigen Gruß zu erwidern.
„Brenner, verzeihen Sie, daß wir
nicht früher kamen," sagte der Werkmei
ster jetzt. „Irene wollte gleich her, um
Ihne» zu sagen, wie tief wir von Ihrem
Unglück mit betrossen worden sind; ich
fand »ichl de» Mulh, Jh.'-n gegenüber
zu lrete», Sie sollten sich erst beruhigt
haben. Das ist nun geschehe», wie ich
sehe. Nicht wahr, Sie fühlen sich nicht
mehr beunruhigt? Die Sache muß sich
ja auskläre». Di« Menschen glaube»
nicht an Ihre Schuld. Ich habe mich
wirklich gesreut, doch der Gerechtigkeit
zu begegne»; Ihre früheren Feinde neh
men für Sie Partei und ich habe die
feste Ueberzeugung, daß man Sie bald
freigeben wird."
LI Diese Worte, der Ton, i» welchem
st« gesprochen wäre», inachien einen über
wältigenden Eindruck onf k,» jungen
Mann, sie schmolzen vollendÄ die Eis
rinde, mi< welcher das Unglück sein Herz
nmpanzert. Der Werkmeister »nd Irene
hatte» zu ihm gewollt, ihn zu trösten,
insbesondere die letztere, auch andere
Menschen mochten nicht an feine Schult
glauben die Ueberzeugung berauscht«
ihn förmlich. Er erhob sich von seinem
Sitze, den Angekommenen entgegenzu
gehen, aber feine Kniee zitterten, er ver
mochte kaum, sich auf de» Füße» z» er>
halte». Mit bebender Stimme erzählt,
er. daß Herr Brenner ihn vor kurzer Zeil
ve,lassen und der Ueberbringer anßeror.
dentlich günstiger Nachrichlen geweser
sei. Das Gesicht des Werkmeisteri
nahm einen Ausdruck von Befriediguno
an; in Irenen« Augen aber leuchtete ei
strahlend auf.
„Wie ist das möglich?" fragte Grün,
wald. „Vor einer Stunde habe ich noch
mit dem Herrn Geheimrath gesprochen
und sand ihn in größter Ausregung, weil
seine bei der Polizei gestellte Fordernnc
auf Ihre Freilassung abschlägig beschie
den worden war. Auf seine Frage, ol
ich nicht genau da« Datum wisse, an dem
Kordell Nachmann verschwunden sei,
konnte ich ihm allerdings Auskunft geben,
da es der Tag nach demjenigen war, an
dessen Abend Sie uns zum ersten Mal b
suchten. Er notirte sich da« Datum, ,»
eS müssen ganz besondere Umstände sein,
welche jetzt eingetreten sind. Sie habe»
wenigstens in dieser Zeit Menschen ge
habt, die mit Wärme und Energie sich
sür Sie bemüht haben."
Früh am folgenden Morgen würd,
Jakob Brenner auf freien Fuß gesetzt,
nachdem man ihm Vorwürfe gemacht,
daß er nicht mit wenigen Worten Auf
klärung über daS gegeben, was sich als
entlastend sür ihn hätte erweisen müssen.
Wie ei» Träumender durchwandelle e,
die Straßen der Stadt. Abermals wa,
ein Geiviltcrstnrin an ihm vorüberge
braust uud hatte an den, Mark seines
Lebens gerüttelt. Er fühlte sich müd«
»,id erschöpft, »in heißes Verlangen »ach
Ruhe war über ihn gekommen, aber
seltsam er glaubte sich in diesem
Augenblick nicht so schwer belastet u»i
niedergedrückt, wie die langen Jahr,
vorher.
Die Mutter empsinq ihn mit jubelnde,
Freude, sie war unfähig ein Wort übe,
ihre Lippen -u bringen, sie deutete stumm
aus ein Päckchen Zeitungen, die ans dem
Tische lagen. Unwillkürlich einer stum
men Aufforderung ihrerseits folgent
schlug er eines der Blätter auseinander.
„Oh! Oh!" kam eS über seine Lippen,
indem er aufschluchzend auf einen Stüh!
niedersank. „Vielleicht kann der Fluct
gelöst werden, Mutter. Die Welt isl
nicht ganz so ungerecht, wie e« den An
schein gehabt. Sie sagen, ich habe ein,
Jugendschuld längst abgebüßt sii
sagen, und gelobt sei ein gütigerGott, daß
ich Dir diese Worte bestätigen kann, ich
würde niemals für meine eigene Person
die Hand nach fremdem Gut ausgestreckt
haben."
Siebentes Kapitel.
Die permanente Kunstausstellung de«
bekannten Kunsthändlers Mertener wa»
seit einigen Tagen der Wallfahrtsort, zu
welchem die Geistesariitokratie pilgerte.
Dieser schlössen sich alsbald alle diejeni
ge» gesellschaftlichen Elemente a», welch,
gewohnheitsmäßig jedes neue lAemäld,
in Augenschein zu nehmen »erpflichtet zu
sein glaube». Die Kritik beschäftigt«
sich i» diesen Tagen besonders lebhasl
mit den beiden Arbeiten eines junger
Künstler«, dessen Name zum ersten Mal,
keine künstlich geschraubte. Die Mo
tive waren so einfach, wie möglich, abei
von einer überraschenden Wirkung.
Beide Bilder waren Kinderportrält von
seltener Schönheit. DaS eine zeigte ei»
kleines Mädchen mit krausem, nußbrau
nem Haar a»s dein mit Blumen durch
wirkte» Rasenteppich, am Nande eine?
schmalen Wasserstreisens. Die herab
hängenden, schwankenden Zweige eine,
Birke glanbte man im Abeudwind sich
bewege» zu sehen. Die Kleiduno
des KindeS, bestehend aus einen.
Röckchen über dem weißen, ge
bauschten Hemdchen, aus welchem di>
reizende Büste, zwei in ihrer Form
wundervolle Aermche» hervorsahc», unt
welches die nackten Beinchen bis übe,
das Knie frei ließ, hatte eine Meister
hand entworsen, darüber gab e« nur ein,
Stimme. Die Stellung de« kleiner
Geschöpfes, die eine Hand nach Blumen
langend, die andere einen kleinen Strauß
Frühlingsblumen haltend, auf welcher
die großen Augen mit glückseligein Aus
druck ruhten, mar eine so natürliche und
ungezwungene, daß man es gleichsam sich
bewege» zu sehen glaubte. Und übe»
diese Gestalt, über die Birkenzweige,
über das Wasser, den Rasen war ein
rothgoldenes Abendlich» ausgegossen, >vi<
es die Naiur nicht herrlicher geben kann.
Der Frühling des armen Kindes!
Daneben der Winter. Ein kleines frie
rendes Bcltclmädchcn im zerrissenen
Kleidchen, die Hände unter der Schürz
Gang, ei» Zimmer, ein Hansflur, wei
tonnte es wissen? Vielleicht hatte der
Künstler selbst nicht einmal etwas Be
stimmtes in's Aug« gekaßt. N»r Stein,
fliesen sah man, schmutzig, seucht, stellen
weise roth, ui» die ursprüngliche Zarbi
anzudeuten. Die Beschauer und Be
wunderer dieses Bilde« aber sahen,»»
da« Kind, dem auch.Nunger und Frosl
die Schönheit nicht hallen rauber
können. Die Wangen waren schmal
und blaß, aber da« herrliche Oval de«
ganzen Gesichtes war nirgends gestört.
Die Augen des Kindes richteten sich au>
den, der' es ansah, mit einem so flehen
den und angstvollen Ausdruck, daß es
dein Beschauer war, als werde eben ir,
diesem Augenblick die Bilte um ein,
Gabe an ihn gerichtet Die rechle,
kleine Hand, die trotz ihrer Magerkeit
nicht unschön war. streckte sich wie ,u>
Empsanguohme au«, während die link,
auf einen alten Korb, in welchem tinig«
üunde Streichhölzer lagen, deutele.
OaS Licht einer kleinen, qualmende»
Oellamoe siel gerade aus die Gestalt de«
kleinen Mädchens, auf dem dunklen
Haar zitterte e« wie Glorienschein.
Ei» berufenes Künstlerauge sah auch
vielleicht die Mängel der beiden Bil
der, das Publikum nicht, und die
Kritik schloß sich mit Wärme dem Ur
theil an, sie wollt« absichtlich die Fehler
übersehen, in wirklicher Bewunderung
des jungen Künstlers. Denn jung war
er, kau», 23 Jahre alt. Man erzählte
sich Wunderding« von seinem Fleiß,
seiner Ausdauer. Der Sohn einer
Wittwe, die sich nnd ihre beiden Söhn«
von ihrer Hände Arbeit ernährt, war «r
zu einem gewöhnlichen Maler in die
Lehre gekommen. Diesrr, bald daS
Talent seines Lehrlings erkennend, hatte
dcnselbe» zwar in seiner Weise gefördert,
aber doch nur verhältnißmäßig wenig
thun kömien. Er ließ ihn die Kuiistge
werbeschiile besuchen. Dann aber hatt«
das große Talent des jungen Künstlers
sich ungewöhnlich schnell entwickelt. Er
hatte Käufer für feine kleine» in aller
Stille gemalten Bilder gefunden und
war dadurch in den Stand gefetzt wor
den, sich ganz der Kunst zu widmen.
Jedenfalls berechtigten feine ersten
Bilder, mit denen er an die Oefsentlich
keit trat, zu de» glänzendste» Erivarlun
q«n.
Es war in srüher Morgenstunde und
der Ausstellungssaal des Herrn Merge
ner soeben erst geöffnet. In dem weiten
Raume war noch niemand anwesend,
aber unter dem Eingang erschien gerade
in diesem Augenblick ein älterer Herr
und eine noch junge Dame in einfacher,
aber hocheleganter Toilette. Trotzdem
man das junge Mädchen kaum eine
Schönheit nennen konnte, war dennoch
ihre Erscheinung geeignet, Aussehen zu
erregen. Vo» mittelgroßer, schlanker
Gestalt, zierlich gebaut, ohne der Forme
nsülle zu entbehre», jede Bewegung voll
Anmuth, mußte man unwillkürlich beim
Anblick derselben auch dem Gesicht einige
Ausmerksamkeit zuwenden. Es machte
einen etwas bleichsüchtigen Eindruck, we
der Muud noch Nase verdienten die Be
zeichnung hübsch, aber unter einer hohe»
gedankenvolle» Stirn, von welcher das
rothblonde Haar zurückgestrichen war,
leuchteten ein Paar blaue, kluge Augen,
und dunkle Brauen und Wimpern nah
men dem Gesicht jede Spur des Gewöhn
lichen. Die Dame war zweifellos eine
bemerkenSwerthe Erscheinung.
„Wir sind allein. Papa", sagte sie mit
weicher, klangvoller Stimme, dem Por
tier ihren Schiri» aushändigend.
reicher Neugierigen einen Eindruck zu
'.mpfaiigcn, man läßt sich unwillkür
lich, selbst bei einem gefestigte»
> Urtheil, durch diese oder jene
! Aeußerung bestimmen. Sagen Si«
doch 'mal, Lieber, wo finde» wir di«
Bilder des junge» Brenner?" wandte er
sich dem Portier zu.
„Hier gerade gegenüber, Herr Ge
heimrath. DaS Licht fällt in diesem
Augenblick sehr schön!"
folgt von feiner Tochter, in der ange
deuteten Richtung dahinfchritt. .
„Ich glaube eS selbst, Herr Geheim
rath, aber wenn man den ganzen Tag
War er doch eines guten Trinkgeldes
sicher. Der Herr Geheimroth knauserte
welchen sie auf den Beschauer machen
mußte». Die Bilder traten förmlich
auS ihrem Rohmen hervor, di« Kinder
mochten. Und während ans dem eine»
Bilde Lust und Leben strahlten, schien
das Licht auf dem anderen daS Elend
i lern derartige Kinder ausbeutet. Sag',
Helene, würdest D» dem kleinen Ge
schöpf nicht mit vollen Händen geben,
träte?"
Kinde keine Gabe helfen würde. Da
müßte mehr. Ernstere», geschehen",
lautete die nach nur kurzem Besinnen
ob der Künstler beim Schassen di«s«S
Bildes seiner Phantasie gefolgt ist, oder
ob in Wirklichkeit ein Geschöpf lebt, da«
ihm zum Modell gedient "
„Du kannst 'hu darum befragen.
Helene. Wir werden ihm heul« Abend
in der Soiree bei Herrn von RzdelSheim
begegnen."
I» den Augen der jungen Dam«
leuchtete es ouf.
„Nicht wahr, Papa, e« ist derselbe,
von dessen Studien Du mir so viel
erzählt, er ist ein selk-maäe-Maiii,?"
.Nicht ganz. Hans Brenner ist ein
bedeutendes Talent, aber, schwerlich ein
«elk-inaäe-Mann. Sich allein empor
ziiarbeiten war «r nicht oeranlagl, und
wenn cr nicht wesentliche Unterstützung
gesunden, würde «r kaum tin Zirl er
reicht haben, an welchem «r trotz sein«,
Jligtnd schon heute steht. Ich glaube,
Helene, der junge Mann wird nicht ganz
dem Bilde entsprechen, welche« Du Dil
«o» ihn, eiitivorfin zu habe» scheinst."
Die junge Dame wurde dunkelroth.
„Du selbst rühmtest stets seine beson
deren Vorzüge, Papa. Mein Urlheil
hat sich, wen» ich mir ei» solche« gestat
te» darf, wohl nach dem Deinen gebil»
bet," versetzte sie mit leiser Stimme.
„Ich könnte Dir auch heute nichts
NachtheiligeS von ihn, sagen, er hat nie
mals zu Klagen irgend welcher Art Ver
anlassung gegeben. Du darfst nur nichl
vergesse», daß ihm niemal« Gelegeuheil
gegeben ist, von dem Wege des Rechten
abzuweichen. Er hat ein Leben geführt,
wie es wenigen beschieden ist. Wohl
thätige Menschen, »der sagen wir lieber,
ein Mensch, der ei» lebhastcs Interesse
an seinem Fortkommen besaß, hat sich
seiner aus das Wärmste angenommen
und ihm alle Wege geebnet, damit ei
nur seinem Studium und seiner Kunst
leben konnte. Das hat er gethan, ei
ist auch dankbar gewesen, de»» er hat
die Erwartungen, die man «ineS Tages
an ihn gestellt, »icht allein erfüllt, son
dern in jeder Weift übtrtrofft».
Er ist tin ordentlicher Mensch ge
worden. Das ist bei seinem Brudei
zwar auch de'r Fall, aber dieser junge
Mann nimmt, namentlich in den gesell
schaftlichen Kreise», nicht die Stellung
ein, die HanS Brenner eingeräumt wor
den ist, und dabei kann sich dieser nicht
in, Geringsten mit jene», messe»."
„Der Künstler hat eine» Bruder?"
„Allerdings, er ist in nnserer Fabrik
beschäftigt."
„Davon wußte ich noch nichts. Wa
rum sagttst Du mir nie davon, Papa?"
Herr Brenn» beantwortett die Frage
feiner Tochter nicht mehr. Schritte
wurden laut, Stimmen in unmittelbarer
Nähe:
„Wir wollt» gthtn, Helene," sagte
der Fabrikherr mir. In de», Augen
blick, als er sich zur Weite wandte, be
gegnet« sein Blick demjenigen Jakob
„Ah! Sie hier? Sie wollen das
Bild Ihres Bruders sehe». Sie können
stolz aus den Bruder sein." Da»» aus
seine Tochter deutend, fügte er hinzu:
„Wir sprachen von Ihnen. Helene, das
ist der Brnder des Künstlers, der In
spektor Jakob Brenner. Meine Tochter!'
Jakob verbeugte sich mit dem Anstant
eims Mannes, der in gebildeten und ge
selligen Kreisen zu leben gewohnt ist. Ei
war eine auffallend hübsche Erscheinimg,
der Ernst seines Gesichtes kleidete ihn
vorzüglich,man konnte ihn „äußerst inter
essant" nennen. JedensallS hatte er sich
sehr zu seinein Vortheil verändert. Aus
dem Jüngling mit dem schönen, finsteren
stattlich, ein Mann, vor dem man Ach
tung hatte, der überall gern gesehen
wurde. Aber er hielt sich zurück, er
zeigte sich nicht gern in geselligen Krei
sen. So war e» Herrn Brenner zur
Unmöglichkeit geworden, seinen Nesse»
zu bewegen, in seinem Hause zu verkeh
ren.
falls überrascht von einer so unerwarte
ten Begegnung, wagte aber nicht, den
Vater niit weiteren Fragen zu bestür
me». Erst al» sie neben ihm im Wagen
saß, konnte sie ihre Neugierde nicht mehr
meistern.
„Inspektor in Deiner Fabrik, Papa?
Wie kommt'S, daß ich ihn nie zuvor
sah? Du bist ja sonst dafür, diese Leute
iu Deinem Hause einzuführen. Er
macht einen sehr angenehmen Eindruck."
„Er ist auch «in ungewöhnlicher
Mensch, wie ich Dir schon vorhin sagte.
Ich ziehe ihn seinem Bruder bei Weitem
vor. Er ist ei» Charakter, ein bedeu
tender Eharakter. Er hat sich überall
bewährt, obgleich das Schicksal wieder
holt sehr hart an ihn herangetreten ist."
Während der Gcheimrath Brenner
mit seiner einzigen Tochter seiner Villa
zufuhr, sprach er noch sehr viel über
Jakob. Er sagte, daß e« vom ersten
Augenblick an, in welchem er dem jun
gen Manne gegenüber getreten, in seiner
Absicht gelegen habe, denselben zu be
schützen und zu befördern. Es sei da
aber absolut nichts zu machen gewesen.
Er habe alles seiner eigenen Arbeit, sei
nem eigenen Fleiß verdanken wollen,
und man habe ihn gewähren lasse»
müssen. Nicht HanS Brenner, sondern
Jakob sei ein solj ms<lo Mann, der sich
hart durchgerungen, dem das Schicksal
sich wahrlich nicht freundlich gezeigt, der
es aber durch Muth und Ausdauer be-
Jiizwischen hatte der Besprochene sich
den Bildern scineS Bruders genähert,
doch fand er dieselben so stark von Nen
gierige» umgebe», daß eS ihm unmöglich
war, auch nur einen Blick darauf zu
werfen. So mußte er stehen bleibe»,
um Zeug« der überschwäiiglichcn LobeS
inan deii Schöpfer dieser Gemälde über
schüttete. Wie wohl diese Bemerkungen
seinem Herzen thaten! Nun war der
Herzenswunsch der sterbenden Mutter
erfüllt, ihr Liebling ein berühmter Mann
geworden. Wenn sie doch diese Stunde
hätte erleben können! Aber «S war
Alle« so unvollkommen in der Welt.
Gerade heute vor «In«m Jahr« hall
st« ln Jakob« Armen d«n letzten Athem
betonter« d>> letzt« Zeil 'hre« Leben
>s wunderbar ver'chönt. Wenn sie dot
hier voi e«m B>!de hätte stehen d'e Ur
theil« hätt' hören können Arm« Mut
ter, wie w'nig Freude war ihr doch in
Leben vergönnt gewesen! Und sie hatt
sich im letzten Jahr« ihre« Dasein« di
beneidenSwerihesl« aller Frauen genannt
sie war stet« von Dank gegen Gott er
füllt gewesen, weil sie solche Kinder ih
all' diese Dinge dachte Jakob, tn
oem er seitwärts stand, um den Augen
blick abzuwarten, wo er Platz findei
würde, sich die Bilder feines Bruder
anzusehen. Er hatte davon gehört, u
den Zeitungen gelesen. Ihr« Bezieh»»
gen zu einander waren »icht derart, da!
sie vo» ihren, gegenseitigen Thun u»!
Treiben stets genau uiiterrichtet gewesen
waren, so hatte Jakob keine Ahnung vo.
den Fortschritt» seines Bruder« gehabt
und die Zeitungsbericht« berührten ih,
daher um so ties«r.
Endlich war der Augenblick gekommen
wo er sich den Bildern nähern könnte
Da nur «inen einzigen Blick wars e
auf das eine der Gemälde und tau
melte zurück; ein leiser unartikulirte
Laut kam vo» seine» Lippe».
,OH! Oy!" Er suhr sich mit de
Hand über die Stirn, über die Augen
er hob die gesenkte» Lider empor. Wa
«s Traum, war ts Wirklichkeit?
„Kordel Nachmaniil Kordel Nach
Er trat näher an die Bilder heran
für einig« Augenblicke war eS »icht voi
Neugierigen umstellt. Und wiedc
flüsterte seinMund: „Kordel Nachmann!
Ja, sie war es ohne Zweisel. Derselb
Ausdruck von Schmerz und unsagbart
Angst blickte ihm aus diesen Auge
entgegen. So halte sie ihn in jene
späte» Abendstunde angeschaut, al« er si
hungernd und frierend in einer halb
dunklen Hausflur gefunden. Halle auc
HanS da« Kind damals gesehen? Oha
Zweifel, wäre es nicht der Fall gewesen
nimmer hätte eine Phantasie der Wirk
lichkeit diese Situation ablausche.
Die Erinnerung nbersluthete Jako
Brenner sörmlich, er trat von den Bil
dern zurück, noch ehe er sie einer Prü
fung unterworfen. Andere Neugierig
traten auch schon Hera», eine» fragende!
Blick aus den jungen Mann werfend, de
eben seine» Play verließ und sich ini
einem Tuche über die Stirn fuhr
als wolle er einen Nebel verscheuchen
der seine Sinne gefangen hielt. E
war ihm dunkel vor den Auge», die Lus
in de», Saale drohte ihn zu ersticken, e
hatte ein heißes Verlangen, hiuauSzu
komme».
„Kordel Nachman!" murmelte e»
draußen angelangt, wieder. Wie leben
dig stand plötzlich Alle» wieder vo
seinem inneren Auge, was jemal
mit ihr in Zusammenhang gestanden
„DaS arme Ding! Verdorben ge
starben!" Er hatte nie daran geglaubt
daß ein anderer Mensch ihr ein Leid zu
gefügt. Ihm war der Schritt, den da!
frühreife Kind gethan, durchaus begreif
lich. War er nicht eines Tages, einig
Jahre älter als sie, auf gleiche» Wegei
gewandelt? Ihre HandlZiigSweisc schie,
ihm so natürlich, er glaubte, daß er i»
Stande sei, Schritt für Schritt ihre,
Gedanken zu folge», bis sie am Rand
des Wassers gestanden, um all' den
Jammer ihres Lebens ein Ende zr
Arme Kordell Sie hätte Gednl!
habe», warten sollen, es wäre besse
mit ihr geworden, wie es mit ihm bes
ser geworden war. Aber sie hatt
keine Hilfe, keine Stütze, unb er durft
ihr keine solche sein, so war sie allen
und verlassen gewesen, auf sich selbs
Zukunft im besten Falle bringen?
Arme Kordel! ArmeS kleines Ding
Mit den Jahren war die Erinnerum
an sie in den Hintergrund gedrängt wor
wachend und im Traum ihre großen
traurigen Auge» auf sich gerichtet gefe
he», aber »ach und nach gedacht
die Zeit nicht mehr fern gewesei
sein, in welcher ihr Bild völlig verblaß
zurückgetreten wäre, wenn der Gedankt
an sie nicht durch de» unerwartete» A»
lebendig geworden wäre.
Aber was wußte HanS, sein Bruder
von ihr? Jakob hatte keine Ahnung da
habe» könne nach dem Tage, an welchen
ein herzloser Mensch das kleine, hnn
gernd« Geschöpf von der Schwelle seine>
Hauses gestoßen, daß e» taumelnd i>
den breiten Rinnstein gestürzt war
Konnte das Bildniß ausschließlich seine
Phantasie entsprungen sein?
Er verneinte diese Frage. Dabe
fühlte er sich von einer nicht z» beherr
schenden Ausreguiig ergrifse«. Er mußt
ner'schen Fabrik sah, während er bei
Bruder als hoch über sich stehend be
trachtete. Hau» Brenner war allerding
stellte, denen er, feiner früheren Um
gebunz nach zu urtheilen, »ich
hätte angehören können. Er hatt
sich selbst als einen ungewöhn
lichen Menschen betrachten gelernt. Di>
Mutter, der Lehrherr, endlich Der
jenige, der ihn heimlich dir lange«
Jahre unterstützt und ihm die Mittel
sich ausschließlich feinen künstlerische,
Neigungen zu widmen, in reichlichen
Maße gewährt hatte, nährten ii
ihm daß Gefühl. Jakob schien «I
»mm-r, al» ob er nicht mehr zu Hau«
pasie, ode, vielmehr, als ob derselbe
sich durch leinen Anblick in eine Zeit
zurückversetz! lühle, an welche zu denken
für beide Theile nichl angenehm sein
konnte So Halle er den Bruder nie
mals belästig«, ein Jeder mußte seinen
eigenen Weg verfolgen.
Aber er mußle ihn doch nach Kordel
Nach»,an» fragen. Es war gewiß eine
sellsame Idee. Sie war ja »odt. Er hatte
eines Tages ihrer Leiche gegenüberge.
standen. Entsetzlich! Er tonnte in der.
selben zwar nicht mehr die kleine Kordel
erkennen, aber doch war ihni niemals ein
Gedanke gekommen, daß sie es vielleicht
nicht gewesen sei.
Gegen Abend lenkle er seine Schritte
der Wohnung de« Bruder« zu. Der
selbe bewohnte ein elegantes Onarlier in
ja schon seit etwa zwei Jahren sein« ge<
saininten Arbeiten zu guten Preisen ver
kauft. Als Jakob die breite Treppe zum
ersten Stockwerk hinanstieg, hatte er daS
Gefühl eines aufrichtigen Schmerze?,
daß er nicht leichteren Herzens zu seinem
einzigen Brnder gehen könne.
Er fand HanS daheim, in seinem Ate.
lier. Für einen Anfänger waren tne
Räume, welche er bewohnte, jedenfalls
außerordentlich elegant eingerichtet.
Aber Jakob dachte nicht daran, z» fra
gen, woher der Glanz und die Pracl.l
komme, es düukle ihm für den Bruicr
natürlich, zudem wußte er, daß derselbe
einen reichen Gönner hatte. Seine
Sache wäre eS freilich nicht gewesen,
Geschenke entgegenzunehmen, aber bei
dem Bruder war es etwa« Anderes.
Hans empfing den Bruder sreuiidlich
und schien wirklich ersreut, ihn zu sehen.
In der That! Jakob war eine vornehme
Elscheinling, ein Mail«, dessen er sich
auch in seinen Bekanntenkreisen nicht zu
schämen branchle. Ans dem menschl i>
feindlichen Philosophen war e»
brauchbarer Mensch geworden, nne
es schon die äußere Erscheinung des
selben zeigte. Er war tadellos geklei
det, von den, kleidsamen Hut bis zu den
Handschuhen und Stiefeletten. Nicht
ließ an ihm den Mann aus der vorneh.
men Gesellschaft verkennen.
Jakob fühlte sich durch die Begeg.
nung minder befriedigt, er war beklom
men bei», Anblick des Glanzes und der
„Warum kommst Du so sel>
te», begann der Maler
mit Wärme. Er glaubte, eine Verle
genheit in dem Wesen seines Bruders zu
bemerken, und wenn diese Thatsache auch
nach der einen Seite hin seiner Eitelkeit
schmeichelte, so war er doch nach der an
deren hin zu gutmüthig, um sich nicht
peinlich davon berührt zu fühlen.
„Ich denke, Du bist zu beschäftig,,
Hans, und mir fehlt e« ja anch nicht an
Arbeit," gab Jakob ruhig zurück, indem
er der stummen Einladung seine» Bru
ders, sich zu setzen, folgte. „Mich treibt
etwas Besonderes zu Dir Du wirst
Dich wundern, aber—"
Seine Gesichtsfarbe verdunkelte sich,
während er sprach, und e« Halle den An
schein, als befinde er sich in peinlicher
Verlegenheit, als suche er nach Worten.
„Ich war bei Mergener," fuhr er
nun mit sichtlicher Anstrengung fort.
„Ah!" machte der junge Künstler, in
dem er den hübsche» blonde» Schnurr
bart strich, während seine Augen Heller
ansleuchlclen. „Die Bilder gefallen
Dir nichl wahr? Es sind keine groß
artige» Sujet«, aber sie finde» ihre Be
wunderer. Welches von beiden Dingern
sagt Dir am meisten zu?"
„Ich kann das nicht jagen, HanS, ich
sah nur das eine."
„Natürlich waren sie wieder umstell».
Kann mir das schon denken. So ist nun
das Publikum, in solchen Fällen ist eS
gar nicht zu halten. Du hättest das An
sehe» aber auch billiger haben können,
wenn Du nach brüderlicher Arl Dich mir
ei» einzige« Mal in mein Alelier be
müht haltest. Wir werde» Beide zu
sammen z» Mergener gehen, morgen
früh, vor Oesfiiung des Saales.
„O nein, das war eS nicht. Ich würde
wohl Platz gefunden haben, die Bilder
zu betrachlen, obgleich es sehr überfüllt
war. „ElwaS anderes führt mich her.
Ich möchte wissen, ob wie" Er
stockte, sügte dann aber plötzlich, wie
einem raschen Entschluß folgend, hinzu:
„Ist die kleine Bettlerin ein Gebilde
Deiner Phantasie?"
Hans blickte den Bruder verwunderl
an.' Die Frage überraschte ihn.
„Wie man'S nehmen will. Nichl
wahr, ähnlich ist Kordel Nachmann?
Du hast sie wieder erkannt?"
Jakob athmet« tief und schwer, sein
Gesicht war bleich vor innerer Erregung.
„Ja, ähnlich ist sie. So erblicktest
Du sie zuletzt?"
„Als Bettclinädchen, allerdings. Doch
würde sie als solches schwerlich >» meiner
Erinnerung hasten geblieben sein. Erst
neulich, als ich sie wiedersah, wurde sie
mit Allgewalt in mir lebendig. Sie ist
doch ein herrliches Geschöpf. Mich
wundert nichl mehr, daß sie mich
al» Knaben noch eine Zeit lang
so lebhaft beschäftigte. Ich habe
mit Künstleraugen gesehen. Schon
das Kind war eine vollendete Schönheit.
E« freut mich beinahe, daß das Bild
einen so großen Eindruck auf Dich ge
macht hat. Aber was ist Dir, Jakob?
Du siehst nicht gut auS."
Dieser saß in der That regungslos,
bleich wie der Tod, mit weitaufgerissc
ständniß, ein Irrthum zu Grund« liegen,
Wie halte er sich so überwältige» lassen
könne»?
„Deine Worte erschreckten mich,HanS.
Du weißt, Kordel Nachina»» ist lange
todt."
Nun war die Reihe de? Staunens,
der Verwunderung an dem Bruder.
Fortsetzung folgt.)
3
»««kheit rettet vor «teait.
Herzog Karl von Württemberg, der
Aründer der Militärfchule in Slutt
gart, erschien fast täglich in den Klasse»
und mar bei den Prüfungen der Schü
ler, denen er vst selbst Fragen
gegenwärtig. Bei ciner solchen Gele
genheit nun halte sich ein Schüler in de»'
Mathematik so schwach bewiesen, da»
der Herzog, darüber erzürnt, ihn an
fuhr: „Scheer' Er sich zum Teufel und
lasse er Vollzogen an die Tasel!" Frei
herr Ludwig von Vollzogen (der nach
malige preußische General der Jnsan
terie) war aber nicht viel besser beschla
gen als sein Vorgänger und befürchtet«
gleiches Schicksal, indessen erinnerte er
sich noch rechtzeitig, daß der HerzvG
selbst von der Malhemalik wenig oder
nichls verstand und daher wohl durch
Keckl>eit zu lauschen sei» werde. Er be
gann also daraus IoS zu deinoiistrire»
und gelangle zu einer Gleichung, bet
welcher dem Lehrer und den Schüler»
die Haare zu Berge standen. Der Her
zog bemerkte jedoch nichts davon, belobt«
ihn lind stellte ihn der ganzen Klasse al»
Muster vor.
„Ah," dachte sich einer der
Gras von Nassau, „wenn Keckheit vor
der Strase rettet, so werde ich das auch
bei Gelegenheit probiren."
Und diese Gelegenheit ergab sich nur
allzubald. Es war in der Karlsschul«
Vorschrift, daß Vergehen der Schüler
auf Zetteln verzeichnet wurden, welch«
sie eigenhändig dem Herzoge Karl über
reichen mußten. Eines Tages nun kam
dieser am Arm seiner Gemahlin Fran
ziska, Gräfin von Hohenheim, in di«
Klasse, wo ihm vorerwähnter Graf
Nassau, der gewöhnlich sehr reichlich mit
dergleichen Zetteln versorgt war, auch
diesmal ein ziemlich starkes Sündenre
gister überreichte. DaS war dem Re
genten denn doch zn arg, »nd er herrsch
te den Delinquenten zornig an:
„Aber Graf Nassau, wenn er nit»
der Herzog wäre, »nd ich Gras Nassau,
was würde Er den« mit mir anfcui
gen?"
Ohne sich zn besinnen, ergriff der s»
Gefragte den Arm der liebenswürdige»
Franziska, gab ihr einen derben Kuß
und sprach:
»Eure Durchlaucht, das würde ich
thun und sagen: Komm Franzel, laß
den dilmmen Jungen stehen."
Der Herzog, srappirt von solcher
Geistesgegenwart und Unverschämtheit,
hielt eS sür das Gerathenste, die Sache
als einen Scherz auszufassen «nd oben
drein dem Schuldigen die wohlverdient«
Strafe zu schenken.
Awet «nekdoten von «vcneral
B-r».
Es war am 14. November 1814, als
General ?)vik mit seinem Corp» in di«
Stadt Wiesbaden einrückte. Weder von
Seilen des Herzog», noch von den nas
sanischcn Militär noch Civilbehörden
war Jemand erschienen, um das preu
ßische Corps zu empfangen. Während
die Truppen in enge CantonnementH
gelegt wurden, nahm Aork mit seinen»
Stabe in der Stadt Qnarlier i» einem
Gasthofe, der dem Schlosse gegenüber
lag. Nork war in hestiger Ausregung,
mit großen Schritten ging er im Zim
mer aus uttd ab. Da bemerkte er, auS
dein Fenster sehend, Wachtposten, welch«
ihm aus feine Frage als Nassau, sehe
Truppen bezeichne! wnrden. „Ich kenne
keine nassanijchen Truppen", ries er,
„wo ich bin, besetzen meine Leute bis
Posten!" Bald kam ein Kammerherr
des Herzogs zu ?>ork mit dem Ansuchen,
die Posten vor dein Schlosse der herzog
lichen Garde zurückzugeben, der von
?>ork erlassene Besehl könne nur aus
einem Irrthum beruhen. Pork ent
gegnete: .Ich habe nun einmal den
Besehl dazu gegeben, mir «st iveder von
der Anwesenlieil des Herzog» noch von
den nassauischen Truppe» elwas bekannt,
auch kenne ich unter den Verbnudelen
einen Herzog von Nassau so wenig, wie
seine Soldaten!" Als der Kaiumev
herr erschrocken fragte: .So komme»
sie wohl in der Absicht, meinen gnä
digsten Herrn zu drihroiiisiren!" erwi
derte Port kalt i „Mein Herr, ich hält«
wahrlich große Lust dazu, aber noch hab«
ich einen Besehl in dieser Beziehung
nicht erhalten!" Es blieb bei den preu
ßischen Posten, was zur Folge hatte,
daß der Herzog am selben Tage Witt
baden verließ.
Die Vkibündete» waren siegreich i»
Paris eingerückt. Man war zu einem
großen Di>>er versammelt, nur Blücher
fehlte noch. Die Theilnehmer, Prin
zen, Felduiarschälle, Minister u. s. w.
thaten, als demerklen sie d>« Verzöge
rung nichl, nur der Herzog von Nassau,
oer durch die Gnade der Verbündete»
lein Land wiedererhalten, äußerle end
lich, warum denn Blücher die ganz«
Gesellschaft Warle» lasse. f)ork hört«
dies, und das Haar rückwärts streichend,
wenn er hesiig ivurde, sagte er zu«
verzog: „Ich dächte, es wäre besser,
daß Cw. Hoheit hier auf Blücher, als
irgendwo aus Ihre Pension warlenl"
Tamil kehrteer sich »>n und ließ de»
verblüfften Fürsten stehen.
Der beste Lampenputzer.
Die liebenswürdige Manier der be
rühmte» Hosjchauspirlerin.Frait Amalia
Haitzinger, Jedem, wer es auch sei.elwa»
Angenehmes zu sagen, ist allbekannt.
Da geschah es bei eiiiein ihrer Gastspiele
das, wie immer, raujchendsten Erioig
gehabt, daS ihr alle Mitwirkenden gra
lulirlen, woran sich mich das bei dieser
Bühne beschäftigte Dienstpersonal schloß.
Ganz zuletzt kam ein Individuum, da»
ziemlich schäbig aussah, aber doch nicht
zurückbleiben ivollir. »Wer sind Si«
eig'iitlich?" fragtemit dem gewin
nendsten Lächeln die Beglückwünschte.
»Ich bin der der Lampenputzer."
Einen Moment schwieg Fran Haitzinger.
nickte bedeutungsvoll mit dem Kopse
und sagte dann sehr ernst: „Höre Si«,
i' hab' scho' viele Lampenputzer g'sehn,
aber so schon wie Sie hat mir no' Kei
ner die Lampe geputzt I-