Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 06, 1890, Page 3, Image 3

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    Inrnli'o Dplcr.
Wilvelu» erger.
(2. Fortsetzung.)
.'„DiescS Gespräch ist etwas so Unge
wöhnliches zwischen Ihnen und mir,"
sagt« er, „daß ich cs fortsetzen möchte.
Wissen Sie wohl, Fräulein Brooks, daß
«s erst wenige Tage her ist, seit ich ange
,, „Vorher hielten Sie mich für sehr hoch
mütig, nicht wahr?"
„Wenn ich'S that, bin ich gewiß zu
«ntschuldigen.
„Und jetzt?"
' „Möch'e ich wünschen, daß Sie mir
fremd geblieben seien "
Verwundert sah Olympia zu ihm auf.
„Wie soll ich das verstehen ?"
ehrerbietig di« Hand zu küssen, die sich
mir so freundlich entgegenstreckt. Und
ich möchte mehr."
„Ihre Stellung ?" fragte Olympia be
fremdet. „Sie legen ungebührliches Ge
wicht auf Nebensachen. Ich nicht."
„DaS ist eben Ihr Vorrecht. Ich da
gegen muß mit dcr Macht dieser Neben
sachen rechnen. Für den Angestellten
Ihre? Vaters ist eS abgemessen, daß cr
schweige und lcidc."
Olympia machte eine ungeduldige Be
wegung. „Wie bescheiden Sie sind,"
rief sie, „ oder sich stellen," setzte sie
hinzu, indem sie sich abwandte.
„Versieben Sie wohl, Olymvia: es
ist nicht Bescheidenheit, was mich ver
hindeit, das Wort zu sprechen, das auf
meinen Lippen liegt. Keineswegs.
Mein Selbstbewußtsein ist deshalb nicht
„Ich kann wohl um werben, doch
nicht um Geld und Gut."
„Das also ist eS ? Mannesstolz! Sel
tene Waare ans dem Heirathsmarkte von
Kaliutta! Ich bewundere Sie, Herr Wie
dener."
„Thun Sie es nicht; mir ist übel ge
nug zu Much. Vollends jetzt. Am lieb
sten »eiste ich mit dem nächsten Dampfer
nach Bombay und möchte Sie nie wie
dersehen."
.ZDeihalb wollten Sie vier Jahre
Dienstzeit opfern ? Einer solchen Thorheit
werden Sie nicht sähig sein. Bleiben
Sie, ich bitte Sie darum. Es hat sich
nichts ereignet, verstehen Sie ? Herr und
Dame haben sich einander gcnähcrt, eine
Verbeugung gemacht und sind auf ihren
Platz zurückgekehrt wie in der Qua
drille."
Sie wandte sich zum Klavier und
spielte die Einleitung zu dem Couplet,
vaS Arno singen sollte. „Jetzt setzen Sie
ein," erklärt« sie.
„Ich kann keinen Ton hervorbringen,"
»rwi.derte Arno, verletzt von dem raschen
Wechsel in Olympia's Benehmen, „Ent
schuldign Sic mich gütigst sür hcute, für
immer, meine ich. Melden Sie den
hätte."
„Nun wohl, vertagen wir die Prob:,
sie eilt nicht. Abcr glauben Sie nur
nicht daß ich auf Sie verzichte, mein lau
»cichaster Hc.r!"
Und sie sandte ihm einen bedcutungs
dollen Blick aus den dunlleu Augen zu,
»ls sie sich erhob.
Aus dcr Veranda berichtete sie der Ge
sellschaft, das Piano sei zu verstimmt;
musikalischen Leuten, wie Herrn Wiede
ner und ihr, sei das unerträglich.
Als die Gäste sich cnlfcrnt hatten, sagte
Frau Brooks zu ihrer Tochter : „ES hat
stand des Klaviers in's Klare zu kom
iicn."
„Das gerade nicht, Mama," antwor
iete Olympia mit stillem Lächeln. „Es
tvar etwas Anderes, das d«r Ausklärung
dxdurfte."
„Zwischen Dir und Herrn Wiedener?"
- „Warum «ncht? Seil Kurzem hab" ich
Kieundichast mit ihm geschlossen."
Von iorem Wicgcnstuhl aus sah Frau
L'rste," sagte sie. „Und sollte der Letzte
~Äh Tu kannst noch nicht vergessen,
vas ich Deinem Günstling Entlaß ange
than habc."
„Sonderbare Idee 1" rief Frau Brooks
iuS. „Wie kommst Du dszu?
Auf der Veranda glitten die braunen
freien; ein leiser Windhauch traf ihre
beißen Wangen.
sie fröstelnd.
bin Archibald Brooks sich mil dcr neuesten
Stummer des „Kalkutta Herald" zurück
gezogen hat!«, fragte sie, wie oft Herr
Wiedener noch Einzelproben abhalten
müsse.
Heir Brooks blickte von feiner Zeitung
aus, a'S er den Namen hörte. „Es ist
mir lieb, daß Du Herrn Wiedener etwas
näher heranziehst, Olympia," sagte er.
„Er ist der beste Gehilse, den wir je ge
habt haben. Wenn er Mittel besäße, so
würden wir ihn nur halten können, in
dem wir ihn in die Firma aufnähm«n.
Wir haben schon darüber gesprochen.
Dein Onkel Robert und ich. Ad«r Robert
möcht« gern« seinen Söhnen das Feld frei
ballen. Und dagegen kann ich nichts
cmwcnden; eS ist unrer uns in aialkmta
immer Brauch gcwesen, das Famill«»,
interesse so viel wie möglich zu bcrücksich
«i««.? . . "5, . - .
„Sehr richtig, Pc 'a," nickte Olympia
ihm zu. „Wenn ich doch ein Junge
wäre!"
„Ja, Du bist übel daran," lachte
Brooks. „Für Dich kann die Firma
nichts thun."
Olympia richtete «inen sonderbaren
Blick auf ihn. „Wer weiß," sagte sie.
Rasch fuhr sie fort: „Nimm mich mit
mvigen früh, wenn Du zum Comptoir
fahrst, ich habe Einiges einzukaufen.
Gute Nacht!"
Sie bot ihm die Wange zum Kuß,
winkte der Dienerin, die an der Thür
schwelle wartete, umarmte ihre Mutte/
und vielicß daS Zimmer.
4.
Am nächsten Tage kam die Ucberland
post herein. Sie brachte auch einen
Brief von Frau Wiedener an ihren Sohn
mir Nachrichten, die diesen einmal aus
nahmsweise sebr inrcressirten. Kaum
Glaubliches enthielt das Blatt, welches
er beim Nachtisch entfaltete. Sarah,
sein Bäschcn Vernünftig von ehedem, das
cr immer nur über die Achsel angesehen,
battc plötzlich, unerwartet, ein großes
Vermögen geerbt.
Weitläufig erklärte ihm seine Mutter,
wie dies zugegangen war. Sarah's
Vater h.itie einen älteren Bruder, der
schon in jungen Jahren in die Fremde ge
gangen war. Für die Familie blieb cr
dann lange verschollen, bis cr auf ein
mal von Wien aus von sich hören ließ.
Er deutle an, daß er sich in vielen halb
wilden Ländern aufgebalten und in den
räubeihordenartigen Armeen kleiner aber
mächtiger Potentaten gedient habe. Nur
mit einem halben Dutzend Narben am
Körper, im Uebrigen jedoch wohlauf, In
haber verschiedener hoher Orden mit Hoch-
Oberst verabschiedet, habe er sich, des un
stäten Lebens satt, iir Wien niedergelas
!en. Er war einer jener modernen deut-
Kenntniß europäischer Kriegskunst in ent
legenen Gegenden verwerthen. Was in-
seinen Verwandten geworden
frostig. Ihm dem weichen, gemüthvollen
Manne, war der martialische Ton, der
barsche Styl des Abenteurers antipathisch.
Ein Familicngcfühl für den Bruder, def-
Oarauf schwieg dcr Oberst, und so cn
sete dcr Verkehr zwischen den beiden
Brüdern.
Jetzt, nach fünfzehn Jahren, suchten
sie Behörden Rein Haid Zurmühlen oder
Lberst war in Prag kinderlos und ohne
Testament gestorben; an Sarah fiel seine
hiulcilassenschaft. Die beiden Frauen
!amen bei der ersten Nachricht nur wenig
»uS ihrer Ruh:; was sie von dem Ver
storbenen wußlcn, veranlaßte sie, zu
vermuthen, daß es sich bei dieser Hinter
lassenschast nur um alten Hausrath und
oicllcicht einige Sparpfennige handeln
!önnte, die wahrscheinlich sürKosten drauf
zchen würden.
Dann erschien eines Tages ein Würde
zoll aussehe,«der Herr aus Prag und
stellte sich der erstaunten Sarah in ge
dloebe.icm Deutsch als Verwalter des
Verstorbenen vor, bittend, ihn in seinem
ilmte zu belassen. Von ihm e.fuhr sie,
»er Obeist von und zur Mühlen so
mannte er ihn sei ein sehr reicher
Mann gcwese», mit großem Grundbe
sitz in verschiedenen Theilen des Landes
and einem palastartigen Wohnhause in
s>ag. DaS meiste davon habe ihm die
znädige Frau zugebracht, die etwa zehn
Zahre vor ihm gestorben sei; indessen sei
).r Oberst ein vortrefflicher Wirthschafte?
zelrcfen und habe seinen Besitz beständig
»ergrößnt.
Ob die Frau dem Oheim keine Kinder
zeschenkt habe? erkundigt: sich Sarah.
Der Böhme erwiederte lebhaft: „Al
lerd nzs ; einen Sohn haben gehabt bis
znädigen Herrschaften. Franzerl hat er
zcheißen, und einer bildschöner Bub' ist
!r gewesen. Für ihn hat der Herr Oberst
zearbcilct, seit cr geworden ist Wittwer;
zoch hinauf sollte dcr Franzerl steigen,
hat cr mir gcs«gt, und ein
»rauchte, ging ihm gern aus dem Wege.'
„Und der Knabe, der Franzerl '5"
„Beim Baden ist er ertrunken, letzte»
Zemmer. Von da an ging s mit dem
Herrn Oberst rasch bergab; da gab's
»ichts, er noch m»sm».
Am Schluss: der Unterredung kam
Tarah schüchtern mit der Frage heraus,
zuf w:e viel sich wohl das Imilerlassene
auch ferner zu erzielen fei, wen» ei» Lan
bcskundig r mit straffer Hand die Vct>
Wallung Mh?e.
Sarah, die sich '.inzwischen einigerma>
Ben dcr Bedeutung ihrer künstigen Stel
lung bewußt geworden war, hütete sich
dem Fremden diejenigen Versprechungen
zu machen, aus die er hofft« ; si« «rklärt«
vielmehr, sich für Zukunft nicht binden
zu wollen. Zunächst müsse sie durch die
Gericht« in d«n Besitz des Nachlasses ihres
OheimS eingesetzt werden; nachdem si«
sich dann genügend umgesehen habe
wobei sie allerdings aus den Beistand des
He-r > SzepanSki rechne werde sie ihr«
L«rsüau»a«n tr«kkeo. .
Der Böhme versicherte geschmeidig
daß er nichts Anderes erwartet habe uns
selbstverständlich ganz zu Diensten deS
gnädigen Fräuleins steyc. Er sei nur
gekommen, um als der Erste seine Glück
wünsche zu ihren Füßen niederzulegen
und ihr Wohlwollen zu erbitten.
Vor Aufregung zitternd, kaum im
Stande, sich zu beherrschen, schweizend
aus Furcht, i» Jubcl auszubrechen, hatte
hört.
„Als der Mann unter vielen Bücklin
gen das Zimmer verlassen hatte," so
schrieb sie jetzt an Arno, „schloß ich
nicht helf«», mußle Werne». Sarah
dagegen blieb ruhig und sagte:
.Wir bleiben, was wir wir sind. Tante
und lassen uns selbst nicht durch Alladm'S
Schätze auf Pfadc locken, wo wir strau
cheln könnten.' Und so ist sie geblieben,
in nichts um ein Jota verändert. Mit
böhmischen hat sie noch einige
beim mit etwas saurer
Miene die schnelle Auffassung uns das
richtige Urlherl Sarah's gerükmt hatte.
Es ist wahr: Sarah, die doch niemals
sich in Geschäften umgethan hat, der
größere Verhältnisse nur durch Lektüre
mit erstaunlicher Klarheit ihre neuc Lage.
Jetzt bsrcilct sie sich zur Abreise nach
Praa vor. Mein« Begleitung hat sie ab
gelehnt, was mir eigentlich nur lieb ist,
da mir doch die Reise Strapazen aufer
legen würde, denen ich nicht mehr recht
gewachsc» bin. Dagegen hat sie, sehr
verständig sich des Beistandes eines jun
ge,» Rechtsanwaltes versichert, d r be
reits als ihr Bevollmächtige»: vorausge
gangen ist. Es ist dies Eugen Sickels,
dcr Sohn des Ockonomen in Hiddensee
-- Du wirst Dich serner erinnern aus
der Schulzeit her, obgleich er einige Jahre
älter ist als Du. Er soll ein ausgezeich
neter Jurist sein und ist, als Sohn eines
Landwirths, nicht ohne Kenntniß der
Vcrwaltuugsart großer Güter; Sarah
hat gewiß einen glücklichen Griff gethan
als sie ihn zur Stütz: wählte. Da fehlst
mir jetzt, wo daS Glück über uns gekom
men ist, mehr als je. Warum mußtest
Du Dir auch damals die Idee in den
Kopf setzen lassen, das Glück läge in der
Ferne ? Du bist ihm doch nicht näher ge
kommen, obgleich Du Taufend: von
Meilen gereist bist. Wärest Du doch bei
Junge! Gar Mancher sticht untcr gro
ßen Müsen und Gefahren bunte Kiesel
und glitzerndes Katzengold in entlegenen
echten Diamanten haben können. Sarah
läßt Dich grüßen. Selbst Dir schreiben
möchte sie nicht mchr, nachdem ihr: bis
herigen Bemühungen, von Dir beach:et
zu iverden, erfolglos geblieben sind.
Arno Wiedener las diese märchenhaft«
Kunde aus der Heimath wie ein Träu
mender. O, cr verstand die Andeutun
gcn seiner Mutter recht gut. Sie hätte
ihn yar zu gerne bei der Hand gehabt,
dannt er diese Gvlvorange pflücke, in
welche sich die unamchnljche Holzbirne
plötzlich verwandelt hatte. Mütterliche
Hirngespinnste! Sie freilich glaubte,
dem geliebten Sohn sei Alles mögtich ; er
brauch: nur zu wollen und Väschen Ver
nünftig der echte Diamant werde
fein eg n sein. Thorheit! Er kannte
Sarah Zurmühlen besser. Von ihin
hatte sie nie viel gehalten; beim Abschiede
noch hatte sie ihn mit einer altklugen Er
mahnung entlassen, wie der Lehrer den
abgehende« Schüler. Längst hatt: sich
sein Weg von demjenigen Sarah's geschie
den, nicht erst jetzt, da auch sie einem
Manne Reichthum zu reeleihen hatte.
Ja, wenn er zu Hzuse geblieben wäre!
Und was dann ? Olympia lieble er doch;
sie zu besitzen war ein heißer Wunsch sei
nes Hcrzcns. Abne Jcne!
Und cr versuchte, sich Sarah zu ver
gegenwärtigen. Nicht einmal das konnt:
ch d s '
Arno dann wäre mir mit einen» Schlage
geholfen! Oder Sarech striche ihr über
volles Maß glatt und wendete mir zu,
was berunterfällt. Aber was Einer hat
und sei es noch so viel, das scheint ihm
kaum genug für sich selber. Und Sarah
wird davon keine Ausnahin« machen!
WaS soll aus mir werden? Olympia
gegenüber hab' ich mir dic Hände gebun
den. Für einen wunderlichen Heiligen
mag sie mich halten ! Wahrscheinlich hat
sie gar kein Verständniß sür die Größe
meiner Tugend. Kleinlich findet sie
mein Bedenken, mein Selbstgefühl «ine
lächerliche Anmaßung. Und hat si«
nicht Recht? Wenn ich sie liebe und mein
Gewissen mich von der Absicht ciner
spekulativen Heirath freispricht wes
halb sollte ich mir nicht gefallen lassen,
was sie für mich, für uns chne sonder
liche Anstrengung zu thun vernrag?
Arno fühlte zum erstenmal wäh
lend feines Aufenthalts in Indien —das
Bedürfniß.fich gegen seine Mutter auszu
sprechco. Er setzte sich hin zun» Schrei
ben. Eingchend schilderte cr die Lage,
worin cr sich befand: daß er ein himm
lisches Geschöpf lieb: und Gcgenliebi
finde, daß er aber aus eine Verbindung
mit Olympia Brooks verzichten müsse,
weil er sich aus eigener Kraft, durch
Schreiben ergriff ihn ein heftiges Mit
leid mit sich selbst; in den schwärzesten
Farben malte cr seinen Seelenzustand.
Vorder offenen Pforte des Paradieses
stehend schilderte er sich, und müßte sich
dcn Eintritt vcrfagen, wcil cr mit Lum
pen bekleidet sei.
Zufrieden mit seinem Werke legte
Arno sich zur Ruhe. Wie eine Erleich
terung kam es über ihn.
S.
Stadt fuhr, erklärte sie ihn, gleich am
Anfang« de« Weges, vaß sie idm ihr«
Begleitung nur deshalb aufgedrungen
habe, um unter vier Augen mit ihm
jprechen zu können.
v .Du weißt. Papa." sagte üe.
Schicksal habe, eine sogenannte
grrte Parchi« zu s«in. Jnsolg« dessen
komme ich häufig in die Lag«, «inen mir
sonst ganz ang«n«h>nen Bckannlen durch
die mehr oder minder deutliche Erklärung
verletzen zu müssen, daß er sich keine
Hoffnung auf m:in« Hand machen möge.
Dies fängt an, mir lästig zu werden;
ich möchte Ruhe haben."
Archibald Brooks lächelte. „DaS
heißt. Du hast Dich zur Nachgiebigkeit in
einem Falle entschlossen, den Du voraus
si-hst."
„So einfach liegt die Sache nicht,
Vater. Ich wünsche, daß Jemand :ui>
meine Hand anhielte, der dies nicht Wäger
mag, und dazu sollst Du helfen."
~W.r ist eS?"
.Herr Wiedener."
Archibald Brooks schüttelte den
Ich hal'« persönlich nichts ihn.
Doch tst cr nicht in der Lage, sich um
Dich bewnben zu können."
„In diese Lage sollst Du ihn eben ver
setzen."
„Ich verstehe Dich nicht."
„Mach' ihn zum Theilhaber. "Was
die Firma sür Onkel Rcbert's Söhne
thun will, kann sie auch für dcn künfti
gen Mann Deiner Tochter thrm."
„Sprichst Du in seinem Auftrage ?"
fragte ihr Vater.
„Nein. Herr Wiedener hat keine
Ahnung davon, daß ich für ihn intri
guir«. Vielmehr würde cr sich meine
Einmischung in seine Angelegenheiten
von erführe."
„Was ist zwischen euch vorgefallen?
Laß mich'S wissen."
„Eiue Verständigung über Prinzipicn
lung und Vermögen" zubrächte/würde er
sich niemals bemühen. Das sei eine
Marotte, wirst Du sagen. Mag sein;
aber sie gefällt mir; ich hab: sie bisher
»och bei Niemanden» angetroffen."
„Und er liebt Dich?"
»Ich Zweifle nicht daran."
„Hm eS ist ein eigenthümliches An
sinnen, das Du da an mich stellst,"
sagte Herr Brooks bedächtig.
„Nicht doch, Pcpa. Daß Handels
sirinen sich verjüngen, ist ein alltägliches
Vorkommnis;. Und Du hast selber ge
sagt, daß dabei das Familicnintcresse so
viel wie möglich berücksichtigt zu wvrden
Pflege. Außerdem: Herr Wicdcncr »st
keine Drohne, die sich der Stock aufladet;
ich berufe mich auf Dein eigenes Zeug-
„Das ist Alles richtig." entgegnete
Archibald Brooks, in di>: Enge getrieben.
„Nur läßt sich ein dritter t)hef nicht so
leicht in einen» Etablissement unterbrin
bringc.-?, wie ein überzähliger Gast an
einer gedeckten Tafel. Was Du von mir
begehrst, i-,°t eine tief einschneidende Ver
änderung bewährter Verhältnisse. Der
gleichen läßt sich nicht über's Knie bre
chen. Selbst wenn ich mich entschlösse,
auch Dein Onkel Robert müßte einve r
standen sein. Ich fürchte, er wird sich
schwierig erweisen, namentlich da ich ihm
mein Motiv nicht verrathen darf. Ich
will mir's überlege». Treibe mich nicht.
snng dar, die Deinem Plan eine günstige
Chane: eröffnet. Wir wollen sehen."
Dcr Wagen hielt vor dem Geschäfts
haus- der Gebrüder Brooks, und der
Handelsherrstieg aus.
„Dente an Dein Versprechen, Vater!
Treffen wir uns heute noch auf dein
Korso?"
„Heute nicht; die Ucberlandpost geht
morgen; ich werde nicht zur Zeit fertig.
Lebe »vohl! "
seines Derselbe
war freilich der Jüngere, doch hatte er
sich im Laufe der Jahre durch die größere
tend«n Stellung in der Firma emporge
schwungen. Tics trat weniger nach
außen hervor, als in den verschwiegenen
Archibald vor der Welt die glänzendere
Nolle spalte. Robert jedoch siel in ge
schäftlichen Dingen stets lnitiativ^
blieb deshalb schwankend, auch wenn er
seinen Entschluß schon gHaßt hatte; ihm
war es deshalb am bequemsten, bei Ent
scheidungen, die im Geschäfte getroffen
werden mußten, seinem Bruder schließ
lich die Verantwortlichkeit zu überlassen.
Olympia hatt-keine Ahnung von de,
eigentlichen Stellung ihres Vaters zu
seinem Bruder Robert. Sie s»h diesen
Onkel sehr selten und dann nur in
größere: Gesellschaft. Dort hatte er
etwas Derbes, Unbehilflicheö, daS sie da
zu verführte, ihn zu unterschätzen. Und
bei ihrer Unkeantniß der sehr partikulari
slischen Jnt-ressen, die jeder "Theilhaber
einer HandclSgcsellschast zu verfechten
hat, hielt sie die Aufaahme Arno's für
ein« v:rhäl:nißmäßig geringfügige An
gelegenheit.
Als sie nach einigen Wochen «rnahin,
daß Robert Brooks zwar die Beförderung
Wiedener'S zulassen wolle, jedoch auf
Beibehaltung seines bisherigen Antheils
am Nutzn» bestehe und dadurch natürlich
die Ausführung des Projektes wieder ver
eitle, machte sie große Augen.
„Ich kann Dir nicht helfen," erklärte
Archibald. „Muß es denn gerade Die
ser sein ? Warum nicht ein Anderer, d«r
Deine Ansprüche aus eigenen Mitteln be
friedigen kann ? An solchen fehlt eK doch
warhaft ig nicht in Kalkutta. Je mchr
ich darüber nachdenke, desto weniger ver
steh« ich di« Laune, welche Dich ange
wandelt hat ; sie läßt sich in der That
mit Deimr sonstig« Klugheit nicht ver
einig««."
„So scheint es allerdings," versitzt«
Olympia. „Du vergißt nur EineS:
Herr Wiedener ist mir w«rth geworden.
.Mag a sich anstrengen, durch
sein: sonstigen Begebungen Carriere zu
machen ; seine Tüchtigkeit ist in unseren
Kreisen bekannt genug. Daß Du keinen
Handlungsgehilfen hcirathcn kannst, ver
steht sich doch von selbst."
„Ich den!« nicht daran, Papa. Was
ich >n England thäte, weiß ich nicht.
Auch mir scheint zuweilen Zufriedinheit
in einer Hütte das wünschenswerlhest:
Loos. Ich könnte mit Kartoffeln und
Salz vorlieb nehmen, selbst meine Haus
arbeit thun und einfarbige Wollkleider
tragen, eS wäre doch einmal etwas An
deres. In diesem Lande abcr geht das
nicht; wir sind die Sklaven unferer be
vorzugten Stellung. Wie Vieles, was
wir mochten, dürfen wir nicht. Das Le
ben hier hat doch etwas schrecklich Schab
lonenhaftes! Der Willkür ziehen Klima
und Sitte die engsten Schranken. Auch
wir Fremden bilden eine Kaste, die in
sich wiederum in Gruppe» getheilt ist.
Höfen ist die Etikette in unserer Gesell
schaft. Der Hindu, der sich auf den
um Ehrerbietung zu
Archibald Brooks zuckte die Achseln.
sich nicht ärgern und »och weniger da
gegen opponiren," sagte er. „Beides
verdirbt Laune und Appetit und stört den
Frieden. Vollends hier. Lassen wir
dix Welt, wie wir sie vorfinden, und rich
ten unS darin ein, so gut wir können."
mich Passiv verhalte, geht meist Alle»
aut. Soll aber etwas erreicht, gemein
schaftlich etwas geleistet werden, dann
fängt die Noth an. Mit der Posse
zum Beispiel, die wir 'aufführen wollen,
kommen wir nicht weiter. Und warum?
Weil wir nach den in unserer Gesellschaft
an Edith Halliwell, di« Tochter des Rich
ters, haben geben müssen. Edith Halli
well aber lernt nicht und spielt wie ein
Schulmädchen; gestern sind wir in Hel
ler Verzweiflung ihretwegen auseinan
der gegangen. Und sie merkt garnicht,
daß sie es ist, die uns diese Unzahl von
Proben ausbürdet, und Niemand hat die
Dreistigkeit, es ihr zu sagen."
„Und Herr Wiedener?" fragte Brooks.
„Er macht seine Sache recht gU?."
„Kein Wunder bei den vielen Uebun
gen, die Du sür nothwendig befunden
hast. Man spricht schon über euch ; Ro
bert sagte mir's."
Olympia verzog ihre Lippen verächt
lich. „Mag man. Ueber wen würde
nicht gesprochen in unserer Kolonie?"
„Räch der Ausführung solltest Tu ihn
nun, bis ich anderen Sinnes werde."
Wie Olympia dies sagte, bedeutete es:
in Betreff dieses Mannes ändere ich mei
nen Sinn nicht. Und so wurde es auch
von ihrem Vater verstanden.
Kurze Zeit nach dieser Unterredung
fand Arno im Comptoir ein an ihn ge
richtetes Telegramm vor. Dasselbe war
von einer deutschen Bankicrsfirma in
im Auftrage von Sarah Zurmühlcn in
Prag eine» offenen Kredit von zehn
tausend Pfund Sterling eröffnet."
Nüchtern genug klang diese Mittheilung
in ihrer knappe», geschäftsmäßigen Forin.
Dennoch wurde Arno von einem Zittern
ergriffen, als er sie gelesen hatie. Aus
sichten eröffneten sich ihm, vor denen ihm
von zehntausend Pfund im Handel be
deutet wußte er sehr genau. Wer so
viel hat, dem wird noch weit mehr ge
geben. Jetzt konnte er selbst den Herin
machen und die Dienstbarkeit von sich ab
schütteln wie ein abgetragenes Kleid.
Dies war sein erster Gedanke ; sein
zweiter galt Olympia. Die Bahn zu ihr
lag frei vor ihm. Heute noch konnte er
vor sie hintreten und das Wort sagen,
auf das sie wartete. Ehe der Tag ge
endet hatte, würde er von diesem hcrr-
„Ruhig Blut!" rief er sich zu. Zu
nächst war doch eine Anfrage bei der
Bank von Bengalen erforderlich, ob sie
auch bereit sei, die Anweisung der Lon
doner Firma zu honoriren.
Aber Arno konnte sich'S nicht versagen
in das Kabinet seiner Prinzipale zu
treten und persönlich um einen kurzen
Urlaub in einer Privatangelegenheit zu
Hilten. Er hielt das empfangene Tele
gramm in der Hand. „ES ist mir da
eine Erbschaft zugefallen." warf er nach
lässig hin. „Nach der Depesche sind bei
der Bank von Bengalen vorläufig zehn
tausend Pfund zu meiner Verfügung ge
stellt worden. Es wird unzweifelhaft
feine Richtigkeit haben; doch will ich mir
der Ordnung wegen den Kredit bestätige»
lassen."
Während er noch sprach, war hinter
ihn, «in Diener eingetreten. „Für Herrn
Wiedener," meldete er und überreichte
Arno einen Brief.
„Es ist ein Memorandum von der
Bank von Bengalen," wandte Arno sich
an die Brüder Brooks. „Eine Bestäti
gung ; die.Herren ersparen mir den Wea.
Entschuldigen Sie die Störung."
Als Arno das Zimmer verlassen hatte,
pfiff Robert Brooks leise vor sich hin.
„Die Sache liegt jetzt anders," sagte el
end lich.
„Ungünstiger für uns, meinst Tu,"
erwiederte Archibald. „Was wir jetzt
anbieten, hat einen zu starken Beige
schm»ck von Habsucht."
„Darüber wäre wohl hinwegzukom
men," meinte Robert mit einem leichten
nähere Verbindung gerade mit. unS
müßte ihm erwünscht sein."
„Tu spielst auf Olympia an ?"
„Das thue ich allerdings."
„Sehr wohl. Mein« Ansicht kennst
Du. Ich habe nichts dagegen, daß Du
die Angelegenheit zur «sprach« bringst.
Nur allzu große Hast dabei wäre nach
meinem Gefühl unschicklich."
„Schon gut!" sagt« Robert,
mich nur machen."
Archibald war einverstandrn, wle'ge
wohnlich. Und Robert Brooks lud Arno
zum Tiffin dem «weiten Frühstück
ein und eröffnet« ihm bei SeltirSwassc,
und Cognac, daß er schon vor einigen
Wvygten !«meq» Brudn. dsn
Vorschlag gemacht hab«, Herrn Wiegen«
als jüngeren Theilhaber aufzunehmen.
Sein Bruder sei damals nicht daraus
eingegangen. Jetzt, bei Arno'S verän
derten V.rbältnrssen, werde cr sich schwer
lich sträube». Ob cs Herrn Wieden«
gcnchm sei, daß cr das Projekt nochmals
aufnehme und auf's Neue mit seinem
In den paar Morgenstunden seit Em!
pfang der Depesche hatte Arno sich bereits
an seine erhöhte Stellung in der Welt ge
wöhnt. Nichts verbessert rascher eines
Menschen Meinung von sich selbst, als
ein ansehnlicher Vermögenszuwachs,
tausend Pfund seiner Base Sarah. Des
halb war cr gar nicht einmal sosehr über
rascht von dem Anerbieten, das ihm Roberl
Brooks machte. Auch glaubte er nicht,
daß jemals zwischen den Brüdern di«
wogen worden sei. Mit solchem Köd->
war er nicht zu sangen.
Vorsichtig erwiederte cr, daß er die ihm
»iß zu Robcri's Kenntniß bringen Werve;
noch habe er kein« Zeit gehabt, darübe»
nachzudenken, wie er seine Zukunft ge
stalten möchte.
Robert Brooks mußte sich mit dieser
ausweichenden Antwort zufrieden geben.
Insgeheim rechnete er darauf, sein«
Nichte Olympia dasjenige herbeiführen
werde, was er wünschte.
Am Abende fuhr Arno nach Mangrov!
Eottage hinaus. Und unterwegs griffen
n»m ersten Aial« scinc Gedanken über die
hinaus, daß; die Bank von
Bengalen ein Vermögen zu seiner freien
Verfügung hielt. Nicht vom Himmel
herab war ihm dieses Kapital zugefallen.
Ein Herz mußte sich erweichen, eine
Hand mußte sich öffnen, um ihn zu be
schenken.
Die gute Sarah! Gewiß, sie hatte je>
nen Brief gelesen, den er an seine Mutter
geschrieben, jenen verzweiflungsvollen
Brief, worin er klagte, daß er seiner Ar
muth wegen auf den Besitz eines gelieb
ten Mädchens verzichten müsse. Und
flugs hatte sie, wahrscheinlich untci
Thränen des innigsten Mitleids, zusam
mengerafft, was die alten Truhen des
Verstorbenen Oheims nur hergeben woll
ten —je mehr, desto besser. Ein Weib
vom ParoxySmus des Wohlthuas ergrif
fen, achtet ihr Hab und Gut für nichts.
Vollends Sarah! Für sie, mit ihre»
idealen Denkart, hatte das Geld ja nicht
den Werth, der ihm von gewöhnlichen
Sterblichen von praktischen Menschen
wie Arno Wiedener beigemessen wird.
Sarah konnte Alles hergeben und würd«
doch nicht ärmer.
Einerlei: es war doch ein schöner
daß sie gerade ihn bedachte, ihn, der doch
nichts gethan, ihre Zuneigung zu erwer
ben.
Heute Morgen hatte er, wie einer Ein
gebung folgend die Umschreibung. ge
braucht, es sei ihm eine Erbschaft zuge
fallen. Dabei nmßte «s bleiben, über
legte sich Arno. Die Wahrheit wäre viel
weniger glaubhaft gewesen. Außerdem :
ererbtes Gut ist legitimer Erwerb, ein im
Rechte begründeter Besitz. Ganz anders
ei l Geschenk von Lebenden. Der Be
schenkte erscheint der Welt in einem eigen
thümlichen Licht. Aus diesen Gründen
beschloß Arno, sich für den Erben des ge
heimnißvollen Obersten iu Prag ausiu«
geben.
(Fortsetzung folgt.)
Für und wider die Krinoline.
Die Rückkehr zur Krinoline ist für die
nächste Zukunft glücklich abewandt wor
den. In den Versammlungen der Pa
riser Kleidcrkünstler und -Künstlerin
nen, welche kürzlich stattfanden, um
darüber zu bestimmen, wi« die weib
liche Welt sich diesen Winter zu kleiden
habe, war eine namhafte Partei, welche
die Wiedereinführung der Krinoline,
ungeheuerlichen Andenkens, befürwor
tete. Wie der „Voss. Ztg." aus Paris
geschrieben wird, wurde namentlich gel
tend gemacht, daß nach den Ueber
schwcnglichkeiten der letzten Jahrzehnte
dcr Schoß des Frauenkleides jetzt doch
schon viel zu einfach geworden sei. Der
Schwung der schöpferischen Modegeister,
welcher so viele Erfindungen für die
Verschönerung und die Abwechselung
des Schoßes hervorgebracht hat, werde
nun in unverdienten Ruhestand gesetzt
werden müssen. Dadurch werde auch
den Arbeitern viel Verdienst verloren
gehen. Der jetzige einfache Schoß habe
auch den Nachtheil, vom geschäftlichen
Standpunkte aus, aus einsache» Bah
nen, geraden Stücken Stoffes zu beste
he», welche wiederum leicht zu anderen
Kleidungsstücken benutzt oder umgeän
dert werden könnten. Die Damen könnten
daher gegen früher einige Ersparnisse
bewerkstelligen, was bekämpft werden
müsse.
Die Krinoline wurde befürwortet,
weil sie an sich einen größeren Bedars
zn Stoff hervorruse, außerdem aber
mehrere Geschäftszweige neu beleben
werde. Mit dcr Krinoline werde sich
schnell die Nothwendigkeit einstellen,
den Schoß dnrch allerlei Gesältel, Ge
bauscht, Schleiseu, Besatz und sonstigen
Krimskrams zu verschönern und hervor
zuheben. Trotz alledem sprach sich
schließlich dcr hohe Rath des Modenrei
ches einstimmig gegen die Krinoline aus,
aus dein einsachcn. aber durchschlagen
den Grunde: es ist noch zu srüh; der
letzte ErobcrungSzng der Krinoline
durch die gesiltcic Welt ist noch nicht
hinreichend vergcssen, um dessen Er
neuerung mit gewünschtem Ersolg wa
gen zu können. Außerdem ist der Hin
lerhöcker erst seit wenigen Jahren über
wunden. Damit ist die Sache für jetzt
erledigt. Aber dieses weltrettende Er
eigniß beweist, in welcher Richtung
sortan gesteuert wird. Die schönere
Hülste des Menschengeschlechts wird all
niälig zur Krinoline geführt, reis für
dieselbe gemacht werden. Sie steht an
einem Wendepunkt.
Wann? Kleiner Paul: „Papa,
hast Tu in der Schule auch öfter von
Anderen abgeschrieben?" Papa (ein
Schriftsteller): »Nein, in der Schule
nicht!" Q: !
Der Putjje als Vorgesetzter.
Unter diesem Titel erzählt ein Ber
liner Blatt: Anfangs der siebziger
Jahre lebte im Westen Berlins ein
Brüderpaar v. Str.; der eine war
Hauptmann a. D. und ehemaliger
schleswig holsteiner Officier. Ihr Va
ter, seinerzeit General dcr Jnsanterie
und Gouverneur von Br., hatte eineil
Bursche», Wilhelm genannt, und dieser
einen hellen, tüchtige», offene» Kopf.
Natürlich war er täglicher Begleit-r der
damals ll- bezw. 12 jährigen, kurz vor
dem Eadetteiicorps stehenden Jungen
seines Generals, und als treuer Frido
„jungen Herren" mit Stolz und Freuve.
Als die Knaben die Eadetten-Uniform
angezogen, trat „Wilhelm" in die Com
kam, empfohlen durch „seine" Excellenz,
als Kanzlisl in ein Ministerium. Der
älteste Knabe ich» will nur von ihm
reden wurde Lieutenant, machte
Schulden, trat als Hauptmann in die
schleswig holsteinische Armee, wurde mit
ihn in die Bureauthätigkeit eines Mini
steriums: bei der Meldung
Wilhelm, der ehemalige Mentor, jetzige
Geheiniralh, wenn auch nur plattirter,
mit blendend weißer Halsbinde und
steifem Genick, war sein Bureauvor
steher. Tableau! Der Bureau Hilfs
arbeiter wurde nun von dem ehemaligen
Burschen seines ValerS durch Höflichkeit
fast umgebracht; bei jeder Dummheit,
die dcr neue Hilssarbeiler beging ein
tiefer Diener seitens des Herrn Geheim
raths und „Na, der Herr Hauptmann
werden es ja vielleicht noch lernen!"
Dieser knirschte über die ironische Höf
lichkeit mit den Zähnen, aber er hatte
Hunger.
Endlich kam Neujahr und mit ihm
große Gratulation. Der Hilfsarbeiter
erscheint wie die Uebrigen im Braten
rock, die schleswigsche Kricgsmcdaille und
die Rettungsmedaille im Knopfloch;
plötzlich ein Stuhlrücken und ein Auf
stand dcr Allgewaltige erscheint. Er
geht direct ans Str. los, macht einen
tiefen Diener, bei welchem feine eigenen
„Raubstaaten" und der rothe Adler zn
saiiimeiiklirrc» und lächelt: „Na, mein
verehrter Herr Hauptmann, auch die
Orden angemacht?" Bei dem Letzterei»
platzte nun etwas: „Zu Befehl, Herr
Geheimrath, Sie ja auch; doch an den
meinigen klebt Blut und Wasser, an den
Ihrigen blos Speichel!" Er sprachs,
verließ das Bureau, wurde natürlich
weggejagt und hungert: mit seiner
schleswig'schen Pension weiter, bis ihn
der Teufel —die Cholera holte; der
Herr Geheime Rath wurde damals pen
fionirt.
Der Walz«r.
Ueber den Walzer schreibt Klara Bell?
Sagen Sie, was Sie wollen, über das
Tanze», aber es liegt mchr wahres Ver--
gnügen darin, dann und wann einen
Walzer zu tanzen, als in irgend einer
andern Zerstreuung, die ich kenne. ES
ist wahr, gewisse Moralisten und Philo
sophen erheben Einwand gegen das Tan
zen. Dieselben machen sie gegen daS
Essen, daS Trinken, das Singen, das
Sitzen aus Hotelverandas, das Teil
nehmen an Picknicks und den Besuch von
Eislaufplätzcn. Gefahren gibt es über
all, aber dcr Witz ist der, daß die Gefahr
nicht in dcr Localität, sondern in de»
Persönlichkeit liegt. Liebe Moralisten,
gebt Euch daher keine Mühe, die Tänze
zu reformiren, reformirt vielmehr den
Tänzer. David tanzte vor der Bundes
lade und seine Frau sah vom Fenster
aus zu und es gefiel ihr nicht. Sie
hatte gewiß Recht. David hielt sein«
Füße wahrscheinlich zu sehr einwärts
oder hüpfte zu hoch. Er hatte das „see
lenvolle Schleisen", die „senrige Bewe
gung" und die „lebensvollen Wendun
gen" nicht gelernt. Tattzcn muß man
lernen, so lange man jung ist, so lange
die Knorpel und Knochen noch elastisch
sind. Etwas sollte kein Tänzer verges
se», nämlich vor dem Tanzen Raucher
pillen zu nehmen. „Tom", hörte ich
ein hübsches Mädchen zu einem seiner
Verehrer sage», „Sie müssen entweder
aufhören, Whiskey zu trinken, oder ich
tanze nicht mehr mit Ihnen". Wen»
man jung, hübsch und frisch ist, braucht
man zum Walzen keine große Toilette
zu machen. Tüll, Satin, Bengaline
oder irgend ein leichter, duftiger Crepe
genügen. Man geht auf den Ball, um
zu tanzen, nicht, um sich sehen zn lassen.
Man wird bemerken, daß die besten
Tänzer wenig fpreche». Sie nehmen
die Sache zu ernst; sie sind ganz Hinge
bung sür dieselbe. Aber alle Damen
tanzen nicht; einige haben Hühneraugen,
andere Vorurtheile. Wer nicht tanzt,
rächt sich an den Mädchen, welche tan
zen, dadurch, daß er sie durch die Toi
lette aussticht.
Das tiefste Bergwerk
der Well ist wahrscheinlich die Kohlen
zeche St. Andre du Poirier in Frank
reich, aus der jährlich üoo.vvo Tonne»
Kohlen gewonnen werden. In das
Bergwerk führen zwei Kohlcnschächle,
der eine ist MSI Fun, der andere
3VBZ Fuß tief. Der letztere Schacht
wird jetzt noch weiter verlieft, so daß er
bald 4000 Fuß unter der Oberfläche
der Erde zu liegen kommt. Merk
würdig ist, daß die Temperatur selten
über 7S Gr. Fahr, steigt. In den
Äold- und Silberbergwerke» an der
Küste des Stillen Ocean hat man oft
bei der halben Tiefe schon große Mühe,
die Luft kühl genug zu halten, daß man
darin arbeiten kann. In einigen Gän
gen der Comstock-Minc steigt die Wärm»
manchmal aus 12» Gr. Fahr.
Hochherzig. Herr (zu ei
ner reichen Erbin) „....Ihnen zil
Liebe, gnädiges Fräulein, würde ich
sogar meinen Beruf wechseln und Ren
tier werden!"
Der Deutsche kaust sich
lieber einen Affen, als ein Buch.