Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 13, 1890, Page 3, Image 3

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    Sarah's Spscr.
Wilhelm Berger.
(3. Fortsetzung.)
Er war hierüber vollständig mit sich im
Reinen, als sein Wazen vor dem Thore
der Brool'schen Villa hielt. Er sp,ang
«ilig die Stufen hinan und eilte in das
«leuchtete Haus. Olympia trat ihm ent
gegen, gekleidet wie an jenem Abende,
als die denkwürdige Unterredung am
Klavier stattfand. Nichts in ihren» Be
nehmen verrieth, daß sie sich bewußt wa,
vor einer entscheidenden Wendung
ihres Schicksals zu stehen. Genau wie
sonst bewillkommnete sie den Eintrcter.de»
mit einem leichten, stolzen Neigen des
Kopfes, »rnd die Hand, die er schüttelte
lag schlaff i» der seinen.
„Mein Bater hat mir erzählt, Her»
Wiedener, daß Sie eine "Ute Nachricht
empfangen haben," sag.« sie mit ko» e,-
ticiuller Freundlichkeit. „Erlauben si«
daß ich Jhnci, meinen Glückwunsch dar
bringe."
Arno war befremdet von der Kälte die
se« Empfangs. „Wie, Miß Brooks!"
rief er aus, ihre Hand haltend. „Nur
«incn Glückwunsch für mich hoben Sie?
Als ob ich nicht mehr für Sie sei, als
ein bl.'ßer Bekannter? Als ob nicht die
ser Geldregen aus Europa, der heute auf
mich niedergefallen ist, erst werthvoll für
mich würde dadurch, daß er hinweggefegt
sat, was zwischen uns lag."
„Ich konnte nicht wissen, daß dies
Jh.e Auffassung sei," entgegnete Olym
pia. „Der Sin» des Menschen ändert
sich häufig, wen» seine Stellung eine
andere wird. Sie mußten mir erst fa
-,en, daß Sie jetzt noch ebenso denken wie
früher."
Dagegen war eigentlich nichts «inzu
!venden ; dennoch hätte Arno lieber ge
sehen, wenn Olympia's Haltung weniger
üorrckt gewesen wär?.
„Uno daran konnte Sie zweifeln?"
fragte er vorwurfsvoll.
„Ich bin ein Mädchen; es schickt sich
nicht für mich, auf die Entschlüsse eines
MaiiNiS zu fpekulircn."
Noch immer stand er vor ihr, die
Hand haltend, die sie ihn, Widerstands
ailng, worin er sich befand, daß ihr
Busen sich rasch hob und senkte; er er
ri.th, daß trotz ihrer scheinbaren Gelas
senheit ihr Heiz in unruhiger Spannung
pochte.
„Vergebens halten Sie an sich» Olym
pia, und martern mich durch kluge
Worte," sagte er. „Sie erschüttern mich
nicht in dem Glauben, daß ich Ihne!»
ersten Male während dieser Unterredung.
„Ich würde schon früher Ja gesagt haben
wenn Sie mich gefragt hätten."
Wie gerne bälte Arno sie an sich ge
bi; ihm ihre Lippen im Kusse begeaneten.
Auf diesen Augenblick hatte er sich den
xanzen Tag gefreut. Nun aber wagte er
der A fang eines überfchwänglichei,
Glückes für mich."
Sie läch lte ihm zu und löste eine dun
ckcil," sagte sie. „Sie ist so vornehm,
keinen Duft zu babc». Diese habe ich
selbst gezogen; mich verschenke ich mit
Dann nahm sie seine» Arm: „Las
uns zu meinen Eltern gehen."
».
dem Wappen eines längst erloschenen
kldc'sgcschtechteS über dem Eingange, wcl
chcS-sich i» Prag sür die Eibin des Ober
ste» vv» und zur Mühl», össnete.
Aus de>, Straßen schien die FrühlingS
sonne; schon wrren die Schwalbe» ein-
Tachgeslmsen an ten ihnen wohlbekann
ten Stellen. Tauben, vielfältig von Ge
stalt Gesieder, flatterten vo» den
Dächern aus de» freien Platz herab, der
sich vor den enge», tiefe» Fenstern des
verwahrlootcn Palastes hinzog. Kokett
wandelten sie aus den spitzen Steinen des
Pflasters umher, die Köpfchen wiegend,
bondirende» Kotcr, der bellend auf sie
einsprang. Die verwitterte Statue des
Heiligen in der Mitte sah ausdruckslos
»» de» G!anz der Lust, auf d e blink.n
de» Schejcc». wcri» die Sonne sich
srühlingefro.' spiegelte.
Aus dem Lichte trat Sarah in unheim
liche Tämmcrung. Als die Tküre sich
hinter ihr mit großem Geräusch schloß,
hielt sie cm »nd wandte sich a» ihren Be
gleiter, den 3! cht.anwalt Siebels : „Die
Aunospbarc des Grabes!"
Dienstbeflissen nahte sich der Böhme
SzepanSki, um den Führer durch das
wciiläusigc, todtenstille Gebäude zu
riechen. " Seine Schritte gaben ei»
lauteS Echo in der hohe», kahlen Vor
falle.
Sarah nahm sich zusammen. „Ich
wünsche icdc» Raum des Hauses zu scl>»
vom Keller bis zum Boden," sagte sie.
„Führen Sie und eizählen Sie uns
wie die Räume zu Lebzeiten
»icincs Ühnnis benutzt worden sind."
Die Wanderung bega'.in. Durch enge
Thüren, in mächtige Mauern eingefügt,
von einem getünäUen Gemach in's an
dere. Blanke Holzdielen, wenig HauS
ratb, kein Wandschmuck. Ucbcrall nur
das Nothwendige; selbst das emstige
Wohmimmer des Obersten kahl und un
behaglich.
„Ist die Einrichtung Limmer so gewe
sen c" sragte Sarah.
„Ich kenne sie nicht anderS. Zu den
cntattet.lxor.dv-" -
Ten, Franzerl seine Stuben I Eine
Steintreppe hinaus, ein Stückchen Kcrri
dor und Sarah stand darin. Zunächst
»in großes Zimin-r, mit Teppich belegt,
behangen m t Bildern, die zum
Darstellungen von "österreichischen Sol
datcn aller Waffengattungen, typ.sche
Landschalten aus alle» Zo>en. Abbildun
gen vo» Nutzpflanzen und Waldbäumen.
Umhersteh.'nde Schränke mit Gtasihüren
enthielt!» Sammlungen: Schmetterlinge,
Käfer, ausgestopfte Vögel, Mineralien.
Vor dem eine» Fenster cin Schreibpult
mit einem aufgeschlagenen Buch, vor
den« zweiten eine kleine Hobelbank, auf
welcher die fast vollendeten Stücke zu ei
nem Kästche» ulnherlaaen. In der Mitte
cin langer T sch von Eichenholz, an den,
einen Ende bedeckt von Kistchen und
Schachteln, welche Spielzeug allerlei Art
enthielten. Noch stand auf der freien
Tifchfläche ei» automatischer Radfahrer
mit flammcndrother Jvckeymütze.
„Es ist Alles noch so, w e der Fran
zert es verlasse» hat, als er zum Baden
ging," erklärte der Haushofmeister. Und
weilerfchreitend fuhr er fort: „Dies war
sein Schlafzimmer. Das über dem Bett
ist cin Bild der seligen gnädigen Frau."
Sarah betracht-tc es lange. Es war
das Werk eincS Meisters. Eine dun
kellockigc, aristokratische Schönheit ,n t
rätselhaften Augen um den Hals eine
Perlenkette, cin Marderpelz über die
.utblößten we.ßeii Schultern Herabsal
lend.
„Seltsam lebendig wird mir das Ver
gangene," sagte Sarah. „Ich trete in
persönliche Beziehung zu Leute», die ich
nie gekannt habe. Es ist ei» Gefühl,
das mich zu den Schatten entrückt."
Leicht fuhr sie mit der Hand über das
Kopfkissen des BetteS. „Hier hat er ge
schlummert und geträumt, der vielge
liebte Knabe, die Hoffnung des verein
samten, alternden Mannes. Er war
der Erbe, mußte der Erbe sein. Und
tv.'.s bin ich? Eine eindringende Fremde
auf die sechs Geiste,äugen feindlich star
ren. Das R>cht ist mein ; ncch aber
muß ich es mirgcgenJene verth.ioigen...
Weiter, Herr Szepanski!"
Der Böhme öffnete die nächste Thür.
„Hier hat der Ooerst geschlafe». Jede»
Ätorgen uni sechs Uhr, Sommer und
Winter, hat er dm Fran;erl geweckt.
Im letzten Jahr sind die Beiden, Wenn'S
angina, spazieren geritten; der Franzerl
cischen Poiiy. Ehe der Oberst mit der Leiche
nach Viereggen fuhr, hat er das Thier
tigenhäntig erschossen."
Die Schlafstube deS Obersten war
thums, über den er verfügte.
Sarah wandte sich an Siebels: „Vol
lenden Sie allein den Rundgang; Ihr
Uericht wird mir einstweilen genügen.
Sie finden mich hernach im Wohnzimmer
des Verstorbenen."
Dort saß sie lange Zeit in tiefer Ein
samkeit und beschäftigte sich im Geiste
über si- um dies erloschene Geschlecht, u,
dessen Spuren sie sortan wandeln mußte.
Wohl dem, der leichten Sinnes nehmen
her"le>se, geniüthlose Egoist. Er hat
-iicht das Bedürfniß von der Habe, die
ihn, zugefallen, Fäden zu spinnen in jene
stnist.
„Haben Sie k:ine Befehle für mich?"
rtundigts sich SzepanSki.
„Kciiie in Betreff dieses Hauses," Wae
>ie Antwort. „Verschliefen Sie und
-ringen Sie den Schlüssel in's Hotel.
Diorgen reisen wir nach Viereggen; cs
vä>e mir lieb, wenn Sie uns begleite»
»ollten."
Und als Sarah sich iwt ihrem Be
zln'cr aus d>r Straxe befand, war ihr
iberanlworten. Was'foll ich thun?"
Sickels aintvortets: „N.rtagen Sie
,'ch.e» Entfch uß, bis Sie das Soimner
jchlvß gesehen haben. Wenn es Ihnen
so konnten Sie vielleicht dort die
Gegenstände, welche dcrVerstorbene in per
öiuichtm Gebrauch gehabt hat, in einer
>lrt von Museum vcr- inigen. Es ist das
!ine Idee, die mir in diesem Augenblicke
«kommen ist. Damit würde auch. »ach
zuincr Ansicht, den Anforde.u » i dcr
Pietät Genüge geleistet sein, ruid Sie
zrauchte» nicht länger Bedenken zutragen
>as Prager Haus durch Vcrmicthung
»der Verkauf zu verwerthen."
Der Plan leuchtete Sarah ein. „Ich
sin ordentlich froh," sagte sie, „daß Sie
mir diesen Ausweg gezeigt haben. Herz
los möchte ich nicht scheinen, wenn ich'S
was ich dem Andenken meines Oheims
schulde. Nur dadurch kann ich die An
nahme der Erbschaft vor mir selbst recht
fertigen."
Der Rechtsanwalt lächelte Lhr Ge-
wissen ist Außerordentlich zart, gnädig««
Fräulein.' Ich kann Ihr« B«?«»ken al
lenfalls verstehen ; alxr si- lieaeu ganz
»ußerhalb ineinerAnschauugLwe.se. Die
Todten haben kein Eigenthum, mit dem
sie als Schatten weiterleben. Was etwa
von ihnen auf Erden Dauer haben mag,
ist zunächst der Eindruck ihrer Perfön
l chkeit auf diejcnig n Zeitgenossen, mit
denen sie in Berkehr standen. Es sind
verhältnißmäßig nur wenige Menschen,
deren Ge»st nach ihrem Hinscheiden noch
sozusagen in Aktivität bleibt."
„Sie sind ein Mann und denken über
diese Dilige anders," versetzte Sarah.
„Schwerlich werden Sie AllcS billigen,
was ich anordne. Ich bitte, mir die
ses meiner Fraue.izimmcrncitur zugute zu
halten."
„Ich hab; nichts zu entschuldigen,
gnädiges Fräulein; meine Pflicht ist,
Ihre befehle auszuführen, wenn dies
angebt, und mich denselben respektvoll zu
widersetze», wenn sie entweder Unmög
liches zum Inhalt haben oder gegen Jh»
Interesse gehen. Weiter reichen mein»
Befugnisse nicht."
„Sie haben sich sehr enge Grenzen ge
zogen, mein lieber Doktor," entgegnet«
Sarah. „Vielleicht gelingt es Mir noch,
Sie auch als freundschaftlichen Berather
zu gewinnen."
Siebels sah durch seine Brillcngläfei
scharf zur Seite auf die freundlichen Züg«
seiner Begleiterin. „Versuchen Sic cs,"
sagte er kurz. „Von Fall zu Fall stchi
ich zu Dunsten."
Es war am Abende dieses Tages, ali
Sarah durch ih:e Tante Wiedener jenen
Brief Arno's empfing, worin er feine
Liebe zu Olympia Brooks bekannte und
zugleich fein« Armuth beklagte, die ihn
zur Entsagung zwänge. „Dcr bedaucrns
werthe Junge!" schrieb Frau Wiedener
„Wenn Du mir doch erlaubt hättest, ihm
anzudeuten, wie gut Du ihm bist, dann
wär' es gewiß nicht dahin gekommen.
Und wie hübsch könnte jetzt Alles sein.
Aber wacker finde ich es doch von Arno,
daß er soviel männlichen Stoiz zeigt.
Freilich, was nützt eS ihm? Nun könnte
er's gut haben »nd will nicht. Ich seh'
es kommen: ich werde ihn niemals wie
dersehen. Nun wird er sich abarbeiten,
um das Mädchen zu gewinnen, das es
ihn, angethan hat — sie ist gewiß sehr
schön und liebenswürdig, dicsc Olympia
und das in dem abscheulichen Klima,
dann, wenn er Glück l>tte, käme cr bald
darauf ganz zu uns. Das ist immer
stille Hoffnung Wenn
ihr gewiß beibringen."
Sarah leHte den Brief aus der Hand.
Ein unsäglich bitteres Gefühl war cs,
das sich ihrer bemächtigte. Arno's Mut
ter erariff Partei sür die Unbekannte, die
er liebte, weil er sie liebte. Sie wünschte
diese Verbindung, damit ihr Sohn glück
lich werde, damit sie selbst weiter hoffen
vürfe, ih» im Alter an ihrer Seite zu
ten mußte, wenn sie die Nachricht em
pfing, welche ihre Lustschlöfscr zerstörte
daran dachte sie nicht. Und Frau
Wiedener kannte doch diese Luftschlösser,
würdig diese Olympia." Arglos batte
Frau Wiedener doch diese Worte
ein gestaltet. Natürlich, diejenige, die
stehen und nahn, sich vor, sich un
parteiisch zu betrachte». Nein, häßlich
war sie nicht; abschreckend sah sie nicht
aus trotz des schwarzen Kleides, das ihre
blaffe Farbe noch mehr bervorhob. Aber
freilich von jenem Lichte körperlicher
Schönheit, das die Männer anz cht, zeig
ten ihre Züge keine Spur. Und auch
nichts EharaktcristischeS hatte ihr Gesicht
Ergebniß ihrer Selbstbctrachtung. Und
poch blieb ihr das Bewußtsein ihres
inneren Werthes, und sie konnte es über
ich gewinnen, über den Spruch zu
lächeln, den sie über sich gefällt hatte.
Lrief Arno's. Und immer klang daraus
sie Bitte hervor: Sarah, hilf mir!
Ts war seine Stimme, die sie hörte: Du
kannst es, Sarah ! Weit mehr besitzest Du
als Du brauchst. Was würde es Dir
ausmachen, wenn Du einen armen
sie angeschlagen hatte, daß Sarah fichbe
trosseii fragte, welche geheimiiißvolle
Kraft hier wirksam sein möge. Indessen
erinnerte sie sich, dass auch in den Träu
men, die sie doch selbst gestaltete, Anw
in derselben Weise zu sprechen Pflegte.
Es war die Thätigkeit ihrer eigenen
Seele, welche die Gedanken des fernen
Freundes errieth und ihm in den Mund
legte. Und sie antwortete: Warum
nicht ? Und warum nicht gleich? —Es
wäre wie eine Opserspende, den Göttern
dargebracht; loskaufen kann ich mich da
mit von d>'in Fluch, der auf dem Golde
ruht. Und was mir verbleibt: ich will
es verwalten frommen Sinnes, sür mich
allen Ansprüchen auf weltliche Lust ent
sagend. Nur so kann ich mir Frieden
schaffen und innere Freiheit gewinnen.
Am liebste» hätte sie gleich jetzt,
der 'pätcn Abendstunde, ihren Beistand
herbeiholen lassen, um ihren Entschluß
in die That umzusetzen. Doch wußte
sie, daß Sickels, der rasch Bekannte ge
wonnen hatte, nicht in seinem Zimme
zu finden sei. Wohl oder übel muß!
sie sich aeldulden bis zum nächsten Mor
seinen blonde» Schnurrbart strich er ei
nige»,al energisch, während er die Ver
schwenderin aufmerksam anhörte.
Ob ihr Plan sofort ausführbar sei, er
kundigte Sarah sich zaghaft.
Siebels stutzte doch etwas über die Un
geduld seiner Klientin, sich eines so an
sehnlichen Tie les ihres Vermögens zu
entäußern. Jedoch erwiederte er gleich
müthig : „Warum nicht? Neichen Leu
ten bieten sich leicht willige Hände dar.
Baares Geld ist gegen S.cherheit jeder
zeit zu schaffen."
„Würde sich derartige Summe
Kalkutta überweisen lassend" fragte
Sarah.
„Ohne Zweifel. In Form eines
Kredits. Nichts ist heutzutage leichter
beweglich als Gels."
„Bitte, dann besorgen Sie die Ange
legenüeit."
„Ich fliege, gnädiges Fräulein. Nu,
einige Zeilen von Ihrer Hand möchte ich
Güte."
„Weshalb?" entgegnete Sarah be
fremdet. „Sind Sie nicht ein- und fü>
allemal mein Bevollmächtigcr?"
„Allerdings. Zu dieser Transaktion
Rückenstärkung."
„Sie sind sonderbar, Herr Doktor."
„Nicht im Mindeste» ; nur vorsichtig."
„Wenn Sie meii,e Motive kennten,
würden Sie nicht s» bedenklich sein,"
rief er aus.
„Arno Wiedener ist mein Pflegebn»
der."'
„Ich weiß eS. Arno.Wiedenor's erin
nere ich mich ganz gut. Er hat in der
Schul« nie mehr gethan, als er mußte,
auß rhalb der Schule aber sich stets in
Dingen ausgezeichnet, zu denen ihm die
Reise noch fehlte. Entschuldigen Sie
diessßcmerkuilk, gnädiges Fräulein."
einer Pause und ging zu», Schreibtisch.
„In welcher Form wünschen Sie den
Auftrag?"
„Schreiben Sie ein Rillet an mich;
das wird genügen."
Er überflog das Blatt, welches Sarai
mals geworden wäre ? dachte Sarah.
Fast scheint es so. Und doch ist es selt
sam. Mir gönnt er den Besitz, warum
Jenem nicht?
Sie irrte sich. Eugen Siebels war
nicht neidisch. Nur Erbitterung hatte
ihn ergriffen, weil er Sarah Unvernünf
tig-S thui» sah, oder doch etwas, das
nach seiner Meinung ulivernünsr-g war.
Es gibt Atenschen, bei denen gleich die
Galle in Bewegung gerätb, wenn sie Je
manden b.i eincr Dummheit beobachten.
Es geht sie nichts an, und Schaden da
von haben sie auch liichi ; aber der Aerger
der Böhmischen Landesbank im Nei
pel, war; dann erst schmeckte ihm der
W.'in wieder.
J 'zw schen hatt: Sarah an Arno ge
schrieben : „Mir ist unerwartet, unge
wünscht, ein großes Vermögen zugefallen.
Hch halte es für meine Pflicht, meine
verwandten daran Antheil nehmen zu
lassen. Deshalb habe ich veranlaßt, daß
Dir eine Summe zur Verfügung gestellt
worden ist, die hinreichend wird, die ma
teriellen Sorgen des Lebens sür immer
von Dir fern zu halten und Dich in den
Stand zu setzen, in dem von Dir erwähl
ten Beruf Dich zu ehrevollcr Stellung
aufzuschwingen. Auf Dank mache ich
keinen Anspruch ; ich entbehre nicht, was
ich Dir zugewandt habe. Ich würde mich
s«, neu, wenn es Dir gelänge, den Lieb
llngswunsch Deiner Mutter zu erfüllen,
der darin besteht, Dieb dereinst im Alter
in ihrer Näye zu haben. Gott erhalte
Dir die Gesundheit und segne Deine Ar
beit !"
Arno'« Hochzeit stand unmittelbar be
vor, als dieser Brief Sarah's in feine
Hände gelangte und seine geheime Furcht
beseitigte, daß ikre Geldsendung nur ein
Darlehen sei. Jetzt erst wurde er seines
Besitzes recht froh; die letzte Wolke schien
ihm von, Himmel seiner Zukunft ver
schwunden.
Ein langer Brautstand ist nicht Sitte
in Kalkutta ; ein Paar, das sich gesun
d?>, hat, beschäftigt sich sofort mit der
Einrichtung des künftigen Hausstandes
:>nd hcirathet, sobald vicseloe vollendet
ist. Arno hatte ein Villa am Ufer des
öugli oberhalb der Stadt Die
staltet, in den Tropen durchaus unthun
lich ist. Fast Alles, was wir auswen
den, um uiiseren Wohnungen ein behag
liches Ansehen zu geben, muß in einem
Lande fehle», wo das Thermometer nur
in der Zeit von November bis Februar
zuweilen Nachts auf 10 Grad Wärme
sinkt, im ganzen übrigen Jahre jedoch
zwischen 25 und ZV Graden schwankt.
anhaltende» Regenzeit eine Feuchtigkeit
der Luft, die überall Vegetationskeiins
zur Entwickelung bringt und eine un
liamentlich der weißen Ameisen, dieser
Landplage Ostindiens, zur Folge hat.
Die weißzetünchten Wände müssen ohne
Bilderschmuck gelassen werden; Teppiche
sind außer Frage, höchstens gestattet man
sich lose aufgelegte Strohmatten, die man
läufig genug Morgens zerfressen findet.
Daß die Aufstellung von Polstermöbel-,
sich verbietet, versteht sich von selbst.
ter diesen Umständen, welche die
grov» tiinsachyiit der Einrichtung ge
biet.rilch fordern, verursacht natürlich
Haltung der Wärme, Herstellung ein<s
tühlendcn Luftzuges ist überall d>e erste
und vor.ichnrjte Sorg.-.
Noch immcc war Arno Buchhalter be>
ien Gebrüt ern Brooks. Daß er dort
als Theilhaber eintrete, hatte Olympia
hinteitricben. Es sei nicht klug, machte
sie geltend, daß die ganze Familie in ei
nem Oe» ihr Brod backe. Sie hatte
nicht Unr cht; der wahre Grund ihres
Wicerstand>,s gegen jenes doch am näch
sten liegende Arrangement war jedoch ihr
Aerger darüber, daß Onkel Robert ihre»
Wüschen damals entgegen war, als sie
strafe», und Llympia nahn, sie w?hr.
Was Arno betraf, so harte sich bei ihm
der eiste Eifer, nun recht rasch zur Selbst
ständigkeit zu gelangen, bals abgelühlt.
Es war sonderbar: das Kapital, das
ihm zuerst «.".crmeßlich dünkte, schrumpfte
i» seiner Schätzung von Tag zu Tag
mehr zusammen. Und in demselben
mungslust; <r wurde iinmer zaghast r
und vorsichtiger; nichts schien ihm sicher
genug; jede Ancrbietung, die ihm ge
macht wurde, betrachtete er mit Miß
trauen. Er hatte ja keine Eile, meint«
er. Die Gesellichast, unter dem Ein
druck seiner Wchlha'oenheit und seiner be>
fache, daß er in Wirklichkeit nur ci , Än
geftellter war und erwies ihm alle Ehre»
eines Gleichgestellten.
Die Trauung des jungen Paares fand
in der Kapelle der anglikanische» Kirche
statt. Ihr folgte in Mangrovc Eottage
eine jener Festmahlzeite», die in allen
civilisirten Landern dcr Erde cine Plage
glouidier hat sich das Ceremoniell bei die
le» ailfpruch-voUci» „Dinners", für
welche die Landcesprachc ein eigne» Wort
lttirin-kliiin» besitzt, bis zur
brustbeücnrmenden Feierlichkeit ausgebil
det. Für den Neuling i» Indien hat
allerdings dcr Anblick eines solchen burra
lrlraria, zunächst etwas sehr Fesselndes, da
jedem Gaste von seinem eigenen Diene:
aufgewartet wird, und die Menge der
fremdartige» Gestalten von verschiedenar
tiger Hautfarbe und i» den mannigfal
t-gsten Trachten, die i» tiefem Schweigen
ihre Obliegenheiten versehen, ein eigen
thümliches Bild darb ctet. Dazu kommt
noch der von d.r Decke herabhängende
als die Sättigung einer Aiucrhl voi, Men
schen i» Gcscllschaftstoilctte, die einan
der langweilen.
Arno und Olympia hatten auf eine
Hochzeitsreise verzichtet. Noch herrschte
Vre heiße Jahreszeit, und das Reisen ist
dann in dem Gangesdelta cine Strapaze,
der sich Niemand freiwillig unterzieht.
Als die Gäste sich entfernten, ließ:» auch
Herr und Frau Wiedener ihren Wage»
Nüchtern wie eine Staatsak:ion, deren
dürftiger Inhalt durch Gepränge zu eine:
scheinbaren Wichtigkeit aufgebauscht wird,
Traurede, noch Richter Hailiwell in sei
nem Trinkspluche auf das junge Paar
bei Tisch, mehr gciha», als de»
Zmpfinduira war veriiehinbar geworden;
weltliche Prosa hatte die Stimme der
Herzen erstickt.
Jetzt war das murmelnde Geräusch
saden Gesprächs verklungen ; stille Nacht
umgab die Heimfahrenden. Am Himmel
stand dcr Mond und goß cine Fülle sil
bernen Lichtes herab. Links der
»reite Fluß lautlrS zum Ocean; vom
>cnsti'.igen Ufer schimmerte eine lange
Steche kleiner gelber Lichtpunkte herüecc.
All das unendlich viel restaltige, rastlos
lärmende Leben, das Tags über durch
»ie volkreiche Stadt, auf dem gewalti-
Z'i, Strome fluthet, war erloschen.
Schwarz sich das Laub der Ta-
Lereinzelte Sternbilder Klinkum hervcr;
richt jene uns Europäer» so vertremie
Gruppen, die uns inmitten d.s glitzern
de!, Gewimmels als zusammengebörige
Wanderer erscheine», über »»seren Häup
ter» in fester Rangordnung son
der» lveitgedebn eFigurc.i, die sich uur mit
Anstrengung finden lassen. 'Nur das
sücliche Krcu, strahlte i„ einsamer Pracht
wie ei» sunkelndcS Diadem, sür immer
der südlichen Erdhälsle als Schmuck der
In Arno Wiedener wurde wieder le
bendig, was er in feinen Jugin-jahren
a, Pocsie in sich aufgenommen, seitdem
aber a!s werthlosen Besitz hatle vcrlüm-
Ee faß e Olynwia's Hand
bar schön ist die 'Nacht," flüsterte er und
spürte eine Feuchtigkeit in seine» Auge».
Olympia aiitvoitete nicht gleich; ibre
Gedanke» beschäftigten sich nnt Dingen,
a>e!chc durchaus der Welt angeliörren,
worin sie nunmehr eine »cuc Nolle zu
spielen gedacht?. Sie bedurft: eimgu
Zeit, um sich der Stimmung anzupassen,
die sich ihres Mannes bemächtigte bat'e.
„Ich habe nie für die Nacht schwäv
mcn können," erwiedert: sie endlich,
„Selbst die schönste ist mir unheimlich.
-
nicht; hellreleuchtct verblieb er unbe
weglich an der Grenze dcr Fahrbahn.
„Sie beraen eincn Todten zwischen
sich," sagte Olympia.
„Warum nicht gar, Liebchen! Und
tverin eS der Fall wäre, was küuinrert's
uns? Mit Dir a» meiner Seite würd«
ich durch ein« Legion vo» Todten hin-
lassen. Ich sehe nur Dich; ich denk«
nur daran, daß Du mir jetzt angehörst."
Er legte den Arm um sie und zog si«
an sich. DaS Tuch batte sich dabei von
ihren schultern verschoben; er küßte si«
auf den Weißen Nacken.
„Arno !" rief sie aufflammend. „Tu
bist kühn !"
„Vergib mir; ich konnte nicht Wider,
sieben."
Olympia zog ihr Tuch dicht über der
Brust zusammen.
Beide schwiege ~
Der Wagen bog wieder hinaus in die
Reihe der Villen, die sich in der Nähs des
FlusseS hinzieht. Dunkel lagen sie alle
da; nur eine schimmerte aus der Fern:
i» Hellem Lichte herüber. Es war ihr
eigenes Heim. Man hatte den Hufschlag
der Pferde, das Rolle» des Wagens ver
nommen ; an der Einfahrt stammten
zwei Fackeln empor.
„Sind Dir diese Sterne licber, als die
da oben?" fragte Arno.
„Tewiß. Sie winken zu der sicher»
irdisch.» Heimath.
„Und jene anderen?"
''So frei dmkst Du?"
„Ueberrafcht es Dich? Du etwa
nicht."
„Ich glaube nur an Deine Liebe, und
an Seligkeit durch Dich. Ist diese?
Glaube der richtige
„Ein arger Ketzer bist Du, Arn?,"
sagte Olympia lächelnd.
„Und wie lautet Dein Bekenntniß?"
„Tu bist in.i.. Gatte und Gebieter,"
ander ausgemacht."
„Und von Deiner Liebe weißt Tu mii
nichts zu sagen?"
„Bin ich nicht Dein Weib gewvlden?"
„ES ist wahr: Du bist mein Weib.
Di S sollte mir genügen. Nichts ist mii
sicherer, als daß Du mich liebst. Den
noch dürstet mich darnach, dies von Die
nen Lippe» zu hören Olympia, nu,
einziges Mal."
Sie wich seinem flehenden Blicke aus,
„Dränge mich nicht über die Schranke,
die mir gezegen ist," sagte sie. „Wil
Frauen ve»j,zen oder gewähren. Das
W.'.rum verbergen zu dürfen, ist unsc,
schönes Vorrecht. Euch Männern steh!
das Wort zu, nicht uns; wir können
nur errathen lassen, was uns erniedri
gen würde, wen» wir es aussprächen.
Bist Du nu» zufrieden ?"
„Ich habe Dich verstände» und werd»
nicyt wieder fragen."
Doch empfand der junge Gatte Olym
pia's vefialische Sprösigteit als einen kal
ten Reif aus der Blume ihrer Schönheit,
Wohl gab sie sich ihm zu eigen, aber d«
Region ihc,S Empfindens hielt sie vo,
ihm verschlösse». Es war eine Ehe, dii
er eüigegange» war, doch nicht eine solch«
der höchsten Art: der Bund der Herzen
sehlte.
N.'th lohte das Licht der Fackeln in den
rasch vo.irberschiczendc» Wagen. Am
Fuße der breiten Treppe, die zu dem fäu-
Eingange führte, stand du
die Herrin zu empfangen. Als der Wa>
ce» hielt, knatterte links und rechts vom
Hause ein Feuerwerk auf. Raketen zisch,
ten in die Luft, bunte Leuchtkugeln
schwebten empor, aus kreisenden Rädern
strömten Garben von feurigen Funken,
Kanonenfchläge erschütterten die Luft.
„Da- Schauspiel ist recht hübsch,"
sagte Olympia. „Wir werden morgen
einen hohen Preis dafür bezahlen müs
se»."
Arno lachte. „Fühlst Du Dich schon
als Hausfrau? Ich begrüße Deine Be
merkung als ein gutes Vorzeichen für das
Gedeihen der Wirthschaft. Komm, daZ
Pulver ist verpufft und der Rauch ge<
blieben ; las; uns ihm entweichen."
Er hob Olympia auS dem Wagen; ar.
seinem Anne überschritt sie die Schwell«
des neuen Heims.
8.
Eine? Abend?, einige Wochen nach der
.wchzert, als Arno aus dem Geschäfte
nachHause kam erzählte er, daß er nachTisch
Besuch zu erwarten habe. „Ein euro
päisch gebildeter Hindu ist eS, der sich an
gemeldet hat," erklärte er. „Ramschai
Gosala heißt er. Er ist ein Sohl, des
Bankiers, mit welchem Deines Vaters
Firma arbeitet. Ich kenne ihn nicht per
sönlich, doch habe ich von ihm g.hört.
Er ist einer derjenigen Eingeborenen, die
wir als ,Jung.Bengalen' bezeichnen.
Sie haben ihre Vorurtheile über Bord ge
worfen und verkehren mit uns Fremden
aus gleiche!.-, Fuße. Ramschai Gosala
ist einig- Jahre in England gewesen, hat
den Kontinent besucht, und man rühmt
von ihn:, daß er eine vielseitige Bilduna
besitze."
„Was will er von Dir?" fragte Olym
„Vermuthlich mich zu irgend welcher
gemeinschaftlichen Unternehmung gewin/
nen. Sein Vater gilt für sehr reich."
(Fortsetzung folgt.)
In den jetzt hcrauSge
ftcbencn Erinnerungen a»s dem Leben
des General Feldniarschalls Hermann
von Boye» wird folgende Geschichte wie
der ausgcsrischt. Boye» schreibt: „Zu
einer Kriegserklärung gegen Frankreich
waren mehrere Entwürse dem Staats
kanzlcr vorgelegt wordc.i, einer davon
hatte den damaligen Geh. Lcgations
rath, jetzigen StciatSmiiiistcr Ancillon
zum Verfasser, der ihn in einem kleine»
Kreise, zu dem Scharnhorst und Gm -
scnau gehörten, vortrug. Die ganze
Arbeit war, wie Alles, was ich von die
sem berühmten M ' gelesen habe, r.<
cher an Worten ' Gedanken, die et
noch obenein mit seil, , Predigerpatlios
vortrug. Scharnhorst, öer zu jener Zeit
ausjerordcntlich viel arbeitete und schon
einen sehr geschwächten Körper hatte,
schlief zuletzt bei diesem ewigen Wort
geklingel ein. Da sagte Gneisenau:
„Ich stimme für die Arbeit des Herrn
Geheimen LegationsratheS, sie wird uu
lere Feinde einschläfern."
Verfänglich!! Rath.
Provisor: Ja. mein Kind, das Bitter
wasser kostet 60 Psg.; Tu hast aber
nur 50 Psg. bei Dir. Was ist da zu
machen? —Kind: Na, wissen Sie, danu
trinken Sie dock kür 70 Via ab.
s
Der «»Verne «unflvactou».
Ueber den modernen Kunstbacillus
plaudert Dr. A. Jly in der „Fr. Ztg."
und schildert u. A. ein Gespräch mit
einem Sammler, der ihm einen eben er
worbenen Alterthumsschatz vorstellt.
„Sie, das habe ich schon . 1873 beim
Tannenbaum gesehen!" „So?" macht
er etwas überrascht. „Beim Tannen
bäum? Richtig, bei dem habe ich'S ge
laust. Ein netter Mensch, der Tannen
baum, nicht wahr?" „Ja —a—h",
erwidere ich ohne Uebereilung, „ganz
netter Mensch. Zu nett ost, zum B-i
-spiel in manchen seiner Sachen!"
„Wieso denn?" —„Nun, sehen Sie ein
mal Ihre Bronze an; ist sie nicht so
nett, als wäre sie erst vor 15 Jahre»
bei Miechidi in Venedig gegossen wor
den, so scharf und so kantig, gar nicht,
wie Wenn's vor 300 Jahre» geschehen
wäre?" „Na, Sie glaube» doch
nicht?" „Ich glaube, daß Herr Tan
ncnbaum sehr gut weiß, weshalb ihn»
diese Einqueeutobronce 17 Ja!-e im
Gewölbe sitzen gebliebe» ist. ( sagt
so was nicht, weil er Niemand».», die
Freude verderben will, denn er ist ei»
sehr netter Mensch, der Herr Tannen
bäum. Wieviel haben Sie denn dafür
gegeben?"
Diese Frage beantwortet der Samm
ler in solchem Falle nicht, oder nur
höchst ungern. Er schaut den Frager
seuszend an, schlägt die Auge» wie ei»
geschämiges Mägdlein zu Bode», sieht
dann auf, pfeift zwei Takte ans dem
„Zigeunerbaron" und wirft feine Ci
garre wüthend in den Kamin; das sind
die Krankheitserscheinungen. Auf Hei
ltttig dars man leider kaum hoffe». Acht
Tage darauf sitze ich in meinem Bureau.
Es klopft. Herein! Mein Bekannter
steckt den Kopf behutsam durch du
Spalte, erscheint dann langsam in tot»,
macht ein sauer lächelndes Gesicht, bleibt
stehen und sagt: „Heute traue ich mich
gar nicht zu Ihnen!" Ein Packet in sei
ner Hand giebt Aufschluß. „Was sage»
Sie zu der Rhodischen Schüssel", ruft
er zögernd, „ist mir angeboten worden."
„Lieber Herr", falle ich ein, „sagen
Sie doch nicht immer Rhodisch, ich habe
Ihnen schon oft g:sagt, daß solche
Schüsseln nicht in Rhodns, sondern in
Persien gemacht wurden d. h. setz,
ich hinzu, das Objekt betrachtend, die da
nicht, die ist modern englische Waare".
„Nein", schreit er „die ist alt Rho
disch Persisch will ich sagen, aber nicht
von London! Die ist alt!" „Wie Si«
wünschen!" antwortete ich ruhig und
lese iu der Zeitung weiter. „Liebe,
Direktor, sage» Sie, sie ist alt!" - Ich
miiß lachen. „Das kann ich doch nicht I
Die Fälschung ist ganz plump gemacht.
Aber, was kann Ihnen daran liegen?
Kaufen Sie sie nicht, geben Sie's zu
rück!" Mein Besucher schweigt und
packt die Schüssel ein. Ich weiß Alles.-
er hat sie schon gekauft!
Tie ältesten Schriftstücke aus
Jerusalem.
Vor drei Jahren wurden in Tell el-
Amarna in Egypten mehrere Thonta
fcln mit zahlreichen Briefen in assyri
scher Sprache und Schrift gefunden.
Neuerdings hat sich nun, wie der „Köln.
Ztg." berichtet wird, herausgestellt, daß
sich unter diesen vielen aus Vorderasien
an die beiden egyptischen Könige Ame
»ophis 111. und AmenophiS IV. (etwa
1400 v. Ehr.) gerichteten Briefen mich
mehrere befinden, welche vo» Jerusalem
sArusalint) aus g.'schrieben sind. Das
Königliche Museum i» Berlin besitzt
allein süus solcher, sämmtlich herrührend
von dem damaligen Machthaber in Je
rusalem, Name.lS Addi-taba. Interes
sant ist zunächst, ivaS derselbe über sciiie
persönliche Stellung sagt. Er bcmerkl
nämlich dem egyptischen Könige gegen
über ausdrücklich, daß er nicht in gleiche
Linie zu stellen sei mit den unter egyp
tischer Oberhoheit stehenden Stadtprä
selten der übrigen palästinensischen
Städte, daß er vielmehr, wenn auch dem
Pharao Unterthan und tribntslichtig,
doch eine selbstständigere Stellung als
die andern einnehme, und fügt dann hin
zu: „Siehe, was dieses Gebiet de>
Stadt Jerusalem betrifft, so hat nicht
mein Vater und nicht meine Mutter ini,
eS gegeben, sondern der Ruf eines mäch
tigen Königs hat es mir verliehen",
oder ähnlich in einem andern Briefe:
„Siehe, nicht mein Vater und nicht
meine Mutter haben mich in diese Stelle
eingesetzt, sondern der Rnf eines mäch
tigen Königs hat mich eintreten lassen
in mein BaterhauS."
Daß wir unter diesem „mächtigen
König" nicht etwa den Pharao, sonder»
«ine Gottheit zu verstehen haben, legi
eine an'wre Stelle in einem dieser Briese
ziemlia, nahe, wo anscheinend ein Ora
lelsprnch dieses „mächtigen Königs" be
richtet wird: „So lange noch ei» Schiff
auf dem Meere fährt dies der Ru>
des mächtigen Königs— so lange wird
Erobernngen machen Mesopotamien
(Nahrima) »nd Ba'oyloiiie» (Kaschi,
eigentlich Kossäerland)." Der Haupt
zweck bei diesen Briefen des Abd taba
aus Jerusalem besteht darin, daß er den
König von Egypten wiederholt dringend
Uli, militärische Hilfe bittet gegen fremde
Eroberer, welche Palästina und na
mentlich auch die Landschaft Jerusalem
bedrängen. Bezeichnet werden dies«
fremden Eindringlinge als Ekabiri-
Leute, ein Wort, das »nwillkiirlich an
den Namcu der Hebräer erinnert.
Aus diesen Briefen geht hervor, daß
Jerusalem, »nd zwar bereits unter die
sem seinem uns bekanntesten Namen,
schon im 13. Jahrhundert v. Chr. eine
hervorragende Stelle imtcr den Städten
Palästinas einnahm, daß daselbst unter
auf eine besondere göttliche Berufung
zurückführte», ohne daß Familien Erb
folge hierbei zu entscheiden gehabt hätte.
Auch eine^Kr'itik. A.: Ist
die Sängerin aber böse! B.: Wieso?
A.: SUbst beim Singen wird si«
falsch.