Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 09, 1890, Page 3, Image 3

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Valesca.
(9. Fortsetzung.
Der Toctor Reinland, als cr d'.cfcn
Ausspruch hörte, vergaß, daß LazarSki
nur im Fieber redete, uud lachte ver
zwciflungsvoll. LazarSki, ohne zu ahnen,
welche Wunde er schlug, hielt dies
Lachcn für cin beifälliges und fuhr zu
plaudern fort: Frey ist der Eüibrechci
kein anderer hat mein Silber, mein
Geld gestohlen, meinen ehrlichen Namen
liiif falsche Wechsel gesetzt ot cstor-r.
Wenn nun Frey dic blondc Vally in di<
erste Rangloge dcr Oper führt, wenn cr
mit ihr chauipagilisirt in SchillersSalon,
so muß man nuch glauben, daß der Capi
tän Palcsrentir recht hat, der mir zu
fchwört, daß dic Vally Berg auch ihre»
Antheil an dcm Silbcr hat nnd zun,
Lohne sür die ihr von Frey erwiesenen
Gefälligkeiten dazu mitgewirkt, dem
Frey dnrchzuhclfc».
Entsetzlich! Welche fürchterliche An.
klage! Sie wissen nicht, was Su
sprechen nicht zu wem!
O, seitdem ich krank bin, entgegnet!
Lazarski, ist mein Gedächtniß viel schär
fer geworden. Ich höre die Strmmcn
der Menschen, die mir über manches,
was mir unklar war, nunmehr Aufschluß
geben.' Ich sehe die Personen, an dii
rch denke, hier im Zimmer leibhaftig vor
mir stehen den Dagobert Frey, dii
blonde Vally. Hat die schöne Person
cs ihnen auch angethan, daß sie mich mit
io großen Uuge» ansehen?
Ein Glück war es für Doetor Nein
Eintritt des riesigen Portiers ein Ende
and, dcr. wie er sagte, seinem Prinzipal
ine wichtige Meldnitg zu machen hatte.
Reinland nahm daraus Veranlassung,
zu erkläre», daß cr nicht ferner stören
wolle. Er hatte noch so viel Fassung,
die genaueste Befolgung fcincr ärztlichen
Vorschriften zu empfchlen. Was wci
?er geschah, wie cr a»S dem Kranken
zimmer, wic er die Treppe hinabgekom
men, dessen wußte Rciulaiid spätcr sich
selbst nicht zu erinnern.
Er saß in der Ecke seines Wagens,
den bittersten Empfindungen und Ge
danken preisgegeben. Freilich, LqzarSki
lialte im Fieber gesprochen, Aber denn
riocti lag in den mitgetheilten Gedanken
des Kranken etwas, was auch in dcr
Luft der Residenz seit Wochen schwebte.
Was der Capitän Palefrenier gegen den
Kaufmann LazarSki geäußert hatte,
war nicht dessen vereinzelte Ansicht,
wurde vielmehr von gehässigen Leuten
und. von Lästerzungen weiter geflüstert.
In der erfolgten Freisprechung Lazars
kis fanden Uebelwollende eine Bestäti
iping dieser Annahme. Man würde
tiicß es den Kaufmann Lazarski we
qcn Bcrlüumdung bestraft haben, wäre
das Gericht nicht von dcr Wahrheit,
mindestens von dcr Wahrscheinlichkeit
Ver von Simon Lazarski aufgestellten
Behauptungen überzeugt gewesen.
Nie war die Zukunft seines Dasein?
dem jungen Arzt so düster und verhäng
iiißvoll erschienen als zu dieser Stuudc,
wo cr durch dic volksbclcbtcn Straßen
rollte und die im Krankenzimmer des
Kausmanns Lazarski erfahrene Dcinü
thigung überdachte. Tic Hofsnnngc»
dic cr anf eine glückliche Ehcfchlicßung
qcfctzt, fchiciic» vernichtet. Wenn schon
das Herz ReinlandS den größten An
theil an seinem Verlöbnisse mit BaleSea
davontrug, so war doch seinem nüchter
nen nnd selbstsüchtiger Berechnung kei
neswegs abgeneigten Be.rstand die klei
nere Hälste beizumessen. Neinland war
überzeugt gewesen, daß die körperliche
Erscheinung ValeSeas, ihre Schönheit,
'.hr aninuthiges Wesen und die vielen
geistige» Vorzüge, die Talente für Mu
sik »nd Malerei, die er an ihr wahrzu
nehmen Gelegenheit gehabt hatte, den
Mangel dcr äußer» Glücksiiinstände
tMsglcichcn würde», daß inforidcrhcit
auch dcr Fleiß und die Wirthschaftlich
keit des jungen Mädchens einer namhaf
ren Mitgabe an Ecchital vollständig
gleichkommen werde. Er hatte erwogen,
daß, »in als Arzt Erfolg zu haben, um
namentlich anch bei Krankheiten der
schönern Hälflc dcr Mcnschhcit nicht
ausgeschlossen zu werde», eine anmu
thrge Lebensgefährtin ihm zur Seite
durchaus erforderlich sei.
Wohin waren alle diese Hoffnungen
in der letzte» Zeit geschwunden? Fest
überzeugt von der Reinheit riud Schuld
losigkeit seiner Verlobten, mußte Rein
iaud dennoch befürchten, nicht nur auf
deren Mitwirkung zu einem gcdcihlichcu
Fortkommen verzichten zu »lüsseu, son
dern in dem letzter» im Gegcntheil bc
lnndcrt zu sei». Zu viel zu viel!
murmelte er vor sich l»». Noch hab'
ich Zeit. Noch hat niemand mein Un
glück. meine Schmach erfahren.
Während der Wagen ReinlandS mit
seinem verstimmten und grübelnden Ei
genthümer durch dic Straßen der Haupt '
itadt rollte, versetzte die Meldung, welche
der Portier Peter Kühne seinem Bröl?
Herrn überbrachte, diesen in einc neue
lödtliche Ausrcgnng. Ich bringe da-t
ncuestc, Hcrr LazarSki. Frey ist wie
dcrgcsuiidcn, unser ehemaliger erster
Bnchhaltcr!
dig. Er ist aus dcr öffentliche» Siraße
in feine!» Blute gefunden, erschlagen
mausetodt! Zw?! Stiche im Halse!
Vielleicht hat cr sich selbst das Lebe»
gcnommc». Max, unser Bursche, ist an
die Lcichc gcfnhrt worden. Er hat ihn
mit Bestimmtheit wiedererkannt. Nicht
ein rother Pfennig, nichts an Geldes
werth ist bei dem Todten vorgefunden
worden.
ter. Er starrte den Portier lange und
sprachlos an. Kein Geldeswerth ver
wünscht! so ist alles hin, stammelte er
und sank dann, todesblaß werdend, mit
lautem Stöhnen in die Kissen seine!!
Lagcrs zurück.
Achtzehntes Kapitcl.
In der Wohililiig der Frau Geheim
räthiii Berg sah es trübe aus. Die
Besuche des DoctorS Reinland, schon
srühcr sparsamer und scltcuer gewor
de», blieben zuletzt gänzlich aus. Fran
Ludovica konnte für dieses Bcrhaltcn
anfänglich nur in dcr zeitraubendcu Bc
schästiguug dcS ArztcS cinc Erklärung
und Entschuldigung finden. Als dies!
Entschuldigung nicht mehr ausreichte,
grübelte Frau Ludovica nach, ob Rein
land durch irgend cincn Umstand vcr
letzt fcin könntc. Sic selbst war siH
keiner Schuld bewußt. Es mußte alfc
nothwendigcrwcift: von Balcsca irgend
ein Fehler begangen fcin, dcr rhrci»
Bcrlobtcn Zurückhaltung aufcrlcgtc
an einen Abbruch der wechselseitigen
Beziehungen zu denken, war Frau Lu
dovica unmöglich. Sie richtete prü
sende, scharfe und sehr vorwurfsvoll!
Blicke auf die Tochter, machte Andeu
turrgen, vermied aber ein näheres Ein
gehen auf die Sache, weil sie fürchtete,
die Lage dcr lctztcrn dadurch noch zu
verschlimmern.
ValeSca, die fleißig, aber, nachdem sii
das Hanswefcn besorgt hatte, mit eine,
unverkennbaren Hast über ihrer Sticke
rei faß, war bleich, oft auch in sich ver
sunken. Die Mutter warf ihr Mangel
an Vertrauen und Verschlossenheit vor.
Endlich konnte Frau Ludovica die Frag!
nicht mehr zurückhalten, weshalb Rein
land sich so lange nich»t habe blicken las
sen. Valesea lächelte uud erwiderte,
sie könne keinen Grund dafür auffinden.
Ach, du wirst deu Grund wohl kennen,
warf ihr dic Mntter vor. Herr Richard
Reinland ist wohl zn begreifen. Ein«
solche Behandlung, wie d» sie dem Toc
tor hast augcdcihcu lassen, erträgt kein
Mann das muß wohl kränke». Er
wird dich sitzen lassen denk' an mich—
wenn du dich nicht änderst.
Mein Verhalten gegen Richard kam
ihm dazu keine Veranlassung gegeben
haben, entgegnete Valesea kleinlaut mit
schlug die Augcn nieder.
Ich dächte, mein Kind! sprudelt«
Frau Ludovica hervor. Du beHandels!
ihn wie einst den Cassirer Frey, dcr cin
schlechter Mensch geworden ist, wci!
Dein Trotzkopf ihn zurückgestoßen hat.
ValeSca wurde blutroth. O, kcin
Vergleich zwischen beiden. Wic kannst
Tn, wenn Tu den edelmüthigen Arzl
nennst, daneben den Namcn jenes Elen
den aussprechen!
Unser Glück war durch Teine Vcr
bindnng mit dein Doctor Reinland ini
Erblühen. Welche Aussicht sür Dich,
sür mich in meinem Alter! Frevle nur
und zerreiß dieses Band mnthwillig.
Ich werde den Toctor aufsuchen unt
ihn offenherzig befragen sein Aus
bleibe» ist nicht zufällig, cr wird mir
rcincn Wein einschenken und ich werd«
die Schuldige kennen.
Mutter, ich bcschwörc Dich, so etwas
nicht zu «ntcriiehnrcn. Gereuet Ri
chard sein beleidigendes Fernbleiben
ich habe keinen Anlaß dazu gewährt —,
so wird cr unaufgefordert sprechen.
Die Mntter beruhigte sich scheinbar,
aber ihr Entschluß, den Doctor Rcin
land aufzusuchen, stand nnerfchütterl
fest.
ValeSca crhntc, daß die abendlichen
Wege, welche die Mutter allein unter
nahm, diesem Ziele galten. Sic wcinte
still vor sich hin, währcnd dic Muttcr
abwesend war, uud sah eS den erzürnten
und vergrämten Mienen der Heimgc
kehrte» au, daß ihre Ausgänge ohne Er
solg geblieben waren. Frau Ludovica
konnte nicht lange schweigen. Er will
mich uicht annehmen, sagte sie mit bc
benden Lippen: ich war mehrfach in
seinem Borzimmer, cr hat sich vcrlcng
ncn lassen! Und abermals richtete sich
cinc Fluth vou Vorwürfen gegcn Va
leSca.
Das junge Mädchen hegte schon längst
keinen Zweifel mehr, daß sie verlassen
sei. Sie bemühte sich, gefaßt zu er
scheinen, gleichwohl ließ ihr stilles und
gedrücktes Wesen nicht verkennen, daß
die Ueberzeugung von der Treulosigkeit
ReinlandS sie auf's Tiefste gcdemüthigt
batte. Jede getäuschte Hoffnung hat
Trübsal im Gefolge. BaleSea hatte
vor den Kenntnissen ihres Verlobten die
größte Hochachtung. Sein gefälliges
Aenßere war nicht ohne Eindruck ge
Seite» erfuhr, regte auch den Stolz der
von ihm Erwählten an. Seine aus die
dürstige Beamtentochter gefallene Wahl
war für die damit Ausgezeichnete
schmeichelhaft und erfreulich. Uni fe
tiefer schmerzte die Kränkung und Ent
tänschung.
Flatterhaft und wankelmüthig war
Richard nicht. Aus Leichtsinn batte er
nnngen Baleseas vernichtet. Auch die
sorgfältigste Se'.bstprüfung ließ BaleSea
in ihrem eigenen Verhalten keinen
Grund sür Richards Benehmen aussiu
den. Und doch tauschte sie sich über ihre
Schuld vielleicht. Tic Mutter wenig
stens sand eine solche und behauptete,
BaleSea habe sich nie ihrem Verlobten
vertranenSwüroig gezeigt, nie ihm die
einer anderen Gelegenheiten ValcSca,
d» bist ihm zu gering, du hast dich ärm
lich benommen. In der That, in den
Gesellschaftskreisen, in welchen er sich
bewegt, würdest du eine passende Rolle
Unter diesen .Mmmeruissen schlich die
Zeit hin. Tie Tage wurden kürzer und
düsterer. Tas WeihnachtSfest, wcl
cheS so häufig im Zusammensein mit
Heinrich Gcmkenthal Versöhnung mit
dem irdischen Leid, Friede und Glück
seligkeit gebracht bat, ging ohne Hein
rich Gemkenthals Anwesenheit diesmal
vorüber.
Er sandte eine ziemlich beträchtliche
Summe Geldes an Frau Ludovici und
bat in den begleitenden freundlichen
Zeilen, dafür den Christbaum zufchmük-
ken, dessen Lichikranz diesmal an seiner
Stelle cincn andcrcn Stcrblrchcir cr
frcncu wcrdc « er mciiite Reinland), so
wie die größcrcn Anforderungen zu bc
streiten, welche BaleScaS Brautstand
nothwendig mit sich bringe. Glcichzci
tig bcdancrtc Gcmkcnthal in dcm Be
gleitschrciben, daß gerade die Weih
nachtszeit ihn von Bcrliu abrufc.
Die süddeutsche Geschenklitcratnr
mache ciuc Rcisc nach Stuttgart und
Basel nothwendig: cr habc auch in an
drrn gros-.'» Städtcn in geschäftlicher
Weise auzuknüpse» und beabsichtige so-
vielleicht, eine Zweignicdcrlassnng
im Auslande zu gründe». Man möge,
schloß cr, ihm nicht zürnen, wen» er
vicllcicht Woche» »nd »iviiatelang von
sich nichts hören lasse.
In dcr That Gcmkenthal schien
ans dor Welt verschwunden zu einer
Zeit, wo sein srcuudlicheS Wort den
beiden Frauen am meisten Bedürfniß
war.
sagte Frau Ludovica. Sein reiches
Weihnachtsgeschenk hat uns nach außen
hin auf Jahresfrist von jeder Sorge be
freit. Der innere Kummer freilich ist
durch seine Mittel nicht zu hebe». Ich
schlage das, was er zur Verbesserung
unserer Lage gethan, nicht gar zu hoch
an. Er entbehrt darum nichts. Es
ist seiue Pflicht, sür uns zu sorgen.
DaS Glück hat seine Launen. Heinrich
ist, wie man allgemein hört, auf dem
Wege, cin reicher Mann zu werden.
Ich war neulich, um ihn zu sprechen,
cs ist zu denken, in welcher Angelegen
heit, in feinem Geschäfte auf der Wal
demarstraße. Er iväre von Stuttgart
zurück, sagtcu mir scinc Lente, bald
darauf indessen abermals, nnd zwar
nach München abgereist. Wic nobcl,
wic gediegen, sieht alles bei ihm ans!
begeht nnd eine Frau nimmt. Das
würde für uns ein wahres Unglück
sein, uns ihm entfremden, uns, die
wir doch auf seinen Beistand angewie
sen sind. Ich fürchte, ich fürchte ich
habe eine Ahnung davon, daß er uns
nächstens mit einer jungen Fran über
rascht.
BaleSea verfärbte sich und starrte
durch das Fenster nach den schweren,
über die Dächer hiusegeluden Wolken.
Dem Ohcim wäre ein rechtes Glück zn
gönnen! sagte sie dann mit bewegter
Stimme.
Hoffentlich schützt ihn sein Alter vor
einem solchen unüberlegten Entschlüsse.
DaS Alter? entgegnete Valesea
eifrig. Onkel Gemkcuthal ist jnng an
Geist uiid Körper. Das Alter entschei
det in der Liebe überhaupt nicht.
' Du sprichst wic ein unverständiges
K ind. Hu, wie dunkel cs wird nnd wie
der Regen gießt. Wenn das so fort
geht, kann kein Mensch mehr ans die
Straße hinaus und setzte sie boSluft
hinzn der Doetor Reinland hat die
beste Entschuldigung, wenn er auch
heute seine Braut, nicht besucht.
Dergleichen schlimme Bemerlungen
hatte BaleSea schon seit Wochen häufig
anhören müssen. ES kostete ihr Ueber
Windung, ihrer bittern Empfindung
nicht durch eine scharfe Entgegnung
Ausdruck zu verleihen. Doch fast im
vie Augen aufschlug, begegneten sie dem
über dem Schreibtisch hängenden Bilde
des verstorbenen Baters. Sein ernster,
vornehmer' und milder Blick sprach ihr
Trost zu. Sic schloß ihre Lippen ge
waltsam und preßte die kleine Faust
auf's Herz, um den nagenden Schmerz,
der nach Worten rang, zu erdrücken.
Als BaleSea aufstand, um iu der
ncbcnanlicgcndcn Kammer ihre Thrä
nen zn verbergen, klopfte der Postbote
zn, schüttelte von sciiicm Mantcl
vraußcn auf dem Borflur die Regerr
iropfen ab uud reichte mit den Worten:
„Nach dem Regen wird eS grün Wer
ve»!" cin Palct in die Thür hinein.
Die Fran Gcheimräthin öffnete dasselbe
nach seiner Entfernung.
Es enthielt, ohne daß eine schriftliche
Crklärnng beigefügt war, dic kleinen
Reinland im Laufc dcr Zeit gcmacht
hatte, cin in Perlen gesticktes Notizbuch,
?in Sanimtkisscn mit eingcnäthem Kreuz
vou Edclwciß und ein kleines selbstge
sertigteS, vortreffliches Lclgemälde,
?ine Ansicht dcS Hüttentcichs bei Alte
nau.
Frau Ludovica, sonst s» redselig, ver
stummte bei dem Anblick dieser Sen-
Zlirig. Nun ist es entschieden es ist
rus! stammelte sie endlich, als sie wie
)er sand, und hielt sich au dem
ValeSca faltete die Hände und schlug
ihre großen Augen langsam zn der
Decke des Zimmers empor. Ihr Antliy
-var blaß wis der Marmor einer Sta
nie. Ich wußte eS schon lange lange!
Dank dem Himmel, der nun Gewißheit
zcgeben hat.
Seit diesem Tage hatte sich ein
schlimmer Gast eingenistet, schlimmer
ils Noth nnd Entbehrung. Er stand
in der Gestalt eines bösen Geistes zwl
scheu Mutter nnd Tochter nnd iianntc
sich Unfriede. Tic Vorwürfe der Mutter
zahmen kein Endc, sie wurde» stets hef
Mit Tir ist gar nicht mehr zu spre
chen, warf Fran Ludovica der Tochter
vor, nicht einmal für den »nininer einer
sie keiner Antwort. O, wäre nur Outel
Heinrich zur Stelle, damit man sich
aussprechen »nd seinen Rath einholen
Leranlassnng gegeben, sich von uuS zu
rückzuziehen.
Tie gequälte und von den mrzerechten
Beschuldigungen dcr Mutter gepeinigte
Jugend entblätterte, nach und barg ihr
IhräncnbenctztcS Antlitz leise schluchzend.
um den Schlaf der Mutter nicht zi>
stören, in die Kissen. Warum noch
weiter lcbcn, wenn alle Liebe gewichen
und das Dasein nutzlos ist? jammert!
sie leise vor sich hin. O, hätte ich ein
Mittel, welches rasch und schmerzlos
alles beendigte sie würden wenig
stens, wenn ich von ihnen gcschieder
wäre, wenn ihre Augen mich nicht mehr
sähen, meiner mit Wehmuth gedenken
Diese Vorstellung kehrte stets zurücl
und gewann bei jeder Wiederkehr ar
Stärke, Gestaltung »nd geheimen Reiz
Neunzehntes Capitel.
Ter dünne, Ende März gefallen,
Schnee begann zu schmelzen, als be
hereinbrechender Dammenrng ein langn
Leichenzug schnell und gespensterhaft
über das feuchte Straßenpflaster fict
fortbewegte. Ter Wind blies in du
Fackeln, die neben dem Sarge getrager
wurden. Er wehte die Flammen dei
Straßenlaternen flackernd hin und hei
und fing sich in den ausgebauschier
Mänteln des zahlreichen, ans Männcrr
und Frauen bestehenden Gefolges. Dil
Schattengestalten, welche dieser düster,
Zug auf d-n Erdboden warf, konnter
wegen der Einwirkung des Windes nni
wegen der Schnelligkeit der Wandeln
den keinen scharfen Umriß gewinnen.
Der reiche Kanfmann Simon La
zarSki war eS, dessen Leib nach langer,
qualvoller Krankheit der Erde zurücker
stattet werden sollte. Keine ärztlich,
Kunst war imstande gewesen, sein Leber
zn retten. Zn derselben Zeit strahlter
die Fenster der Etage, welche Wolfganc
von Bern Ergestedt in der Residenz be
wohnte, von dem Glanz unzähliger
Wachskerzen. Ihr Licht spiegelte sich
in dem nassen Straßenpflaster wider
Mancher neugierige Blick Vorübergehen
der richtete sich nach der langen Frow
des Hauses empor, um zu erspähe»,
was hinter den seidenen Vorhängen sich
ereignen möchte. Dennoch war eS nur
eine kleine, freilich eine gewählte Ge
sellschast, welche Wolfgang erwartete.
Die Zeit war noch nicht herangekom
inen, zu welcher die Einladungen ergan
gen waren.
Sic wolle» nicht mein Begleiter sein
fragte Betty d' Israeli. Welche Musi!
lag iu dieser Frage! Nicht durch du
Augen allein, auch „durch das Ohr"
zieht jene süße Täuschung ein, wie der
Dichter in seinem Drama meisterlich
auSsührl. Die klangvolle Stimme des
Menschen ist ein edleres Mittel der
Bestechung, fügen wir hinzn das Aug«
der Sinnlichkeit näher verwandt. Di>
Stimme des Menschen aber, wenn si<
ans der Tiefe der Brust, sei eS Lust, sei
es Leid, erklingen läßt, gibt den Ton
der Seele reiner, unverfälschter unt
unbestechlicher wieder. Sie erhebt, be
strickt und rührt wie Musik unmit
telbar und unwillkürlich einwirkt
während das Auge, die äußere Schön
heit erfassend gleich dem Gemälde, aus
übt.
Ich wein nicht,' was mich heute sc
unruhig macht, entgegnete Wolsgang,
O, die sich hier einfinden werden, sint
eS nicht werth, diese Melodie zu hören,
den richtigen Ausdruck iu meinem Spie!
gesunden habe, der diesen Gesang be
gleiten muß. Tas hätte ich srüher be
denken und sie nicht bitten sollen, Ihn
Schätze in diesen Räumen zn vergeu
den.
Sie sind thöricht, lieber Freund, sagtr
Bett», Ihre Stimmung ist heute »ich!
natürlich. Gut, so mag ein anderer
der Professor Deitlinger vielleicht dii
Begleitung übernehmen.
Etwa eine Stunde vor der angesagter!
Zeit snhr ein stattlicher Landauer an dem
EingangSportal vor. Eine tief ver
schleicrie, schlanke Frau entstieg dem
Wagen und w.rrde von der Tienerschasl
die teppichbelegte Treppe hinanfgeleitet,
Bettn d'Jsraeli war es, weiche in dem
Toilettenzimincr Mantcl und Schleier
Wolfgang versprochen, in der Gesell
schaft einige Lieder vorzutragen. Wolj
selbst, ein mittelmäßiger Clavicrspiclcr,
sreute sich nnd war stolz darauf, die Be
nothwendig, die noch vor Ankuiist der
geladenen Gesellschaft erfolgen sollte.
Wolsgang hatte von jeher ein beson
deres Interesse und eine hohe Verehrung
sür di.e ausgezeichnete und allgemein
geachtete Künstlerin an den Tag gelegt.
Er ging ihr .üit dankerfülltem, freudi
gem Herze» heute entgegen und trat
»nd Bewunderung einen Schritt zurück.
Daß Betty d'Jsraeli einige Jahre älter
als Wolsgang war man rnnßte es
heute vergessen, vergessen die nicht schö
nen und unregelmäßigen Gesichtszügc
der Sängerin. Ihr ganzes Wesen
wirkte wahrhast bezaubernd, der Zchim
uier der Kerzen schien vor der Grazie,
welche diese Erscheinung und jede ihrer
Bewegungen auszeichnete, zu erblassen.
Alle Mittel, welche aus der Bnhm
Reiz und Dust verleihe», waren ver
schmäht, gleichvohl war der Eindruä
dieser schlanke» und üppigen Gestalt
überwältigend. Ein einfaches, matt
rosafarbenes Seidenkleid schinicgte sich
an den blendendweißen Hals und dii
alabastergleichcn, nach griechischer Art
nackten Arme. Der einfache, schim
inernde Faltenwurf deutete die vollendet
fchöneil Körperformen leichthin an.
Kein Schmuck verunzierte das volle
blauschwarze Haar, welches wie ein
schirmende: Diadem die Stirne leiS be
schattete nnd in stolzer Fülle über den
Racken nngesesselt herabfiel. Kein
Handschuh verdeckte die feinste und
wohlgebildctste Hand, die Wolfgang
kaum zn iasscn und zn seinen Lippen
O, wie entzückend! stammttte er, in
dem er sich aus diese Hand herabbeugte.
Sic spotten, erwiderte sie. Sie ken
nen meinen Grundsatz: schmucklos und
wahr! Wir haben übrigens kaum noch
> Znt, die Lieder nnd Arien, die ich sin
gen soll, zu proben. Lassen wir dahei
alles übrige beiseite.
Sie schritt zu dem inmitten des Zim
mers stehenden Flügel nnd ordnete arij
dem Pult die mitgebrachten Noten.
Wolsgang folgte ihr mit heiße» Au
gen. Jede ihrer Bewegungen übte
cincn nciicn Zaubcr auf ihn. Ach, fagtc
cr, wic werd' ich ncbcn Ihnen, dcr gro
ßen und edle» Künstlerin, mit meinein
dürftigen Spiel erscheinen! Mir flirrt
es vor den Augcn, meine Finger sind
unsicher. ES war Verwegenheit, daß
ich Sie bat, Ihr Begleiter sein zu
dürfen.
Betty d'Jsraeli blickte ihn über die
Schulter verwundert an. Sie war
überzeugt, i» dem jungen Diplomaten
einen ausrichtigen Verehrer zu besitzen.
Heute klang seine Stimme bewegter noch
als sonst, fast zitternd rn ihr Ohr.
Wolfs Huldigungen waren anf Fräu
lein d'Jsraeli nicht ohne Eindruck ge
blieben. Mit Blumen, mit köstlichem
Schmuck hatte er sie bei jeder Gelegen
heit ausgezeichnet. Diese Huldigungen
nahm Fräulein d'Jsraeli als die eines
jugendlichen Enthusiasten zwar, aber nni
so lieber und erfreuter auf, als sie uicht
gleich andern Genossinnen der Knust
durch Zeichen solcher Anerkennung
und Bewunderung verwöhnt war.
Sic wußte, daß sie nicht schön war,
und empfand, zurückgesetzt im Vergleich
mit feiner nnbedellteirden Kraft, die ihr
bezeigte Theilnahme um so wohlthuen
der. Doch auch Wol'S Aufmerksamkei
ten Ware» von ihr nicht als über das
Maß gewohnter Beifallsbezeigung hin
ausgehend geschätzt worden, obwohl si
chln gegenüber sich wärmer und im Ge
dankenaustausch hingebender erwies.
Einc Art von Freundschaftsbund bildete
sich unter beiden. Sie hatten sich das
Wort gegeben, aufrichtig, offen und
ehrlich zueinander zu sein. Man glaubte
von beiden Seiten in Betracht der wech
selseitigen Verhältnisse hierzu imstande
zn sei». In den Kreisen, in welchen
Wolf und Betty verkehrten, kannte man
diefeS Verhältniß und würdigte eS
was in ähnliche» Fällen kaum geschieht
richtig. ES entbehrte zwar nicht ei
ner gewissen Romantik, aber eS war
dennoch so natürlich nnd nnbefangcn,
daß niemand jemals eine tiefere Nei
gung, die schon durch die hoffirungcr
weckende Zukunft dcS reichen jungen
Mannes und dic gcringe AirzichnngS
kraft dcr äußcri> Rcizc dcs ältcrn Fräu
leins ausgeschlossen schien.
DaS heißt mich demüthigen! erwi
derte Wolf noch erregter. Deitlinger
am wenigsten ist dessen würdig. Nein,
Bettn, Sie dürfen überhaupt uicht sin
gen
Wic seltsam Sie sind. Ich glaubte
in diesem Wunsche den Zweck Ihrer
Einladung zu crkcnncu.
Nimmermehr! O. wie falsch Sic
mich beurtheilen. Wäre es der Fall,
ich würde kein Opfer gescheut haben,
bezahlte klasissche Musik meiner klei
nen Gesellschaft vorzuführen. Allein,
ich dachte, den höchsten Genuß sür
mich felbst eiiizuhcimscn, wenn Sie
wenn Sie ans Liebe zu mir sich herab
lassen wollten
Nun wohl ich bin bereit.
Nein, nein! Ich mag cs den andern
nicht gönne».
Sie verstummte. Nach einer Weile
sagte sie dann: Herr von Bern, Sit
erinnern sich, was wir uns einst in einer
Stunde heitern, frenndfchastlichen Zu
sammenseins uns gelobten. Die Welt
ist falsch, sprachen Sie, wir beide
wenigstens wollen stets offen gegenein
ander sein. Ich versprach es Ihnen nnd
habe meines Wissens Wort gehalten.
ES scheint, als fühlten Sie wegen dieses
Gelübdes heute Reue. Wenn Sic cs
wünschen, werde ich Ihr Versprechen als
ungeschehen betrachten.
Wolsgang kämpfte mit sich selbst.
Sie sagten, ich sei thöricht. Nun wohlan,
ich bin eS. Ich will mich überwinden.
Lassen Sie uns spielen.
Er öffnete den Concertflügel nnd
nahm auf dem Sessel Platz. Fräulein
d'Jsraeli suchte mit einer gewissen Un
ruhe in ihren Noten. Als Wolf dic
rechte Hand auf die Tasten legte, zitter
ten seine Finger. Er drehte sich zu dem
Fräulein um. Sie erinnern mich an
jene Stunde eines glücklichen Zusam
menscins, sagte er leise. Wir sprachen
damals über »laircherlci, was die Her
zen der Menschen bewegt. Sie schenk
ten niir Ihr volles Vertrauen. Si«
sprachen von dem Schein des Glückes,
welcher trüge. Sie nannten die Kunst,
welche Sie übe», einc falsche Freundin,
an die Stelle der Wahrheit setze si«
die Täuschung. Man beneidet mich,
sagten Sie allein ich bin zu beklagen.
Ich selber bin ein Trugbild geworden,
entsremdet jeder wahren Empfindung
durch dic Gewalt, dic mich zwingt,
Schmerz, Glück, Behagen und Leiden
schaft zn heucheln. Ja, und Sie spra
chen wcitcr, Sic empfänden zn jeder
Stunde, was jene schönen Verse der
Dichterin Barbara Glück so rührend
ausdrücken, daß man bei jedem Glücke
sagt: „8» spät!"
Fräulein d'Jsraeli wandte sich ab.
Die Glück Betty Paoli hat recht.
Es ist so, sagte sie tonlos.
„Nein, die Kunst ist keine falsche
Freundin. Sie erhebt, sie veredelt, fic
bannt den Zweifel und ebnet den Pfad
des Leben?. Der Atom Gottes wcht in
ihren Töne» »nd wcht aus ihre» Melo-
Himmels nicht cin Labsal wäre und fein
Leben fristctc.
wußte, daß sie damals von dem falschen
Schein gesprochen, nur in der Absicht,
sich selbst zu täuschen und um die damals
wie heute von Wolf aus dem gewöhnli
chen Geleise in das Gebiet der leiden
schaftlichen Neigung hinübergespiclte
Unterhaltung aus andere Bahnen zu
lenken. Sie reichte dem Baron die
Hand zum Zeichen ihrer Einstimmung.
Sic sendet ihre Boten aus, damit
wir vom Himmel träumen und vom Leid
der Erde erlöst werden. Sie Sie,
theure Betty, sind eine solche Botin.
Wolf war aufgestanden und hatte bei
diesen Worten seinen Arm um ihre
schlanke Hüfte gelegt. Sie widerstrebte
nicht, sie lehnte sich an ihn. Sie thaten
einige Schritte langsam weiter nach dcm
Fcirstcr zn. In der Fensternische,
welche die herabhängenden schweren sei
denen Gardinen verdeckten, standen sie
uud flüsterten leise, nicht achtend, daß
aus der Straße vorbcigchcnde Mcnschen
die beiden Schattengestalten zn beobach
ten Gelegenheit fanden.
Als sie nach kurzer Zeit Hand in
Hand wieder hervortraten, küßte Wolf
ihre Stirn. Nein! sprach er, du darfst
heute nicht singen. Ich werde den
Grund dafür bei Tische nicht verschwei
gen.
Als Wolfs Gäste versammelt waren,
ging man nach einer kurzen, der Unter
haltung gewidmeten Stunde zu Tische.
Es war eine ziemlich gemischte Gesell
schaft von Freunden und Verehrern des
jungen Mannes, Ofsicierc. Künstler,
Literaten. Während die Gäste aus dem
Officicrstande meistens unverhcirathet
waren, erschienen die übrigen, soweit sie
vcrheirathet, mit ihren Frauen. Sie
nahmcn keinen Anstoß daran, daß der
Gastgeber selbst nicht verheirathet war,
so waren Wolfgangs Gesellschaften auch
schon srüher zusammengesetzt und des
halb vielleicht desto beliebter und beleb
ter gewesen. Die Tafel war wohlbe
setzt und bot die ansgewähltcsten Gc<
nüfse, die feinsten Werne. Die Heiter
keit und Fröhlichkeit der Gäste ließ anch
diesmal nichts zu wünschen übrig.
Einen Theil der Unkosten der Unter
haltung trng Frau von Hüter, die ehe
malige Geigenspielerin Sclma Verena.
Nicht, daß sie selbst sehr anregend
sprach, aber sie war die Zielscheibe geist
reicher, harmloser Scherze ihrer Tisch
nachbarn. Diese Scherze steigerten sich
nnd wnrden ausgelassener, je mehr
Selma durch ihre Antworten den Stoff
verdoppelte. Jetzt lachen Sie ver
kündigte sie in ihrer langsamen und ge
dehnten Weisc, warten Sie nur, wenn
ich nach aufgehobener Tafel mein Schatz
kästlein öffne, die Violine hervorhole
und die Prumesche Melancholie vor
trage, dann werden Ihre Augen sich mit
Thränen füllen.
sagte der Professor von Lerbach, indem
?r den Champagnerkelch der Geigenspie
lerin vollschenkte.
Um seine junge Frau aus diesem Fe
gefeuer zu retten, suchte der Assessor von
Hüter das Gespräch ans andere Gegen
schon, wandte er sich an seinen Nachbar,
von dem glücklichen Fang gehört haben,
vc» wir, das heißt die Criminalpolizei,
ilnlängst gemacht haben. Eine sehr
wichtige und folgenreiche Entdeckung,
llm sie zn mache», hab' ich die Ruhe
zwei aufeinander folgender Nächte den
Acten geopfert.
Das muß schon längere Zeit her sein,
vcnn in den beiden letztcn Nächten hast
Sil, wie ich weiß, fest geschlafen.
Ich versichere dir, liebes Kind, der
kommen vom Bureau nicht bemerkt.
Lor längerer Zeit wurde in einem un
serer Vororte ein ehemaliger Commis
lich lierabgckomi»cncr nnd zum Verbre
cher gewordener Mensch, der sich früher
in anständigen Kreisen bewegt hatte. Er
Der Doetor Richard Reinland, der
ziemlich entfernt und schweigsam am
Tisch saß, fuhr bei diesen Worten jäh
zusammen und wurde purpurroth. Nur
Wolfgang bemerkte dies, lächelte zu sei
nem alteu Freund hinüber und legte den
Zeigefingcr ans den Mund, um jenen»
jeine DiseretionH» versichern.
Nun gut, fuhr der Polizeiasscssor
fort, cS schwebte lange Zeit ein »»durch
vriuglichcS Dunkel über diese Äugele
zcnheit. Sie wissen, es gibt auch sür
?>c intelligenteste Polizei Geheimnisse
deren Schieier nicht zu lüsteu ist. Alle
Mühe, den Thäter zu ermitteln, war
vergeblich. Die Sache begann, wie man
;» sagen pflegt, cinziifchlascn. Jetzt
'ndlich ist ein Lichtstrahl in dieses Dun
kel gedrungen. Ein junges bildschönes
Mädchen ja, bildschön ist der richtige
Ausdruck Flora Hagele, die Tochter
:iner Hökerin, die übrigens auch als
zewohilheitsmäßige Hehlerin in dem
schwarzen Register ein Blatt hat, wäh
ceiid die Tochter in der Verbrecherwelt
sen wohldiislendeil Namen der Zimmet
Handschuh führt Flora Hagele also
zieldcte sich bei mir.
(Fortsetzung folgt.)
Tic <?rbschaftstftcilung.
Nestorbe» ist der Bauer KlauS,
heut' koinmt der Herr Notar irr'S HauS,
lind, auf die Erbschaft gierig, fanden
sich ei» die lieben Anverwandten.
ills die Verhandlung nun begann,
Lich bald ein kleiner Streit entspann,
Der einen solchen Fortgang nahm,
Daß es zuletzt zum Raufen kam.
Lrst suchte der Notar zu schlichten,
Doch alsbald mußte er sich flüchten,
Denn die Verwandte» Recht muß
sein
Sie schlugen Alles knrz und klein.
Als Resultat der Keilerei
War'S mit der Erbschaft nun vorbei;
Und dieses ist der Theilung Schluß,
Laß Jeder d'rausbezahlen muß.
Trost. „...Ich sage Ihnen,
Frau Meier, was für einen anstrengen
)en Beruf mein Mann als Polizei
lvachtmcister hat, da machen Sie sich kei
len Begriff! Keine Nacht kommt er
oor zwei Uhr nach HauS!" „Trösten
Sie sich, mein Mann ist kein Polizei
vachtmeister kommt aber auch nicht
früher hcim!"
3
Giu Assc, der bis i» zSftlen kann.
Jcchrtc Rcdaetiori!
Schön! Bis 5. Sic haben det dock»
gelesen, det von dem Asien, den der Na
?cx,l«isiliol tFkarcloii so lange jepiep'
sackt hat, bis er 5 Strohhalme zählen
konnte. Darüber raus aber wurde in
dem Affen der alte Esel lebendig, un
denn stand er wicn OchS am B?rgc un
er konnte nich weiter. Det intcressir«
nn die jcchrtc wissenschaftliche Welt un
jcheuer, die vou dem Zählaffen janz
entzückt is, un dahcr haltc ick ct für
mcinc verdammte Schuld un Pflichtige
keit, allens hier mitzutheilen, wat ick
persönlich nf dem Affengebiete entdeckt
habe.
Ick habe nämlich im Leben einc jroße
Menge von Affen kennen jelernt, die
vielmehr geleistet haben, wie der, womit
der jenannte Jelehrte prahlt. Ick bin
kccn Jclchrtcr, sondern im Jejentheik
ein Jesüllter, aber ick kann Ihnen denn
doch von Affen Dinge erzählen, jejen
dic det biSken Zählen wirklich kecne
Leistung is.
Ick hatte folgende Affen:
1. cenen, der mir uf die Wache
brachte, fo stark war er.
!Z. eenen, der meiner Frau nn Jattin
'ne Jardinenprcdigt von KV Meter
Länge entlockte, so fromm war er.
3. cener, der, als ick mir mit ihm
öffentlich zeigte, eine Menge Menschen
un Schuljungen versammelt», so schön
war er.
4. cener, dcr mir det Schlüsselloch nich
finden licß, damit ich nich nf mcirier
steile» Treppe verunjlücken konnte, s»
klug war er, un
5. eener, der, wie ick mal 'n Hoch
ausbrachte, mir unfähig bis
drei zu zählen, so komisch war- er.
Indem ick bitte, dieses zu veröffent
lichen, det cS der Professor Romanes in
London zu lesen bekommt, wünsche ick
hochachtungsvoll
Muckenich
Romanphrasen. In einem
Roman, welchen die in Brünn erschei
nende „Moderne Dichtung" veröffent
licht, finden sich folgende Redeblumen:
„Ich schielte mit souveränaugenblin
zelnder, beinahe pfiffig schmatzender
Selbstverständlichkeit nach seiner Enkelin
hinüber/" — „Ich erschrak vor diesem
Vipernhaft anfzüiigclndc», in gezackten
ten, graue» Augcn, aus dicsem gleichsam
i» erzener Gliedcrzusammengeschmiegt -
hcit krastvcrrammcltcn Leibe entgegen
zuckte." „Ueber ihr volles, warmes,
kühnes Gesicht zuckte es entrieselnder
und außen hcr glciclmiäßigcr zusammen
sprudelnd." —„Der Wind blies jetzt in
spitzkugclig hinausgewölbten Sturm -
röhren daher, jetzt klatschte er sich Einem
gegen den Leib wic ein platter, in nie
chanisch ansgezogcncm Rkytmus korrekt
taumelnder Papierdrache." „Dora war
von blutrother, iu breiten Lappen hin»
schießender Glnth überbrüht." —„Vom
schmutzig graurotheii Pflaster heraus
kam es unangenehm seuchtvrickelnd, unk
doch kroch eine dunstige Schwüle in ge
schärsthaarigcn Einschlagsreizen an
meinem Leibe in die Höhe, eS sraß unt»
erlassen, einen Löwen, einen Tiger, ei
nen Büffel und eine große Schlange zn
erlegen. Zu dem »iröuungseereinonicll
Theil dcsHcrzenS der drei erstgenannten
Thicrc ißt, damit cr Muth bekommt.
Dann wird er mit Schlaiigenfett ge
salbt, damit ihn Niemand verzaubern
sich zwischen die Hörner zn setzen, ange
than am ersten Tage mit dem Fcll des
Löwen, ain zweiten mit dem Fell des
nackt aus seinem Kraal treten und sich
dem Volk des Swazis zeigen, die von
allen Theilen des Landes hcrbeikom'
rnen, um ihn als „Byate", d. h. König,
zu begrüßen und ihn mit großer Löwe.
Tiger n. f. w. anzureden. Die Häupt
lingc oder JndunaS schenken dein König
Jeder ein Stück Vieh, damit er für den
Ansang genug hat.
Ein junger Mann hatte,
so erzählt der Stadtanzeiger d. Köln.
Ztg.,an einem abgelegenen WegezuNip
peS bei Köln ein HauS gemiethet und
dieser Tage mit dem Einzug begonnen.
Um Dicbe, welche demselben während
seiner Abwesenheit einen Besuch zu ma
chen versuchen können, zu verjagen.
nen Revolver ai> und band an dessen
Abzug eine Schnur, dic cr am untere»
Ende derart befestigte, daß beim Ans
drücken der Thüre ein Schuß fallen
mußte. Beruhigt ging cr dann feiner
Wege. Als cr iiuu wieder zu feiner
ncnen Wohnung zurückkehrte, fand er
Da hab' ich meiner vorige» Gnädigen
extra a' paar Visitenkarten geschnipt, um
mir auf ihren Namen 'was aus den
Geschäften zu holen— und jetzt gibt mir
kein Mensch 'was darauf!"