Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 11, 1890, Page 2, Image 2

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«Stedar A» syorn^r,»,.
Der nimmer rastende Menschengeist
hat abermals eine» bedeutende» Fort
schritt zu verzeichnen; in Birmingham
ist ein Automat ausgestellt, welcher den
Verkauf heißen Kaffees und anderer
warmer Getränke besorgt. Thee, Kaffee
u. s. w. werden durch Gasflammen im
Innern des Automaten warm gehalten.
Sobald der sieben Gallonen haltende
Kaffeekessel leer ist, wird die Gasflamme
nnter demselben automatisch abgedreht
und eS erscheint eine Karte mit der Aus
schrist: „Leer", damit etwaige weitere
Kauflustige sich nicht vergelilich ab
mühen, von dem Automaten noch Kaffee
zu bekommen.
Der Automat läßt die Getränke ans
kleine» Krahne» abfließen, sobald man
in eine Oeffaung cine bestimmte Münze
»esteckt hat. Ei» besonderer Krähn lie
sert Wasser zum Ausspülen der an Ket
ten liegenden Tri»kge,äße. Dieselbe
höchst sinnreich construirte Maschine läßt
sich auch znm Verkauf von EiS-Geträn
ken, „Sandwiches" und anderen Dingen
benutzen und sie übertrifft bei Weitem
alle bisher zn ähnlichen Zwecken benutz
ten Automaten. Für die Vereinigte»
Staaten hat die verbesserte Maschine
zum Verkaufen der verschiedensten Arti
kel vielleicht ganz besondere Bedeutung.
In Prohibitionsstaaten'und in solchen
Staaten, in denen Sonntags kein Wirth
rS wag», seine Berufspflichten zu er
füllen, kann man möglicherweise den
neuen Automaten mit gutem Ersolge in
Dienst stellen.
Statt Kaffee und Thee müßte er frei
lich Biec und Whiskey liefern, was er
ja auch mit derselben Bereitwilligkeit
thäte, sobald irgend ein Menschcnsreund
ihn mit den nöthigen Borräthen ver
sähe. Ob das Sonntagsgesetz dem
Automaten etwas anhaben könnte, ist
mindestens zweifelhaft. Aber auch an
Wochentageu würde der Automat, wenn
er alle ihm nachgerühmten Vorzüge be
sitzt, viel Gutes thun können. Die
Wirthschassbesitzer wären in den Stand
gesetzt, die Wünsche ihrer Kunden auch
baun noch zu erfüllen, wenn sie selbst
schon sammt ihren Schankwärtern das
Nachtlager aufgesucht haben. Wen»
das Geschäft anfängt, schwach zu gehen,
und wenn in dem Wirthe die Sehnsucht
nach dem Bette rege wird, könnte dc»
Automat in den Stand gesetzt werden,
sür die noch !o nmenden Nachzügler zu
sorgen. Auf diese Weise hätte de»
Wirth seine Nachtruhe und der bum
melnde Bürger sein Bier und seinen
Schnaps zu jeder Stunde.
Der eingeladen- Bismarck.
Der Pariser „Temps" hatte die
Nachricht gebracht, Fürst Bismarck sei
eingeladen worden, in seiner Eigenschaft
als General-Oberst der Kavallerie an
der Moltke - Feier in Berlin theilzu
nehmen.
Diese Mittheilung bedarf der Rich
tigstellung. Da der Fürst Bismarck
nicht Ulli General Oberst der Kavallerie,
sondern auch als ehemaliger Deichhanpt
mantt hätte eingeladen werdeu mü seil,
so glanbre man, ihn auch als Landwirth
einladen zu sollen. Da stellte es sich
plötzlich heraus, daß es wohl richtiger
wäre, ihn zu veranlassen, in sciiier
Eigenschaft als ehemaliger Minister an
dem Fest theilzunehmen, wogegen aber
geltend gemacht wurde,. daß er besser
aufzufordern sei, als einstiger Präsident
des Staatsraths sich an der Moltke
feier zu betheiligen. Gleichzeitig erklärte
indeß das Herrenhaus, dag er als Mit
glied desselben eiuznladen sei, worauf
die Universität erklärte, daß der Fürst
Ehrendoctor inchrercr Universitäten sei
»nd n»r als solcher dem Fest beiwohnen
könne. Kaum war dies beabsichtigt,
so ineinte das diplomatische Corps, daß
Fürst Bismarck mehrfach Gesandter ge
wesen sei und also als solcher einge
laden werden müsse, worauf die Grund
besitzer den Vorschlag machten, ihn, der
doch einer der ihren sei, einiuladen, als
Ärundeigenthilmer nach Berlin zn kom
me».
Da wnrdc in den Kreisen der Kreuz
zeitung der Wunsch laut, »ia» möge
doch in Erwägung ziehen, ob nicht ver
'instige Reichskanzler, der zugleich Erb-
Ober-Jägermeister des HerzogthumS
Pommern sei, als solcher zu dem Feste
einzuladen sei. und nun meldeten sich
auch die Corps mit dem Hinweis da
raus, daß Bismarck CorpSstudenl gewe
sen nnd daher anch als solcher n.n seine
Anwesenheit zu bitten sei. Wir wissen
aun nicht, ob man daran gedacht hat,
de» großen Staatsmann und Mitbe
gründer des deutschen Reiches in seiner
Eigenschaftals Fabrikbesitzer,als Ehren
bürger Berlins »nd anderer Städte, als
Großvater, als Patient SchwenningerS,
»lS Raucher, als Schutzzöllner und in
mancher anderen Eigenschaft einzuladen.
Aber das Eine steht jedenfalls fest, daß
Fürst Bismarck nicht ansschließlich als
General Oberst der Kavallerie gekom
men wäre, den 26. Oktober in Berlin
mitzufeiern, sonder» in mancher ande
re» Eigenschaft, wenn »ia» ihn pflicht
schuldigst eingeladen hätte.
Der in letzterZeit schor
'odt geglaubte französische Chauvinis
mus giebt noch immer wieder Lebens
zeichen von sich. I» Dünkirchcn ivur
dc dieser Tage cine Vorstellung de»
Oper „Faust" durch die stürniiiche K»»d
gebiliigeil unterbrochen. Das Publi
kum halte, wie die „Voss. Ztg." meldet,
erfahren, daß einer der beiden Leiter
des Stadttheaters, Mertel, Deutscher
sei und schrie: „Nieder mit dem Prns
sien! Nieder mit dem Deutsche»! Zu
rücktreteii!" Es forderte die Marseil
laise und beruhigte sich nicht eher, als
bis ihm von der Bühne herab mitge
theilt wurde, mau »verde sich unverziig
lich mit seine» Beschwerde» beschäftigen
Mertel ist übrigens keineswegs „Prus
'ien", sonder Elsässern.
Schön gesagt. „Denken
Sic. hent' kriegen wir die Nachricht, daß
unser Neffe in Amerika gestorben ist!"
- „Ach. aslo doch endlich mal ein L''
dcnSzeichen von ihm!"
Im »ngeflcht »«» Tode».
Von der Todesstrafe hatten wir ge
sprochen: eine sensationelle Hinrichtung
in Amerika hatte uns darauf gebracht.
Es war in der gemüthlichen Kneipe, bei
dem gewohnten „Echten", mitten nnter
vergnügten, lachenden, sorglosen Men
schen, als unser Gespräch die denkbar
ernsteste Wendung nahm; aber bekannt
lich kommt das manchmal, ohne da'
man wüßte warum.
J-l> selbst bekannte mich als entschie
denen Gegner der Todesstrafe, die ein
anachronistisches Ueberbleibsel aus alten,
barbarischen Zeiten sei. Professor Z.
dagegen erklärte die kostspielige Erhal
lung eines, für die Menschheit un
brauchbaren und verwirkten Lebens sür
eine verwerfliche Sentimentalität.
Mein Jugendfreund Adolf 1., ein
wohlsituirter Bankbeamter, behäbig, in
den besten Jahren, ein Bild der Zufrie
denheit und Gutmüthigkeit erklärte sich
für eine Todesstrafe in menschlicher
Form, denn man verfahre einfach un
menschlich mit den Vernrtheilten. Wi»
drückten unsere» Zweifel a»S, ob dil
Heiikerswissenschast denn noch zu ver
vollkommnen fei, aber wir hatten Adols
mißverstanden. So meinte er die Sache
nicht.
„Ich meine," sagte er, „daß nicht der
Tod selbst, sondern die Todesangst ein«
barbarische Strafe fei, in keinem Ver
hältniß zu dem was das Opser der
Verbrechers gelitte», also auch ein
fehlerhafter Ausdruck der Wiederver
geliungsidee. Diese vierundzwanzig
Stunden im Angesicht des Todes sind
eine Ausgeburt der Hölle man
müßte eine Hinrichtungsart erfinden,
welche den Delinquenten vollständig
überrascht."
Mein phlegmatischer Freund hatte mit
einem Eifer und Nachdruck gesprochen,
der uns verblüffte.
„Du sprichst ja, wie auS Erfahrung,"
platzte ich heraus.
„Das thue ich gewissermaßen anch,"
»Vinte er sehr ernst geworden.
„Du machst Dir einen schlechten
Scherz mit uns," sagte ich.
„Sehe ich aus, wie Einer, de»
scherzt?"
Und wirklich, so sah Adolf nicht
ans. »
„Ich wüßte aber doch nicht, liebe»
Freund, wann nnd wie Du Dich im
Angesicht des TodeS befunden hättest
verurtheilt zum Tode warst Du mei
nes Wissens auch »och nicht?" warf ich
ein. Und wirklich, in dein glatten,
friedlichen Phiüsterleben des braven
Jungen schien mir dieser düstere Mo
ment ganz undenkbar
„Siehst Du. wie der Schein trügt,'
sagte Adolf, „ich weiß nämlich ganz ge
nau, wie Einem zu Muthe ist im An
gesicht des Todes darum bedaure ich
so tief jene armen Sünder lese ich
immer mit Grausen von den „letzten
Stunden eines Verurtheilten". Abc»
ich will eS Euch doch in aller Kürze er
zählen, wie sich die Sache zutrug.
Und während nebenan eine Gesell
schast Skat spielte, ein paar Militärs
vo» ihre» Pferde» spräche» »nd einig,
jliiige Damen kicherten, während du
Kellner mit leeren und gefüllten Bier
seideln herumschössen, erzählte Adolf
wie er sich im Angesicht des Todes be
funden.
„Seit meiner frühen Jugend," sagt,
er. „beschäftigte der Gedanke an den Tod
meine lindliche Phantasie. Ich glaube,
es rührte von dem Augenblick her, als
mir ei» Schwesterchen starb, und man
mir erklärte, alle Mensche» müßte» ster
ben.
auch?" frug ich ganz er
„Du auch," versetzte meine Tant,
barsch.
Und das fiel mir immer wieder ein,
bei allen Gelegenheiten „Du muß!
anch sterben!"
Ich wurde schon in jungen Jähren
elwas beleibt und litt in Folge dessen
in Hcrzcongestlonen.
Ann trat die Frage des Sterbenmüs
sens deutlicher an mich mir
konnte täglich etwas zustoßen. Ich
lebte im Angesicht des Todes, machte
mich mehr oder weniger mit dem Ge
danken daran vertraut, »nd dieser Ge
danke gewann sogar eine» gewisse» me
lancholischen Reiz für mich. Ich wünschte
nicht plötzlich sterben z» müssen, sondern
mir des großen Augenblicks bewußt zu
sei». In hnndertcxlei Weise malte ich
mir ihn aus, bedachte nicht, daß er mich
wohl nur darum so sehr beschäftigte,
weil er mir geheimes Grauen einflößte.
Aber meine Ansreundung intt dem Tode
blieb eine sozusagen platonische. Eine
glückliche Badekur kräftigte mein Herz—
die Congestionen verschwanden. Nene
Lebciislust erfaßte mich—ich vergaß den
Tod!
Diese kleine Episode ausgenommen,
gestaltete sich mein Lebenslaus recht
sreuiidlich. Ich erhielt eine angemessene
Aiistelluiig, verliebte mich in ei» hübsches
Mädchen mit stattlicher Mitgift, heira
thete sie, und mir blieb sozusagen nichts
zu wünschen übrig. Wir nahmen das
Leben recht leicht das muß ich sagen,
meine Frau und ich.
Mein Posten war weder schwierig,
noch sebr veraiitivortungsvoll, und ich
nahm es nicht sehr genau damit. Das
Vermögen meiner Frau gestattete »lis
eine ganz behagliche, wenn auch nicht
luxuriöse Existc»;. Unsere beiden Kin
der waren hübsch und gesund. Was
gab e-Z da zu sagen? Nichts. Wir
amüsirten nnS, so gut wir nur immer
konnten.
Da eines TageS, es war wie ei«
Blitz ans heiterein Himniel, kamen meine
Congestionen wieder.
Das war ein Schreck! Allerdings,
das Uebel gab sich aber es meldete
sich auch wieder, und immer wieder.
So kam eine Zeit des Hagens und Ban
geilS indeß, wir nahmen die Sache
nicht allzu schwer. Das Herz war schon
einmal krank »nd wieder ganz gesund
aeworden. Eine längere, scheinbare
Besserung bestärkte uns in unseren Hoff
nungen.
Ganz plötzlich aber, ohne Vorzeichen,
ereilte mich eines Tages, da wir uns
eben zn einem Balle angekleidet hatten,
ein furchtbarer Anfall.
Eine schreckliche Nacht der Angst und
O.»al! Gege» Morgen ließen die
Krämpfe »ach, aber die Herzthätigknt
war so sehr geschwächt, daß meine s ran
noch ein Consilium von Aerzten berief.
Und während die Aerzte mein Bett
umstanden, fiel von den Lippen des
Einen das verhärignißvolle Wort:
Ich hatte mein bischen Latein so ziem
lich vergessen. Aber die Worte klangen
mir nicht fremd ich versuchte sie mir
zu übersetze», »nd es gelang mir auch.
„Bis zum Abend wird sich's wenden."
„Was bedeutet das?
Bis zun» Abend war's zu Ende mil
mir!— -
Nur das'konnte der Sinn der Worte
sein.
Erst ein unbeschreiblicher wie ein
Blitzstrahl lähmender Schreck mein
Athem stockte —mein Herz bäumt sich
eS ist, als sollte es gleich stille stehe»
ich bin wie erstarrt wage kein
Glied zu rühren, als könnte ich damit
das Furchtbare beschleunigen. Nein
eS gibt keinen Ausdruck, zu beschreiben,
wie so elwaS aus die lebendige Kreatur
wirkt, wie sich die ganze menschliche Na
tur ausbäumt gegen das schreckliche
Wort: „Du mußt sterben!"
Nein, wer das nicht empfunden hat
ich begreife, warum so viele Selbst
mörder schreien, wenn sie ins's Wasser
hinunter kommen, dann eben erst schreit
ne Natur in ihnen auf.
Ich suchte mich dann selbst zu be
schwichtigen, suchte eine andere Deutung
für die Worte des ArzteS. Aber ich
fand keine; die Sache war auch zweifel
los. Mein Herz war geschwächt und
bei dem nächsten Krampfanfall würde es
stille stehen.
Aber nach aller medicinischen Erfah
rung mußte dieser Krampsanfall im
Laufe des Tages eintreten.
Nu» wußte ich AlleF. Ein solcher
Krampfanfall kündigt sich durch Druck
in der Herzgrube an, durch Angstgefühl
und qualvolles Herzllopse» wenn das
kommt, dann
Der kalte Angstschweiß tritt mir aus
allen Poren. Ich will einen furchtbaren
Schrei ausstoßen einen Schrei nm
Hilfe! Sie müssen mir helfen, sie müssen
ich will nicht sterben! Aber ein Blick
aus meine Frau erstickt den Schrei a»f
meinen Lippen. Sie weiß von nichts
die Aermste! Sie fitzt ganz ruhig
und zufrieden da, denn sie glaubt an
meine Besscrnng. Soll sie meine gräß
liche TcdcSangst theilen ? Es kommt noch
früh geuug sür sie. Aber ich sollte sie
doch vorbereiten.
Ich stotterte ein paar einleitende
Worte:
„Liebes Kind ich kann nicht
wissen wenn der Krampf wieder
kommt— ich hätte doch noch Einiges
»iit Dir zu besprechen."
Wie ruhig sie lächelt.
„Mache Dir doch keine trüben Ge
danken, Adols; Du bist aus der Gefahr
Dr. Hausmann hat mir's gesagt."
Ach er hat Mitleid mit ihr, Haus
mann nnd ich sollte keines haben? Wen»
sie die schreckliche Wahrheit wüßte
und sich doch nichts dürste aiimerken
lassen! Nein —es darf nicht fein ich
vill nichts sagen nichts!
Sofie ist ruhig nach der Küche gegan
gen. Ich liege nnn ganz ruhig und
dcnkc nach der allererste Schrecken ist
verwunde».
Klar und ruhig überlege ich, wie
Alles werden wird nach meinem
Tode.
Sofie ist ja versorgt sie ist ver
mögend, wird auch noch etwas erben,
vielleicht auch eine kleine Pension oder
Erziehnngsznlage bekommen. Sie wird
anfangs untröstlich sein— aber sie wird
sich beruhige». Sie hat ei» sanguinisches
Temperament.—Wie schrecklich der Ge
danke ist. daß sie sich bald wieder des
Lebens freuen wird—ohne mich! —Ach,
ich habe so gerne gelebt —es freute mich
SllleS. Hütte ich nur geahnt, daß ich so
bald sterben muß, ich hätte jeden Tag,
jede Stunde noch ganz anders genossen;
lausend Dinge fallen mir ein. Ganz
früh war'S immer besonders reizend,
wenn wir Kaffee tranken; Sofie sah
,ach dem Schlafe - ach, wie gut schliefen
vir Beide! besonders hübsch und
ftisch aus nnd die Kinder, halb ange
kleidet, besonders niedlich. Wie oft
ging ich dann vor der Bureaustunde
fort, um »och im Freien eine Cigarre
zu rauche». Wie schade um jede ver
geudete Minute, welche ich nicht bei den
Meinen verbrachte und die Kinder!
Welche Hoffnungen haben wir ans sie
gesetzt, wie haben wir uns gefreut, bis
sie groß sein würden. Ich soll das nicht
erleben! Unendliche Wehmuth erfaßte
mich ich könnte weinen, wie ein
Kind aber da kommen sie wer
ist'S?
Es ist Sofie nnd Dr. HauSmann.
Er kommt mir so eigeiilhümlich vor.
der Doctor. Warum lächelt er? Ich
bin in Lebensgefahr wie kann c»
denn lächeln? Und diese dummen
Redensarten, eS wird schon werden zc.
Eine nervöse peinvolle Ungeduld ersaßt
mich. Wie er Sofie vo» der Seile an
sieht? — Und hat er ihr nicht vorhin
in der Thür die Hand gedrückt?
Eine seltsame Angst erfaßt mich. E»
hat Sofie immer den Hof gemacht e»
wird sie heirathen! Nun lächelt er, weil
ich sterben innß.
Sofie hat den Doctor hinanSbcglei
tet sie haben sicher noch zusammen zv
sprechen.
Ich bin wieder allein. Wie grauen
hast mir zn Muthe ist; ich habe mein,
Frau nicht genug geliebt, bin nicht aus
mcrlsam genug gewesen, habe sie osl
vernachlässigt, aus nichtigen Ursache»
belogen ich habe leichtfertig von ih
rem Gelde verbraucht, nicht genügend
sür ihre Zukunft gesorgt. Und die Kin
der wie viel habe ich an ihnen ver
säumt, wie oft sie dem Kindermädcher
itberlassen, um mit Sofie meinem Ver
gnügen nachzugehen.
Eine neue HSlle bricht über mich los
die Gewissensbisse! —Wie vielerlei
habe ich versäumt, verscherzt, verdorbeo
und nichts ist mehr einzuholen. Ach
wenn ich nur »och wenige Wochen zr
leben hätte!
Ich will mich kurz fassen. Unbe
chre blich sind die Qualen, die ich er
vuidet habe.
Der Tag verging, der Abend di,
folgende Nacht —der Tod kam nicht, kau
mir auch nicht nahe. Ich hatte den
Arzt mißverstanden. Er hatte gesagt,
die Krisis werde bis zum Abend eintrc
ten. Sie trat pünktlich ein ein er
quickender Schlaf trotz aller Seelen
qual.
Aber die Stunde „im Angesicht des
TodeS" blieb mir unvergeßlich ick
wurde ein besserer, ernsterer Mensch
der es mit seinen Pflichten genau »ahm,
nur sür Frau und Kinder lebte. Sil
waren mir ja neu geschenlt, die Theue
ren!
Mein Herzleiden ist bei vernünftiger
Lebensweise ungefährlich, und vernünf
tig bin ich ja geworden. Und ein«
Wahrheit kann ich aus tiefstem Herzen
bestätigen: es ist ein Glück, daß wir die
Stunden unseres Todes nicht wissen.
Keiner soll sie kennen, auch nicht de»
schlimmste Verbrecher!"
So schloß mein Freund: wir hatten
ihm tief ergriffen zugehört; uns«
Bier war abgestanden, unsere Cigarre»
erloschen. Es war, als hätte uns All»
der Hauch des Todes berührt!
Russische« Am«,on«ncorpS.
Ein russisches Amazonencorps des
oorigen Jahrhunderts diese unge
wöhnliche Erscheinung heben jetzt nach
der kürzlich erfolgten Enthüllung des
Katharina-Denkmals in Simferopol
(Krim) russische Blätter aus dem
Dunkel der Vergangenheit heraus. Die
auserlesene Schaar war völlig militärisch
eingerichtet und stand unter Führung
eines selbstgewahlten weiblichen Haupt
manns. Als „Amazonen von Bala
klawa" spielten sie bei der glänzenden
Trilimphsahrt der Kaiserin Katharina
durch die eben eroberte Provinz Tanrien
im Jahre 1787 eine hervorragende
Rolle auch diese Truppe, eine Schö
pfung Potemkin's, welcher, um den
Kaiser Josef U. zu blenden und die „ge
liebte" Gebieterin zu täuschen, in kürze
ster Frist in der neneroberten Provinz
eine glänzende Cultur hervorgezaubert
hatte, aus Leinwand gemalte Städte,
Dörfer und Vichheerden aus Pappe.
Die Amazonen von Balaklawa waren
dagegen keineswegs von Pappe. Im
Gegentheil, lauter junge, vornehme »nd
bildschöne Griechinnen, welche in ihren
kleidsame», von Gold strotzenden Uni
formen auf Kaiser Josef den Zweiten
einen bezaubernden Eindruck machten.
Entzückt von der stramme», militärische»
Haltung der weiblichen Compagnie, ritt
der römische Imperator an den „Haupt
mann" Helena Jwanowna Sarandowa
und küßte sie gerade auf den Mund,
was sämmtliche Soldaten in große
Aufregung versetzt haben soll. Aber
der Hauptmann rief: „WaS fällt Euch
denn ein? Stillgestanden! Seht Ihr
de»» nicht, daß der Kaiser mir weder
meine Lippen abgebissen, noch mir seinen
Schnurrbart angeklebt hat!" Dies be
ruhigte die gut geschulten Amazone».
Die beide» gegen die Türken verbünde
te» Herrscher machte» daraus einen Aus
slug, uin die Bucht von Balaklawa, so
wie die Ruinen der alten Festung zn
besichtigen. Dann kehrte» Kaiser Joses
der Zweite, Kaiserin Katharina die
Zweite und Fürst Potemkin z» den in
strammer Haltung Gewehr bei Fuß aus
harrenden Amazonen zurück. Die Kai
serin rief den Hauptmann Helena zu
sich heran, sagte ihr in Bezug auf ihre
Compagnie einige Artigkeiten und reiste
weiter, um die von Potemkin in kurzer
Zeit errichtete russische Schwarze Meer
Flotte zu besichtige», von deren Wirk
lichkeit Kaiser Joses sich gleichfalls durch
Berührung persönlich überzeugen konnte.
Kapitän Helena Jwanowna Sarandowa
aber lebte noch viele, viele Jahre und
starb als verwittweteFrauSchidjanSkaja
im Alter von 9S Jahre» inmitten einer
zahlreiche» Enkelschaar hochbetagt zu
Simseropol.
llnfreiwillige Komik.
Zu eiuem guten Theil erklärt sich die
Zunahme natürlich durch die ungeheure
Stärke des Einwanderer-Stromes, der
der Union in den Jahren IBBV—lBB9
nicht weniger als üj neue Bürger zu
führte.
Globus No. 17.
Nur mit einem Mantel bekleidet, gin,
Fioltke nunmehr die Treppe hinab.
Berl. Börsen Courier, i!>!. Oet.
* » *
Wo das Geld geblieben ist, weiß man
nicht, da es in der von der Frau über
aus sparsam geführten Wirthschaft nicht j
verbaucht worden ist.
Bossische Zeitung, 28. Oct.
Meiningen. S 7. Oct. „Johanna
geht und nimmer kehrt sie wieder!" Die
wundervolle Ausstattung der „Jung
ftau von Orleans", die s. Z. eine rie
sige Anlchaffilngssumme gekostet hat, ist
in de» letzten in das kgl. Schau
spielhaus in Berlin käuflich nbergegan
gen. Amanda Lindner, unsere nllge
liebte Jnngsra», die jetzt im Schauspiel
Haus in Berlin engagirt ist, wi>d sich
freuen, in ihre alte Rüstung wieder hm
einschlnpsen zu können: in Meiningen
aber wird eS nun wohl lange Jayre
keine Jungfrau mehr geben.
Sämmtliche Finanz mi
nister Europas haben sich in» Interesse
ihres Staatsschatzes an Professor Robert
Koch gewendet, um dessen Kunst, die
Schwindsucht zu heilen, in Anspruch zu
nehmen. Der Genannte hat aber ge
antwortet, daß die Schwindsucht der
Staatskassen unheilbar sei.
»«rttaer Htps-che» «u» alter Jett,
Wie überall in größeren Städten, hat
eS anch in Berlin immer eine Anzahl
Männer gegeben, welche als hervorra
gende Repräsentanten des spezifischen
Witzes sich gefallen lassen mußte», alle
Bonmots, alle pointirten Antworten und
witzigen Einfälle unter ihrer Firma ans
den Markt gebracht zu sehen; denn nur
mit dem Brevet eines bekannten Na
mens versehen, hatten sie den» autori
tätsgläubigen gemeinen Bewußtsein ge
genüber, den Vollwerth eines „guten
Witzes". Besonders der Berliner legte
von jeher ans die Witzworte und Sta
chelnden seiner geistigen Koryphäen
nicht ohne partikularistischen Stolz gro
Ben Werth nnd war für ihre Verbrei,
tnng stets eifrig bemüht.
Zu diesen witzigen Köpfen gehörter,
in Berlin bis in die Mitte dieses Jahr
Hunderts der bekannt Schriftsteller I.
I. Engel, der große Philologe Fr. Au
gust Wolff, der berühmte Grammatiler
PH. Buttmann, Schleiermacher, der Bo
taniker Link, Professor Lachmann, der
Jurist Eduard Gans, der liebenswür
dige Physiker Dove, von Künstlern der
alte Gottfried Schadow, August Kopisch
»nd viele Andere, die in Wissenschast
nnd Kunst einen berühmten Namen
haben.
Die Mittheilung einiger witzigen
Ueberlieferungen aus dieser gelehrten
und künstlerischen Vergangenheit Ber
lins wird nicht nur für die Illustration
des Berliner Witzes, sondern auch für
die Charakteristik der berühmten Per
sönlichkeiten, auf welche sie zurückzu
führen sind, nicht ohne Interesse sein.
Sind derlei Anekdoten, die wir zum
größten Theil der mündlichen Ueber
lieferung älterer Zeitgenossen verdanken,
für de» ernsten Forscher auf dem Ge
biete der Culturgeschichte auch nur Un
kraut unter dem Weizen, so hat doch die
Gesellschaft von jeher eine große Vor
liebe für derartige Wucherblumen,
Venen es anch weder an Duft noch Farbe
fehlt. Damit möge» die folgenden
Histörchen empfohlen, und wenn es sei»
muß, entschuldigt sein.
Von dem Vater des berühmten
Juristen Eduard Gans werden manche
vortrefflichen Witzworte überliefert.
Bon einer Dame sagte er: „Madame
Zt. ist unerträglich, das ist aber auch ihr
-inziger Fehler."
Von der Figur eines jungen
Mannes sagte er: „Er ist so lang und
dünn, das; er in einer Klarinette über
nachten kann."
„Dem können Sie Alles anver
ttaueii," sagte er vo» einem Schwätzer,
„der ist verschwiegen wie eine legende
Henne!"
Als ihm einst sein Mündel mit
theilte, er fühle keine» Beruf zu dem
begonnenen medizinischen Studium und
wolle „umsatteln," sragte er ruhig:
„Nun, und welchen Berns willst Du er
zreifen?" „„Ich möchte Musik stildi
ren."" „Dagegen habe ich nichts einzu
ivenden," entgegnete Gans trocken, „abei
eines sage ich Dir, auf meinen Ho>
kommst D» mir nicht."
Eine „mittelbare" Ehe nannte e»
die Vermählung eines in seinem Hause
detanuten Privatdozenten mit der Toch
:er eines armen Lehrers.
Von einem bekannten Theaterkri
liker sagte er: „Der Kerl würde nicht so
bissig sein, wenn er was ordentliches zu
beißen hätte. '
„ES wächst der Mensch mit sei
nen größ'ren Mitteln," war sein paro
distisches Urtheil über einen Empor
kömmling.
Er stellte einst seinen Neffen vor:
„Mein Neffe! E-l gewinnt bei näherer
Bekanntschaft!"
tiarl Lachmann (1793 —
einer der scharfsinnigsten Kritiker aus
dein Gebiete der altklassische» und alt
deutschen Literatur, wurde im Jahre
1828 von Königsberg i. P. nach Berlin
berufen. Er war nicht blos ein bedeu
tender Gelehrter, sondern auch ein vor
züglicher Gesellschafter, von dessen Witz-
Worten eine große Anzahl überliefert
und.
Eine große Freude hatte er an aber
witzigen Anzeigen im „Intelligenz
blatte" »nd in den Zeitungen. Er hatte
sich cine große Sammlung von Aus
schnitten angelegt, welche derartige An
noncen betrafen, ja er stand bei seinen
Freunden in dem Verdachte, daß er bis
weilen selber derartige komische An
zeige» zur Ergötzung der Leser inseriren
ließ. Von diesen, den damals in Berlin
viel belachten Annoncen im „Jntclli
gcnzblatte" wurden n. A. aus Lach
inanns Conto geschrieben:
Eine in Schlafröcken gut einge
nähte Demoiselle wird gesucht.
-- Handschuhe sür Herren von Beck
leder stehen billig zum Verkaufe,DreSd- I
»erstraße bei Giecke.
Die Verlegung ihre? Geschäftes
nach der Klostcrstraße. beehren sich er
gebenst anzuzeigen Schuft H Preller,
vormals Ehrlich.
Eiu alter, nicht zn sanler Esel,
steht billig znm Verkaufe, Hirtengasse.
Ei» Fünfthalerschein, in nichts
.'ittgewickelt, ist verloren gegangen: der
ehrliche Finder kann sich einen abziehen.
KönigSgrabe» No?
die rotylaririen jl opfkissenbezüge sich
übergeschlafen haben, so zeige
ich hiermit ergebenst a», daß ich eine
große AusivaM von blaukarirten >lilo
.um Vcrkaiif gestellt habe.
—Am nächsten Montag tresse ich
mit Oldenbnrger Ochien, die ihres
Gleichen suchen, hier in der Stadt Rup
pi» ein.
Während einer SenaMtzung,
welcher Lachmanu als zeitiger Reetor
der Universität präsidirte, war es schon
ziemlich dunkel geworden, als H., der
Dekan der theologischen Fakultät, der
sich sehr verspätet halte, in den Saal
trat. Bei seinem Eintritt rief Lach-
wann dem Pedelle zu: „Herr Schede,
sorgen Sie für Licht, eS tritt Finst^k
niß ei»!"
Im Sprechzimmer der Universität
sagte einst ein Professor zu Lachmann
spöttisch drohend: „Spiegelberg ich kenne
Dich!" Dieser antwortete mit der
Frage: „Sagen Sic mal, sagt das nickt
Schufterle?"
Als ihm der Tod des Geheimen
Oberfinanzrathes -ff-f- von einem
Freunde mitgetheilt wurde, sagte Lach
mann ganz ernst: „Ja, so Einer hat es
leicht mit dem Sterben, unsereins muß
erst noch den Geist ausgeben.
Voil einem verschuldeten Professor
an einem Gymnasium, der dem Hazard
spiele sehr ergeben war, wurde Lach
mann eines Tages erzählt, „Sie hätten
nur sehen sollen, wie X. gestern Abend
im lintel cis die Füchse aus
dem grünen Tiscke traben ließ!" „Lau
ter Miethsgäule!" entgegnete er trok
ken.
Der General Peteri, in den drei
ßiger Jahren Kommandant von Span
dau, ist der Mittelpunkt eines humori
stischen Sagencyklus, in welchem die un
befangene Naivetät des altpreußischen
Gamaschendienstes in derbem, aber nicht
unliebenswürdigem Humor sich ergötz
lich ausspricht.
Als ein Soldat der Spandauer
Garnison als erstes Opser der Cholera
im Jahre 183 Z gestorben, fand sich Ge
neral Peteri genöthigt, ihm folgende
Standrede zu halten: „Da liegt nun der
krause. Das hat er davon; aber das
Volk frißt ja alles durcheinander. Ich
bin fest überzeugt, wenn man so einem
Kerl in einer Hand eine Birne hinhält
und in der andern die Cholera, so greift
der Kerl nach der Birne."
In Betreff der Leichenfolge hatte
:r eines TageS schriftlich angeordnet:
„Der morgende Todte wird in weißen
Hosen begraben."
Er wollte keine Hunde in den
Kasernen dulden nnd erließ deshalb den
schriftlichen lakonischen Mas: „Alle
Hunde, vom Feldwebel abwärts, sind
rus der Kaserne zu entfernen."
Der Direktor des Berliner Stadt
gerichts, Geh. Justizrath Belitz war
eine durch seine Leutseligkeit und seinen
jovialen Humor in ganz Berlin bekannte
Persönlichkeit. Jedes alte Mütterchen,
das vom Hundertsten in'S Tausendste
schwatzte, hörte er mit ihren Anträgen
und Beschwerden ruhig an und ließ den
oft widersinnigen Vortrag von dem Re
serendarius, den er in seinem Zimmer
hatte, zu Protokoll nehmen. Wenn er
von dem jungen Herrn daraus ausmerk
sam gemacht wurde, daß alles purer
Unsinn sei, was sie vortrug, sagte er:
„Schreiben Sie nur hin, wa< Sie wol
len! Das beruhigt die Alte." So ging
jeder Supplikant zusriedengestellt von >
ihm fort. Die Mehrzahl der Proto !
kolle aber wanderte in den Papierkorb. !
—Zu erschütterndem Lachen reizte !
ihn eines Tages der in einer Prozeß
sache erstattete Bericht eines >?recuiors:
Die Exemtion fiel frucht aus, da
ExcquandnS sich bereits in einer andern
Sache ausgehängt hatte.
Graf Johann Wilhelm Gottsried
stoß, geb. 1772, evangelischer Bischof
an St. Nikolai in Berlin und General
juperintendent der Nheinprovinz und
ZBestphalens, war in den gebildeten
Dreisen der Hauptstadt durch seinen
leinen, attischen Geist und durch seinen
zlänzenden Witz eine berühmte Per
sönlichkeit.
Bei Gelegenheit eines Gespräches
über ein neu erschienenes Buch „Ge
danken über Zeit und Ewigkeit", bat
chn Jemand, der den Titel bemängelte,
ihm den Unterschied zwischen Zeit und
Ewigkeit klar zu machen. „Wenn ich
mir die Zeit nehmen wollte, Ihnen das
pl erklären, so würde ich eine Ewigkeit
gebrauchen, um Ihnen verständlich zu
verde»," lautete die Antwort.
Als sich ihm die berühm te Operir
sängcrin Sophie Löwe als verlobte
Braut des Grafen Ditrichstcin zum
kirchlichen Aufgebot vorstellte, fragte er
lehr höflich nach ihren Familienverhält- !
lisicn. „Aber haben Sie mich denn nie
zehört?" sragte die erstaunte und ver- >
vöhnte Primadonna der Berliner
Oper. Mit feinem Lächeln sagte der
vischof: „Ja, mein verehrtes Fräulein,
laben Sie denn mich jemals gehört?-
Madame du Titte, die Gattin
:ines wohlhabenden Rentiers in Ber
iin, die Schwiegermutter des Banquier !
venele von Gröditzberg, war ihrer
Zeit, nnd ist noch heute in ihrem Ge- >
dächtnisse cine der populärsten Figuren
»er Hauptstadt, durch die Naivität und
insreiwillige Komik der von ihr über
lieferten Anekdoten.
Als König Friedrich Wilhelm
ll l. kurz nach dem Tode seiner Gemah
lin eines TageS an der Villa der Ihm
lvohlbelannten ,Zrau du Titre vorüber
ging. grüßte er dieselbe, die vor der
Thür stand, in seiner gewohnten leut
seligen Art. Die Begrüßte, der die
gebeugte Haltung des Königs zu Her
jen ging, redete ihn sreundlich und herz
lich an: „Na, wie jcht et denn, Maje
stäteken?" Der König entgegnete mil
einein Seuszcr: „„Ach liebe Madam»
du Titre !" „Ja, ja, Majestäteken,
ich verstehe Allens. Ein so schwere»
Schlag! Ach Gott! Un wer heirathet
denn och gleich wieder einen Wittwe»
mit sieben Kinder!"
In seiner letzten Krankheit zeigte
sie ihrem Manne einst ein Stück schwar
zen Kleiderstoffes mit den Worten:
„Siehst Tu, Papaken, det is das Zeug,
worin ich Dir betrauern werde."
In einer Gesellschaft ihres reichen
Schwiegersohnes, wurde ihr einst ein
Pair von Frankreich vorgestellt. DaK
p«,« Vater heiße, wußte sie aus ihre«
Schulzeit, sie redete also den Gast.l
dessen Partnerin sie bei einer Whists
Partie wurde, mit den Worten an:
„Papaken, Sie sind dran, Sie müsse»
, ausspielen."
Frau du Titre hatte eine Gesell-
erzählt Eberty in seinen
„Jvgcnderinnerungeu eines olte» Ber
linerS", zu deren Obliegenheiten es ge
hörte, daß sie der Gebieterin niemal»
widersprechen durste. Einst fnhre»
beide Damen an einem windigen Tage
im offenen Wagen nach Charlottenkmrg.
Frau du Titte, schön geputzt, trug einen
mit drei MarapoulsHern verzierten
Hut. Seh? bald entführte der Wind
eine derselben, und die Eigenthümern«,»
dir etwas Weißes in der Lust stattern
sah, fragte: „Mamsellken, war det nich
eine Taube?" Antwort: „Jawohl,
Madame dn Titre." Nach «inigen
Miimten entführte Zephyros die zweite
'Feder. „Mamsellken, war det nich ein
Stücksken Papier?" „Jawohl, Ma--
dame dn Titre." Als nun gl. ich darauf
auch die dritte Feder sich empfahl, wurde
die Sache verdächtig. „Herr Fes..
Mamsellken, war det nich ein Marcmi»
puff?" „Jawohl, Madame du
es war der Letzte!"
Eines Tages sagte sie dem Di»»
ner: „Karl, sage mal dem Kutscher, det
er anspannt, ick habe l>e»te Vormittag,
einige Gänge zu fahren!"
„Der Zahn der Zeit wird Ihne«,
och die Thränen drocknen, meine Liebe I"
tröstete sie eine junge Freundin, die ei?
Kind verloren hatte.
Spuk.
l)r. Egbert Müller, der Anwalt de»
Spuks von Resau, hat von Verschiedenrw
Seiten wegen des unermüdlichen Eifers,,
mit welchem er alle transcendentalen
Borgänge mit tiefem Ernst auffaßt, Zu--
stiinmungsschreiben erhalten. Eines den
bedeutendsten und maßgebendsten istfol»
zendes:
Hochgeehrter Herr Dr!
Erst jetzt habe ich mich entschlossen,
Ihnen Nachricht von einer höchst selte
nen Erschemung zn geben, welche ich
persönlich erlebt habe nnd die ebenso ein
höchstes Welträthsel ahnen läßt, wie der
Zlesauer.
Hören Sie:
Ich gastirte aus einer kleinen Bühne-
In einem Städtchen an der sächsisch
böhmischen Grenze. Es war Abend»
gegen neun Uhr und der Theatersaal
durchaus nicht etwa so dnnkel, daß die
Vorgänge, die ich erzählen will, auf
Täuschung beruhen könnten. Ich spielte
meine Lieblingsrolle, den Hamlet. In
diesem noch immer Shakespeare'schen
Drama gehen bekanntlich höchst vier
dimcnsionale Dinge vor, als welches ich
das Erscheinen eines Geistes wohl be
zeichnen darf. Plötzlich ich hatte
iben den Monolog, Sein oder Nichtsein
betreffend, hingelegt wurde es in der
Luft lebendig. Es flog etwas durch den
Saal. Wie in Resau Eßwaaren, so
iuch hier, nur mehr sür einen Vegeta
rianer, der ich, beiläufig gesagt, nur bin,
»en« die Einnahmen nicht für Fleisch
nahrung lange». Was durch die Luft
schwirrte, war ein überreifer Apfel. Die
blöde Menge, welche von der Bedeutung
psycho physischer Kräfte keine Ahnung
hat, lachte. Dann folgte ein zweiter
Äpfel, dic>em ein Ei, diesem abermals
:twas Obst. Ich würde das nicht als
Thatsache mittheilen, wenn ich mich
nicht von der Wahrheit derselben über
zeugt hätte. Besonders das Ei ließ
in meinem Barett tiefgelbe Spuren zu
rück, welche'kcineiii Benzin weichen wol
len.
Das ist die volle Wahrheit. Und nun
vird es an Ihnen fein, diese» wahren
»nd wahrhaftigen Spuk in Dienste des
sen. was Sie aIS Mediumität bezeichuea
zu verwenden.
Hochachtungsvoll grüßt Sie
Bernhard Schmiere. -
darstellender Künstler.
Tie Eotrattsch« Lehrmethove.
Ei» Schulrath revidirte die Schule
lines Dorfes im Mecklenburgischen und
land sie mit den Ansorderungen der
Keuzeit nicht übereinstimr genug.
Er nahm den Schullehrer bei Seite.
„Lieber Herr Cantor, Sie haben de»
besten Willen, eS fehlt Ihnen nur an
der geeigneten Methode. Sie müssen
die Einsicht selbst aus den Kindern her
luslocken, man nennt sie die Sokratische
Lehrmethode; ich werde Ihnen einße»-
spiel davon geben; passen Sie recht
>us." —„Nun, meine lieben Kinder, wie
heißt denn hier der nächste Fluß?*
Keine Antwort. „WaS muß man thun,
wenn man sich vergangen hat ?" Ei»
zeweckter Kopf ries endlich: „Reue."
—„Schon recht, aber was noch? Reue
und Bu—" —Kinder: „Buße!*
„Seht ihr wohl! Nun müßt Ihr nur
nicht sagen Buße, sondern Busse.
Also wie heißt der nächste Fluß?"
Kinder: „Busse." „In wel
chen Fluß aber ergießt sich die Busse?"
ttlleZ stumm. „Was sällt vom Him
mel herunter?" Kinder: „Regen!"
.Schön, was aber noch?" »Schnee!"
„Was noch?" „Hagel!" - - Seht
Ahr wohl, nun müßt Ihr aber nicht
sagen: Hagel, sondern Havel! ?llso in
welchen Fluß ergießt sich die Busse?" —
Kinder: „In die Havel!" „In wel-
Pavel?" Alles still. „Zähle D» mal!"
Knabe: „Eine, Zweie, Dreie, Viere,
stünse, Sechse, Siebcne, Achte, Neune,
gehne. Elfe —" „Halt! Nun müßt
Ihr nur nicht sagen Elfe, sondern Elbe!
Fn welchen Fluß fließt also die Havel?"
Kinder: „In die Elbe!"—„Erlauben
Sie, Herr Schulrath," fiel jetzt der
Cautor ein, „daß ich fortfahre, ich habe
Sie vollkommen begriffen." „Nun
liebe Kinder, wo fließt die Elbe hin?
gähle Dn 'mal!" „Eine, Zweie.
Dreie, Viere, Fünfe, Sechse, Sieben«.
Achte, Neune. Zehne, Elf«, Zwölfe —"
>- „Halt! Nun müßt Ihr nur nichh
jigen: Zwölfe, sondern Nordsee!"
Mancher hat ein Hochtöneu
tes Prädicat und ist doch »vr »in ar»»"
seliges Subject.